Die Entwicklung von Kindern wahrnehmen, verstehen und begleiten

Die Entwicklung von Kindern
wahrnehmen, verstehen und begleiten
Univ.-Prof. Dr. Eva Dreher
LMU München / SFU Wien
Fachtagung für elementare Bildung 2015
Freiheit und Grenzen in der Elementarpädagogik,
Graz, 8. Sept. 2015
[email protected]
Die Entwicklung von Kindern
wahrnehmen, verstehen und begleiten
 Freiheit und Grenzen entwicklungstheoretische Perspektiven
 Alterskorrelierte Entwicklung
im Elementarbereich
 Professionelle Begleitung
von Entwicklungsprozessen
Freiheit
Grenzen
Entwicklungspsychologische Perspektive
Raum für Entwicklung

Ko-Agieren von Kindern und Erwachsenen
Anlage
Umwelt
aktive Selbstgestaltung
Aufbau von Entwicklungsressourcen
 internale Komponenten: Entwicklungslage
 externale Komponenten: Entwicklungskontexte
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Grenzen
Freiheit
Topologische Definition
Raum für Entwicklung
offener
Raum
geschlossener
Raum
entwicklungsgemäß
als Anpassung an die bereits
vorhandene Entwicklungslage
‚to match‘ (übereinstimmen / entsprechen)
entwicklungsgemäß
als ‚Passung‘ i.S. der Generierung
von Bedingungen, die eine
Veränderung hervorbringen
‚to fit‘ (ermöglichen, Schlüssel-Schloss-Metapher)
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Grenzen
Freiheit
Basisbedürfnisse als Motivsystem
Basic needs of human growth
(Deci & Ryan, 2000)
Soziale
Einbindung
Kompetenz
Autonomie
● Basisbedürfnisse unterliegen einer entwicklungsbezogenen Differenzierung.
● Basisbedürfnisse regulieren Selbstgestaltung im Entwicklungsprozess.
● Basisbedürfnisse sind kontext- und kulturübergreifend.
Entwicklungsbedürfnisse
Soziale Einbindung
Kompetenz
Autonomie
motivationale und regulative Aktivitäten
 Erfahrung von Nähe,
Schutz und Sicherheit
 Handlungseffizienz
 Anpassung an Regeln und
kulturelle Standards;
Internalisierung von
Normen und Werten
 Aufsuchen von Neuem, von
Herausforderungen
 Anwenden von Fähigkeiten
 Prosoziales Verhalten
Kontaktnahme, Konfliktregelung, Kommunikation
 Erfahrung von Selbstwirksamkeit; handlungs- / zielbezogene Rückmeldung
 Selbstregulation:
sprachliche Begleitung
emotionale Kompetenz
 Perspektivenübernahme
Empathie; Unterschiede
respektieren
 Flexible Bewältigungsstrategien, Belohnungsaufschub, Probemlösen
 Dezentrierung:
Perspektivenwechsel;
ego- vs. soziozentrisch
 Soziale Aufgaben / Verantwortung übernehmen
 Nutzung von Ressourcen
(person-, situationsbezog.)
 Ich-Bewusstheit, Selbstwert,
Reflexivität
Selbstakzeptanz
Selbstwert
(competence motivation)
(mastery-motivation)
 Impulskontrolle
Reaktivität - Intensität
 Aktive Selbstkontrolle
Aufmerksamkeit fokussieren,
verlagern, unterdrücken;
Selbstbeobachtung
Selbständigkeit
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Alterskorrelierte Entwicklung
