Positives Denken

Positives Denken
zwei Spätsommerflüge Mitte August und Mitte September
von Manfred Giger
18. August, heute am Morgen kommt noch der
Elektriker vorbei. Daher treffe ich etwas später auf
dem Flugplatz ein. Das Briefing ist schon durch, die
SAGA hat den Fox ausgeräumt und deshalb steht die
ASG 29 draussen, niemand ist eingeschrieben, super!
Ich beginne damit die ASG 29 auszustatten und fülle
den Sauerstoff nach. Währenddem kommt Ruedi
Herzog und fragt: „Machst du bei allen Fliegern Sauerstoff-Service?“ Ich bin etwas verdutzt, dies klärt
sich aber gleich. Eigentlich wollte Ruedi mit der ASG
29 in die Luft, hatte aber nichts eingeschrieben. Er
überlässt mir die ASG 29 kulanterweise und macht
dafür Umschulungsflüge mit dem Discus 2. Markus
Gemperle ist auch am Montieren seines Ventus 2. Er
war gestern in der Luft. Nach mühsamem Start im
Glarnerland gelang ihm aber ein Flug ins Engadin. Da
würde ich also heute auch ganz gerne hin. Nur die
Wetter-Optik passt nicht zu diesem Vorhaben.
muli, hier könnte man sicher fliegen, aber eigentlich
zieht es mich in die Alpen… Markus schleppt als Erster zum Gufelstock, verschwindet im Schlepp aber
sogar über den Wolken… Ich schleppe trotzdem
auch in Richtung Gufel. Über den Wolken im Glarnerland klinke ich am Kerenzer, auch wenn die Optik
nichts Tolles verheisst.
Im Glarnerland klebt die feuchte Luft am Schilt, im
Zürcher Oberland stehen im unteren Stockwerk Cu-
Blick Richtung Gufelstock
Ich hoffe auf den angesagten Südwestwind. Unterdessen meldet Markus, dass er nach dem Schlepp
gleich seinen Motor ausgefahren hat und direkt ins
Calfeisental geflogen ist. Na, super… Ich fliege den
Gufelstock an, finde aber nichts. Erstes Steigen finde
ich an der Krete östlich vom Bützistock auf 2'300
M.ü.M. Mit Achten am Bützistock erreiche ich 2'600
M.ü.M., also weiterschleichen in Richtung Süden. Es
geht via die Südwind-Kreten: erst am Gulderstock,
dann an der Krete Fanenstock bis Ruchen, hier erreiche ich 2'900 M.ü.M., somit komme ich ebenfalls ins
Calfeisental. Gemäss Moritz Isler – einer unserer
Fluglehrer – fliegt man hier bereits in einer anderen
Welt – thermisch gesehen. Vor dem Pizol stehen
3'000 M.ü.M. auf den Instrumenten. Von dort fliege
ich ab in Richtung Westseite der Lenzerheide. Weiter
geht’s, via die Ostseite, am Lenzerhorn bereits auf
3200m. Der Flug führt mich nun weiter nach Bergün,
zum Flüelapass und dann zum Piz Linard in Höhen
um 3'600 M.ü.M. Markus ist auch hier im Engadin
unterwegs. Hier ist auch die Optik viel schöner, als zu
Beginn des Fluges im Glarnerland…
Hier wenden wir und ich fliege erneut via Flüelapass,
Bergün nach Westen. Am Piz Ela steht eine Westwind-Welle. Toll. Hier komme ich sogar ohne
Schleppflugzeug über die Wolken. Auf 3'950 M.ü.M.
ist aber Schluss, nicht wegen der Welle, sondern wegen MIL ON (= Militär fliegt noch).
„Über den Wolken…“, Blick Richtung NW
Um weiter zu steigen, bräuchte ich eine Freigabe.
