Kommentierung der GKV-Darstellung „Zur wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser“ vom Juli 2015 Zu: Entwicklung der Ertragslage der Krankenhäuser Die getroffene Feststellung „grundsätzlich sagt ein Defizit nichts über die Bedarfsnotwendigkeit des Krankenhauses aus“ kann nur unterstrichen werden. Die Gründe für Defizite sind meist vielfältig und lassen keinen Rückschluss auf die Bedarfsnotwendigkeit eines Krankenhauses zu. Genau diesem Fehlschluss unterliegt jedoch die weitere Argumentation. Ohne eine weitere schlüssige Begründung wird die These vertreten, dass die defizitären Krankenhäuser für die Versorgung keine Rolle spielen. Das würde bedeuten, dass die - nach eigener Aussage - 50% rote Zahlen schreibenden Krankenhäuser in Baden-Württemberg nicht bedarfsnotwendig wären. Dies ist offensichtlich fern der Realität und legt eine für die Versorgungspolitik gefährliche Grundhaltung offen. Die aufgrund des hohen Anteils an defizitären Krankenhäusern offensichtliche Unterfinanzierung der stationären Versorgung führt bei einer weiteren restriktiven Finanzierungspolitik auch zu einer realen Gefährdung von bedarfsnotwendigen Krankenhäusern. Die Krankenhausstrukturen würden gerade nicht versorgungspolitisch sinnvoll angepasst. Es entstehen ungeordnete Verwerfungen mit hohen Belastungssituationen für die Beschäftigten des Krankenhauses und Risiken für die Patienten. Eine verantwortungsvolle Politik unterstützt sinnvolle, strukturelle Veränderungen und entzieht der Versorgung nicht die notwendige Finanzierung, bevor diese umgesetzt sind. Selbst nach Einschätzung des Rheinisch-Westfälischen Instituts (RWI) ist das Einsparpotential ohnehin begrenzt. Den hohen Schließungs- bzw. Umstrukturierungskosten stehen allenfalls überschaubare Einsparungen bei den Betriebskosten gegenüber, falls es gelingt die von anderen Krankenhäusern zu übernehmenden Patienten in die bestehenden Strukturen wirtschaftlich zu integrieren, was längst nicht in allen Fällen möglich ist. Selbst das RWI beziffert das gesamte Einsparpotential auf 600 Mio. (Zitat Augurzky in „Neue Westfälische“, 28.07.15), das sind weniger als 1%. Es ist davon auszugehen, dass nur ein Bruchteil dieser Modellrechnung in der Realität umsetzbar ist. Auch das RWI schätzt die Lage der Krankenhäuser und die zukünftige Entwicklung sehr kritisch ein. Dazu einige Zitate aus dem Fazit des „Krankenhaus Rating Report 2015“: 2 - „Auch in 2013 konnte sich die Lage der Krankenhäuser nicht verbessern, …“ - „Die Ausfallwahrscheinlichkeit erhöhte sich 2013 auf 1,4%.“ - „Die Ertragskraft ist nach wie vor nicht ausreichend, um alle substanzerhaltenden Investitionen tätigen zu können – auch bzw. gerade unter Berücksichtigung der Fördermittel der Länder.“ - „Bei einer einfachen Fortschreibung des Status quo wird sich die Lage bis 2020 wieder stark verschlechtern.“ Das RWI weist für 2013 einen minimalen Rückgang der Krankenhäuser mit einem Jahresverlust aus (von 33% auf 30%). Durch das in diesem Jahr eingesetzte Hilfspaket konnte daher eine weitere Verschlechterung der Situation der Krankenhäuser punktuell verhindert werden. Inzwischen wurde der Mehrleistungsabschlag in seiner Wirkungsdauer auf 3 Jahre verlängert und die strukturelle Unterfinanzierung bis ins Jahr 2017 fortgeschrieben, so dass sich die Lage der Krankenhäuser wieder verschlechtern wird. Das RWI erwartet bis 2020 (im Szenario Status quo) einen Anstieg der Häuser mit erhöhter Insolvenzgefahr von 16% auf 27%. Die Erhebung des RWI bezieht sich abweichend von vielen anderen Indikatoren