Industrie 4.0 Maschine kommuniziert mit Maschine – und wer haftet

Industrie 4.0
Maschine kommuniziert mit Maschine – und
wer haftet, wenn es schief geht?
Dr. Thomas Engels
Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht
Grundlegende Fragen
WAS VERBIRGT SICH HINTER „INDUSTRIE 4.0“?
10.11.2015
Dr. Thomas Engels, LL.M.
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Industrie 4.0 - Begriffsanalyse
• Laut BITKOM eines der 5 wichtigsten ITThemen 2015
• Die vierte industrielle Revolution
[nach Dampfmaschine (1.0), Fließband
(2.0) und Digitalisierung (3.0) nun
Vernetzung (4.0)]
10.11.2015
Dr. Thomas Engels, LL.M.
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Industrie 4.0 - Begriffsanalyse
• Industrie 4.0 bislang allerdings nur ein
bloßer Marketingbegriff, der ein
Zukunftsprojekt der Bundesregierung
beschreibt
• Auf den ersten Blick recht eng gefasst
beschreibt er nur die Vernetzung der
Produktionsanlagen
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Industrie 4.0 - Begriffsanalyse
• Industrie 4.0 muss jedoch deutlich
umfassender verstanden werden und berührt
eine Vielzahl von Einzelaspekten:
– Individualisierung von Produkten (selbst in der
Serienfertigung)
– Hybridisierung von Produkten (Kopplung von
Produktion und Dienstleistung)
– Integration von Kunden und Geschäftspartnern
(in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse)
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Industrie 4.0 - Begriffsanalyse
• Industrie 4.0 enthält zudem viele neue
technische Bestandteile:
– Eingebettete Systeme
– (teil-)autonome Maschinen, die Entscheidungen
selbst treffen
– Neue Fertigungstechniken wie z.B. 3D-Drucker
– Cyber-Physikalische Systeme
– „Internet der Dinge“
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Neue Grundprämissen
WAS INDUSTRIE 4.0 RECHTLICH BEDEUTET
10.11.2015
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Neue rechtliche
Fragestellungen
• Herausforderungen für das Recht der
Willenserklärungen
• Neue vertragsrechtliche Gestaltungen
• Neue haftungsrechtliche Konstellationen
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Recht der Willenserklärungen
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Rechtliche Bedeutung der M2MKommunikation
• In Zukunft werden Maschinen rechtlich relevante
Erklärungen abgeben
• Das bürgerliche Recht kennt nur aber
Willenserklärungen natürlicher Personen
• Der Entwickler von smarten Maschinen legt das
Verhalten durch Softwareprogrammierung nur
indirekt fest
• Ab wann sind Maschinenerklärungen nicht mehr
dem Nutzer zurechenbar?
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Rechtliche Tragweite der M2MKommunikation
• Wem wird einen Maschinenerklärung zugerechnet?
Reicht es hier aus, wenn der Nutzer Grundparameter
vorher festgelegt hat?
• Wie wirkt sich die Lernfähigkeit aus? Kann sich eine
Maschine „irren“?
• Ist eine Maschine ein „Vertreter“? Eine Maschine
besitzt keine (Rechts-)Persönlichkeit!
• Können Maschinenerklärungen „angefochten“
werden?
• Wann werden Maschinenfehler überhaupt bemerkt?
• Eine Maschine besitzt keine eigene Haftungsmasse.
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Rechtliche Lösungsansätze zur
M2M-Kommunikation
• Rechtliche Rahmenbedingungen reichen
nicht aus. Vertreterrecht ist nicht
ausreichend, eine volle Haftung des Nutzers
ggf. zu weitgehend.
• Vorsorge durch sorgfältige Programmierung?
• Vorsorge durch Haftungsabmilderung
(Versicherungen, etc.)?
• Änderung der rechtlichen
Rahmenbedingungen wird in jedem Fall zu
spät kommen.
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Vertragstypologische Fragen
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Ist das noch ein Kaufvertrag?
• Individualisierbarkeit bedeutet eine (Teil-)
Abkehr von der Massenproduktion
• Kaufvertrag kann zum
Werk(lieferungs)vertrag werden
• Auswirkungen im B2C (Widerrufsrecht)
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Smarte Produkte
Sachkauf oder Dienstleistung?
• Kombinierte Produkte: Was wird denn
verkauft, sind es Geräte oder Services?
• Was bedeutet das vertraglich –
Kaufvertrag oder Dienstvertrag?
• Welche Pflichten habe ich als Hersteller?
Dauerhafte Bereitstellung von Services?
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Smarte Produkte
Sachkauf oder Dienstleistung?
• Beispiele:
– Fitnesstracker, Abschaltung der
Internetdienste macht Produkte unbrauchbar
– Intelligenter Kühlschrank, Zugriff auf offene
Plattformen + Interaktion mit Dritten
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Smarte Produkte
Wem gehören die eigentlich?
• Kernstück smarter Produkte ist Software
• Software wird lizenziert, nicht verkauft
• Wie weit reichen die Befugnisse des
Softwareherstellers?
– Beispiel John Deere-Traktor
– Beispiel Smartphone Unlocking & Jailbreaking
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Haftungsrechtliche Fragen
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Smarte Maschinen
Neue Haftungsrisiken
• Haftung für Fehlverhalten von smarten
Systemen?
