Der Dispatcher Rüdiger Nausch 1948 geboren in Dobbertin, Umzug der Familie nach Schwerin • 1965 Mittlere Reife, danach Facharbeiterausbildung zum Zerspaner, Arbeit als Hochdruckspritzer im VEB Warnowwerft Warnemünde • 1970 bis 1992 Arbeit im Stahl- und Walzwerk Brandenburg, zuletzt als schichtverantwortlicher Dispatcher • 1974 Facharbeiterabschluss als Metallurge, danach Studium an der Ingenieurschule für Automatisierung und Werkstofftechnik in Hennigsdorf, Abschluss als Ingenieur für Werkstofftechnik und Materialprüfung • 1978 Heirat, zwei Kinder • seit 1993 mit Unterbrechungen Arbeit im Industriemuseum im Rahmen von ABM, dann Festanstellung • Mitglied des Fördervereins Stahlmuseum e. V. Vom Scherenmann zum Ingenieur spielsweise ein Kran kaputt, wird der Hauptmechaniker verständigt. Sind dessen Leute schon unterwegs, muss eine andere Lösung gefunden werden. Für große Havarien gibt es klare Richtlinien, wer und in welcher Reihenfolge zu unterrichten ist. In vielen Fällen wollen der zuständige Minister sowie die Staatssicherheit die direkte Information. Als Rüdiger Nausch 1970 ins Brandenburger Stahl- und Walzwerk kommt, fängt er als Scherenmann an. Der Name haftet. Die Kollegen nennen ihn auch noch so, als die Zeiten längst vergangen sind, in denen er im Betriebsteil Kirchmöser als Neuling Schrott zerkleinerte und Bleche beschnitt. Aus dem Anfänger wird bald ein Facharbeiter und dann ein Student. Als das Studium zu Ende geht, steht eine Entscheidung an. Es gibt weder eine Verpflichtung, ins SWB zurückzukehren, noch weist eine zentrale Lenkung die Absolventen einem bestimmten Betrieb zu. Dass Rüdiger Nausch seinem alten Arbeitgeber die Treue hält, hat private Gründe. Er ist mittlerweile verheiratet und seine Frau hat eine Wohnung im Ortsteil Görden. Damit fallen die Würfel für Brandenburg. Im Einstellungsgespräch wirbt der Kombinatsdirektor für die Dispatcherzentrale, die neue Ingenieure braucht, da seit 1979 alle Fäden des Kombinates in Brandenburg zusammenlaufen. Gefragt, wenn es schief läuft Die Zuständigkeit der zwölf Dispatcher ist breit gefächert. Zum einen haben sie die täglichen Produktionsmeldungen während der Nachtschicht aufzubereiten und an alle Direktoren des Kombinates und an das Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali zu melden. Bis 1987 geschieht die Datensammlung per Zettel, dann gibt es den PC. Zum anderen erfordert das weite Feld der Havarien ihren Einsatz. Dazu Rüdiger Nausch im Rückblick: „Die Dispatcher waren gefragt, wenn es schief lief.” Ist bei- Ein immer wiederkehrendes Problem ist die diskontinuierliche Belieferung des Werkes mit Rohstoffen. So setzt die Deutsche Reichsbahn im Herbst ihre Loks vorrangig für die Kartoffelernte ein und lässt Waggons mit Schrott stehen. Nach der Ernte sind die Loks wieder verfügbar und dann befinden sich täglich statt der 500 rund 1.000 Waggons im Werk. Diese sofort zu entladen, überfordert die Kräfte. Rüdiger Nausch erinnert sich: „Der Rückstau reichte bis Magdeburg. Der Verkehrsminister beschwerte sich dann beim Minister für Metallurgie.” In solchen Fällen laufen in der Dispatcherzentrale die Drähte heiß. Nach der Überführung des volkseigenen SWB in eine GmbH bleibt die Dispatcherzentrale noch bis 1992 erhalten. Sie schrumpft aber, da frühere Aufgaben wie die planwirtschaftlich wichtigen Produktionsmeldungen an das zuständige Ministerium wegfallen. Zeitweise ist Rüdiger Nausch der einzige Dispatcher. Im Herbst 1992 unterschreibt er einen Aufhebungsvertrag und gründet ein Schreibbüro. Ein halbes Jahr später ruft bei ihm die Beschäftigungsgesellschaft GABS an. Sie sucht Mitarbeiter für das Industriemuseum und fragt, ob er Interesse hätte. Rüdiger Nausch hat und ist bis zum heutigen Tag geblieben. Foto auf dem Betriebsausweis (Ausschnitt) von Rüdiger Nausch, als er im Betriebsteil Kirchmöser als „Scherenmann” arbeitete, 1972 Auszug aus dem Funktionsplan eines Dispatchers, 1977 Unfälle jeglicher Art riefen die Dispatcher auf den Plan; hier eine Kleinlok nach dem Zusammenstoß mit einem Chargierkran am 6. November 1985. Zurückgeblickt „Das Stahlwerk ist sozusagen mein Leben. Es hängt ja immer noch mit dem Stahlwerk zusammen. Es werden jetzt 40 Jahre, die ich hier bin.” „Stahl ist das, was man immer braucht. Es ist erstaunlich, was es alles aus Stahl gibt.” Die Dispatcherzentrale 1987/1988. An der Wandtafel hingen Gleis- und Kranpläne sowie der jeweils aktuelle Bereitschaftsdienstplan. Der Museumsmitarbeiter Rüdiger Nausch beschriftete 1995 eine Ramme, die für den Fundus bestimmt war. Wohnungen für Stahl- und Walzwerker Für Mitarbeiter des SWB war es oft leichter als für andere Brandenburger, eine Wohnung zu erhalten. Ihnen standen betriebseigene Wohnungen, werksgebundene Wohnungen und Wohnungen von der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG) zur Verfügung. Bei der Vergabe durch das SWB wurden Schichtarbeiter, kinderreiche Familien, Alleinstehende mit Kindern sowie junge Eheleute bevorzugt. Kern der betriebseigenen Wohnungen war zunächst die Walzwerksiedlung aus der Vorkriegszeit. 1990 verfügte das SWB über 1.750 betriebseigene Wohnungen. Bei der AWG des SWB erfolgte im Gründungsjahr 1954 der erste Spatenstich für 26 Reihenhäuser. 1979 wurden alle AWGs in Brandenburg zu einer städtischen AWG zusammengefasst.
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