SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS Medienkonferenz «Pferdeschutz» | 14. Dezember 2015 STS-Pferdelabel – macht Pferde glücklich. Sandra Schaefler, Fachstelle Pferde Schweizer Tierschutz STS Da Pferde in der Schweiz durchschnittlich 22 bis 23 Stunden am Tag in ihrem Stall verbringen, ist die Art des Haltungssystems umso wichtiger. Noch heute werden die meisten Pferde in der Schweiz einzeln in Boxen gehalten – Weidegang, permanenter Auslauf und Gruppenhaltung sind gesetzlich nicht vorgeschrieben. Im Gegensatz dazu steht die Gruppenauslaufhaltung, welche den natürlichen Bedürfnissen der Pferde am nächsten kommt. Denn hier sind die Tiere wie in der Natur zusammen in der Herde und können sich über die meiste Zeit des Tages mit der Nahrungsaufnahme, der freien Bewegung und mit sozialen Interaktionen beschäftigen. Wie bei allen besonders tierfreundlichen Haltungsformen ist auch bei der Pferde Gruppenauslaufhaltung der Mensch mit seinem Wissen und Können von höchster Bedeutung. Die Gruppenauslaufhaltung wird deshalb mit Recht als Königsdisziplin bezeichnet. Allerdings kursieren auch viele Vorurteile unter den Pferdebesitzern. Manche fürchten, dass ihr Pferd in einer Gruppenhaltung nachts keine Ruhe habe, nicht ungestört fressen könne, durch den regelmässigen Weidegang dick oder ständig schmutzig werde oder sich verletze. Die Auslaufgruppenhaltung stellt somit eine Herausforderung dar. Es ist viel Fachwissen und Pferdeverstand gefordert, ebenso Geduld und Disziplin. Doch wer seine Pferde liebt und ihnen tatsächlich ein artgemässes Leben ermöglichen will, ist auch bereit, ihnen den benötigten Platz samt Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Die Pferde müssen sich zurückziehen können, brauchen Ausweichmöglichkeiten und der Stall soll pferdegemäss strukturiert sein. Mehrere Futterstellen verhindern Streitigkeiten und eine Unterdrückung von rangniedrigen Pferden. Es gibt viele gute Argumente für die Gruppenauslaufhaltung: - Auch in der Natur sind Pferde Tag und Nacht in der Herde zusammen. Pferde fressen über 18 Stunden pro Tag, wobei sie die meiste Zeit in Bewegung sind. Die Einzelhaltung in beengten Boxen kann diesen Bedürfnissen nicht gerecht werden. - Von Natur aus sind der Magen und Verdauungstrakt der Pferde so konzipiert, dass immer Nahrung "nachgeliefert" werden muss. Im Optimum sollte eine Fress-Ruhepause nicht länger als zwei Stunden betragen. Wenn Pferde nachts nur Sägespäne und Liegematten in ihren Boxen zur Verfügung haben, ist dies nicht gewährleistet. - Gemische Herden sind optimal: Junge Pferde werden von alten erzogen, alte Pferde werden von den jungen zum Spielen animiert und somit jung gehalten, Stuten und Wallache können tiefe Freundschaften eingehen. - Die häufigsten Erkrankungen bei Pferden betreffen die Atemwege, die Verdauungsorgane und den Bewegungsapparat. Bei der Boxenhaltung entstehen häufiger Atmungserkrankungen, Koliken, Stehschäden und allenfalls auch Verhaltensstörungen. Die freie Bewegung ist für das 1 SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS Medienkonferenz «Pferdeschutz» | 14. Dezember 2015 Pferd aus gesundheitlichen Gründen wichtig – Koliken können so verhindert werden! Pferde in Gruppenhaltungen sind deshalb physisch gesünder. Das verringert auch die Tierarztkosten und steigert die Lebenserwartung. - Pferde fressen bei längeren Weidegängen oftmals nicht mehr als bei kürzeren. Studien haben gezeigt, dass die Pferde bei kürzeren Weidegängen einfach schneller fressen. Die Pferde sind durch Gruppenhaltung nicht nur wesentlich ausgeglichener und gesünder, sondern auch selbständiger und sicherer. Sie sind verschiedensten Reizen ausgesetzt, die es in der Box nicht gibt. So werden auch Spannungen vermieden, die sich sonst beim Pferd – im schlimmsten Fall beim Ausritt - explosiv entladen können. - Der Arbeitsaufwand für den Stallbetreiber ist wesentlich geringer. Ebenfalls müssen keine einzelnen Boxen gebaut werden, sodass Investitionskosten