Ist das alles nur geklaut? Nur das Original?

OFFEN GEFRAGT! Wovon Ausstellungen sonst nicht sprechen
Wir haben uns dazu entschieden, das „Phänomen Museum“ selbst zum Thema unserer
Ausstellung zu machen. Anhand von 10 Fragestellungen nehmen wir verschiedene Aspekte
in den Blick, über die Ausstellungen eben „sonst nicht sprechen“. Was normalerweise nicht
wahrgenommen wird, wird in den Mittelpunkt gerückt. Was hinter den Kulissen passiert, wird
in den Ausstellungsraum geholt. Was selbstverständlich geworden ist, wird zur Diskussion
gestellt. Damit wollen wir zu einem produktiven, kritischen Nachdenken über das etablierte
Medium „Ausstellung“ einladen.
Eine Ausstellung zu konzipieren, zu planen und durchzuführen ist Teil unseres Studiums.
Dabei wird ein hoher Anspruch an uns gestellt und ein hohes Engagement erwartet. Wir
bekommen Unterstützung von Expert*innen aus der Praxis des Ausstellungswesens, der
Museumstheorie sowie des Projektmanagements und der Grafik.
Die finanziellen Mittel lukrieren wir durch Projektanträge und Fördermittel der Universität.
Kooperationspartner ist das Stadtmuseum Oldenburg.
Fragen, die innerhalb der Ausstellung behandelt werden
Ist das alles nur geklaut?
Oder gehören dem Museum wirklich alle Objekte seiner Sammlung? Mit dieser Frage
beschäftigt sich die Provenienzforschung und geht der Geschichte und der Herkunft von
Objekten auf den Grund.
Ziel der Forschung ist eine möglichst lückenlose Darstellung der Besitzer*innenwechsel, um
zu zeigen, welchen Weg ein Objekt von seinem Ursprung bis ins Museum genommen hat.
Denn je mehr wir über ein Objekt wissen, desto mehr können wir darüber und damit
erzählen.
Besonders im Fokus stehen bisher Objekte aus jüdischem Besitz („NS-verfolgungsbedingt
entzogenes Kulturgut“). Vor allem durch den „Fall Gurlitt“ aus dem Jahr 2013 gewinnt das
Thema Provenienzforschung nicht nur wissenschaftliches, sondern auch immer mehr
mediales Interesse.
Nur das Original?
Die zugeschriebene Einzigartigkeit ist das wohl ausschlaggebendste Merkmal von
Originalen. In Museen gilt es oft als selbstverständlich, dass es sich bei ausgestellten
Objekten um Originale handelt. Objekte werden mit Aura aufgeladen, die sie einmalig und
unersetzbar scheinen lassen. Doch wie entsteht Aura?
Das sich die Aura in ihrem einmaligen „Hier und Jetzt“ nicht mit-reproduzieren lässt, stellt
Walter Benjamin schon 1935 dar und definiert sie als „Erscheinung der Ferne, so nah sie
sein mag“. Er hebt das Unerreichbare hervor indem er die unüberbrückbare Distanz
beschreibt. Unterscheidet sich die Aura eines Originals unverkennbar von der einer
Fälschung oder der eines virtuellen Objekts und ändert sich durch eine Reproduktion der
Wirklichkeit heute tatsächlich unsere Wahrnehmung?
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Wie spricht Gestaltung?
Welche Präsentationsformen gibt es? Wie haben Ausstellungen und Museen in der
Vergangenheit präsentiert und wie präsentieren sie heute? Wie wirken diese Präsentationen
auf uns? Wie kann man sie entschlüsseln?
Ausgehend von diesen Fragestellungen, werden gestalterische Mittel von Museen und
Ausstellungen näher betrachtet. Der Fokus liegt auf beispielhaften Darstellungen von
Präsentationen, aus historischer und heutiger Perspektive. Es werden Gestaltungskonzepte
daraufhin befragt, auf welche Weise sie wirken und dadurch Deutung und
Erinnerungskonzepte beeinflusst haben und es bis heute tun.
Woran scheitern Museen?
Heute ist vor allem die Schnelllebigkeit musealer Projekte und Konzepte kennzeichnend für
ein stetig wechselndes Verständnis der Institution innerhalb unserer Gesellschaft. Im Zuge
der fortwährenden Debatte um Qualität und Relevanz von Museen muss öffentlich über die
zukünftige Rolle der Institution gesprochen werden. Dies bedarf eines Austausches, in der
sowohl auf allgemeine, wie auch auf individuelle Problematiken musealer Sparten
hingewiesen wird. Frei nach Samuel Becketts Aussage „Wieder versuchen. Wieder
scheitern. Besser scheitern.“ soll u.a. auf gendergerechte, ökonomische, aber auch auf
urheberrechtliche Herausforderungen in der Museumspraxis aufmerksam gemacht werden.
Wann kommt die Gegenwart?
Für viele Menschen sind Museen Orte, an denen alte Dinge gesammelt und gezeigt werden.
