Sauer 101 Nutzen & Kultur Schnelle Waldjägerin Der erste Eindruck entscheidet meistens: Nimmt der Jäger eine Waffe in die Hand, geht er in Anschlag, erfasst das Ziel – bei der getesteten Sauer 101 Forest passt das trefflich. Text und Fotos: Matthias Schwengeler S auer hat vor rund zwei Jahren sein Sortiment mit dem Modell 101 erweitert, um auch in der preislichen Mittelklasse konkurrenzfähig zu sein. Dabei zielt Sauer wohl auch auf die grossen nordeuropäischen und -amerikanischen Märkte. Die Sauer 101 wurde in der Grundkonfiguration bereits vorgestellt und positiv beurteilt. Diesmal steht die «Waldjäger»-Variante Sauer 101 Forest im Kaliber .308 Win auf dem Prüfstand – und zwar ohne jegliche Optik, nur mit einer offenen Visierung. Dies muss nicht a priori ein Mangel sein. Zwar wird wohl der überwiegendste Teil des in der Schweiz mit der Kugel gestreckten Wildes mit optischen Zielhilfen erlegt, aber auch das offene Visier hat durchaus seine Vorzüge. Lauf und Verschluss Zunächst fällt der kurze, dafür kräftige Lauf auf. Wir messen eine effektive Lauflänge von 49,5 cm und einen Mündungsdurchmesser von 19 mm. Dies er- 60 JAGD & NATUR gibt eine Gesamtlänge von 101,5 Zentimeter, vier weniger als beim Standardmodell. Im Katalog gibt Sauer übrigens eine Lauflänge von 51 Zentimetern an. Lieferbar sind die Kaliber .308 Winchester, .30–06 Springfield, 8 x 57 IS und 9,3 x 62. Die Stahloberflächen sind mattschwarz brüniert, optional erhältlich sind auch Läufe mit Mündungsgewinde für die Montage von Schalldämpfern und Mündungsbremsen. Der Lauf ist im sogenannten Heat-Lock-Verfahren mit der Verschlusshülse gefügt, d. h. die geschmiedete Hülse wird erhitzt, damit sich ihre lichte Weite vergrössert und anschliessend wird der kalte Lauf eingesetzt, sodass diese dann, nach dem Abkühlen der Hülse, unter grosser Spannung praktisch untrennbar verbunden bleiben. Ein Laufwechsel kann also nur vom Fachmann vorgenommen werden. Die Verschlusshülse ist massiv gefertigt und mit Bohrungen für Montagen vom Typ Remington 700 versehen, welche dem Büchsenmacher eine grosse Vielfalt an Montagemöglichkeiten bringen. Solche Montagen sind reichlich und in unterschiedlichsten Qualitätsstufen und Preisen am Markt verfügbar. Auf der rechten Hülsenseite finden wir weiters eine Gasentlastungsbohrung, um Schaden vom Schützen abzuwenden, sollte der Schuss sprichwörtlich «nach hinten» losgehen. Der Verschluss verriegelt mit sechs kräftigen Warzen direkt in den Lauf, der Verschlussgang ist sauber und hakelt nicht. Beim Repetieren liegt die Kugel des Kammergriffes gut in der Hand und der Öffnungswinkel von 60° erlaubt ein friktionsloses Repetieren im Anschlag. Das «Durasafe» genannte Sicherungskonzept ist als direkte Schlagbolzensicherung ausgelegt. Zusätzlich wurde eine Zündstiftsicherung eingebaut, welche sicherstellt, dass das Schloss nur im vollständig verriegelten Zustand abgeschlagen werden kann. Entsichert wird mit einem Schieber auf dem Schloss, wobei gleichzeitig eine Taste gedrückt werden muss. Das Entsichern funktioniert auch mit Handschuhen. Zum Sichern wird der Schieber einfach wieder zurückgeschoben. Das funktioniert problemlos und vor allem ohne umzugreifen. Geladen werden kann auch im gesicherten Zustand. Hierfür muss die Verschlusshalterstaste kurz betätigt werden. Bettung Gebettet wird das System sauber mittels eines im Schaft auf Höhe der Laufwurzel eingeklebten Metallblockes. Das ist für eine Repetierbüchse in dieser Preisklasse eine zielführende Lösung, um hohe Präzision mit überschaubaren Produktionskosten zu kombinieren. Teurere, wie bei höherklassigen Modellen angebotene Lösungen sind wohl kaum genauer, bieten