Kleinkindalter  Kindergarten- / Vorschul- / Schulalter  Mittlere Kindheit
Kleinkindalter
Kindergarten- / Vorschulalter
Mittlere Kindheit
Schulalter
2 Jhr. - 3 Jhr. - 4 Jhr. - 5 Jhr. - 6 Jhr. - 7 Jhr. - 8 Jhr. - 9 Jhr. - 10 Jhr.
Juvenil Transition
Beginn:Pubertät
Entwicklungslage
physiologisch
kognitiv
emotional /
motivational
Selbstkonzept
sozial
Entwicklungsprozesse
Bereichsspezifische
Individuelle
Kontextspezifische
Anforderungen
Entwicklungsfortschritte
Einflussfaktoren
kontinuierlich / diskontinuierlich
Tempo / Verlauf
förderlich / hemmend
 Entwicklungsaufgaben
 Übergänge
 kritische Lebensereignisse
 Früh- / Spät-Entwicklung
 Regression / Progression
 Familie / Geschwister
 Gleichaltrigengruppe
 Wohnumwelt
 Institutionen
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Bereichsspezifische Entwicklungsfortschritte
 Körperliche Entwicklung
- Grobmotorik / Feinmotorik
- Kraft / Ausdauer / Tempo / Koordination / Geschicklichkeit (Alltagshandeln)
 Kognitive Entwicklung
- Präoperationale Stufe des Denkens (Jean Piaget)
- Informationsverarbeitung: Aufmerksamkeit / Gedächtnis / Wissenserwerb
- Verstehen von mentalen Zuständen
 theory of mind (Beginn 3 Jhr.) / Beginn der Metakognition (4 Jhr.)
 Sprachkompetenz
- Zunehmende Sprachfähigkeit (Wortschatz, Grammatik)
- Begriffsbildung; Sprachverstehen, Sprachgebrauch
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Bereichsspezifische Entwicklungsfortschritte
 Emotionale / motivationale Entwicklung
- Wissen über positive / negative Emotionen (sprachliche Etikettierung)
- Bewusstheit gegenüber eigenen / fremden Emotionen
- Zunahme von Empathie
- Selbstwirksamkeit / Leistungsmotivation (Erfolg-Misserfolg)
 Soziale Entwicklung
- prosoziales Verhalten (sich anpassen, sich behaupten)
- Kontakte mit Gleichaltrigen (Spielverhalten; Auswahl der Peers)
- Erwerb von Regeln und moralischen Normen
- Interaktionserfahrung / Modell-Lernen
 Selbstkonzept
- Ich-Bewusstheit / Differenzierung der Selbstperspektive
- Entwicklung von Geschlechtsidentität
- Selbstwert: Empfindsamkeit gegenüber Lob und Tadel
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Architektur des kindlichen Weltbildes
Das Kind generiert im aktiven Umgang mit Personen und Dingen
Erfahrungskategorien, die es zueinander in Beziehung setzt.
unmittelbare
Erfahrung
mittelbare
Erfahrung
Relation als
operatives Prinzip
vermittelte
Erfahrung
Zentrale Elemente im kindlichen Weltbild
Sprache
Spiel
- Wortschöpfungen
- ‚wörtliches‘ Sinn-verstehen
- spontane Fragen
- Symbolspiel
- Sozialspiel / Rollenspiel
- Regelspiel
Lernen  Curriculare Bildung
Breites Spektrum an Fähigkeiten
(motorisch, kognitiv, emotional, sozial)
Kriterien der Schulfähigkeit
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Entwicklungskontext ‚SCHULALTER‘
Kriterien der Schulfähigkeit
physiologisch /
körperlich
kognitiv
emotional /
motivational
sozial
Selbstkonzept
Schule als Entwicklungsumwelt
- Rahmenbedingungen der
Institution
- Erziehungs- / Entwicklungsphilosophie
- Soziale / personelle Organisation
- Methodisch-didaktische
Unterrichtskultur
- Fachspezifische Curricula
- Sach- und personbezogene
Anforderungsprofile
- Maßnahmen der
Kompetenzförderung
- Kriterien der Leistungsmessung
und -beurteilung
- Personspezifische Lebenskontexte
(ökologisch, ökonomisch, sozial)
- Individuelle Fähigkeitsprofile
- Systembezogene Passung
(Schulklasse, Peergruppe, L-SRollenstruktur)
- Koordination schulinterner und
-externer Interessen / Aktivitäten
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Begleitung von Entwicklungsprozessen
Erwachsene als Entwicklungsmentoren
für Kinder und Jugendliche (Bronfenbrenner, 1988)