Mir reichen die 3'950 M.ü.M. aber. Beim Weiterflug
muss ich zwischen den Wolkenbänken durch. Es
geht weiter nach Westen. Am Piz Mundaun bei Surcuolm von 2'700 wieder auf 3'000 M.ü.M. Gegen
den West-/Südwestwind fliege ich auf der Südseite
des Vorderrheintals vor bis nach Sedrun, alles so bis
3'000 M.ü.M. Der Rückflug erfolgt auf der Nordseite
des Vorderrheintals. Vor Laax habe ich das Gefühl,
dass die Südseite besser aussieht, mehr Sonne, schö-
ne weisse Cumuli, bei Flims stehen breite, graue
Wolken. Die Thermik unter den schönen Cumuli am
Piz Mundaun finde ich diesmal nicht. Wahrscheinlich
wäre es bei Flims auch im Grauen besser gegangen… „Schon zu spät.“ Super, was für ein toller
Entscheid. Wie so oft beim Segelfliegen komme ich
mir ziemlich doof vor. Ich muss weiter Richtung
Chur. Die Stimmung ist etwa so tief wie die Höhenmesseranzeige. Nur noch 1'830 M.ü.M. Von irgendwo bei Versam kommt ein Aufwind (ist mir aber egal
woher, ich nehm ihn einfach…). Ich kämpfe mich auf
2'050 M.ü.M. zurück. Nach Ragaz, falls ich um den
Calanda rum muss, ist es noch ein gutes Stück…
Unter mir sehe ich die Schlucht des Vorderrheins. Sie
sähe noch schön aus, ich habe aber irgendwie keine
Zeit, die Natur zu geniessen. Nach dem Schlauch
probier ich noch die Krete des Heinzenbergs, die mit
Westwind doch etwas hergeben sollte, Betonung auf
sollte… Also wieder weiter. Zwischen Reichenau und
Domat Ems trampe ich nochmals in einen Schlauch
rein. Aus nicht ganz 1'600 M.ü.M. geht’s wieder
hoch. So tief war ich hier noch nie. Ruhig, schön
sauber fliegen und nur nicht aus dem Schlauch fallen… Ich weiss nicht, wer diesen Aufwind gesponsert
hat, die Ems-Chemie oder der Golfplatz… Ist mir
aber politisch oder sonstwie ziemlich egal… Wahrscheinlich kommt der Aufwind eh von den südlichen
Hängen. Nach ca 450m bei 0.8 m/s mittlerem Steigen verlagere ich mich zum südwestlichen Ausläufer
des Calandas hin. Gemäss dem Rechner und meinem
Versatz im Kreisen kommt hier der Wind aus südlicher Richtung. Stimmt, sogar wieder eine richtige
Entscheidung getroffen…
Nach einigen Achten habe ich die Höhe für den
Heimflug nach Schänis in der Tasche. Aber es steigt
ja immer noch und meine Mutter hat mir mal gesagt,
wenn es was gratis gibt, dann soll man das ruhig
nehmen… Der Abflug nach Hause erfolgt dann aus
komfortablen 2'400 M.ü.M. Das Seeende bei Walenstadt passiere ich in etwa 1'650 M.ü.M. Das sollte
reichen mit dem Traumschiff (ASG 29 mit 18m), bis
Weesen verbrate ich weitere 500m, am Schluss gibt
es noch drei Kreise im Abbauraum, um mich für die
Landung vorzubereiten. Puuh, wieder zu Hause.
15. September.
Heute will ich nochmals einen Flug mit dem Arcus T
machen. Ich hab gerade fertig umgeschult und will
einfach vor der Winterpause noch etwas drauf trainieren. Wenn‘s heute so 3 Stunden üben gibt, dann
bin ich schon zufrieden. Also Arcus gecheckt, hinten
alles gut verstaut und festgezurrt, heute flieg ich
alleine im Arcus.
Der Flug beginnt mit einem Monsterschlepp hinter
dem Robin. Sieht nicht schön aus am Gufelstock,
feuchte Schwaden kleben auf Kretenhöhe am Berg,
da lohnt sich nicht mal der Versuch. Also weiter Richtung Süden. Wir kommen am Gulderstock vorbei,
besser wäre anders… So bleibe ich noch länger im
Schlepp. Auf 2'650 M.ü.M. klinke ich aus. Hier hinten im Tal will ich den Flautenschieber nicht rauslassen, taktisch unklug bis gefährlich… Da lob ich mir
die Ausbildung in der SG Lägern, die gerade hier
einen Schwerpunkt legt. Zu fliegen ist der Arcus
traumhaft, der Motor ist mit seinen ca 0.7 m/s Steigen (heute einsitzig wären es sicher 0.8) ganz klar im
Bereich Heimkehrhilfe anzusiedeln und das „Wann
rauslassen?“ oder „Überhaupt rauslassen?“ soll gut
überlegt sein.
