FDP-Fraktion im Stadtparlament Oberursel Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kollegen Stadtverordnete, werte Gäste, gestatten Sie mir bitte einen etwas anderen Blick auf den Haushalt 2016 und zwar als Rückblick auf den Haushalt 2015. Vor ziemlich genau einem Jahr durfte ich hier meine erste Rede zum Haushalt halten. Vor genau einem Jahr habe ich festgestellt, dass der sehr hohe Schuldenstand Oberursels von damals schon etwa 41 Mio. € vermuten lässt, dass es bisher an ernsthaften Konsolidierungsbemühungen zum Haushalt gefehlt hat. Ein Jahr später und ein Jahr reicher an Erfahrungen weiß ich nun, dass es tatsächlich an ernsthaften Konsolidierungsbemühungen fehlt. Im Gegenteil, selbst erste Spar-‐Überlegungen werden abgewürgt und entsprechende Vorschläge aus der FDP-‐Fraktion abgeschmettert. Dies unter anderem mit so eingängigen Argumenten des Vergleiches unseres Rathauses mit den Kathedralen dieser Welt. Der Mehrheits-‐Beschluss, eine Rathaussanierung für nur lose kalkulierte ca. 14 Mio. € ernsthaft weiter zu verfolgen ohne zu wissen, wo dafür das Geld herkommen soll und ohne zu wissen, welchen tatsächlichen Personal-‐ und daraus resultierenden Raumbedarf wir jetzt aber insbesondere zukünftig haben werden, ist dabei nur eine der Kuriositäten des letzten Jahres, die die FDP-‐Fraktion erleben durfte. Dabei fällt es mir hier an dieser Stelle sehr schwer, nicht auf die Chancen hinzuweisen, die wir uns vergeben würden, würde diese große und letzte verbliebene attraktive Innenstadt-‐Fläche nicht mehr für eine grundlegende Neuplanung der Entwicklung unserer Innenstadt zur Verfügung stehen. Zurück zum Haushalt. Im vergangenen Jahr haben wir Freie Demokraten gelernt, dass sogenannte „heilige Kühe“ nicht angefasst werden. Auch auf die Gefahr hin, dafür im Gegenzug Steuern erhöhen zu müssen. Da solche Steuererhöhungen jedoch im Wahljahr 2016 nicht so offensichtlich geschehen sollen, wurde die Grundsteuere B-‐ Erhöhung um immerhin stolze 145 Prozentpunkte ausgesetzt und auf 2017 verschoben. Die dafür eingeplanten rd. 2,8 Mio. € Einnahmen aus der Haushalts-‐Planung 2017 herauszunehmen, findet hier -‐ wie nicht anders zu erwarten -‐ keine Mehrheit. Eine Mehrheit aus SPD, GRÜNE und OBG findet dafür aber -‐ mal so eben durch die Hintertür der Haushaltsberatungen -‐ die Einführung einer Zweitwohnsitzsteuer. Es gibt offensichtlich immer noch Mittel und Wege und leider auch Mehrheiten immer tiefer in die Taschen der Bürger zu greifen. Was die FDP-‐Fraktion in diesem Zusammenhang wundert ist die Tatsache, dass Herr Bürgermeister Brum jüngst in der letzten HFA-‐Sitzung von einer -‐ wahrscheinlich auch belegbaren -‐ starken 1 Überlastung der Verwaltungsmitarbeiter gesprochen hat. Leider gibt es hierzu keine Analyse -‐ oder es gibt eine und sie ist nicht öffentlich gemacht. Doch im Zusammenhang mit der Einführung der Zweitwohnsitzsteuer bleibt klar und eindeutig festzustellen, dass dies mehr Bürokratie und mehr Verwaltungsaufwand und dadurch auch Mehrbelastung für die Verwaltungsmitarbeiter bedeutet. Die FDP-‐Fraktion wartet schon auf den Antrag, hierfür eine neue Stelle in der Verwaltung schaffen zu müssen. Die Effizienz und Sinnhaftigkeit dieser Zweitwohnsitzsteuer ist damit -‐ wie schon in den Jahren zuvor -‐ mehr als fraglich. Gehen wir mal weiter den Haushalt entlang. Da wurden und werden Gutachten erstellt und Planungen gemacht für z. B. die Innenstadtentwicklung oder Anbindung der Nassauer Straße an die Weingärtenumgehung. Den Stadtentwicklungsplan will ich hier nicht unerwähnt lassen. Was ist passiert? Die Weingärtenumgehung zum Beispiel ist im Haushalt 2016 und Folgejahre ausdrücklich aus der Planung heraus genommen. Dafür stehen 2016 neuerlich mehr als 200.000 € für einen Ideenwettbewerb zu den Rathausflächen im