- Cave du Rhodan Mounir Weine AG

REPORTAGE
25. SEPTEMBER 2015
Trester
Auf dem Betrieb von Olivier Mounir fällt jedes
Jahr während der Weinproduktion Trester an. Das
sind die Kerne und Häute der Weintraube, die
nach dem Auspressen übrig bleiben. Bisher brachte Mounir den Trester im Frühjahr direkt in die
Reben. Wird der Trester erst angerottet, kann er
danach als idealer Rohstoff für die Wurmerdeproduktion verwendet werden. So können die Nährstoffe über den Wurm gespeichert werden. hja
Zwar könnten die Würmer nur vom Trester leben.
Allerdings ist die Nährstoffzusammensetzung
dann nicht optimal. Pferdemist ist deshalb eine
gute Ergänzung. Aber auch dieser muss zuerst in
Haufen angerottet werden. In einem umgebauten
Hochregallager werden Mist und Trester dann in
einer etwa 50 cm dicken Miete verteilt, abgedeckt und die Wasserzufuhr gesichert. Im Winter
wird über einen Solarheizwärmer die Temperatur
gesteuert. hja
Eisenia foetida
Der Star der Geschichte frisst sich in der Miete
durch das Gemisch aus Mist und Trester. Dabei
vermischt er im Material vorhandene Minerale
mit organischen Bestandteilen und schafft so die
Wurmerde. Diese Erde wandert langsam nach
unten und kann über eine Art Sieb aus Armierungseisen abgezogen werden. hja
Biodünger / Im Wallis wird die Produktion und Anwedung einer neuen
Düngerform erprobt. Das Wurmerde-Projekt gewann den Prix Agrivalais.
s geht um Würmer, um die
kleinen, nackten Tierchen,
die im Dreck, pardon, im
Boden leben. Eigentlich
geht es nicht um Würmer. Es geht
nur um einen Wurm, der als Mistwurm, Kompostwurm, Tennessee
Wiggler oder Tigerwurm bekannt
ist; es geht um den Kompostwurm
der Gattung Eisenia foetida.
Ohne Eisenia foetida gäbe es
keine Vermisuisse Wurmerde
GmbH, keinen Wurmstall und
keine Wurmerde, die verkauft
werden könnte. Er, der höchstens 14 Zentimeter lange, im
feuchten Waldboden, Mist und
Kompost lebende Wurm ist eigentlich der Star der ganzen Geschichte. Und er macht nichts
anderes als fressen. Tagein tagaus frisst, oder besser gesagt,
saugt Eisenia foetida Nahrung
ein. Der Wurm ist auf feuchtes,
gerottetes, organisches Material
angewiesen, da er selbst keine
Zähne hat.
In den Vormägen wird das,
was die Bakterien und Pilze bereits zersetzt haben, benetzt und
im Muskelmagen mit kleinsten
Steinchen vermischt. In der
Darmpassage des Wurms werden dann die Nährstoffe gelöst
und in den kleinen Wurmkreislauf weitergegeben. Was der
Wurm nicht braucht, kommt
hinten wieder raus – ein TonHumus-Komplex aus Mineralien, Ton und organischen Stoffen.
Wurmerde sei ein
idealer Dünger
Für den Agronomen Samuel
Moser ist genau diese komplexe
Struktur der Wurmausscheidungen von Bedeutung. Der Wurmkot wird auch als Wurmerde bezeichnet und ist getrocknet und
gereinigt ähnlich wie Kaffeesatz,
geruchlos und trocken. «Das ist
ein idealer Dünger», schwärmt
Moser, Mitgründer von Vermi­
suisse Wurmerde GmbH. Grund
dafür sei die Verbindung vom Ton
mit den verschiedenen Nährstoffen. Diese sind an den kleinen
Körnern gebunden und werden
nur langsam wieder freigesetzt.
Ein Vorteil sei das vor allem, wenn
es regnet, ist Moser überzeugt.
Dann nämlich würde der Stickstoff im Kunstdünger oder im frischen Hofdünger viel rascher
wieder ausgeschwemmt, als dies
bei der Wurmerde der Fall sei.