Mal sehen, vielleicht kann ich am Ruchen etwas Höhe machen, das könnte dann ins Calfeisental reichen
und dort sieht die Optik etwas besser aus. Am Ruchen bin ich doch schon öfters weggekommen und
konnte nachher ins Calfeisen- oder ins Vorderrheintal
schlüpfen… Aus 2'550 M.ü.M. kann ich 50 m mitnehmen, hier kondensiert es teilweise von schon viel
weiter unten…
Ich schleiche ins Calfeisental, am Hangsackgrat (eigenartiger Name) hoffe ich auf etwas Brauchbares,
sonst seile ich mich nach Ragaz ab. Etwas näher bei
Ragaz, im Gleitbereich, könnte ich immer noch den
Turbo rauslassen… Also einfach probieren.
Geduldig, es eilt ja nicht um diese Jahreszeit, arbeite
ich mich von 2500m wieder auf 2700m. Liegt vielleicht am Namens-Vitamin B (der Stausee im Calfeisental heisst nämlich Gigerwaldsee), auf alle Fälle
klappt es auch heute im Calfeisental. Ich versuch es
weiter an der etwas höheren Krete näher zum Surenstock (Sardona), yepp 2'900 M.ü.M., also weiter ins
Vorderrheintal. Bei der Station Crap Masegn geht’s
aus 2'500 M.ü.M. wieder hoch. Anfangs piepst das
FLARM wegen der Seilbahn, doch es geht mit 1 m/s
wieder auf 2'800 M.ü.M. Hier im Vorderrheintal habe ich das Gefühl, dass es an den bekannten Punkten mit der Sonne vernünftig nach oben geht, also
fliege ich weiter nach Westen, dem Oberalppass entgegen.
Auch hier ist die Luft immer noch sehr feucht. Um
die Fetzen rum, manchmal einfach im Geradeausflug
Steigen mitnehmen, weil ein Kreis irgendwo ins Gewölk gehen könnte. Schön Höhe aufbauend, 2'800,
2'900, 3'000 und schon bin ich nördlich Disentis.
Geht gar nicht so schlecht und wieder sah es beim
Start gar nicht danach aus. Nördlich des Skigebiets
von Sedrun /Rueras kehre ich um, es soll heute einfach Spass machen und üben ist beim Fliegen immer
gut. Der Rückflug beschert mir teils schöne Aufwinde, aber auch viel feuchte Luft und verschiedene
Kondensationshöhen. Auf 2'900 M.ü.M. über dem
Vorab fällt mir die Entscheidung über den weiteren
Flugweg etwas schwer: Abschwung nach links und
via Glarnerland oder Umweg um den Pizol rum, via
Walensee nach Hause?
Ich entscheide mich für die lange Variante. So befinde ich mich schlussendlich – knapp einen Monat später – am gleichen Punkt, wie schon auf dem letzten
Flug mit der ASG 29. Ausser, dass ich hier von oben
her abgleitend über den Kunkelspass vor dem Pizol
durchfliege. Aber wie schon mit der ASG 29 bin ich
in rund 2 100 M.ü.M. über Valens. Auch mit dem
Arcus sollte dies nach Hause reichen. Sonst könnte
ich im Bereich von Walenstadt, beim Aussenlandefeld, immer noch den Entscheid für den Motorenstart
fällen. Aber auch heute benötige ich keinen Motor.
Am Kerenzerberg findet sich wieder Steigen (obwohl
die Wasser-Fontäne bei Weesen Wind von Osten
anzeigt, egal, wird genommen). Aus 1'100 m geht’s
nochmals auf 1'600 M.ü.M. rauf.
Am Kerenzer
Zufrieden lande ich nach drei Stunden Flugzeit erneut um Viertel vor Vier. Ziel erreicht: drei Stunden
mit dem Arcus üben und auch diesmal: zu Beginn
sah es nicht wirklich gut aus.
Mein Fazit aus diesen zwei Flügen (wie übrigens auch
schon in meinem letzten Bericht):
auch wenn die Vorhersagen nichts Tolles versprechen
oder auch wenn im Schlepp noch Zweifel kommen,
es gibt immer wieder mal einen tollen Flug mit vielen
lehrreichen Situationen und üben üben üben ist in
der Fliegerei immer gut.