cpm forum 1-2015 Oberstleutnant i.G. Michael Blümel, Oberleutnant Patrick Eckner Planungsamt der Bundeswehr treibt Risikomanagement voran Nicht erst seit der KPMG-Studie zu den Beschaffungsvorgängen der Bun deswehr im letzten Jahr gilt ein gesteigertes Kostenbewusstsein in der Bundeswehr. Zur Abschätzung der zu erwartenden Kosten bei einem neuen Vorhaben müssen die Risiken bekannt sein und bewertet werden. Dies soll das Risikomanagement in der Bundeswehr leisten. Wie, das beschreiben die beiden Autoren, die Angehörige des Planungsamtes der Bundeswehr III 1 (2), Referat Life Cycle Cost Management und Risi komanagement, sind. Risikomanagement – wozu? Bei der Planung und Realisierung von Beschaffungs- und Rüstungsprojekten ist ein durchdachtes Risikomanagement nicht nur eine Vorgabe, sondern entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Vorhabens. Risiko ist ein Produkt aus der Eintrittswahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses und der Schadensschwere als Konsequenz aus dem Ereignis. Man unterscheidet Kosten-, Zeitund Qualitätsrisiken sowie sonstige, wie beispielsweise juristische Risiken. Wesentliche Erkenntnisse moderner Risikoforschung basieren beispielsweise auf Erkenntnissen für bemannte Raumflüge, aus dem Betrieb von Kernkraftwerken oder von Versicherungsgesellschaften. Risikomanagement ist der planvolle Umgang mit Risiken. Das Planungsamt der Bundeswehr verfolgt dabei gerade wegen der Komplexität von Beschaffungs- und Rüstungsprojekten folgenden, zunächst simpel klingenden Ansatz: forum Werkzeuge im Rahmen des Risikomanagements Das Planungsamt beabsichtigt, dabei ein „Quantitatives Risikomanagement“ anzuwenden. Dieses kalkuliert datenbasiert das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadensschwere innerhalb von Projekten mittels • Modellbildung durch eine mathematische Gleichung mit kontrollierbaren und unkontrollierbaren Variablen, • mathematisch-statistischer Verfahren und • umfangreicher Simulation. Die zweite und dritte Frage nach der Wahrscheinlichkeit und Schadensschwere werden dabei durch die Gleichung aus der Modellbildung beantwortet und gleichzeitig für den Entscheidungsträger plakativ visualisiert. Eine Modifikation der kontrollierbaren Variablen als Risikosteuerung durch den Entscheidungsträger verändert die simulierte Schadensschwere solange, bis die vierte Frage der Risikosteuerung rational, dokumentiert und damit jederzeit nachvollziehbar beantwortet ist. Aus der dabei verwendeten Variablenkonstellation mit der günstigsten Risikoprognose kann dann die Entscheidung des Entscheidungsträgers werden. Grafik: Fotolia/XtravaganT Risikoanalyseund Risikobewertungsverfahren werden im Planungsamt vom Referat Life Cycle Cost Management in der Abteilung III Planungsumsetzung bearbeitet Der Entscheidungsträger legt zu Beginn fest, welcher der o.a. Risiken sein Hauptaugenmerk gilt. Anschließend folgt die Risikoanalyse in folgenden Schritten: • Erste Frage: Was kann schief gehen? • Zweite Frage: Wie wahrscheinlich ist es ist, dass es schief geht? • Dritte Frage: Wenn es schief geht, wie groß ist die Schadensschwere? • Vierte Frage: Welche Schadensschwere ist der Entscheidungsträger bereit zu tragen? Abschließend soll der Entscheidungsträger risikobehaftete Projektelemente so festlegen können, dass das für ihn tragbare Risiko eingehalten wird. Null-Risiko-Vorhaben existieren grundsätzlich nicht. Es erfolgt die Risikokontrolle. Diese Phasen werden wiederholt durchlaufen und stellen einen Zyklus dar. 30 Foto: Bundeswehr Der neue A400M der Luftwaffe: Kostensteigerung um ca. 40% bei gleichzeitiger erheblicher Mängelliste. Hätte ein effizientes Risikomanagement hier rechtzeitig eingreifen können? rigen Methodendokumentation und in den angewendeten Risikobewertungsverfahren erkannte man in der NATO notwendigen Optimierungsbedarf in Anwendung und einheitlicher Sprache und beauftragte die SAS-109. Das Planungsamt kann hierbei sowohl wissenschaftliche Kenntnisse im Bereich der Risikoanalyse als auch Erfahrungen aus dem Integrierten