"Öffnet Herzen und Türen" Aufruf von evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern in Österreich Gottes Gebot verlangt von uns, Menschen aufzunehmen, die auf der Flucht sind. Sie sollen Unterkünfte und Hilfe erhalten, die ihre Würde achten und den Menschenrechten entsprechen. I. Wir erleben zur Zeit in einem besonderen Ausmaß eine neuzeitliche Menschenwanderung. Menschen flüchten vor Gewalt, Terror, Verfolgung, Hass, Intoleranz, Zukunftslosigkeit aus ihren Heimatorten und suchen Schutz, Frieden, Zukunft und Gerechtigkeit. Diese Menschenwanderung heute wird uns alle verwandeln. Sie stellt an jede und jeden Einzelnen von uns die Frage: Bist du bereit dazu? Unser Herr Jesus Christus hat uns befreit, mutig und furchtlos am Reich Gottes in unserer Welt mitzuarbeiten. Viele von uns können sich aus der eigenen Familiengeschichte an Krieg, Vertreibung, Flucht, Aufnahme und Ablehnung erinnern. Viele von uns wissen, wie bedrückend und gefährdend es sein kann, als Minderheit in gewalttätigen Zeiten zu leben. Viele von uns wissen, in wie viel Schuld und Scham unsere Vorfahren verstrickt waren, weil sie zu spät bekannt haben und zu zaghaft widerstanden. Wir begreifen die besorgten und angstvollen Äußerungen mancher Menschen auch vor dem Hintergrund dieser oft traumatisierenden Erfahrungen. Wir sind dankbar für alle spontanen und hoffnungsvollen Initiativen von Menschen aus der Zivilgesellschaft und in unseren Pfarrgemeinden, die die Not sehen und denen zu Nächsten werden, die heute Schutz brauchen. So erklärt Jesus die Nächstenliebe in der Geschichte vom Barmherzigen Samariter. Wir danken auch denen, die in professioneller Weise seit Jahren im Diakonie Flüchtlingsdienst und anderen Hilfsorganisationen engagiert helfen. Sie erfüllen den Auftrag Christi, Mitmenschen barmherzig zu begegnen. Denn Christus spricht: "Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan." (Matthäus 25,40) Wir hören dieses Wort auch als Frage an uns und unsere Pfarrgemeinden, für die wir als Dienerinnen und Diener am Wort Christi beauftragt sind: Bist du bereit, dein Herz und deine Türen zu öffnen und dich verwandeln zu lassen von der Barmherzigkeit in diesem Geschehen, dass es uns zum Glück eines neuen Lebens werden kann? Wir sind dazu bereit. II. Wir rufen alle Schwestern und Brüder in unseren Pfarrgemeinden und alle, die in unseren Kirchen Verantwortung übernommen haben, auf: • • • dass wir gemeinsam wachsen als Leib Christi, dass wir jetzt und in den kommenden Wochen und Monaten unsere Herzen und Türen öffnen, dass wir mit aller Kraft unsere Gemeindediakonie und die diakonischen Einrichtungen unterstützen, 1 • dass auch in unseren Pfarrgemeinden eine größere Zahl von geflüchteten Menschen Unterkunft und Aufnahme findet. Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild. Jedem und jeder ist mit Würde zu begegnen. Kein Kind soll unbegleitet und schutzlos sein, keine Frau und kein Mann ausgeliefert und an Leib und Leben gefährdet werden, kein Mensch ohne menschengerechte Chancen und Verfahren bleiben. Lasst uns gemeinsam unser Möglichstes tun, den geflüchteten Menschen jene Unterkunft und Aufnahme zu geben, die Gottes Gebote erfüllen, die Würde des Menschen achten und den Kinder-‐ und Menschenrechten entsprechen. III. Wir bitten um die Behandlung folgender Fragen in den Gemeinden unserer Kirchen: • • • • • • Welchen Raum, welchen Wohnraum kann unsere Pfarrgemeinde zur Verfügung stellen? Verfügt die Gemeinde über geeignete Grundstücke, um rasch Unterkünfte aufstellen und einrichten zu können? Auf welche Weise können wir Asylsuchende gastfreundlich aufnehmen, sie unterstützen und ihnen auf Augenhöhe begegnen? Wie können wir unsere Stimme erheben gegen Verängstigung und Intoleranz, gegen jegliches Ausspielen von Bedürftigen, gegen menschenverachtende und unbarmherzige Hetze? Welche Möglichkeiten haben wir, Ängste abzubauen, aufzuklären und Begegnungen und Gespräche zu ermöglichen? Auf welche Weise können wir den Diakonie Flüchtlingsdienst in seiner Arbeit unterstützen? Es werden weiterhin Menschen bei uns Zuflucht suchen. Europa wird dadurch nachhaltig verändert werden. Wir rufen als evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer auf, mitzuarbeiten, dass diese Veränderung nicht durch Angst und Abgrenzung, sondern durch Menschlichkeit und Nächstenliebe bestimmt ist. Anlässlich der Hauptversammlung des Vereins Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Österreich Bregenz, 2. September 2015 >> Um diesen Aufruf zu unterstützen, senden Sie bitte ein Mail mit Angabe Ihres Namens, der kirchlichen Funktion oder Dienststelle an [email protected] 2
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