zur wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser auf die Konzernebene und definiert zudem das ausgeglichene Ergebnis unterschiedlich. Nahezu alle Befragungen weisen jedoch nach wie vor unverändert hohe Anteile von Krankenhäusern mit negativen Betriebsergebnissen aus. Tabelle 1: „Anteile Krankenhäuser mit Verlusten“ Umfrage BWKG-Indikator Quote Stand 45,4 % negative Gewinn- und Verlustrechnung in 2014 (erwartet) 1. Quartal 47,4 % negative Gewinn- und 2015 Verlustrechnung in 2013 BKG Umfrage 49 % mit negativem Betriebsergebnis NKG-Indikator DKIKrankenhausbarometer VKD 03/2015 49,29 % in roten Zahlen 2013 01/2015 42,2 % mit Jahresfehlbetrag in 2013 2014 46,1 % der Allgemeinkrankenhäuser mit negativem Jahresabschluss 2012 09/2013 3 Die aktuellen Werte zeigen deutlich, dass die Krankenhausfinanzierung dringend auf eine tragfähige Grundlage gestellt werden muss. Reaktive Nothilfemaßnahmen wirken immer nur kurzfristig und begrenzt, und führen zu hohen bürokratischen und politischen Nebenkosten. Unabhängig davon, welche Abfrage herangezogen wird, bewegt sich der Anteil der defizitären Krankenhäuser ganz offensichtlich in einem für die Versorgung der Bevölkerung vollkommen inakzeptablen Bereich und legt offen, dass notwendige und wichtige Strukturen in der Krankenhausversorgung gefährdet sind. Am Rande sei erwähnt, dass die Umsatzrendite der Krankenhäuser in 2013 nicht wie im Papier des GKV-SV dargestellt 1,4%, sondern 1,2% betrug (RWI, Krankenhaus Rating Report 2015, S. 98, Schaubild 60). Weiterhin wird suggeriert, es seien „in den Jahren 2014 und 2015 … über 6 Mrd. Euro an GKV-Mitteln an die Krankenhäuser … [als] zusätzliche Mittel“ geflossen. Dies ist irreführend, da dieser Betrag den gesamten GKV-Ausgabensteigerungen für Krankenhausbehandlungen entspricht. Darin enthalten sind demnach sowohl alle Tariflohnsteigerungen (ca. 3 Mrd. Euro) und Steigerungen für Sachkosten (ca. 0,6 Mrd. Euro) als auch der zunehmende Versorgungbedarf aufgrund von innovativen Behandlungsleistungen und der demographischen Entwicklung der Bevölkerung (ca. 2,6 Mrd. Euro). Den höheren Ausgaben stehen nachvollziehbar auch entsprechende Kosten und ein höheres Leistungsvolumen gegenüber. Die Ausgabenentwicklung der GKV für Krankenhausbehandlungen entspricht seit vielen Jahren der Entwicklung der Gesamtausgaben der GKV (Abb. 1: Anteil der GKV-Ausgaben für Krankenhäuser) und lässt ganz offensichtlich keine auffällige Kostenentwicklung erkennen. Dies ist umso mehr anzuerkennen, als dass die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser in diesem Zeitraum deutlich zugenommen hat. Abbildung 1: Anteil der GKV-Ausgaben für Krankenhäuser Zu: Deckungsbeiträge Um eine Aussage zur Gewinnsituation von Krankenhäusern zu erhalten, wird die sogenannte Bezugsgröße aus der InEK-Kalkulation herangezogen. Die Bezugsgröße dient als technische Rechengröße dazu, bei der Ermittlung der Relativgewichte das sogenannte nationale Casemixvolumen konstant zu halten. Dazu werden die Fälle des aktuellen Datenjahres anhand des alten und des neuen Entgeltkataloges eingestuft. Die Bezugsgröße wird anschließend so festgesetzt, dass sich die Summe aller Relativgewichte nicht durch die alleinige Anwendung des neuen Kataloges verändert. Dieses Verfahren wurde eingeführt, da es in den ersten Jahren der DRG-Einführung 4 durch diesen Katalogeffekt zu unerwünschten Verwerfungen kam. Im Übrigen bezieht sich die Bezugsgröße daher nicht wie dargestellt auf den Fall (Tabelle 1, GKV-Papier), sondern auf den Casemix (-punkt). Der