August 2015/Private Klienten Die neue Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) Was ändert sich im Erbrecht? Überblick über die wichtigsten Regelungen der neuen EU-Verordnung zur Abwicklung grenzüberschreitender Nachlässe von Prof. Dr. Stephan Scherer und Dr. Martin Feick Ab heute, dem 17. August 2015, wird in den EUMitgliedstaaten die neue Europäische ErbrechtsVerordnung (EuErbVO) gelten, die wesentliche zivilrechtliche Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen umfasst. Dabei vereinheitlicht die Verordnung nicht das Erbrecht der Mitgliedstaaten, sondern bestimmt für Todesfälle mit grenzüberschreitendem Bezug, welches mitgliedstaatliche Recht auf den Erbfall anzuwenden ist und welcher Mitgliedstaat für Entscheidungen über den Erbfall zuständig ist. I. Hintergrund Bisher war die Regelung des internationalen Privat- und Verfahrensrechts auf dem Gebiet des Erbrechts den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten. Rechtsberater und Mandanten sahen sich so einer Vielzahl komplexer und schwer durchschaubarer Regelungssysteme ausgesetzt, die eine europaweite und einfache Nachlassplanung oftmals unnötig verkomplizierten. Diese Hindernisse, die dem freien Personenverkehr in der Union sowie dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes entgegenstehen, so der EU-Gesetzgeber, soll die neue Erbrechtsverordnung beseitigen und es den Bürgern des europäischen Rechtsraums so ermöglichen ihren Nachlass künftig unproblematisch im Voraus zu regeln und mehr Klarheit für den Rechtsanwender zu schaffen. Die Verordnung gilt in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks, Irlands und Großbritanniens für die erbrechtlichen Folgen von Todesfällen, die sich ab dem 17. August 2015 ereignen. Vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind Fragen, die eine Besteue- rung des Nachlasses betreffen sowie Fragen des Ehegüterrechts. Die steuerlichen Folgen eines Erbfalls richten sich daher auch weiterhin nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. II. Anwendbares Recht Für die künftige Nachlassplanung im europäischen Raum am wichtigsten sind sicherlich diejenigen Vorschriften der Verordnung, die bestimmen, welches Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen bei einem Versterben des Erblassers im EU-Ausland Anwendung findet. 1. Zukünftig: Recht des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts als grundsätzlich anzuwendendes Recht Liegt keine Rechtswahl des Erblassers vor, so gilt nach Art. 21 Abs. 1 der EuErbVO, dass die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht desjenigen Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Darin findet sich zugleich die bedeutendste Änderung im Vergleich zum momentan geltenden deutschen Recht. Hier wurde bisher das Recht des Staates für anwendbar erklärt, dem der Erblasser im Todeszeitpunkt angehörte. Dagegen bricht die EuErbVO mit diesem, in vielen europäischen Rechtsordnungen traditionell verankerten sog. Staatsangehörigkeitsprinzip und führt stattdessen das sog. Aufenthaltsprinzip ein. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts kommt es vor allem auf dessen Dauer und Regelmäßigkeit an. Aber auch andere Umstände wie familiäre oder soziale Bindungen der Person am Aufenthaltsort können hier maßgeblich sein. 2 Damit wird es zukünftig bei einem dauerhaften Umzug des künftigen Erblassers ins Ausland nicht nur zu einem Orts-, sondern auch einem „Rechtswechsel“ in Bezug auf das Erbrecht kommen. Dieser wird den betroffenen Personen jedoch sicherlich weniger bewusst sein als bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit. Zieht also beispielsweise ein Deutscher nach Mallorca um, um dort seinen Lebensabend zu verbringen, so findet künftig spanisches Erbrecht Anwendung. Nach bisherigem Recht hätte deutsches Erbrecht Anwendung gefunden. Von dieser Regel gibt es eine Ausnahme: Hat der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem seines gewöhnlichen Aufenthalts, so kann das Recht dieses Staates auf die Regelung seines Nachlasses Anwendung finden. Aber auch der Begriff dieser offensichtlich engeren Verbindung ist im Wesentlichen nicht einfacher zu bestimmen als die des gewöhnlichen Aufenthalts. Personen, die ihren Nachlass bereits jetzt sicher regeln wollen und bei denen ein etwaiger späterer dauerhafter Auslandsaufenthalt beispielsweise in einem Feriendomizil nicht ausgeschlossen ist, ist daher wegen der genannten Schwierigkeiten und Unsicherheiten zu empfehlen, die von der Verordnung geschaffene Möglichkeit der Rechtswahl zu nutzen, indem sie in ihrer letztwilligen Verfügung das anwendbare Recht bestimmen. 2. Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts Einem jeden Bürger, in dessen Heimatstaat die neue EuErbVO gilt, steht es frei, als das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht das Recht seiner Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt, sein sog. Heimatrecht, zu wählen. Mit einer solchen Rechtswahl kann also bewusst von der Anwendung des o.g. Aufenthaltsprinzips abgewichen werden. Personen, die im Todeszeitpunkt mehrere Staatsangehörigkeiten besitzen, können grundsätzlich unter den verschiedenen nationalen Rechten ihrer Staatsangehörigkeiten auswählen. Eine Rechtswahl muss in einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich konkludent aus einer darin enthaltenen Bestimmung ergeben. Aber auch wenn der Erblasser eine solche Verfügung von Todes wegen nicht trifft und es bei der gesetzlichen Erbfolge belässt, kann er in einer isolierten Erklärung eine Wahl zugunsten seines Heimatrechts vornehmen. Zu beachten ist, dass sich eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO, ebenso wie die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach dem gewöhnlichen Aufenthalt einer Person, immer auf die gesamte Rechtsnachfolge bezieht (sog. Prinzip der Nachlasseinheit). Eine Nachlassspaltung wird es daher grundsätzlich nicht geben. Auch eine Rechtswahl nach der bisherigen deutschen Vorschrift des Art. 25 Abs. 2 EGBGB, die auf im Inland belegene Immobilien beschränkt ist, wird künftig unwirksam. Hier müssen mit Wirkung zum 17. August 2015 gegebenenfalls Änderungen bereits bestehender Testamente und Rechtswahlerklärungen vorgenommen werden. Entspricht eine bereits vorliegende Rechtswahl jedoch schon jetzt den Bestimmungen der EuErbVO bedarf es in Zukunft keiner Änderungen (Art. 83 Abs. 4 EuErbVO). II. Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen Auch im Rahmen der Bestimmung des für die Nachlasssache zuständigen Gerichts hat sich auf europäischer Ebene nun das Aufenthaltsprinzip durchgesetzt. Nach Art. 4 der EuErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für den Fall, dass der Erblasser keine Rechtswahl getroffen hat, entsteht damit ein Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Dies hat die vom Gesetzgeber durchaus erwünschte Folge, dass in der Mehrheit der Fälle die zuständigen Gerichte das ihnen am besten vertraute eigene Recht anwenden. Dies bietet für die Parteien oftmals den Vorteil eines kostengünstigeren und weniger aufwändigen Verfahrens. Auch für die Rechtswahl sieht Art. 5 Abs. 1 EuErbVO die Möglichkeit einer entsprechenden Gerichtsstandsvereinbarung durch die betroffenen Parteien vor. Hiernach kann von den hinterbliebenen Angehörigen des Erblassers bei Vorliegen einer Rechtswahl vereinbart werden, dass das für die Erbsache zuständige Gericht das Gericht des Staates ist, dessen Recht vom Erblasser gewählt wurde. Der Erblasser selbst kann in seiner letztwilligen Verfügung nicht (einseitig) eine Gerichtsstandswahl treffen. Die Zuständigkeit der Nachlassgerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers kann sich aber auch auf die Bindungswirkung von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten auswirken. Diese Bindungswirkung kann bei Wegzug des (Vertrags-)Partners ins Ausland unter Umständen beseitigt werden. Dies gilt insbesondere, wenn eine fremde Rechtsordnung eine solche Bindung durch einen 3 früheren Erbvertrag oder durch ein früheres gemeinschaftliches Testament nicht kennt und daher keine prozessualen Vorkehrungen zur Durchsetzung der Bindung vorsieht. Ein nach deutschem Recht geschlossener Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament kann so aufgrund eines neueren Testaments des (Vertrags-)Partners, das dieser nachträglich im Ausland an seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt geschlossen hat, unangewendet bleiben, wenn keine anderweitigen Maßnahmen zum Schutz der Bindungswirkung getroffen werden. Eine Entscheidung, die in einer Nachlasssache von einem Gericht eines anderen EUMitgliedstaats ergangen ist, muss, wie in den von den europäischen Verordnungen geprägten Rechtsgebieten inzwischen allgemein üblich, grundsätzlich von jedem anderen Mitgliedstaat ohne besonderes Verfahren anerkannt und dort vollstreckt werden (Art. 39 EuErbVO). III. Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) Als ein weiteres Instrument zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Abwicklung von Erbfällen sieht die EuErbVO die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) vor. Das ENZ wird auf Antrag der Personen ausgestellt, die sich als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter auf ihre Rechtstellung als solche bzw. auf daraus erwachsende Befugnisse berufen wollen. Es tritt damit als unionsweit anerkannter, einheitlicher Erbnachweis neben den deutschen Erbschein, der als solcher aber auch in Zukunft erhalten bleibt. Das ENZ kann die Geltendmachung etwaiger Ansprüche und Rechte nach einem Erbfall im EU-Ausland wesentlich vereinfachen. Langwierige Anerkennungsverfahren sowie kostspielige amtliche Übersetzungen des nationalen Erbnachweises können so vermieden werden. Zuständig für die Ausstellung eines solchen Zeugnisses sind in erster Linie die Behörden des Mitgliedstaates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. IV. Praktische Folgen Die Zahl unbemerkter Wechsel der auf den Todesfall anzuwendenden Rechtsordnung wird durch die weitgehende Einführung des Aufenthaltsprinzips mit der EuErbVO stark zunehmen. Von erheblicher Bedeutung sind die genannten Neuerungen daher insbesondere für zwei Personengruppen: Einerseits ist an Personen zu denken, die aufgrund ihrer Arbeit auch in einem anderen EU- Mitgliedstaat leben und so genau genommen mehr als einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Andererseits werden insbesondere Privatpersonen betroffen sein, die entweder ganz oder doch viele Monate im Jahr in einem anderen EUMitgliedstaat leben wollen. Im ersten Fall ändert sich für die Personen das anwendbare Recht, im letzteren Fall wird eine eindeutige Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts zur Feststellung des auf die Rechtsnachfolge anwendbaren Rechts im Rahmen der EuErbVO oftmals scheitern und somit zur Rechtsunsicherheit führen. Um eine sichere Nachlassplanung zu ermöglichen und eventuellen Schwierigkeiten vorzugreifen, ist es daher gerade in solchen Fällen empfehlenswert, die von der EuErbVO geschaffene Wahlmöglichkeit durch eine Rechtswahlerklärung im Testament oder Erbvertrag rechtzeitig zu nutzen. Aber auch demjenigen, der anderweitig auf die ggf. günstigeren Regelungen des heimatlichen Erbrechts, wie beispielsweise ein liberaleres Pflichtteilsrecht, nicht verzichten möchte, ist zu einer Rechtswahl zu raten. Denn nach den Vorschriften der neuen EuErbVO könnte es im Falle eines späteren Umzugs zwecks eines dauerhaften Altersruhesitzes im EU-Ausland häufig zu einem unerwarteten Wechsel der Rechtsordnung kommen, der sich im Zweifel erst im Erbfall, d.h. dann wenn es „zu spät“ ist, bemerkbar machen wird. Wir empfehlen Ihnen, Ihr Testament dahingehend zu überprüfen, ob darin eine Rechtswahl enthalten ist. Ist dies nicht der Fall und halten Sie sich regelmäßig im Ausland auf, sollten Sie sich mit der Aufnahme einer möglichen Rechtswahl befassen. Soll deutsches Erbrecht auf jeden Fall anwendbar sein und bleiben, so empfiehlt sich die Aufnahme einer entsprechenden Rechtswahl. 4 Diese Mandanteninformation beinhaltet lediglich eine unverbindliche Übersicht über das in ihr adressierte Themengebiet. Sie ersetzt keine rechtliche Beratung. Als Ansprechpartner zu dieser Mandanteninformation und zu Ihrer Beratung stehen gerne zur Verfügung: Prof. Dr. Stephan Scherer* Dr. Martin Feick Rechtsanwalt - Abt. Private Mandanten - Rechtsanwalt - Abt. Private Mandanten - [email protected] [email protected] +49.621.4257.214 *zusätzlich Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht +49.621.4257.221 Dr. Iris Janina Bregulla-Weber Ben Koslowski Bastian Biermann Rechtsanwältin - Abt. Private Mandanten - Rechtsanwalt - Abt. Private Mandanten - Rechtsanwalt - Abt.Private Mandanten - [email protected] [email protected] +49 69 9769601.360 +49.621.4257.386 +49.621.4257.386 [email protected] SZA SCHILLING, ZUTT & ANSCHÜTZ RECHTSANWALTS AG D-68165 Mannheim, Otto-Beck-Straße 11 D-68027 Mannheim, Postfach 10 27 50 Telefon: + 49 (0) 621 4257 0 Telefax: + 49 (0) 621 4257 280 [email protected] www.sza.de D-60329 Frankfurt am Main, Taunusanlage 1 Telefon: + 49 (0) 69 9769601 0 Telefax: + 49 (0) 69 9769601 102 [email protected] www.sza.de B-1000 Brüssel Square de Meeûs 23 Tel: +32 (0) 2 8935 100 Fax: +32 (0) 2 8935 102 [email protected] www.sza.de
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