Einflussnahme mit Fingerspitzengefühl Referendum: SP

Freitag, 19. Februar 2016 / Nr. 41
Nidwalden
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BOTE DER URSCHWEIZ
Einflussnahme mit Fingerspitzengefühl
COCHABAMBA Die Nidwaldner Entwicklungshelfer Helen
und Thomas Ittmann arbeiten
seit einem Jahr in Bolivien.
Nach und nach gibt es Erfolge.
INTERVIEW ROMANO CUONZ
[email protected]
«Auf und davon!» hiess es im letzten
Frühjahr für den früheren Buochser
Schulleiter Thomas Ittmann (60) und
seine Frau Helen (55), eine gelernte
Pharmaassistentin aus Stans. Im Auftrag
von Interteam siedelte das Paar für drei
Jahre als Entwicklungshelfer nach Cochabamba um. Dies ist die viertgrösste
Stadt Boliviens. Thomas Ittmann begleitet und motiviert Lehrpersonen. Dies
bei der Organisation Fe y Alegria, die
sich in den Bereichen Bildung und soziale Gerechtigkeit engagiert. Schritt-
weise soll in der Schule die individuelle
Förderplanung eingeführt werden. Seine
Frau Helen arbeitet bei IDH-Bolivia,
einer Organisation, die sich in der Prävention gegen HIV/Aids und auch gegen
sexuelle Gewalt engagiert. Weil sie als
Schweizer die bolivianischen Arbeitsweisen noch immer nicht ganz durchschaut hätten, würden sich ihre Arbeiten
oft recht schwierig gestalten, bilanzieren
sie im Interview mit unserer Zeitung.
Woran, Thomas Ittmann, arbeiten Sie
zurzeit konkret?
Thomas Ittmann: Aktuell kläre ich mit
Interteam ab, ob es möglich sein wird, in
den nächsten Jahren ein Bausanierungsprojekt für die Schule zu realisieren, an
der wir rund 100 Kinder und Jugendliche
mit geistigen Behinderungen betreuen.
Zudem müsste didaktisches Unterrichtsmaterial angeschafft werden. Beides wäre
dringend nötig.
Und Sie, Helen Ittmann?
Helen Ittmann: Wir möchten die medi-
zinische Betreuung ausweiten und eine
kleine Notfallapotheke einrichten. Dazu
müssen wir uns um eine staatliche Bewilligung bemühen. Diese brauchen wir,
damit wir HIV-positiven Patienten die
benötigten, vom Staat bezahlten Medikamente selber abgeben dürfen. Derzeit gibt
es nur eine einzige Abgabestelle für das
ganze Departement Cochabamba!
Wo ergeben sich bei der Arbeit in
Bolivien die grössten Schwierigkeiten?
Thomas Ittmann: Auch wenn hier schriftlich abgefasste Jahresplanungen erstellt
werden, gestaltet sich die Realität oft
überraschend anders. Bolivianer sind
wahre Meister im Improvisieren, für mich
als strukturierten Schweizer aber ist dies
eine echte Herausforderung. Ich muss
täglich lernen, mit neuen Situationen
zurechtzukommen.
Helen Ittmann: Und doch wäre es falsch
anzunehmen, dass die Menschen hier
keine Ahnung haben. Was wir sollten und
auch können: die Einheimischen im Zuge
eines kulturellen Austausches inhaltlich
und organisatorisch unterstützen. Für uns
als Schweizer heisst das aber, mit Fingerspitzengefühl Einfluss zu nehmen. Die
schweizerische Art des Arbeitens ist mit
jener in Bolivien bei weitem nicht immer
kompatibel.
wird gewartet. Wenn man endlich an der
Reihe ist, ist es meist nicht möglich, alle
drei Rechnungen zu bezahlen, weil immer
irgendein System nicht funktioniert. Die
freundliche Erklärung lautet dann jeweils:
«Venga mañana – kommen Sie morgen!»
Gibt es in diesem Land auch Erlebnisse, die unvergesslich bleiben?
Thomas Ittmann: Ja, der Kauf unserer
Waschmaschine auf dem riesigen Markt
in Cochabamba! Als wir sie endlich gefunden und bezahlt hatten, half uns ein
Junge dabei, sie durchs Gedränge an den
Strassenrand zu bugsieren. Als wir dort
auf ein Taxi mit Ladefläche lauerten,
mussten wir die Maschine mehrmals zur
Seite rücken, damit der Bus passieren
konnte. Man stelle sich so etwas einmal
in Nidwalden vor! Aber es geht tatsächlich
auch so!
Helen Ittmann: Um die Nebenkosten
unserer Wohnung für Gas, Strom und
Telefon zu begleichen, muss ich jeweils
zur Bank gehen. Dort löse ich eine Nummer wie auf der Schweizer Post. Dann
Welche Ziele möchten Sie in den verbleibenden beiden Jahren erreichen?
Helen Ittmann: Für mich wäre es eine
ganz grosse Sache, wenn in zwei Jahren
die Medikamentenabgabe tatsächlich dezentralisiert wäre. Dann müssten die
Patienten nicht mehr jeden Monat ganze
Tagesreisen in Kauf nehmen, um dringend
benötigte Medikamente zu bekommen.
Und wir hätten etwas bewirkt.