„Ein Mentor ist eine ältere, erfahrenere Person, die die Entwicklung des Charakters und der
Kompetenzen einer jüngeren Person fördert. Er leitet sie an, sich Fähigkeiten anzueignen, die der
Mentor bereits kompetent beherrscht. Die Führung erfolgt durch Veranschaulichung, Anleitung,
Herausforderung und Ermutigung über einen längeren Zeitraum hinweg. (Bronfenbrenner 1988, zitiert
nach Hamilton & Hamilton, 2004, S.396)
Zentrale Merkmale der Mentorenbeziehung
Vertrauen
Konzept der Umwelt
 Zuverlässigkeit
 Vorhersagbarkeit
 Vertrauenswürdigkeit
Wohlwollen
Beziehungserfahrung
Kompetenz
Konzept der eigenen Person
 Sicherheit, Selbstwert,
 Selbstwirksamkeit, Autonomie
 Kompetenzerfahrung
Begleitung von Entwicklungsprozessen
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Begleitung von Entwicklungsprozessen
(Fördern und Fordern)
Entwicklungskontext: autoritativer Interaktionsstil
 Information und Erklärung
 Gewährung von Autonomie
 Bestätigung / Anerkennung
 Anregung zu selbständiger Problemlösung
Dreher & Dreher, 1996
Beziehungserfahrung
Entwicklungskontext: Mentoring
-
Emotionale Bindung durch gegenseitiges Vertrauen
Verfügbar sein, sich kümmern, Zeit widmen
Lebenserfahrung, Empathie
Persönlichkeitsentwicklung; Modell-Wirkung
Förderung der Kompetenz-Entwicklung
Ermutigung, Stärkung des Selbstwertes
DuBois & Karcher, 2005
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Begleitung von Entwicklungsprozessen
Entwicklungspotential
Entwicklungslage
Entwicklungsorientiertes Lernen
Stufen der Unterstützung
(Rogoff, 1990)
Konzept der proximalen Entwicklung
Zone nächster Entwicklung
(Wygotski, 1987)
 Auf Fortschritte des Kindes achten!
 Die Hilfestellung an die Leistung des Kindes anpassen
 Entdeckungslernen unter Anleitung
 ‚gelenkte Teilhabe‘ (scaffolding)
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Entwicklungsorientiertes Lernen
Stufen der Unterstützung (Rogoff, 1990)
1. Interesse wecken für eine Tätigkeit bzw. Aufgabe!
2. Vereinfachung der Aufgabe: Reduktion der Schritte auf ein für das Kind
zu bewältigendes Maß!
3. Das Kind anregen, mit Interesse bei der Sache zu bleiben!
4. Beobachten / erfassen wichtiger Diskrepanzen zwischen
Aufgabenausführung des Kindes und der optimalen Lösung!
5. Schwierigkeiten, Hindernisse und Frustration im Auge behalten!
6. Schrittweise die vollständige Ausführung der Tätigkeit aufbauen!
 Auf Fortschritte des Kindes achten!
 Die Hilfestellung an die Leistung des Kindes anpassen!
Konzept der proximalen Entwicklung (Wygotski, 1987)
 Entdeckungslernen unter Anleitung
 Die Interaktion zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Personen
beeinflusst die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben.
 Durch ‚gelenkte Teilhabe‘, d.h. durch kompetenzangemessene Unterstützung
(scaffolding) kann die „Zone nächster Entwicklung“ (Wygotski, 1987)
erreicht werden.
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Programmatik entwicklungsorientierter Intervention
Qualitätsstandards der
Förderung / Optimierung
Entwicklungsorientiertes
Mentoring
 Förderung von Eigenaktivität
 Zugestehen von Handlungsspielraum und Aufzeigen von
Begrenzungen
 Wertschätzung und
Anerkennung von Fortschritt
Praxistransfer
Bio-psycho-soziale
Ressourcen / Kompetenzen
Entwicklungsziele
 Selbstwert und Selbstvertrauen
 Realistisches Selbstkonzept
und Selbstakzeptierung
 Perzipierte Verantwortlichkeit
für das eigene Verhalten
 Selbstregulation und
Selbstreflexion
 Regulierung von Autonomie
und externer Kontrolle
Fachtagung für elementare Bildung – Graz, 8. September 2015
Handle stets so,
dass die Zahl der Möglichkeiten wächst!
Heinz von Foerster (1986)