Haushalts-‐Plan, wo doch noch nicht mal absehbar ist, ob wir jemals Geld für eine Rathaussanierung werden aufbringen können -‐ ohne ernsthaft alternative Entwicklungs-‐ und Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen. Die überschlägig geplanten Sanierungskosten selbst sind aber ebenfalls nicht in die HH-‐Planungen aufgenommen. Es soll lt. Mehrheitsbeschluss der letzten StVV ein Beleuchtungskonzept für 41.000 € erstellt werden – dass -‐ so die Worte von Herrn 1. Stadtrat Fink – uns auch aufzeigen kann wo Oberursel schön ausgeleuchtet werden könnte. Die Mittel für Straßenbeleuchtung in Höhe von rund 4 Mio. € sind allerdings ebenfalls nicht in die Planung mit aufgenommen. Wenn wir schon nicht tatsächlich investieren können, weil wir kein Geld mehr haben, dann tun wir wenigstens so als könnten wir es. Es soll also weiterhin Geld für Planungen und Wettbewerbe ausgegeben werden, deren Ergebnis letzten Endes für den Papierkorb produziert werden. Teures Altpapier! Im Gegenzug wird uns Freie Demokraten die Forderung nach der Erstellung eines grundlegenden und zukunftsweisenden Verkehrskonzeptes immer wieder als sinnlos um die Ohren gehauen. Was bitte ist sinnvoll, wenn nicht die Erstellung eines Verkehrskonzeptes, welches alle bisherigen und vor allem künftigen städtebaulichen Entwicklungen oder Optionen der Entwicklungen, sowohl im Wohn-‐ als auch im Gewerbebereich berücksichtigt? Etwa diese ganzen anderen Planungen und Gutachten, die für den Papierkorb produziert wurden? Und … mit punktuellen Einzelfallentscheidungen konnte man vielleicht im Oberursel der 50er Jahre weiter kommen… doch lange nicht mehr im 21. Jahrhundert und mit heute schon mehr als 46.000 Einwohnern…Tendenz steigend. Ein Verkehrskonzept als Grundlage sämtlicher verkehrlicher Bau-‐ und Umbaumaßnahmen, würde sicherlich so manche Entscheidung in diesem Bereich rückblickend in ein anderes Licht stellen. Als Beispiele will ich hier nur den teuren Umbau der Bärenkreuzung oder die jüngst mehrheitlich beschlossenen grundlegenden Umbaumaßnahmen an der Kreuzung Bommersheimer Straße, 2 FDP-Fraktion im Stadtparlament Oberursel Zimmersmühlenweg/Frankfurter Landstraße mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 1,7 Mio. € nennen. In 2016 sind lt. HH-‐Planentwurf rd. 3,8 Mio. € Investitionsauszahlungen in Verkehrsflächen und Anlagen und ÖPNV geplant. In 2017 5,7 Mio. € und in 2018 3,7 Mio. €. Zu hohe Summen, um lediglich punktuell anstatt strukturell und strategisch zu agieren. Ich darf hierzu mal eben kurz aus der Produktgruppenbeschreibung Mobilität und Verkehr, insbesondere Verkehrsplanung zitieren (s.410 ff): „Erhebung, Analyse, Darstellung und Bewertung aller verkehrsrelevanten Einrichtungen und Daten // Entwicklung von Verkehrskonzepten einschließlich der Handlungs-‐ und Umsetzungsszenarien für bestimmte Verkehrsträger oder Teilbereiche // Optimierung der Verkehrssteuerung-‐ und Lenkung durch Verkehrsleitsysteme, Verkehrsberuhigungskonzepte, Konzepte zur Parkraumbewirtschaftung usw. …“ usw. , usw. Das legt entgegen der Aussage von Herrn Bürgermeister Brum nahe – der immer wieder anführt, dies können die Mitarbeiter nicht leisten -‐ dass wir solche Planungen entweder eben doch auch im Rathaus mit den dort angesiedelten gut 11 Stellen zumindest mal beginnen können, wenn dies gewollt wäre. Oder, wir müssen zu dem Schluss kommen, dass wir im Rathaus dringend ein vernünftiges Organisations-‐ und Personalentwicklungskonzept brauchen. Doch von Seiten des Magistrats werden uns Stadtverordnete lieber Beschlussvorlagen vorgelegt, die grundlegende Entscheidungen zum Verbleib bestimmter Einrichtungen am bisherigen Standort fordern. Siehe Rathaus und zuletzt ebenfalls wieder beim Alten Hospital geschehen. Dies, obwohl die dafür aufzubringenden Mittel für Sanierungs-‐ und Umbaumaßnahmen -‐ im Falle des Alten Hospitals z. B. in Höhe von rund 1,8 Mio. € -‐ bekannt sind. Es werden also tatsächlich solche Beschlussvorlagen erarbeitet, wo nicht klar ist, wie wir diese Beschlüsse eigentlich finanzieren wollen! Diese Mittel sind daher folgerichtig auch nicht in die Investitionsplanung aufgenommen. Doch was sollen dann diese Grundsatzbeschlüsse, die hohe Investitionen zwangsläufig nach sich ziehen und damit eigentlich Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt notwendig machen würden?! Beim Alten Hospital kommt noch hinzu, dass man sich fragen muss, ob in diesem denkmalgeschützten Haus selbst nach den millionenschweren Umbaumaßnahmen die geplante gute und erweiterte Seniorenarbeit möglich ist. Die FDP-‐Fraktion zumindest ist hinsichtlich der jeweiligen Standortwahl skeptisch. 3 Da werden Anträge gestellt, wie z. B. von der OBG-‐Fraktion, die Sanierung des Freibades in die mittelfristige Finanzplanung mit auf zunehmen, wo noch nicht einmal ansatzweise erkennbar ist, wo das Geld dafür herkommen soll. Aufgrund des nun aufgelegten neuen Sanierungsprogrammes des Bundes kommt man auch direkt wieder in Versuchung, frei nach dem Motto – Sonderangebot – egal ob ich es mir überhaupt auch nur ansatzweise leisten kann -‐ es ist mit Glück um fast 50 % billiger also kaufe ich, denn es sieht gut aus. Wir sollten nicht vergessen -‐ unser Tafelsilber ist bereits größtenteils verkauft! Also sind Investitionen in naher Zukunft ohne Kredit nur noch möglich aus den Überschüssen des Ergebnishaushaltes. Da wir hier aber nicht wirklich nennenswerte Überschüsse erwirtschaften werden, wenn wir so weiter machen wie bisher, sollten wir uns zukünftig genau überlegen, was wir mit dem wenigen Geld bewegen wollen. Da sind vorgegriffene Grundsatzentscheidungen klar der falsche Weg! Wir haben einen Haushalt mit einem Gesamtvolumen von rd. 97 Mio. € Aufwendungen. Dem stehen Einnahmen in Höhe von 81 Mio. € gegenüber. Dies ergibt ein offensichtliches Defizit in Höhe von rd. 16 Mio. €. Zusammen mit dem negativen Finanzergebnis in Höhe von rd. 7 Mio. € steht für 2016 ein ordentliches Ergebnis von rd. Minus 23 Mio. € im Buch. Verrechnet mit einem außerordentlichen Ergebnis stehen wir vor minus 20 Mio. € in 2016. Hier jetzt nicht ernsthaft über Sparmaßnahmen nachzudenken ist schon fast fahrlässig. Und da kommen wir wieder zu den sogenannten „heiligen Kühen“. Haushaltssicherung sollte zu 2/3 über Minderaufwendungen erfolgen und nicht wie in Oberursel über Mehrerträge durch z. B. Erhöhung der Grund-‐ und Gewerbesteuern. Und … auch wenn wir für 2017 das Defizit durch den Einsatz nahezu sämtlicher Rücklagen in Höhe von 20 Mio. € wieder merklich abschmelzen werden, so kommen wir nicht umhin, die Finanzen in Oberursel grundsätzlich zu überdenken und klaren Sparwillen zu zeigen. Da können wir kurzfristig z. B. ganz schmerzfrei bei der Streichung sinnloser Gutachten anfangen. Im Haushaltssicherungskonzept müssen aber wir mittel-‐ und langfristig einen nachvollziehbaren Defizitabbauplan festzuschreiben, der die Abbaumaßnahmen pro Einwohner in Euro darstellt. Oberursel steht finanziell grundsätzlich nicht so schlecht da. Doch müssen wir achtsam mit den Steuergeldern umgehen. Dies ist unsere Pflicht und Verantwortung und das sind wir den Bürgern und künftigen Generationen Oberursels schlichtweg schuldig! Die FDP-‐Fraktion wird den vorgelegten HH-‐Entwurf insgesamt daher ablehnen, auch wenn er gute Einzelmaßnahmen und Ansätze enthält. Abschließend danke ich im Namen der FDP-‐Fraktion allen Mitarbeitern der Kämmerei für die Aufstellung dieses im Vergleich sehr übersichtlichen und ausführlich erklärten HH-‐Planentwurfes. Katja Adler (Mitglied im HFA, stellv. Fraktionsvorsitzende) 4
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