Dass aber die Würmer ungestört fressen dürfen, war zu Beginn nicht so geplant. Eigentlich
hätten es die Würmer sein sollen,
Wurmerde
Getrocknet und gesiebt bleibt Wurmerde übrig. Ein
geruchloses, Kaffesatz-ähnliches Granulat. Eingesetzt werden kann es im Garten, auf dem Balkon
oder auch auf dem Feld. Und eine Überdüngung ist
damit praktisch ausgeschlossen – die Pflanzen
müssen sich die Nährstoffe selbst aus der Wurmerde-Struktur lösen. Trocken und rieselfähig erleichtert die Wurmerde die organische Düngung in
den steilen Rebterassen erheblich. hja
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Würmer als
Geschäftsmodell
E
Pferdemist
B AUERN Z EITUNG
die gefressen werden sollten. Im
Tropenhaus Frutigen, im Berner
Oberland, braucht es für die Störzucht Futter. Futter, das Eiweiss
aus tierischem Ursprung enthalten muss, weil der Stör als Fleischfresser auf gewisse Aminosäureverbindungen angewiesen ist.
Eigentlich hätten die Würmer
verfüttert werden sollen
Bisher kann man diesen Eiweissbedarf nur mit dem Verfüttern von Fischmehl decken, zulasten der Fischbestände in den
Ozeanen. Für Moser war das ein
Problem. Er war am Aufbau des
Tropenhauses beteiligt und suchte eine Alternative zum Fischmehl. Dabei stiess er auf Insekten
und Würmer: Schwarze Soldatenfliegen, Mehlwürmer, Kompostwürmer. Die Tiere bestehen zu
einem guten Teil aus Eiweissen
und wären eigentlich ideal, um
selbst als Futter für den Stör zu
dienen. Den Kompostwurm
wählte er aus, weil er in der
Schweiz heimisch ist. Doch mit
den ersten Tests stellte Moser fest,
dass sich das kleine Tierchen
doch nicht so gut als Futtergrundlage für Störe eignete. Der Grund:
die Wurmpopulationen wachsen
zwar zu Beginn zügig. Steigt aber
die Populationsdichte mit der
Zeit, nimmt auch der Dichtestress
bei den Würmern zu. Und das haben die Tiere nicht gerne, sie beginnen, die Reproduktion zu reduzieren. Irgendwann ergibt sich
daraus ein biologisches Gleichgewicht – die Population wird nicht
mehr grösser, sondern richtet sich
am Futterangebot und dem verfügbaren Platz aus.
Aber immerhin schlägt der
Dichtestress nicht auf den Magen, Eisenia foetida frisst auch
bei hoher Wurmdichte munter
weiter. Tagein tagaus scheidet
der Wurm Wurmerde aus. Der
naheliegende Schluss für Moser:
Als ersten Schritt Wurmerde verkaufen, nicht die Würmer als
Futterrohstoff, sondern als Düngerproduzenten einsetzen.
Wurmerde hilft
Nährstoffkreisläufe schliessen
Doch wer soll die Wurmerde als
Dünger
einsetzen
wollen?
«Wurmerde ist für jemanden, der
an Kunstdünger glaubt, nicht interessant», sagt Olivier Mounir. Der
Winzer (siehe Kasten) arbeitet in
Salgesch VS nach biodynamischen Grundsätzen und setzt auf
den Dünger Wurmerde. Er meint,
dass Wurmerde vor allem interes-
sant sei, um die Nährstoffkreisläufe besser zu schliessen.
Gerade Pferdestallbesitzer und
Winzer hätten oft ein Problem mit
den Nährstoffkreisläufen, weiss er.
Und mit der Produktion von
Wurmerde könne dieses Problem
angegangen werden. Denn die
Würmer können den Trester, der
bisher als Abfall entsorgt oder
kompostiert wird, zu Dünger veredeln. Auch könnten Bauern die
Wurmerdeproduktion als Nebenerwerb nutzen. Allerdings wären
nicht nur Landwirte Abnehmer
der Wurmerde, sondern auch Biogärtnereien, Schrebergartengärtner und Balkongemüseproduzenten. Denn mit der Wurmerde ist
die Überdüngung einer Parzelle
praktisch ausgeschlossen.
Viel Entwicklungs- und
Aufbauarbeit
Auch die ursprüngliche Idee,
Würmer zur Fütterung von Fischen zu nutzen, ist nicht ganz
vom Tisch. Doch bis es soweit ist,
dauert es ohnehin noch länger –
es sei denn, die Preise für Fischfutter steigen stark an. Zuerst
müsse die Wurmerde konkurrenzfähig produziert werden
können, sagen Olivier Mounir
und Samuel Moser.
Doch davon ist man noch weit
entfernt. Im Gartenfach­
handel
wird ein Zehnlitersack Wurmerde für 28 Franken verkauft.
Kunstdünger kostet ein Bruchteil
dessen. Immerhin, sagt Moser,
halte sich auf der Kostenseite der
Investitions- und Arbeitsaufwand in Grenzen. Irgendwann
aber, davon sind beide überzeugt, schafft die Wurmerde den
Durchbruch. Dann nämlich,
wenn die Kunstdüngerpreise
stark steigen und die Hauptnährstoffe nicht mehr in rauen Mengen verfügbar sind.