vorgenommene Vergleich ist außerdem fehlerhaft, da die Bezugsgröße ausschließlich auf der Grundlage von Inlier-Fällen berechnet wird. Das sind nur die Fälle, die sich innerhalb der unteren und oberen Grenzverweildauer befinden. Der als Vergleich herangezogene durchschnittliche Landesbasisfallwert hingegen ist für alle Fälle heranzuziehen. Den unterschiedlichen Fallgruppen stehen unterschiedliche Kostenaufwände gegenüber, die die Abweichung erklären. Es werden offensichtlich Äpfel mit Birnen verglichen. Ganz abgesehen davon eignet sich die Bezugsgröße für diesen Zweck grundsätzlich nicht. Der Erlös je Leistungseinheit (je Casemix-Punkt) lässt sich anhand des durchschnittlichen, gewichteten Landesbasisfallwerts darstellen. Die entsprechenden Kosten lassen sich sachgerecht aus den bereinigten Kosten der Krankenhäuser (Daten des Statistischen Bundesamtes) ableiten. Einem durchschnittlichen Erlös je CM-Punkt in Höhe von 3.064 Euro (GKV-Papier, Tabelle 1) stehen Kosten pro CM-Punkt in Höhe von 3.234 Euro (siehe Tabelle 2) gegenüber. Aus diesem globalen KostenErlösvergleich wird ersichtlich, dass sich keine generelle Überdeckung - sondern im Gegenteil tendenziell eine Unterdeckung – bei der Vergütung im Bereich der Fallpauschalen feststellen lässt. Tabelle 2: Bereinigte Kosten je CM-Punkt (aus Daten Statistisches Bundesamt) Kosten eines über den Landesbasisfallwert abgerechneten CM-Punktes 2013 Abgeleitet aus der Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes Bereinigte Kosten Allgemeine Krankenhäuser davon Kosten der Ausbildungstätte davon Aufwendungen für den Ausbildungsfonds Bereinigte Kosten ohne Ausbildung in Tsd. Euro 73.818.074 597.008 1.136.032 72.085.034 Herausrechnung der Kosten psychiatrischer / psychosomatischer Abteilungen in Allgemeinen Krankenhäusern Bereinigte Kosten in Psychiatrischen / 5 Psychosomatischen Fachkliniken 6 davon Kosten der Ausbildungstätte 7 davon Aufwendungen für den Ausbildungsfonds 4.186.746 26.577 43.361 8 Bereinigte Kosten ohne Ausbildung 9 Fälle Psychiatrie / Psychosomatik in Fachkliniken 4.116.809 610.052 1 2 3 4 Bereinigte Kosten pro Fall ohne Ausbildung 10 in psychiatrischen Fachkliniken (8 / 9) 11 Fälle in psychiatrischen Einrichtungen insgesamt 12 davon in Allgemeinen Krankenhäusern (11 - 9) Bereinigte Kosten der Psychiatrie /Psychosomatik 13 in AllgemeinenKrankenhäusern (10 * 12) Bereinigte Kosten in Allgemeinen Krankenhäusern 14 ohne Ausbildung und Psychiatrie / Psychosomatik (4 - 13) 15 Fallzahl in Allgemeinen Krankenhäusern 16 davon ohne Psychiatrie / Psychosomatik (15 - 12) 17 18 19 20 Bereinigte Kosten pro Fall in Allgemeinen Krankenhäusern ohne Psychiatrie / Psychosomatik davon 90 % über Fallpauschalen vergütet durchschnittlicher CMI 2013 Kosten pro CM-Punkt (18 / 19) 6.748 € 966.110 356.058 2.402.785.094 69.682.248.706 18.177.116 17.821.058 3.910 € 3.519 € 1,088 3.234 € 5 Zur Darstellung von hohen „Gewinn- und Umsatzentwicklungen“ werden wenige, zielgerichtet ausgewählte Krankenhäuser herangezogenen. Allerdings findet sich in Abbildung 2 (GKV-Papier) nur noch eine isolierte Betrachtung der Umsatzentwicklung in erster Linie von Krankenhauskonzernen. Dass diese bei Helios eine deutliche Zunahme und bei Rhön eine deutliche Abnahme ausweist, ist nach der Übernahme vieler Rhön-Krankenhäuser zu erwarten. Dies zeigt allerdings, dass eine alleinige Darstellung der Umsatzentwicklung insbesondere von privaten Krankenhäusern ohne Berücksichtigung von Krankenhausübernahmen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ungeeignet