Planungsprozess ein- Regelkreis zur Analyse und Bewertung von Risiken Grafik: Bundeswehr/Planungsamt Ein einheitliches, zielgerichtetes und gesteuertes Quantitatives Risikomanagement erzeugt in allen Projekt- und Entscheidungssituationen die nötige Nachvollziehbarkeit und Rationalität, welche insbesondere bei unsicheren Prognosen und Zukunftsentwicklungen zu einem langfristigen Erfolg beitragen können. Dies betrifft auch die Planung von Beschaffungs- und Rüstungsvorhaben, in der die Analyse und das Handhaben von Risiken immer weiter in den Fokus rückt und in der daher das Planungsamt im Rahmen und am Beginn des Integrierten Planungsprozesses (IPP) eine exponierte Verantwortung einnimmt. Dass diesbezüglich im Rahmen von militärischen Beschaffungen elementarer Handlungsbedarf besteht, zeigen die Empfehlungen der KPMG-Studie „Umfassende Bestandsaufnahme und Risikoanalyse zentraler Rüstungsprojekte“ aus dem September 2014, in dem ein nicht hinreichendes Risikomanagement identifiziert wurde. Das Planungsamt wirkt seit Anfang 2014 mit dem Referat Life Cycle Cost Management (LCCM) und dessen Fachwissen in der wissenschaftlichen Studiengruppe „NATO System Analysis and Studies“ (SAS-109) zum Thema „Risikoanalyse für militärische Beschaffungsprogramme“ mit. Risikomanagement betrachtet unter anderem Kostenrisiken und ist damit der übergeordnete Vorgang zu LCCM, so dass die Aufgabe folgerichtig an dieses Referat ging. Überblick über die internationale Zusammenarbeit Auftrag der SAS-109 ist es, in Kooperation mit den Teilnehmerländern USA, Kanada, Großbritannien, Norwegen, Tschechien, Türkei, Griechenland und Deutschland risikoanalytische Methoden sowie Konzepte zur Bereitstellung von Daten zusammenzutragen. Aus den Erfahrungen in Beschaffungsvorhaben soll ein konstitutives und rationales Risikomanagementkonzept beschrieben werden. Wichtiges Bezugsdokument der Arbeit ist die Ergebnisdokumentation der NATO SAS-054 „Methods and Models for Life Cycle Costing“. Insbesondere in der bishe- 31 forum bringen, um im Rahmen der NATO SAS-109 Synergien zu fördern und Erkenntnisse zu gewinnen. Die Zusammenarbeit und der internationale Erfahrungsaustausch auf wissenschaftlicher Ebene ermöglicht es den teilnehmenden Ländern, ihr eigenes Beschaffungswesen und dessen Planung kritisch zu reflektieren und Verbesserungsansätze zu besprechen. Durch diese Zusammenarbeit kann im Planungsamt der Aufbau eines strukturierten Quantitativen Risikomanagements im Integrierten Planungsprozess unterstützt werden. Der dargestellte QR-Code führt zu einer kurzen Einführung in die SAS-109. für jedes Projekt gegeben ist, werden auch qualitative Verfahren wie die Delphi-Methode, einem systematischen, mehrstufigen Befragungsverfahren mit Rückkopplung, in den Empfehlungen angesprochen werden. Das Kapitel „Daten“ behandelt daher die drei Bereiche Datengewinnung, Hinweise zur Bewertung und mögliche Risiken bei der Nutzung von Daten innerhalb der Risikoanalyse von Beschaffungsprojekten. Insbesondere die Qualität der verwendeten Daten ist entscheidend für eine gewinnbringende Risikoanalyse. Erfahrungsgemäß besteht die Gefahr, dass das Falsche gemessen, das Wichtigste übersehen und Das Planungsamt als Gastgeber das Gemessene falsch gewichtet wird. Grafik: Bundeswehr/Planungsamt cpm forum 1-2015 für NATO-Risikoanalysten: QR-Code zur Quelldatei Empfehlungen für Risikomanagement bei militärischen Beschaffungsprogrammen Die SAS-109 beschäftigt sich unter der administrativen Federführung der USA und Kanadas mit der grundlegenden Frage, welche Risikoanalyseverfahren bei Militärischen Beschaffungsprogrammen derzeit vorhanden, geeignet und umsetzbar sind. Hierbei gilt es von Anfang der Zusammenarbeit an, die Balance zwischen methodisch fundiertem Umfang und praktikabel anwendbaren Entscheidungshilfen für Projektleiter und andere Entscheidungsträger zu finden. Dazu wurde mit Aufstellung der SAS-109 die einvernehmliche Entscheidung getroffen, zwischen den Teilnehmerstaaten zunächst verschiedene Risikoarten unabhängig voneinander