Nach Wolfsattacken – Sachsen-Anhalt will Schäfer stärker

Sachsen-Anhalt will Schäfer stärker unterstützen | Manuskript
Nach Wolfsattacken – Sachsen-Anhalt will Schäfer stärker unterstützen
Bericht: Carina Huppertz, Sebastian Pittelkow
Nachtwache in Uchtdorf im Norden von Sachsen-Anhalt am vergangenen Donnerstag. Seit
drei Tagen läuft Schäfer Frank Neumann auf dieser Weide Streife. Er hat Angst, dass der
Wolf angreift.
Die letzte Nacht gegen 02:15 Uhr sind etwa 70, 80 Meter an der Herde vorbei zwei Wölfe
langgelaufen. Ich hab‘s auch bloß mitbekommen weil die Herdenschutzhunde gebellt haben,
und dann hab ich mit‘m Fernglas mir ‘nen Überblick verschafft und dann sind sie abgedreht.
Dieses eine Mal konnten Hunde und Schäfer den Wolf vertreiben. Heute Nacht beobachtet
er nichts Auffälliges – zumindest nichts Gefährliches…
Da hinten ist gerade ein Jäger auf Jagd gegangen. Oder es ist ein Liebespärchen, das Licht ist
aus.
Schäfer Neumann ist 68 – und eigentlich schon in Rente.
In so einem Wohnwagen, die Zeiten sind abgelaufen. Wohnwagenzeiten. Vor 30 Jahren.
Macht man nicht mehr.
Die Herde, für die er ausnahmsweise noch einmal in einen Wohnwagen gezogen ist, ist
nicht seine eigene. Neumann kommt aus der Lausitz und hatte dort lange Probleme mit
dem Wolf. Gelöst hat er sie mit Herdenschutzhunden.
Nicht, ihr Zwerge. Nu komm mal her Mädchen, nu komm mal her. Kannst mal riechen. Ja.
Jetzt will er seine Erfahrung an Schäferkollege Joachim Rohloff in Sachsen-Anhalt
weitergeben.
Moin! – Moin! - Na, wie war die Nacht? – Joa, bis auf das Osterfeuer und die Jugend, die
Krach gemacht hat, dass die Herdenschutzhunde die ganze Nacht gebellt haben, war
eigentlich mit die Schafe überhaupt keine Probleme. - Na jut, wollen wir mal hoffen, dass die
Wölfe sich anderes Futter suchen als ausgerechnet Schafe.
Dabei sollen die Pyrenäen-Berghunde helfen. In den vier Tagen, die Neumann in Uchtdorf
ist, sollen Schafe und Hunde Freunde werden, so der Plan. Dann verteidigen die Hunde
ihre Herde ganz automatisch und schlagen den Wolf durch Bellen in die Flucht.
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Auch in Sachsen-Anhalt breitet sich der Wolf aus. Über 60 Tiere haben sich schon
angesiedelt. Und die Angriffe nehmen zu. Vor zehn Tagen traf es Schäfer Rohloff.
Joachim Rohloff, Schäfer:
Wo ich da war waren alle Schafe raus, das Netz umgerissen, dacht ich, oh, Wildschweine
durchgemacht. Eins war im Netz, verheddert, hab ich erst gedacht war tot, hat noch gelebt,
hab ich mich gefreut, hingestellt, war alles gut. Dann hab ich mich umgedreht und nochmal
geguckt und dann war das Massaker.
21 Schafe hat er bei dem Angriff verloren.
Doch wie man Schafe am besten schützt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Das
zuständige Umweltministerium fördert bislang nur Zäune. Doch die haben bei Schäfer
Rohloff die Wölfe nicht abgehalten – obwohl sie sogar höher waren als die
vorgeschriebenen 90 Zentimeter.
Joachim Rohloff, Schäfer:
Am hellerlichten Tage sind die direkt an ‘ner Straße, 400 Meter von ‘ner Ortschaft weg, in
den Pferch gesprungen.