ist. Ganz abgesehen davon, dass die Umsatzentwicklung keine direkten Rückschlüsse auf den wirtschaftlichen Erfolg zulässt. Umsatzsteigerungen von bis zu 1%, wie bei Mediclin oder Vivantes ausgewiesen, sind sogar geringer als zu erwarten einzuschätzen. Nach eigener Darstellung des GKV sind jährlich etwa 1% der Leistungsentwicklung alleine auf den demographischen Faktor zurückzuführen (GKV: „14 Positionen für 2014“, S. 13: ein Drittel der Leistungszunahme, entspricht in den betrachteten Zeiträumen der Begleitforschung jeweils ca. 1%). Hinzu kommen die jährlichen Personal- und Sachkostensteigerungen. Auch das RWI erwartet aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und unter Berücksichtigung des ambulanten Potentials eine jahresdurchschnittliche Fallzahlentwicklung von 1,2% (RWI, Krankenhaus Rating Report 2015, Kap. 2.2.1). Zu: Aktueller Ausblick Die Darstellung der Preisentwicklung (GKV-Papier, Abb. 3) zeigt nachdrücklich die systematische Unterfinanzierung der Krankenhausfinanzierung. Nachdem die KostenErlösschere zu einer bezogen auf die allgemeine Kostenentwicklung restriktiven Preisentwicklung geführt hat (bis 2009, 2011 bis 2013), wurden jeweils massive Eingriffe des Gesetzgebers notwendig (Tarifrate 2009, 2012, 2013, Pflegeförderprogramm 2009, Versorgungszuschlag 2013), um die Finanzierung des Krankenhausbereiches aufrecht zu erhalten. Die punktuellen Notmaßnahmen des Gesetzgebers sind an den jeweiligen Anstiegen zu erkennen. Wählt man nicht genau den Zeitraum mit den kompensatorischen Hilfsmaßnahmen des Gesetzgebers aus, sondern mit 2010 einen Zeitpunkt vor Kürzungs- und Hilfsmaßnahmen, ergibt sich eine durchschnittliche Steigerungsrate von ca. 2%. Jährliche Steigerungsraten in dieser Größenordnung sind vollkommen unauffällig, wenn Innovationen, die demographische Entwicklung und die allgemeine Kostenentwicklung berücksichtigt werden. Es entspricht allerdings nicht der Vorstellung einer auskömmlichen, fairen und planbaren Krankenhausfinanzierung, wenn eine systematische Unterfinanzierung regelhaft durch kurzfristige Hilfsmaßnahmen des Gesetzgebers nach massiven Protesten der Krankenhäuser notdürftig geheilt werden muss. Auf eine längst überfällige Korrektur dieses für eine wirtschaftliche Führung und für die Arbeitssituation der Mitarbeiter abträglichen ordnungspolitischen Rahmens hat die DKG ihre Hoffnungen in das angekündigte Krankenhausreformgesetz gesetzt. Die im Gesetzentwurf des KHSG bisher vorgesehenen Regelungen enttäuschen diese Erwartungen und lassen im Gegenteil noch eine Verschärfung der Situation erwarten. Die in diesem Abschnitt des GKV-Papiers implizit vorgenommene Gegenüberstellung von Preisentwicklung und Orientierungswert als Maßstab für die Kostenentwicklung setzt völlig verschiedene Zeiträume in Bezug. Der Orientierungswert 2015 beinhaltet als 6 Datengrundlage das 2. Halbjahr 2013 und das 1. Halbjahr 2014, und bezieht sich auf das 2. Halbjahr 2012 und das erste Halbjahr 2013. Die Preisentwicklung bezieht sich auf den jeweils gültigen Vereinbarungszeitraum des Landesbasisfallwerts. Der Landesbasisfallwert des Jahres 2015 gilt beispielsweise für das Kalenderjahr 2015. Die beiden Steigerungsraten bilden somit nicht nur unterschiedliche Jahre, sondern auf unterschiedliche Perioden ab. Eine Gegenüberstellung in dieser Form kann keine Erkenntnisse liefern. Völlig unsachlich ist der auf Seite 4 herangezogene Vergleich, der ein Erlöswachstum als Produkt aus Preis- und Mengenentwicklung dem Orientierungswert als reinem Preisindex gegenüberstellt