«Jede nachhaltige Tätigkeit wird
irgendwann rentabel», sagt Mounir. Die Frage sei nur, wann sich die
Investition auszahle. Bis jetzt geht
es vor allem darum, die Nährstoffkreisläufe im Weinberg zu optimieren, indem der anfallende
Trester verwertet wird. Ausserdem
kann Mounir mit der Wurmerde
die Bodenqualität verbessern.
«Doch davon wird erst die nächste
Generation etwas spüren», meint
er.
Den Würmern ists egal. Solange
sie in der Erde Temperaturen von
15 bis 25 Grad Celsius und genügend vorgerottetes Futter und
Wasser finden, fressen sie munter weiter.
Hansjürg Jäger
Ein Mann zwischen Würmern, Erde und Google Analytics
«Ich bewege mich zwischen Wurm,
Erde und Google-Analytics», sagt
Olivier Mounir und lacht. Der Inhaber vom Keller Cave du Rhodan in
Salgesch VS betreibt auf seinem
Betriebsareal die gemeinsame Pilotanlage mit Vermisuisse Wurmerde GmbH. Bevor Mounir 2006
das Weingut von seinem Vater
übernommen hat, studierte er Betriebswirtschaft an der Universität
Bern, arbeitete bei der Computerfirma IBM im Verkauf, beteiligte
sich schliesslich an einer Projektmanagementfirma, die heute etwa
30 Mitarbeitende beschäftigt.
Er habe mehr aus Verlegenheit
Betriebswirtschaft studiert, meint
Mounir heute. Denn eigentlich hätte er nach dem Gymnasium in Brig
ein Önologiestudium in Bordeaux
(Frankreich) ins Auge gefasst. «Ich
sehe heute noch den verschlossenen Umschlag mit den Anmeldeformularen drin», sagt er heute.
Abgeschickt hat er die Anmeldung
nie. Stattdessen folgten Lehr- und
Wanderjahre, über die Mounir
heute sagt, dass sie enorm wichtig
waren.
Den Weg zu seinen Wurzeln
führte über seine Rolle als Aussenseiter, als Vermittler und Berater. Denn sein Vater und dessen
zwei Brüder hätten die Übergabe
regeln wollen. «Insgesamt waren
wir zu siebt, die Anrecht auf die
Geschäftsführung gehabt hätten»,
erklärt Mounir. Zu Beginn übernahm er die beratende Funktion,
doch bald habe es ihm «den Ärmel
reingenommen», wie er sagt. Er
wollte den Betrieb übernehmen.
Und tat dies dann auch vollständig, hat den Betrieb gekauft.
Olivier Mounir sagt von sich,
dass er gerne neue Dinge entdeckt
und sich kaum vorstellen könne,
jedes Jahr genau das Gleiche zu
machen. Seit 2008 bewirtschaftet
er einen Teil des Weinguts nach
biodynamischen Regeln. Der Kontakt zu Samuel Moser und der
Wurmerde ist vor ein paar Jahren
zufällig entstanden. Damals suchte Mounir nach Möglichkeiten,
das Wachstum seiner frisch gesetzten Reben zu verbessern. Weil
er voll begrünte Reben ohne Einsatz von Herbizid wollte, hatten
die Reben mühe, sich gegenüber
den Gräsern zu behaupten. Aber
auf konventionelle Weise die Probleme lösen, wollte er nicht. Die
Wurmerde als Dünger kam ihm da
sehr gelegen. So begannen Samuel Moser und Beat Senn von der
Vermisuisse GmbH in der Garage
an der Entwicklung der Anlage zu
tüfteln. Es ging darum, die Machbarkeit des Projekts zu überprüfen. Im Frühling 2014 habe er aber
die Garage wieder räumen müssen, sagt Beat Senn. Seine Frau
hat den drei Tüftlern ein Ultimatum gesetzt. Die neue Wurmerdeanlage in Salgesch steht nun in
einem Lagerzelt. Für Mounir ist
die Wurmerde eine willkommene
Möglichkeit, die Qualität des organischen Düngers aufzubessern,
indem er den in der Weinproduktion anfallenden Trester verwertet. Mittlerweile ist das Projekt
zweimal ausgezeichnet worden.
Einmal den Prix Agrivalais 2015.
Vor einem Jahr bereits gewannen
Mounir und die Vermisuisse
GmbH den Nachhaltigkeitspreis
der Zürcher Kantonalbank. hja
Olivier Mounir setzt in seinen
Reben Wurmerde ein. (Bilder hja)