Ganz ohne Gift gegen die Kirschessigfliege

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Waiblingen UND UMGEBUNG
Nummer 187 – WNR3
Samstag, 15. August 2015
B5
ZVW-Sommertour ins Öko-Weingut Schmalzried
Hermann Schmalzried verkündet das Grundprinzip vor seinem Wengert, in dem er Kartoffelgold schürft: Die Bodenfruchtbarkeit sei der Dreh- und Angelpunkt.
Bilder: Habermann
Ganz ohne Gift gegen die Kirschessigfliege
Der Korber Öko-Weinbauer Hermann Schmalzried erklärt den Unterschied zwischen konventionellem und ökologischem Weinbau
Von unserem Redaktionsmitglied
Hans-Joachim Schechinger
Korb.
Ökologie muss man erklären, sagt
Wengerter Hermann Schmalzried. Aber
man kann sie auch mit Händen greifen. Der mit Kompost angereicherte
schwarze Humus, auf dem keine
schweren Maschinen fahren, die die
Erde pressen, war für Fachleute unserer Lesertour der Beweis für hohe Qualität. „Bodenfruchtbarkeit ist das wichtigste Gut“, sagt Schmalzried. Seine zertifizierten Kartoffeln danken es ihm.
Der Andrang zu unserer Sommertour ins
Öko-Weingut Schmalzried war enorm. Bei
den mehr als 90 Anmeldungen musste deshalb das Los entscheiden. Wer das Glück
hatte teilzunehmen, war baff, was Betriebchef Hermann Schmalzried an Witzigem
und Wissenswertem zur naturnahen Bewirtschaftung seiner zehn Hektar und zum
Ausbau des Rebensafts nach strengen ökologischen Richtlinien zu erzählen wusste.
So muss der grüne Mitstreiter und Ministerpräsident Winfried Kretschmann gestaunt
haben, als er bei Schmalzried im Stüble saß
und erfuhr, dass der Mann mit Schülern der
Gemeinschaftsschule seit Jahren eine erfolgreiche Weinbau-AG betreibt.
Unsere Sommertourler lernten, dass ein
Öko-Wengerter mit zertifzierten Kartoffeln
im Weinberg Gold aus nichts machen kann.
Ackergold, das von der auf den Erdboden
träufelnden Spitzbrühe gegen den Mehltau
der Reben profitiert und in sechs Rebgassen, die Kartoffeln reserviert sind, eine
„wunderbare Gare“ entstehen lässt. Dass
sein Maschinenpark aus sieben unverwüstlichen Oldtimern, darunter einem Eicher-
Schlepper, Baujahr 1957, besteht, die er
niemals gegen einen schweren 100-PS-Fend
tauschen würde, wunderte keinen. Der
Mann repariert seine Geräte nämlich selber, Kein Kunstück, weil noch heute gelte
was schon immer galt: Dass man eine
Schraube nach rechts dreht.
Das Korber Öko-Weingut ist drei Mal
zertifziert. Jährlich eingehend kontrolliert
wird der Betrieb vom Institut „Lacon“, das
den Betrieb nach EU-Öko-Richtlinien
prüft. Ferner vom Bundesverband ECOVIN, zu dessen Mitbegründern Hermann
Schmalzried zählt, und von der Bio-Marke
Demeter, die von allen dreien die strengsten
Richtlinien zur biologisch-dynmaischen
Wirtschaftsweise aufstellt. Deren Einhaltung wird bei sogenannten „Hofgesprächen“ ermittelt. So erlaubt Demeter keine
Insektizide gegen die Kirschessigfliege.
„Giftaktionismus“ gegen
die Kirschessigfliege
Diesen vergangenes Jahr nach dem warmen
Winter aufgetauchten neuen Gegner bekämpfte Schmalzried nicht mit chemischen
Kampfmitteln, sondern natürlich: Hygiene
und Entblättern. „Wir sind einer der wenigen Betriebe, die kein Gift eingesetzt haben“, betont der Seniorchef. Mitte der 70er
Jahre hatte der Weinbautechniker als erster
in Württemberg auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Davon will er um
kein Jota abrücken. „Bei der Kirschessigfliege haben andere unappetitliche Sachen
verwendet“, sagte er bei der Diskussion mit
WKZ-Lesern. „Da ist sehr viel Vertrauen
der Verbraucher in die Wengerter kaputtgegangen. Bei uns gibt es leider oft einen
Gift-Aktionismus.“ Wenn vergangenes Jahr
noch am 3. Oktober mit Insektizieden im
Wengert hantiert wurde, während der
Nachbar schon herbstete, sei das einfach
nicht akzeptabel.
Den Einsatz von Herbiziden, Insektiziden
und Pestiziden untersagen jene fünf Verbände in Deutschland, die Öko-Zertifikate
vergeben; Naturland, Bioland, Demeter,
ÖKOVIN und ein Verband auf der Ostalb.
„Die Betriebe müssen sich ständig kontrolieren lassen“, erklärt der Seniorchef. Bei
Demeter ist etwa auch die Zugabe von Tannin untersagt. Wie lange es brauche, bis ein
Betrieb, der umstellt, so ein Zertifikat erhält, wollte ein Leser wissen. „Drei Jahre“,
sagte Schmalzried, „das war ein Kompromiss.“ Bisher habe ein einziges Mitglied von
ECOVIN das Gütesigel wieder eingebüsst,
ein Fall, der 20 bis 30 Jahre zurückliege.
