Tullio Aurelio: Gott, Götter & Idole. Und der Mensch schuf sie nach

Tullio Aurelio:
Gott, Götter & Idole.
Und der Mensch schuf sie nach seinem Bild.
288 Seiten, Hardcover
Patmos Verlag, Ostfildern 2015
19,99 Euro
Wer unter diesem Titel eine nüchtern-sachliche Reflexion erwartet, wird vom Autor gleich eingangs
warnend zurechtgewiesen: „Um ein echtes, stichhaltiges, fundiertes Sachbuch handelt es sich hier
nicht, denn dafür schreibe ich ziemlich salopp und kursorisch über eine ganze Reihe
großer Themen“ (9). Vielmehr mischen sich persönliche Begebenheiten,
Gefühle und Sachargumente zu einem bunten Reigen von unkonventionellen und „extravaganten
Ideen“ (288). Gerade dieser subjektive Weg des Fragens und Nachdenkens über Bibel und Tradition, der teils zwar ausschweifend wird, aber eben deshalb erfrischend untypisch bleibt für ein Buch
zu einem zentralen religiösen Thema. Und trotz des recht freien Fabulierens verarbeiten die Darstellungen wesentliche Erkenntnisse aller Disziplinen, die sich um ein aufgeklärtes Verständnis biblischer Schriften und Inhalte bemühen. Insofern ist es unfreiwillig doch auch ein Sachbuch.
Der Autor bürstet die Bibel in gewissem Sinne „gegen den Strich“, aber nicht um sie lächerlich zu
machen: „Der Bibel verdanke ich meine eigene Befreiung von geistiger und geistlicher Enge. Die
Bibel ist so reich an religiösen Spielarten, dass sie offen und frei machen kann“ (13).
Was aber ist dran an den zahlreichen Gottesvorstellungen der Bibel, von den mythischen
Schöpfungserzählungen des Alten Testaments bis hin zum Gottesbild Jesu? Was lassen sie uns
über Gott erkennen? Was bewirken die verschiedenen Gottesvorstellungen im Menschen und im
Miteinander? usw.
Immer wieder zeigt sich - zeigt der Autor -, dass sie der „Einbildungskraft des Menschen entspringen und deren Grenze übersteigen wollen“ (14). Ernüchternd und provokant heißt die Bilanz
der Analysen: „Die Lehre über Gott, ob sie Lehre der Kirche oder Israels oder des Islam ist, ist eine
menschliche Lehre und kann gar nicht viel über Gott selbst aussagen. Sie ist ein inhaltlich misslungener, psychologisch aber ein meist sehr gelungener Versuch, den selbstgebastelten Gott festzuhalten“ (183).
Dass Gottesbilder (auch) Menschenbilder sind, ist theologisch gewiss keine Neuheit. Doch gilt es,
diese Einsicht immer wieder in Erinnerung zu rufen, bevor sich diese Bilder verselbständigen und zu
einer religiösen Ideologie erstarren, die sich allzu leicht politisch missbrauchen lässt. Die Konflikte
unserer Tage belegen das schmerzlich zur Genüge. Jede Religion steht vor dieser selbstkritischen
Aufgabe, Gott als offenes Geheimnis zu wahren.
Die herausfordernden Überlegungen dieses Buches sind daher letztlich eine produktive Einladung
zum gemeinsamen Nachdenken über unsere Bekenntnisse zu Gott und Göttern.
Reiner Jungnitsch