Stichwort des Monats Ernährungsberatung und Produktvertrieb Was ist in der Arztpraxis erlaubt? Christopher F. Büll, Rainer Riedel Aufgrund der begrenzten Gesamtvergütung stellt sich für viele Ärzte die Frage nach zusätzlichen Einnahmequellen. Und da Patienten zunehmend nach einer ganzheitlichen Gesundheitsfürsorge fragen, bieten immer mehr Ärzte in ihrer Praxis eine Ernährungsberatung an – neben der eigentlichen Heilbehandlung als der klassischen ärztlichen Tätigkeit. Berufsrechtliche Konflikte müssen sich daraus nicht zwangsläufig ergeben. Denn zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen verschaffen dem Arzt als Gewerbetreibendem mehr Spielraum. Viele Frauenärzte sind verunsichert, wenn es um den Aufbau eines zweiten, gewerblichen Standbeins geht. Dabei taucht immer häufiger die Frage auf, ob in der gynäkologischen Praxis eine Ernährungsberatung mit gewerblichem Charakter durchgeführt werden darf. Bisherige Situation Bislang war es dem Arzt berufsrechtlich untersagt, im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen (Stichwort: Praxisshop, Gesundheitsinstitut, Ästhetik- und Kosmetikinstitut), sofern diese nicht notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Erlaubt waren also nur Tätigkeiten bzw. Dienstleistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit stehen oder dieser dienen. Arzt tätig ist. Die meisten länderspezifischen Berufsordnungen decken sich mit der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä), die vom Deutschen Ärztetag (DÄT) verabschiedet wird, selbst jedoch keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet. Hinsichtlich der gewerblichen Tätigkeit von Ärzten ist in allen Berufsordnungen geregelt, dass merkantile Gesichtspunkte und rein wirtschaftliche Aspekte wie Gewinnmaximierung vom Heilauftrag des Arztes zu trennen sind (§ 3 Abs. 2 MBO-Ä). Besonders schutzwürdig ist auch das Vertrauen des Patienten darauf, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt. Dadurch sollen langfristig negative Auswirkungen verhindert werden, die sich durch die Kommerzialisierung des Arztberufs für die medizinische Versorgung ergeben könnten. Berufsrechtliche Rahmenbedingungen Aktuelle Rechtsprechung Maßstab für sämtliche gewerblichen (Neben-)Tätigkeiten in der Arztpraxis, so auch für die Ernährungsberatung, ist die Berufsordnung des jeweiligen Bundeslands, in dem der Die kürzlich ergangenen Urteile des BGH (Az.: I ZR 75/05) und des Landesberufsgerichts für Heilberufe NRW (Az.: 6t A 1456/05.T) weichen die vormals restriktiven Vorgaben für Dr. Christopher F. Büll Fachanwalt für Medizinrecht c/o Dr. Schmitz & Partner – Fachanwälte für Medizinrecht, Köln Tel. 02234 2094890 [email protected] www.medizinrechtsberater.de Prof. Dr. med. Dipl.-Kfm. FH Rainer Riedel Studiengangsleiter Medizinökonomie Rheinische Fachhochschule Köln [email protected] eine gewerbliche Tätigkeit in der Arztpraxis auf. PRAXIS + ÖKONOMIE Autoren n Die Nutzung von Praxisräumen und -personal ist erlaubt Der BGH hat festgestellt, dass keine gültige Vorschrift besagt, eine gewerbliche ärztliche Tätigkeit müsse generell räumlich getrennt von der Praxis erfolgen. Vielmehr dürften die Praxisräume genutzt werden und das Praxispersonal ebenfalls. Ein Verbot der Nutzung von Praxisräumlichkeiten für gewerbliche Tätigkeiten sei unbegründet, da die berufsrechtlichen Bestimmungen keine räumliche Trennung erforderten. Der BGH-Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Unternehmen, das Niedergelassene für sein Ernährungsprogramm gewinnen konnte, die betreffenden Praxen und die dortige Ernährungsberatung öffentlich beworben hatte. Aus Sicht des BGH verstoßen Ärzte, die ein solches Beratungsprogramm anbieten, weder gegen das ärztliche Berufsrecht, noch gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften. Sie müssen jedoch die gewerbliche Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtli- FRAUENARZT n 50 (2009) n Nr. 8 1 PRAXIS + ÖKONOMIE 2 cher Hinsicht von der ärztlichen Tätigkeit trennen. ten gerade nicht an ökonomischen Erfolgskriterien aus. Voraussetzungen (z.B. wirtschaftliche Trennung) zulässig ist. n Das gesundheitliche Interesse steht im Vordergrund Unter ausdrücklichem Bezug auf das BGH-Urteil hat das Landesberufsgericht für Heilberufe NRW einen Arzt von dem Vorwurf des Berufsrechtsverstoßes freigesprochen. Nach Auffassung des Gerichts werde im Zusammenhang mit dem Arztberuf eine Ernährungsberatung unter anderem aus gesundheitlichen Gründen als sinnvoll und nicht als ungewöhnlich empfunden. Deshalb sähen Patienten in der ärztlichen Mitwirkung an Diätund Ernährungsprogrammen keine Anzeichen dafür, dass sich die Ärzte zunehmend als Gewerbetreibende verstünden. Vielmehr orientiere sich der Arzt auch bei der Ernährungsberatung in erster Linie an den gesundheitlichen Interessen des Patienten und richte somit sein Verhal- Zugrunde lag ein Fall, bei dem ein Arzt eine Ernährungsberatungs-GmbH gegründet hatte, um entsprechende gewerbliche Dienstleistungen anbieten zu können. In den GmbH-Räumen, die tagsüber teilweise von der Arztpraxis genutzt wurden, hatte der Arzt abends außerhalb der Sprechstundenzeit seine gewerbliche Ernährungsberatung mit Produktverkauf durchgeführt. Schon aus steuerlichen Gründen sind für das praxisparallele Gewerbe auf jeden Fall eine eigenständige Gewerbeanmeldung, eine getrennte Kassen- und Buchführung und eine separate Produktlagerung (z.B. in einem speziellen Schrank) zu empfehlen. FRAUENARZT n 50 (2009) n Nr. 8 Fazit Die genannten Urteile lockern zwar die Handhabung gewerblicher Tätigkeiten durch Ärzte, verstehen sich aber nicht als Freibrief. Der BGH macht deutlich, dass eine gewerbliche Ernährungsberatung in der Arztpraxis nur in sprechstundenfreien Zeiten und unter Beachtung weiterer Zudem empfiehlt sich im Vorfeld eine rechtliche und steuerliche Beratung. Unabhängig davon ist die aktuelle Rechtsprechung für Patienten wie für Ärzte erfreulich. Patienten können bei dem Arzt ihres Vertrauens umfassenden medizinischen Rat suchen. Der Arzt kann neben seiner heilberuflichen Tätigkeit auch gewerbliche Gesundheitsleistungen anbieten, die dem Wohl seiner Patienten dienen, und das sogar ohne räumliche Trennung von der Arztpraxis. n
© Copyright 2025 ExpyDoc