Der Chef dieses Weinguts, der viel auf Messen unterwegs war, hatte die Verantwortung im Wengert ausländischen Angestellten überlassen, die das Pflanzenschutzmittel Glykozin einsetzten. „Der Hauptgrund
für Sanktionen in den Verbänden ist aber,
dass nicht richtig dokumentiert wird“, sagt
Schmalzried. Der Kontrolle unterliegt jedes
Moasiksteinchen im Gesamtbetrieb. Bei
seinen sechs Hühnern, die Schmalzried im
Wengert hielt und die der Fuchs holte, wurden die Kontrolleure hellhörig: Wo kommen
die her? Wenn er einen Lohnabfüller für seinen Secco beauftragt, muss laut Reglement
auch der zertifziert sein.
Was ist mit Öko – wenn der
Nachbar gnadenlos spritzt?
Ein Leser hakte nach: Was passiere eigentlich, wenn ein Öko-Wengerter in seinem
Weinberg alle Richtlinien streng beachte,
aber der Nachbar sprühe Chemie auf Teufel
komm raus? „Was ist dann mit Öko?“ Der
Winzer nennt den Kollateralschaden auf
der Nachbarparzelle „Abdrift“. „Wir haben
als einziges Bundesland auf Anregung der
Öko-Wengerter ein Kontrollsystem, die
Nachbarn
zu
untersuchen“,
klärte
Schmalzried auf. Diese Proben am Stock
würden vor Ort genommen und im Chemischen Veterinäruntersuchungsamt in Fell-
bach analysiert. Bei Untersuchungen seiner
Weinberge, die oft Randlagen sind, sprich
nur einen Nachbarn haben, habe sich gezeigt, dass die erste Reihe von Chemie betroffen war, „die zweite aber kaum noch
und die dritte war in Ordung.“ Die Controlling-Ergebnisse würden veröffentlicht. Gesetzlich zulässig, so Schmalzried, sei für
Ökoweine ein Anteil chemischer Substanzen bis zu maximal 0,012 ppm (Parts per
Million). Ein Experte im weißen Kittel habe
ihm erklärt, würde die Queen Mary mit ihren 160 000 Bruttoregistertonnen von ihrem
Kapitän betreten, der 160 Kilogramm
wiegt, so könnte das Labor sogar den Anteil
an Gift ermitten, dem das Bäbberle auf der
Kaptiänsmütze entspricht. „0.012 ppm, das
ist die Grenze, ab der der Daumen nach
oben oder nach unten geht“.
Ein 2,5 Tonnen schwerer
Fend wirkt wie eine Dampfwalze
In seinem kurzweiligen Vortrag erklärte der
Geschäftsführer nicht nur, wie man gegen
Mehltau ein Öko-Präparat aus Salat-Öl,
Senf und Backpulver anrührt. Ist ganz einfach und verlangt beim Umrechnen auf
kleinere Mengen nur Kopfrechnen. Im
Wengert durften die Sommertourler aus einem Kartoffelstreifen zertifizierte Krombiera aufklauben und die Knollen im Körble mit heim nehmen. Hier vor Ort erklärte
Hermann Schmalzried noch einmal, warum
Bodenfruchtbarkeit der Dreh- und Angelpunkt im ökologischen Weinbau ist. Ein guter Boden sei locker, habe Luft und könne
Wasser aufnehmen. Deshalb verzichtet der
Wengerter auf den Einsatz schwerer Maschinen, die Schaden anrichten, weil sie aus
„Luftschokolade Blockschokolade machen“. Wozu einen 100 PS starken Fend
kaufen, der 2,5 Tonnen wiegt und durch die
Rebgasse wie eine Straßenwalze rollt? Der
Boden, in dem sein Kartoffelgold wächst,
beweist, dass die Rechung aufgeht.
Unsere Leser klauben Kartoffeln auf.
Das Viertele zum Salzkuchen durfte nicht fehlen.
10 Hektar Rebflur
� Das Weingut Schmalzried bewirt-
schaftet seit mehr als 100 Jahren nachweisbar seine Weinberge in Korb.Vvermutlich reicht diese Familientradition
aber noch weiter zurück. Das Unternehmen bewirtschaftet heute 10 Hektar auf den Großlagen Korber Kopf,
Hanweiler Berg und Kleinheppach
und baut die Weine nach den strengen
Demeter-Prinzipien aus.
� Hermann Schmalzried entschied
Was der Pionier des württembergeischen Weinbaus so erzählte, war nicht nur erhellend, sondern auch sehr erheiternd.
sich 1975, seine Flächen auf kontrolliert biologischen Weinanbau umzustellen und war damit das erste Öko Weingut in Württemberg. Als Mitgründer des EcoVin-Verbandes bewies er
schon damals Weitblick. Bis heute
produziert das Weingut in Spitzenlagen Weine, die auch bei unseren
Lesern gut ankamen.
Schmalzried rührt ein präparat gegen Mehltau an.