Rückblickend lässt sich leicht erkennen, welche Objekte oder Ereignisse prägend für einen
Abschnitt in der Geschichte gewesen sind.
Doch je näher man der Gegenwart kommt, desto schwieriger wird es, Stellvertreterobjekte
für das Jetzt zu benennen. Und welche Zeitspanne umfasst eigentlich die Gegenwart?
Da unser Lebenswandel immer schneller wird, wird die Gegenwart gefühlt kürzer und man
verliert leicht Anschluss an das dingliche Jetzt. Gleichzeitig nimmt die Zahl an Objekten in
unserem Alltag zu.
Wie gehen Museen mit diesen Umständen um? Welche Objekte fließen in ihre Sammlungen
ein, die unsere Gesellschaft für zukünftige Generationen repräsentieren sollen?
Wie messie sind Museen?
Museen sammeln – vieles, und davon viel – und gelten als Meister der Ordnung.
Doch immer wieder wird über museale Objekte im Zusammenhang mit Sensationsfunden
und Verlustmeldungen berichtet. Wie fehleranfällig und unvollkommen sind museale
Ordnungen?
Wenn Museen prinzipiengeleitet sammeln, sortieren und ordnen, wie kann es dann zu
derartigen Unruhen in ihren Sammlungen kommen? Kann man Museen also eine gewisse
Messiness unterstellen, mit der sie im Umgang mit der Dynamik der Dinge, die sich nicht
widerstandslos an ihre Plätze fügen und sich gegen ihren Zugriff wehren, überfordert sind?
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(vgl. Clifford 1990: 90) Von diesem Widerstand der Objekte gegen die Ordnungen wird in der
Ausstellung berichtet.
Gehst du noch oder sitzt du schon?
Hast du schon mal richtig entspannt in einem Museum gesessen? Nicht im Museumscafé
sondern direkt im Ausstellungsraum, Auge in Auge mit den Objekten? – Nein?
Auf barocken Sesseln und bequemen Sofas? – Eher selten?
Auf vereinzelten Sitzwürfeln, harten Holzbänken oder schwarzen Klapphockern? – Ja?
„Der Besucher ist König!“ – Leider nicht, wenn es ums Sitzen im Museum geht.
Wie können die Museen von heute ihre Phobie vor Stühlen überwinden und zu einem
angenehmeren Raum für Besucher*innen werden? Sollte man Besucher*innen, die sich
gerne bequem vor einem Werk niederlassen wollen, als eigene Zielgruppe definieren? Fast
für jeden Typ von Besucher*in gibt es passende Vermittlungsangebote. Nur für die Gruppe
“selbstbestimmt Sitzende” gibt es nichts.
Ist das legitim oder kann das weg?
Unter welchen Bedingungen wird entschieden, was in Ausstellungen gezeigt wird? Wer
behauptet, was mittlerweile Konsens ist und somit dem allgemeinen Kanon angehört?
Museen sammeln und stellen das „kulturelle Erbe“ aus. Doch kann, angesichts von
Schnelllebigkeit und globaler, transkultureller Vernetzung überhaupt noch von einem
repräsentativen, „kulturellen Erbe“ die Rede sein?
Vor allem im Kunstbereich scheint die Kanonbildung immer mehr durch wirtschaftliche
Bedingungen, durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Spiegelt diese Vormacht an
ökonomischen Modalitäten, auch auf kultureller Ebene, unsere gegenwärtige Gesellschaft
wieder? Und ist es möglich oder überhaupt wünschenswert dem entgegenzuwirken?
Andere „Kulturen“ oder „Kulturen mal anders“?
Bis heute befördern viele Museen ein Bild von der Welt als Mosaik verschiedener „Kulturen“.
Doch wie treffend ist diese Sichtweise angesichts der weltweiten Bewegungen von Ideen,
Dingen und Menschen?
Sind Museen in der Lage, anders über kulturelle Zugehörigkeiten und Traditionen zu
sprechen?
Welche Möglichkeiten gibt es, die Komplexität der Welt ins Museum einziehen zu lassen und
„Kulturen mal anders“ zu denken.
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Wer spricht?
Wir sind die neun Studentinnen des Jahrgangs 2014 des Masterstudiengangs “Museum und
Ausstellung” an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg:
Carina Blum (CB)
Hannah Fiedler (HF)
Ria Glaue (RG)
Ann-Kathrin Grube (AG)
Eva Leube (EL)
Annika Meiners (AM)
Inga Müller (IM)
Jemima Müller (JM)
Sarah-Louise Rehahn (SR)
Aus unterschiedlichen Disziplinen kommend, haben wir das Studium in Oldenburg begonnen
und begeistern uns aufgrund verschiedener Fähigkeiten und Interessen für das Berufsfeld
„Museum“. Diese Heterogenität macht unsere Zusammenarbeit zu einer lehrreichen
Herausforderung und kommt unserer Ausstellung zugute, mit deren Planung wir seit dem
Frühjahr 2015 beschäftigt sind.