und daraus auf eine positive Ertragsentwicklung bei den Krankenhäusern schließt. Abgesehen von den o. g. methodischen Fehlern ist der Orientierungswert (derzeit) nicht geeignet, die Kosten der Krankenhäuser vollständig abzubilden, da u.a. - eine vom Statistischen Bundesamt selbst vorgenommene Plausibilitätsprüfung anhand von Echtdaten weitreichende Abweichungen ergab, die nach Angaben des Bundesamtes aufgrund fehlender personeller Ressourcen bisher nicht geklärt werden konnten - das Statistische Bundesamt selbst das Fehlen eigener, krankenhausspezifischer Kostenindizes als verbesserungsbedürftig anerkennt und - der Teilorientierungswert Personalkosten keine Verschiebungen zwischen den sogenannten Leistungsgruppen berücksichtigt, d. h. der in den letzten Jahren steigende (und kostenintensivere) Anteil ärztlichen Personals wirkt sich aufgrund dieses Verfahrens nicht erhöhend auf den Orientierungswert aus. Solange der Orientierungswert die tatsächliche Kostenentwicklung der Krankenhäuser nicht belastbar abbildet, ist eine Auffangregelung durch die Grundlohnrate unbedingt erforderlich, damit die Finanzierung der Tariflohnsteigerungen des bestehenden Personals weitgehend sichergestellt ist und nicht noch ein weiterer, zusätzlicher Rationalisierungsdruck (neben Investitionsfinanzierungslücke, Unterdeckung der ambulanten Notfallbehandlung, …) entsteht. Abgesehen davon werden bestimmte Kostensteigerungen (systematisch richtig) grundsätzlich nicht durch den Orientierungswert erfasst. Das ist beispielsweise bei einem höheren Personalbedarf aufgrund von steigenden Qualitätsanforderungen der Fall. Auch für erhöhte strukturelle Anforderungen, beispielsweise durch G-BARichtlinien trifft dies zu. Diese Finanzierungslücke wird zukünftig durch die vorgesehene Finanzierung von Mehrkosten durch G-BA-Beschlüsse über das KHSG zumindest teilweise geschlossen. Bei der Berücksichtigung dieser Mehrkosten beim Landesbasisfallwert darf die Obergrenze dann auch nicht zur Anwendung kommen. Allerdings werden andere Kostenfaktoren, wie höhere Anforderungen über Abrechnungsvoraussetzungen (OPS-Definitionen durch das DIMDI/BMG), weiterhin an keiner Stelle erfasst. Fakt ist auch, dass die retrospektive Ermittlung, sowohl des Orientierungswerts als auch der Veränderungsrate, bei der Anwendung der sogenannten 2-Säulentheorie regelmäßig zu unsachgemäßen Verlusten bei der Ermittlung des Preises/Landesbasisfallwerts führt. Liegen die prospektiv zu verhandelnden Kostensteigerungen in relevantem Maße oberhalb der Rate des Vorjahres, führt die retrospektive Ermittlung 7 der Obergrenze (Orientierungswert bzw. Veränderungsrate) dazu, dass diese die Steigerungen noch nicht abbildet und die Entwicklung des Preises abschneidet. Bei Berücksichtigung der steigenden Kosten in der Obergrenze (Orientierungswert/ Veränderungsrate) im folgenden Vereinbarungszeitraum, können die Kostensteigerungen nicht mehr nachverhandelt werden. Die Obergrenze kann dann nicht ausgeschöpft werden. Dieser rein technische „Periodeneffekt“ trägt mit zur systematischen Unterfinanzierung bei und kann nur durch eine dauerhaft geltende Tarifrate beseitigt werden, die die periodenbedingte Differenz zwischen aktuellen Tarifsteigerungen und nachlaufender Obergrenze vollständig ausgleicht (wie schon in 2009, 2012 und 2013 als Notmaßnahme, dort allerdings nur zu weniger als 50% ausgeglichen). Zu: Aussagen zur aktuellen Diskussion um das KHSG Zu: Wozu wurde der Versorgungszuschlag eingeführt? Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Mehrleistungsabschlägen und Versorgungszuschlag, sowohl zeitlich, als auch inhaltlich. Die bestehenden Mehrleistungsabschläge wurden durch das GKV-FinG von 2010 mit Wirkung für 2011 isoliert eingeführt. Die Versorgungszuschläge wurden mit Wirkung zum 01.08.2013 als fixer Rechnungszuschlag eingeführt. Eine Verrechnung mit den tatsächlich erhobenen Mehrleistungsabschlägen ist nicht vorgesehen. Der Versorgungszuschlag sollte die sich deutlich abzeichnende Verschlechterung der finanziellen Situation der Krankenhäuser auffangen, bis die in Aussicht gestellte Krankenhausfinanzierungsreform die systematische Unterfinanzierung der Krankenhäuser und die langjährige mit Fehlsteuerungswirkungen behaftete Kollektivhaftung aller Krankenhäuser für zusätzliche Leistungen einzelner aufhebt. Seit der Einführung des Versorgungszuschlags wird die bisherige Finanzierungssystematik jedoch auch noch in 2014, 2015 und 2016 beibehalten. Ohne weitere Hilfsmaßnahmen wirkt sich die Kosten-Erlösschere auch noch in diesen 3 Jahren basiswirksam aus und wird zu einer weiteren Verschlechterung der Finanzierungsgrundlage führen. Die zu niedrig festgesetzten Preise wirken aufgrund der Basiswirksamkeit kumulativ, wohingegen der Versorgungszuschlag lediglich die Fortführung einer einmaligen Erhöhung darstellt. Die mindestens notwendige Überführung des Versorgungszuschlags in den Landesbasisfallwert würde daher einer einmaligen basiswirksamen Erhöhung entsprechen, der eine weitere dreimalige basiswirksame Absenkung der Landesbasisfallwerte bis zur Umsetzung des KHSG in 2017 gegenübersteht. Fakt ist, dass der Rechnungszuschlag aufgrund der Finanzierungssituation in vielen bedarfsnotwendigen Krankenhäusern nicht mehr wegzudenken ist. Trotz des Zuschlags befinden sich in 2013 weiterhin unakzeptable 42,2% der Krankenhäuser im defizitären Bereich (DKI-Barometer 2014). Die Lage wird sich entgegen der Darstellung der GKV auch nicht verbessern, da der Mehrleistungsabschlag in 2015 in seiner Laufzeit darüber hinaus noch auf 3 Jahre verlängert wurde und die unterdeckende Finanzierungssystematik bis 2017 beibehalten wird. Außerdem würden gerade die Häuser, die vor der Kollektivhaftung für den Leistungszuwachs anderer Krankenhäuser geschützt werden sollten, nachträglich doch noch von sinkenden Preisen getroffen. 8 Zu: Wie werden Tarifsteigerungen refinanziert? Eine Gleichsetzung des derzeit vorliegenden Orientierungswerts mit den gesamten Kostensteigerungen der Krankenhäuser ist nicht sachgerecht. Siehe hierzu die Ausführungen zu „aktueller Ausblick“. In Abbildung 5 wird bei der durchgeführten Differenzberechnung zudem unterschlagen, dass die Grundlohnrate durchgängig bei den Verhandlungen nicht erreicht wird. Unter anderem liegt dies an der seit langem kritisierten Kollektivhaftung für die erhöhte Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen und dem Absenkungseffekt durch den oben dargestellten Periodeneffekt bei der Anwendung einer retrospektiv ermittelten, schneidenden Obergrenze bei einer prospektiv geführten Verhandlung (Landesbasisfallwert). Die berechneten Werte sind daher falsch. Der als Vergleichsmaßstab herangezogene Orientierungswert bildet die Gesamtkosten auch nicht ab (siehe oben). Der Orientierungswert bildet entsprechend dem Konzept des Statistischen Bundesamtes nur die Kostensteigerungen für die eingesetzten Faktorkosten ab. Steigt der leistungsbezogene Faktoreinsatz (Personal, Sachmittel) muss dies unabhängig von der Obergrenze beim Landesbasisfallwert berücksichtigt werden. Dieser Systemlogik folgt