dann einfach eine auch vom Schützen selbst zu bewerkstelligende Lauf- und Schaftwechselmöglichkeit an. Oben: Das Sicherungskonzept ist als direkte Schlagbolzensicherung ausgelegt. Unten: Der Abzug der Testwaffe vermochte zu begeistern. Er brach trocken bei 950 Gramm. JAGD & NATUR 61 Sauer 101 Schaft Der Schaft steigt zur Schulter hin an, was den Rück stoss besser kontrollieren lassen soll und die Visier linie mit Zieloptik auf eine günstigere Kopfposition bringt. Pistolengriff und Vorderschaft sind ergonomisch gestaltet. Neben dem Holzschaft wird auch eine Synthetik-Variante angeboten. Magazin Im soliden Magazin aus faserverstärktem Kunststoff finden fünf Patronen Platz. Die Taste zum Lösen des Magazins ist vor dem Magazin angeordnet und schaft eben versenkt, damit eine unwillentliche Betätigung unwahrscheinlich wird. Das Bestücken des leeren Magazins ist eingesetzt möglich, allerdings ist das aufgrund des Sauer-typischen, eher engen Auswurffensters eine eher diffizile Angelegenheit. Das Magazin wird dazu also besser der Waffe entnommen. Abzug Zu begeistern vermag der Direktabzug, speziell die Abzugszunge, welche sauber geformt und auffallend breit gestaltet ist. Bei der Testwaffe brach er mit sehr trockener Charakteristik bei 950 Gramm. So muss ein Abzug sein. Visierung Die Testwaffe war mit einem offenen Flüchtigvisier ausgestattet, von Sauer «semi-auto» genannt: ein rotes Lichtsammlerkorn, kombiniert mit einer blassgelb belegten Kimme, um sich vom dunklen Wildkörper abzuheben. Ebenfalls erhältlich ist ein schwarzes Balkenkorn mit schwarzer Kimme. Das Visierbild gefällt gut und führt zu einer raschen Zielaufnahme, es lässt sich in Höhe und Seite korrigieren. Links: Im soliden Magazin finden fünf Patronen Platz. Rechts: Das offene Flüchtigvisier besteht aus einem roten Lichtsammelkorn und einer blassgelb belegten Kimme. Nun ist ja der Schuss auf nicht flüchtiges Wild über die offene Visierung zur Ausnahme verkommen. Die Vorteile der optischen Zielhilfen sind zu offensichtlich und manch ein Jäger wundert sich wohl, wie in vergangenen Zeiten überhaupt ein sauberer Schuss ohne Zielfernrohr möglich sein konnte, wenn er denn seine Büchse vom Glas befreit hat und eine Zielübung über das offene Visier wagt. Grundsätzlich ist aber mit der nötigen Übung und dem richtigen Visier durchaus auch ohne Glas ein verantwortbarer Schuss auf Wild möglich. Dabei ist zu beachten, dass einerseits wegen der fehlenden Vergrösserung des Zieles dieses durch das Korn bald grossflächig verdeckt wird, andererseits die heute praktisch ausschliesslich eingesetzten Visiertypen für den nahen, flüchtigen Schuss die maximal verantwortbare Distanz beschränken. So würde ich mir selbst für die Rehwildbejagung bei 60 Metern das Limit ansetzen, bei grossflächigeren Zielen etwas weiter. Wo liegt denn nun aber der tatsächliche Unterschied zwischen dem Schiessen mit oder ohne Glas? Während die Szene beim Blick durch das Glas in seiner Gesamtheit optisch auf der gleichen Ebene liegt und das Auge folglich beim Fokussieren auf selbiges nicht wirklich gefordert wird, sieht das bei offenen Visieren ganz anders aus. Hier haben wir Kimme, Korn und das Ziel, welche allesamt in unterschiedlicher Distanz angeordnet sind. Unglücklicherweise kann unser Auge nur ein Element gleichzeitig scharf abbilden. Wir müssen uns also für eine Ebene entscheiden. Zielführend ist dabei, das Korn scharf zu sehen, da dies zum kleinsten Winkelfehler führt. Unübertroffener Vorteil der offenen Visierung ist aber, dass unser Sehfeld in der Breite nicht eingeschränkt ist und wir das Ziel nie suchen müssen. Wir sind über die tatsächliche Lage des Zielpunktes