Während unseres Masterstudiums setzen wir uns mit theoretischen und praxisorientierten
Fragestellungen, sowie aktuellen Forschungsdebatten auseinander. Durch Praktika und
Projektaufgaben in den Partnermuseen des Studiengangs haben wir bereits viele Einblicke
in unterschiedliche Aufgabengebiete des Museumsalltags bekommen und wollen diese nun
in unserer eigenen Ausstellung reflektieren.
Rubrik „Perspektiven“ auf der Website und in der Ausstellung
Wir möchten nicht nur Impulse zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Institution
Museum und dem Medium Ausstellung geben, sondern sind auch an einem Austausch
interessiert.
Daher schaffen wir – sowohl im Ausstellungs- als auch im virtuellen Raum – Platz für andere
Perspektiven auf unser Thema. Auf dieser Seite ist die Möglichkeit geboten, die Fragen, die
in der Ausstellung gestellt werden, aufzugreifen, zu ergänzen oder auch kritisch zu
betrachten.
An dieser Stelle möchten wir auch auf unser umfassendes Rahmenprogramm aufmerksam
machen. Angeboten werden u.a. Öffentliche Führungen, After Work Führungen, Führungen
für Schulklassen und Studierende. Darüber hinaus wird es am 22. April 2016 eine
Diskussionsveranstaltung im Polyester zum Thema „Museen: Überfordert und Unterschätzt?“
geben. Gastredner*innen sind Daniel Tyradellis, Monika Flacke und Wiebke Trunk.
Weitere Infos unter: www.offengefragt.de/veranstaltungen-3
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Eine Gruppe Studierender des Masterstudiengangs Kulturanalysen begleitet darüber hinaus
den Prozess der Ausstellung unter www.exhibition-ismus.de.
Von der Ausstellungskonzeption bis hin zur Eröffnung visualisieren sie kleine und große
Zwischenschritte auf ihrem blog und ziehen Querstränge zu anderen Methoden des
Ausstellens.
Pressemitteilung zur Ausstellung
Studentinnen werfen Fragen über das Ausstellen auf
Der Studiengang Museum und Ausstellung der CvO Universität holt aktuelle Debatten der
Museumswelt nach Oldenburg. Mit der Ausstellung „OFFEN GEFRAGT! Wovon
Ausstellungen sonst nicht sprechen“ wird ab dem 16. April 2016 zwei Wochen lang anhand
von zehn Fragestellungen das „Phänomen Museum“ hinterfragt. Was selbstverständlich
geworden ist, wird zur Diskussion gestellt. Ist legitim, was uns Besucher*innen gezeigt wird?
Wie kommt die Gegenwart ins Museum? Und wie entsteht eigentlich Aura?
Die Ausstellung richtet sich an Kulturliebhaber*innen wie Skeptiker*innen gleichermaßen und
eröffnet Samstag, den 16. April 2016 um 19 Uhr in der bauwerk_halle am Pferdemarkt.
Weitere Infos unter www.offengefragt.de
OFFEN GEFRAGT!
Wovon Ausstellungen sonst nicht sprechen
16. April – 29. April 2016
In der bau_werk Halle
Pferdemarkt 8a, 26121 Oldenburg
Mo - Fr 14-19 Uhr
Sa / So 11-18 Uhr
Pressemitteilung zur Diskussionsveranstaltung
Museen: Überfordert und Unterschätzt?
Wird Museen als „Kulturkitt“ zu viel Verantwortung zugesprochen oder muss ihre
gesellschaftliche Funktion sogar noch aufgewertet werden? Dieser Frage wird am 22. April
2016 in einer von Studentinnen organisierten Diskussionsveranstaltung nachgegangen.
Es sprechen der Kurator Daniel Tyradellis, die Kunstvermittlerin Wiebke Trunk und Monika
Flacke, Sammlungsleiterin am DHM in Berlin.
Die Veranstalterinnen laden Kulturliebhaber*innen wie Skeptiker*innen gleichermaßen zu
Vortrag und gemeinsamer Diskussion ein.
Anmeldungen bitte ab sofort unter: [email protected].
Freitag, 22.04.2016, 16.30 Uhr
Polyester, Am Stadtmuseum 15, 26121 Oldenburg
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v.l.n.r.: Ria Glaue, Inga Müller, Eva Leube, Hannah Fiedler, Sarah-Louise Rehahn, Annika Meiners, Jemima
Müller, Ann-Kathrin Grube, Carina Blum.
Kontakt PR:
Carina Blum:
[email protected]
Mobil: +49 (0)160-96409979
Inga Müller:
[email protected]
Mobil: +49 (0)176-62806489
Projektinformation: www.offengefragt.de
Prof. Dr. Karen Ellwanger und Norma Mack, Ma.
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Institut für Materielle Kultur
Ammerländer Heerstr. 114-118
26129 Oldenburg
Internet: http://www.uni-oldenburg.de/materiellekultur/das-institut/
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