der Gesetzgeber im KHSG und sieht zukünftig beispielsweise eine Überführung der durch G-BA-Beschlüsse induzierten Mehrkosten in den Landesbasisfallwert vor. Zu: Gibt es eine Tariflohn-Erlösschere? Sollte dies noch ernsthaft bezweifelt werden, kann man nur empfehlen in einer Wirtschaftsabteilung eines Krankenhauses bei der Erstellung des jeweiligen Wirtschafts- und Haushaltsplans für das nächste Jahr zu hospitieren und bei den kreativen Überlegungen teilzunehmen, wie die Lücke für die Steigerung der Kosten für das vorhandene Personal gedeckt werden kann. Die Abbildung 6 (GKV-Papier) zeigt allenfalls, dass unter Einbeziehung von 3 (!) erkämpften Tarifraten außerhalb der regulären Finanzierung und weiterer zusätzlicher Hilfsmaßnahmen (Pflegeförderprogramm, Hygieneförderprogramm, Versorgungszuschlag, …) gerade das Niveau von 2008 gehalten werden konnte (siehe Bezugspunkt der Graphik in Abbildung 8). Auch wenn die Gesundheitspolitik schnelllebig ist, ist noch gut erinnerlich, dass die Situation in 2008 als untragbar eskalierte und zu einer der bisher größten Demonstrationen im Gesundheitsbereich geführt hat. Die Tarifraten in 2009, 2012 und 2013 wurden als kurzfristige Hilfsmaßnahmen gewährt, um eine jeweils bevorstehende Eskalation der Finanzierungssituation abzuwenden. Die Tarifraten wurden jedoch immer nur hilfsweise und korrigierend eingesetzt. Die Tarifrate ist im derzeitigen Finanzierungssystem bisher nicht vorgesehen. Stellt man die Entwicklung der Kosten und der Erlöse je Leistungseinheit (CM-Punkt) ohne die arbiträren Korrekturen durch die Tarifraten für den im GKV-Papier gewählten Zeitraum dar (Abb. 2), zeigt sich auch hier eindeutig die systematische Unterfinanzierung der Krankenhäuser durch den derzeitigen gesetzlichen Finanzierungsrahmen. Ohne diese „aushelfenden“ Eingriffe des Gesetzgebers hätten die Krankenhäuser im Jahr 2015 1,6 Mrd. Euro weniger Mittel zur Kostendeckung inklusive Personalfinanzierung zur Verfügung. Deutlicher kann die Unzulänglichkeit der Regelfinanzierungsmechanismen nicht zum Ausdruck kommen. 9 Abbildung 2: Vergleich der Kostensteigerungen je CM-Punkt zur Preissteigerung je CMPunkt (gewichteter Landesbasisfallwert) ohne Tarifraten Fazit Das Papier des GKV-SV verharmlost die aktuelle Situation der Krankenhäuser in unverantwortlicher Weise. Die Darstellungen sind häufig falsch bzw. irreführend. Hätten nicht etliche kurzfristige Notmaßnahmen die Finanzierung der Krankenhäuser gestützt, wäre die Lage noch dramatischer. Die Tatsache, dass sich mindestens 40% (DKI, 2014) der Krankenhäuser trotz der Notmaßnahmen der Jahre 2009, 2012 und 2013 nicht kostendeckend finanzieren können und davon aktuell 16% erhöht insolvenzgefährdet sind (RWI, Krankenhaus Rating Report 2015), zeigt den dringenden Korrekturbedarf in der Krankenhausfinanzierung objektiv nachvollziehbar und deutlich auf. Darauf zu hoffen, ein unbestimmter Marktmechanismus würde nur „verzichtbare“ Krankenhäuser treffen, ist wenig realistisch und führt zu nicht absehbaren Verwerfungen auf Kosten der Mitarbeiter und der Patienten aller Krankenhäuser. Die für die Versorgung der Bevölkerung erbrachten Leistungen müssen grundsätzlich fair finanziert werden. Sinnvolle Strukturpolitik ist nur mit gemeinsam getragenen, definierten und kommunizierten Zielen möglich, die den Akteuren auch die Möglichkeit eröffnet sich rechtzeitig darauf vorzubereiten, damit die Umsetzung ohne schwerwiegende „Kollateralschäden“ erfolgen kann. Berlin, den 5. August 2015
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