gesenkt werden können. Zur Förderung und Auszeichnung der Gruppenauslaufhaltung wurde 2011 das STS Pferdelabel ins Leben gerufen. Das Label zeichnet Ställe mit permanenter Gruppenauslaufhaltung inklusive regelmässigem Weidegang aus. Derzeit sind 26 Ställe Mitglied beim STS Pferdelabel, weitere sind in der Anmeldephase. Für das Label wurden detaillierte Richtlinien erstellt, welche die Tierschutzverordnung und die Bundesprogramme zur Förderung tierfreundlicher Haltungsformen (BTS: Besonders tierfreundliche Stallhaltung; RAUS: Regelmässiger Auslauf ins Freie) als Basis haben und teilweise darüber hinausgehen. Die wichtigsten Bedingungen sind: - Die Pferde werden Tag und Nacht in der Gruppe gehalten - Die Tiere müssen einen permanenten Auslauf zur Verfügung haben, davon ist die Hälfte der minimalsten Grösse ungedeckt. - Es dürfen keine Sackgassen oder Engpässe vorhanden sein. Vorgeschrieben sind mindestens zwei getrennte Funktionsbereiche (Liegebereich, Auslauf), besser sind jedoch drei (zusätzlich noch Fressbereich). - Integrationsbereiche und Krankheitsboxen sollten vorhanden sein. - Von Mai bis Oktober muss Weidegang an mindestens 26 Tagen pro Monat gewährleistet sein. Von November bis April sind mindestens 13 Tage Weidegang vorgeschrieben. Dieser kann/soll bei schlechten Bodenbedingungen auch auf einer Allwetterweide stattfinden. Die ausgewiesene Mindestfläche der Weide pro Pferd beträgt 150 m2 . - Die Betriebe werden alle ein bis zwei Jahre unangemeldet vom STS Kontrolldienst überprüft. Bei Abweichungen von den Richtlinien werden Auflagen gestellt. Werden diese nicht innerhalb einer vorgegebenen Frist umgesetzt, schliesst der STS den Betrieb vom Label aus. Der Unkostenbeitrag für die Labelteilnahme deckt nur einen Teil der Aufwände, welche dem STS durch die Förderung und Propagierung der Gruppenauslaufhaltung entstehen. Die Teilnahme des Labels bringt dem Pferdestall diverse Vorteile: Die Auszeichnung darf zur Imagepflege und zu Werbezwecken genutzt werden. Der Stall erhält eine Hofplakette und wird drei Mal im Jahr mit einem STS-Newsletter rund um das Thema Pferde und Tierschutztätigkeiten bedient. Pro Jahr organisiert der STS einen Pferde-Workshop, an dem die Label- 2 SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS Medienkonferenz «Pferdeschutz» | 14. Dezember 2015 Mitglieder gratis teilnehmen können. Auch bei anderen Anlässen profitieren die Ställe von Vergünstigungen. Weiter findet ein regelmässiger Austausch zwischen dem STS und den Label-Mitgliedern statt. Der Zucht- und Aufzuchtstall Flurweid in Boswil ist Mitglied des STS Pferdelabels. Hier wachsen Freiberger in einer gemischtaltrigen Gruppe auf. Die Anlage verfügt über 600m 2 Auslauf, zwei Hektaren Weideland, wovon 4500m2 Allwetterweide sind. Im Film von Mark Rissi sieht man den Innenstall, der auf den ersten Blick einem Labyrinth gleicht. Die Pferde können sich hier auf grosse Liegeflächen zurückziehen. Durch die verschiebbaren Wände erhalten die Tiere Sichtschutz, denn auch bei Pferden gilt: Aus den Augen aus dem Sinn. Wenn sich ein Pferd verletzt, kann eine Krankheitsboxe erstellt werden. In der Aussenanlage sind verschiedene Futterstellen angebracht. So bleiben die Pferde in Bewegung und auch rangniedrige Tiere haben ungestört Zugang zu Futter. Jedes Pferd erhält seine spezifische Ration Kraftfutter in einem Fressstand. Durch die Trennwände kann hier jedes Tier in Ruhe fressen. Die Stallbesitzerin, Frau Heidi Fischer, betont, dass die Pferde Tag und Nacht in Bewegung sind – entgegen der Vorstellung diverser Pferdebesitzer die glauben, ihr Pferd schlafe in der Nacht. Zum Schluss sieht man im Film, wie die Pferde auf die Weide galoppieren. Wer dieses Pferdeglück beobachtet, weiss instinktiv, wie man Pferde halten sollte. SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS Dornacherstrasse 101, CH-4018 Basel, Phone 061 365 99 99 [email protected]; www.tierschutz.com 3
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