zu bearbeiten und relevante analytische Verfahren vorzustellen. Das projektabschließende Ziel sind Empfehlungen, mit deren Hilfe Risikoanalyseverfahren für Beschaffungsprogramme implementiert werden können, um Entscheidungsträgern von Beschaffungsmaßnahmen nachvollziehbare Schadensschweren bezüglich expliziter Risiken zur Verfügung zu stellen. Das Referat LCCM des Planungsamtes übernahm in Kooperation mit den Vertretern der kanadischen Streitkräfte das Kapitel „Kostenrisiken“, in dem sowohl die Methoden als auch Aussagen zur Relevanz von Daten für eine geplante Risikoanalyse beschrieben wurden. Hier findet man eine dezidierte Methodenübersicht von potentiellen Risikoanalyseverfahren. Es wurde einvernehmlich eine Differenzierung in qualitative und quantitative Verfahren akzeptiert, deren Methoden und Modelle geeignet sind, um abhängig von Projektart, Verfügbarkeit von Daten und dem zeitlichen Spielraum angewendet zu werden. Langfristig methodisches Ideal stellten für alle Teilnehmer allerdings die quantitativen Verfahren, wie zum Beispiel die Nutzung von Monte-Carlo-Simulationen, dar. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, bei dem mit Hilfe sehr häufig durchgeführter Zufallsexperimente analytisch nicht oder nur aufwändig lösbare Probleme numerisch gelöst werden. Die Zufallsexperimente können durch computergenerierte Vorgänge den Prozess in ausreichend häufigen Zufallsereignissen simulieren. Weitere Verfahren wie Konfidenzintervalle, Sensitivitätsanalysen und weitere Schätzmethoden werden in die Empfehlungen einfließen. Alles ist messbar. Da diesbezüglich jedoch ein valider Datenbestand als Analysegrundlage entstehen soll und dieser nicht forum 32 Arbeitstagung in Berlin Zur persönlichen Absprache und Auswertung der bisher erarbeiteten Ergebnisse trafen sich die Teilnehmerländer der SAS-109 im Dezember 2014 zur inzwischen dritten Arbeitstagung in Berlin. Das Planungsamt fungierte als Gastgeber in der Hauptstadt. Während eine Arbeitsgruppe sich insbesondere mit Kostenrisiken beschäftigte, brachte eine zweite umfassende Erkenntnisse zu Zeitrisiken ein. [https://bw2.link/4OiyR] Für die folgenden Arbeitsschritte steht das Team des Planungsamtes weiter im kooperativen Austausch mit allen SAS109 Mitgliedern, um die Zwischenstände und Ergebnisse zu Kostenrisiken unter der Federführung von Großbritannien zusammenzuführen. Parallel beginnt das Team des Planungsamtes als nächsten Arbeitsschritt unter Federführung der USA mit der Erarbeitung von Beiträgen zu Qualitätsrisiken. Die tägliche Arbeit findet in einem eigenen NATO-Share Point statt. Monatlich werden im Rahmen von Telefonkonferenzen aller Teilnehmer die Arbeitsfortschritte detailliert abgefragt. Im Mai 2015 findet die nächste Arbeitstagung in London statt. Fazit und Ausblick Die Arbeit an den bisher erstellten Kapiteln für die Empfehlungen war sehr hilfreich für das gemeinsame Verständnis von Kosten- und Zeitrisiken. Bis 2017 soll die Arbeit der SAS-109 abgeschlossen sein. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Risikomanagement im Planungsamt wird in Vorschlägen zu einem Quantitativen Risikomanagement in der Bundeswehr zu Beginn eines Beschaffungsvorhabens im Integrierten Planungsprozess einfließen. Risikodokumentation alleine nützt dem Entscheidungsträger wenig. Diese verwaltet Risiken oder bereits eingetretene Schäden nur. Erst der Vergleich von verschiedenen Schadensschweren schon mit Beginn eines Vorhabens ermöglicht eine dann in allen Projekt- und Entscheidungssituationen notwendige Transparenz und Rationalität. Es sei noch einmal herausgehoben: Quantitatives Risikomanagement modelliert und simuliert Risiken. Es ermöglicht damit einen planvollen Umgang mit Risiken, indem kontrollierbare Variablen aus der Modellierung durch den Entscheidungsträger solange verändert und vorgegeben werden, bis ein für ihn akzeptables Risiko erreicht wird. Damit können als Nebeneffekt auch Entscheidungen nachvollzogen und jederzeit begründet werden.
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