immer im Bild, weil uns dabei keine optischen Systeme täuschen können. Sind weitere Distanzen gefordert, wäre wohl ein Dioptervisier einzusetzen, welches den Vorteil hat, dass wir nur noch Korn und Ziel aufeinander auszurichten haben. Das Auge wird beinahe automatisch auf die Lichtachse gebracht. Dies ist dann allerdings für den Schuss auf ein bewegliches Ziel suboptimal, weshalb heute Dioptervisiere bei Jagdwaffen praktisch verschwunden sind. Mit zunehmendem Alter wächst bekanntlich die Lebenserfahrung, leider nimmt hingegen die Leistung des Auges merklich ab. Die Verwendung einer Lesebrille drängt sich da oft auf. Nimmt der Nahpunkt, d. h. die minimale Sehweite so weit ab, dass das Korn nicht mehr scharf gesehen werden kann, ist zum Schiessen mit offenem Visier eine Sehkorrektur nötig. Typischerweise werden beim Menschen solche minimalen Sehweiten zwischen fünfzig und sechzig Lebensjahren erreicht. Sieht also ein Jäger seine Herausforderung im Schuss mit der offenen Visierung, so ist dagegen nichts einzuwenden. Er soll sich jedoch seriös darauf vorbereiten und die Grenzen seines Könnens und die des gewählten Visieres kennen. Im Revier Die Waffe zeigte sich führig und im Jagdalltag problemlos in der Handhabung. Die Präzision liess keine Wünsche offen und beim Schiessen mit verschiedenen Laborierungen zeigte sie sich gegenüber diesen als recht tolerant. Etwas gewöhnen musste ich mich an das Entsichern, das gleichzeitige Drücken der Entsperrtaste und des Sicherungsschiebers. Mein Daumen fand die Taste nicht ganz so instinktiv wie in der Werbung beschrieben. Resümee Die Sauer 101 Forest überzeugt auf breiter Linie. Ergonomischer Schaft, günstig angeordnete Bedienelemente, gute Schussleistung, sehr sorgfältig konstruiert und verarbeitet. Und das zu einem fairen Preis. Möglich ist dies durch bewusstes Weglassen von in der Praxis mehr oder weniger irrelevanten Merkmalen, namentlich der eingeschränkten Kaliberpalette, der fehlenden Möglichkeit zum Laufwechsel, der Montagevorbereitung sowie teurer Schaftklassen. Zu empfehlen ist sie einerseits für den Jäger, der sich eine zusätzliche Büchse für die Drückjagd anschaffen will, andererseits aber für denjenigen, der einen hochwertigen, aber gleichwohl bezahlbaren Repetierer für die Waldjagd sucht, der das Notwendige bietet und auf das Wünschbare wohlweislich verzichtet. Kurze Läufe Der Trend zu kürzeren und dicken Läufen ist bei Jagdbüchsen generell unverkennbar und – hierfür geeignete Kaliber und L aborierungen vorausgesetzt – auch sinnvoll, da der Präzision eher förderlich denn abträglich. Zwar sinkt die erzielbare Geschossgeschwindigkeit bei kurzen gegenüber längeren Läufen etwas, allerdings um für schweizerische Jagdverhältnisse vernachlässigbare Grössen. Dafür ist das Schwingungsverhalten der dicken, kurzen Läufe mehrheitlich besser als bei dünnen langen. Abgesehen von der etwas besseren Führigkeit, obwohl das als solches auch nicht überbewertet werden soll. Zu bedenken gilt es allerdings, dass ein kürzerer Lauf ein grösseres Mündungsfeuer zeigt. Sollte dereinst auch in der Schweiz – wie im Norden Europas – die akustische Belastung von Jäger und Jagdhund beim Schuss mittels Schalldämpfer reduziert werden, sind dann die langen definitiv etwas unhandlich und auch das verstärkte Mündungsfeuer der kurzen Läufe wird vom Dämpfer verschluckt. Für kurze Lauflängen geeignete Kaliber sind beispielsweise .308 Win, 8 x 57 IS und 9,3 x 62 mm. Eher ungeeignet sind die K aliber, die für die Entfaltung ihres Potenzials eines progressiven Pulverabbrandes bedürfen (u. a. «Magnum»-Kaliber). JAGD & NATUR 63
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