• Sonderfall: Selbststeuernde Fahrzeuge, aber
Gefährdungshaftung im StVG
• Im übrigen nur verschuldensabhängige
Haftung nach Deliktsrecht
• Verschulden des Nutzers bei autonomer
Entscheidung der Maschine?
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Smarte Maschinen
Neue Haftungsrisiken
• Vorhersehbarkeit eines erlernten Verhaltens
von autonomen Systemen?
• Anknüpfung an mangelnde Sorgfalt bei der
Konzeptionierung und Erstellung?
• Weitergehende Pflichten ähnlich wie bei der
Tierhalterhaftung?
• Gefährdungshaftung wünschenswert, im
Gesetz aber nicht vorgesehen
(Ausnahmecharakter).
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Smarte Produkte
Neue Produkthaftung?
• Produktfehler werden schwerer zu
lokalisieren – nicht alle Umgebungen
lassen sich im Labor testen
• Fehlersuche wird deutlich komplexer
• Rückrufaktion vs. Softwareupdate
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Big Data
Fehlerhafte Datenanalysen
• Vorhersagen auf Grundlage von
Datenanalysen
• Beispiel: Ausbruch von Epidemien und
Pandemien
• Kausalität und Verschulden bei
fehlerhafter Analyse?
• Nachweisbarkeit individuellen
Fehlverhaltens?
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Neues Umfeld
INDUSTRIE 4.0 - DATEN, DATEN, DATEN
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Der Schutz von Daten
• Industrie 4.0 setzt den Austausch von
Daten voraus
• Wem „gehören“ die Daten im rechtlichen
Sinne?
• Großes Interesse an Auswertung von
Daten
• Wie kann ich in diesem Umfeld geistiges
Eigentum schützen?
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Der Datenschutz
• Smarte Produkte können Daten sammeln
• Datenschutz der Kunden muss beachtet
werden – Geolokalisierung,
Gesundheitsdaten, Gewohnheiten
• „Privacy by Design“
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Big Data
• Big Data ist Entscheidungsgrundlage in Prozessen
• Datensammlung und -auswertung findet bei
Dritten statt
• Zusammenführung von Daten ermöglicht eine
detaillierte Profilerstellung
• Datenschutz muss bei der Übermittlung der Daten
berücksichtigt werden
• Internationaler Aspekt gewinnt zusehend an
Bedeutung
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Produktsicherheit = IT-Sicherheit?
DAS IT-SICHERHEITSGESETZ IST ERST DER
ANFANG
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IT-Sicherheit muss in den Fokus
• Kommunizierende Systeme sind
angreifbar
• Diese Systeme sind für Konkurrenten
interessant - Industriespionage
• Diese Systeme sind für Kriminelle
interessant – Herbeiführen von
Produktmängeln
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IT-Sicherheitsgesetz als Anfang
• Gesetzgeber macht einen ersten Anfang:
– Mindeststandards
– Offenlegungspflichten
– Kontrolle durch staatliche Institutionen
– Warnungen durch staatliche Institutionen
– Fokus bisher allerdings auf „kritische
Infrastrukturen“
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Neue Herausforderungen
WAS INDUSTRIE 4.0 FÜR EIN UNTERNEHMEN
BEDEUTET
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Neue Grundlagen
• Forschung und Entwicklung
– Wer ist an interdisziplinärer Zusammenarbeit
beteiligt?
– Wie werden Forschung und Entwicklung
geschützt?
– Wem stehen Ergebnisse zu, wer darf diese
nutzen?
– Wie werden Mitarbeiter angemessen
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beteiligt?
Neue Vertragswelt
• Lieferketten, Arbeitsteilung
– Neue Fertigungstechniken begründen neue
Denkweise
– Beschaffungsprozesse müssen anders strukturiert
werden
– Pflichtenhefte bekommen ein immens höheres
Gewicht, Konzeptionierung steht noch stärker im
Vordergrund
– Haftungsgefüge mit Lieferanten muss völlig neu
austariert werden
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Neue Haftungswelt
• Gewährleistung, Produkthaftung
– Garantiehaftung gegenüber Kunden noch
möglich?
– Verschuldenshaftung noch gegeben?
– Produktsicherheit/Produkthaftung – wer ist
Hersteller?
– Wie wird Gewährleistung/ Haftung umgesetzt
und durchgeführt?
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Neue Sicherheitswelt
• IT-Sicherheit muss neu gedacht werden
• Öffnung von Systemen zur Interaktion vs.
Schutz der eigenen Infrastruktur
• Produktionssicherheit wirkt sich auf
Produktsicherheit aus
• Schutz gegen Dritte / Vertragspartner /
Mitarbeiter
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Neue Produktwelt
• Smarte Produkte können einen Wandel im
Unternehmen auslösen
• Wandel von der Produktion hin zur
Dienstleistung
• Auf diesen Wandel muss ein Unternehmen
vorbereitet sein
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Rechtsanwalt Dr. Thomas Engels, LL.M.
Fachanwalt für IT-Recht
LEXEA Rechtsanwälte, Köln
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51105 Köln
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