Deshalb will er es jetzt mit Hunden versuchen. Aber die Kosten sind ein Problem. Für seine
drei Herden bräuchte er sechs Hunde. Jeder kostet etwa 1.000 Euro. Die müsste der
Schäfer selbst bezahlen. Vor zwei Wochen hieß es noch aus dem Umweltministerium:
Detlef Thiel, Umweltministerium Sachsen-Anhalt:
Die Bezahlung oder Unterstützung beim Einsatz von Schutzhunden werden wir in die
aktuelle
Leitlinie
nicht
unterkriegen
können.
Ganz anders in Sachsen. Zu Besuch bei Schäfer Neumanns Sohn in der Oberlausitz. Hier im
Freistaat können Schäfer 80 Prozent vom Kaufpreis erstattet bekommen, wenn sie sich
einen Herdenschutzhund zulegen. René Neumann züchtet die Hunde mittlerweile sogar.
Diese beiden Käufer holen einen auf ihren Hof nach Baden-Württemberg.
Diese Kleine hier. – Hinter dir. Hier, da haste deinen. - Die nehmen wir. Sie heißt ja schon
Mona.
Hier darf Mona zwar noch schmusen – aber auch das Toben im Stall gehört zur Ausbildung
als Aufpasser. Die Welpen müssen zwischen den Schafen geboren werden und
aufwachsen. Nur dann wissen Hund und Schaf, dass sie zusammengehören.
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René Neumann, Schäfer:
Ohne Schafe frisst der Hund nicht, dann ist der wie krank. Darum ist es auch ganz wichtig in
der Prägungsphase dass die Welpen immer zwischen die Schafe sind. Die kennen auch nichts
anderes. Die sind beste Kumpels und darum funktioniert auch dieser Schutz. Die schützen im
Nebeneffekt die Schafe, weil es ihre Kumpels sind.
Und dieser Schutz hat sich bewährt. Neben Sachsen zahlen deshalb auch andere
Bundesländer, in denen der Wolf sich angesiedelt hat, für die Hunde: Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen oder Niedersachsen.
Schäfer Neumann hatte seit 10 Jahren keine Angriffe mehr – obwohl er seine Schafe
mitten im Wolfsgebiet hält.
Rene Neumann, Schäfer:
Seit dem ich die Herdenschutzhunde habe, seh‘ ich zwar noch manchmal ‘nen Wolf, aber
keine Übergriffe mehr. Ja, der läuft ungefähr so 100 Meter an der Koppel vorbei, durch die
Hunde interessieren ihn die Schafe aber nicht mehr, das ist unlukrativ für ihn anzugreifen.
Die beiden Welpen von Schäfer Rohloff hat die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe, ein
gemeinnütziger Verein, bezahlt. Aber erstaunlich: Zwei Wochen nach unserem letzten
Interview denkt man im Ministerium offenbar um. Jetzt will man die Hunde doch fördern –
mit bis zu 2.000 Euro pro Hund.
Detlef Thiel, Umweltministerium Sachsen-Anhalt:
Wir haben unsere Richtlinie zur Präventionsmaßnahme überarbeitet – der Entwurf liegt vor,
muss jetzt noch im Hause abgestimmt werden, wird dann auch noch an andere Behörden,
Instanzen gereicht, aber wir hoffen, dass wir noch in diesem Jahr zum Schuss kommen und
den Ankauf von Herdenschutzhunden fördern können.
Schäfer Frank Neumann hat in Sachsen-Anhalt seinen Job erledigt. Zum letzten Mal geht’s
in seine provisorische Unterkunft. Jetzt müssen die Hunde übernehmen. Er wünscht
seinem Kollegen vor allem eins:
Frank Neumann, Schäfer:
Dass er dann auch mal ruhig schlafen kann, dass er dieses Ding nie brauchen wird, dass er
muss bei der Herde schlafen und aufpassen auf seine Wölfe. Das könnte ich somit erreicht
haben.
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