Thomas Ittmann: Wenn in zwei Jahren
«meine» Schule saniert ist und die
20 Lehrpersonen über genügend didaktisches Material verfügen, werde ich überglücklich sein!
HINWEIS
Informationen zu den Entwicklungsprojekten unter
www.interteam.ch
Thomas Ittmann bei einem Workshop mit Jugendlichen zur Gewaltprävention (Bild links).
Helen Ittmann spricht mit Jugendlichen an der Expo Vida in Cochabamba (rechts).
PD
Referendum: SP macht Drohung wahr
OBWALDEN Der Kanton
spare auf Kosten wirtschaftlich
Schwacher, kritisieren SP- und
CSP-Kantonsräte. Zur Kürzung
der Prämienverbilligung soll
das Stimmvolk befinden.
tenzverschiebung einher: Bisher legte der
Kantonsrat den prozentualen Selbstbehalt für die Anspruchsberechtigten abschliessend fest. Künftig hätte es die
Regierung selbst in der Hand gehabt, wie
stark die Prämien verbilligt würden.
Prämien steigen, Verbilligung sinkt
CHRISTOPH RIEBLI
[email protected]
«Ernsthaft ein Referendum» zu ergreifen, davon sprach Evi Morger (SP, Sachseln) bereits Ende Januar im Kantonsrat.
Gestern hat die SP Obwalden auf ihrer
Internetseite mitgeteilt, dass sich ein
Komitee aus SP- und CSP-Kantonsräten
sowie Gewerkschaftsvertretern gebildet
hat, welches die Referendumsdrohung
wahr macht. Um was geht es? Mit 37 zu
11 Stimmen beschloss das Parlament im
Januar die effektiv ausbezahlte Prämienverbilligung (IPV) um 500 000 Franken
auf 17,4 Millionen Franken zu senken.
Diese Sparübung ging mit einer Kompe-
«Die wirtschaftlich
Schwächeren und der
untere Mittelstand
kommen unter die
Räder.»
G U I D O COTT E R ,
KO M I T E E M I T G L I E D ( S P )
«Das akzeptieren wir nicht», schreibt
die SP Obwalden auf ihrer Internetseite.
«Der Kantonsrat gibt fälschlicherweise
die Zügel aus der Hand. Wir haben Bedenken, dass bei der IPV in Zukunft noch
mehr gespart werden soll», sagt Guido
Cotter, Komiteemitglied und SP-Co-Präsident, auf Anfrage. Sein Hauptkritikpunkt: «Einerseits steigen die Krankenkassenprämien jährlich, andererseits
nimmt die Prämienverbilligung pro Kopf
ab. Die wirtschaftlich Schwächeren und
der untere Mittelstand kommen dabei
unter die Räder.»
Damit das Stimmvolk das letzte Wort
in dieser Angelegenheit hat, müssen der
Staatskanzlei bis am 7. März mindestens
100 gültige Unterschriften vorgelegt werden – wohl keine Hürde für die Initianten. Gemäss Auskunft der Staatskanzlei
könnte frühestens am eidgenössischen
Abstimmungstermin vom 5. Juni, vielleicht sogar erst im September, darüber
abgestimmt werden. Zu entscheiden gilt
es, ob nun der Status quo oder das angepasste Krankenversicherungsgesetz
Gültigkeit hat.
Verspätete IPV-Auszahlung droht
Finanzdirektor Hans Wallimann war
gestern aufgrund seiner Ferienabwesenheit für keine Stellungnahme erreichbar.
Bereits im Januar warnte er jedoch: Ein
Referendum würde es schwierig machen,
«dass dieses Jahr die IPV rechtzeitig ausbezahlt werden kann». Sämtliche IPVAnspruchsberechtigten müssten also die
obligatorischen Krankenkassenprämien
über längere Zeit selbst vorstrecken.
Gerade bei Leuten mit niedrigem Einkommen kann sich eine solche «verspätete» Auszahlung einschneidend auswirken. Schliesslich ist der Sinn und
Zweck der IPV, rund ein Drittel der Bevölkerung je nach Einkommen zu entlasten (mit 10 Millionen Bundesgeldern).
«Dieses zeitliche Problem gäbe es
nicht, hätte die Regierung besser und
früher geplant», sagt Guido Cotter dazu.
Nach seiner Auffassung hätte die Vorlage zum Krankenversicherungsgesetz
nicht erst im Dezember 2015 und Januar 2016 ins Parlament zur Beratung
kommen dürfen. Auch die rückwirkende Inkraftsetzung nach Ablauf der Referendumsfrist ist für ihn Anzeichen,
dass die Regierung in Zeitnot handelte.
Zulagen für Familien entflechten
Angeeckt ist bei Guido Cotter zudem
das Vorgehen der Regierung bei den
Familien- und Ausbildungszulagen: Die
Erhöhung um je 20 Franken auf 220
respektive 270 Franken sei durchaus zu
begrüssen. Nicht jedoch, dass dieser
Nachtrag erst im November 2015 noch
nachgeschoben worden sei als Bestandteil der gesamten Vorlage und damit auch
dem Referendum unterliege. «Das hätte
separat geregelt werden müssen, da es
keinen inhaltlichen Zusammenhang
gibt», so Cotter.
Gegensteuer will das Komitee am
10. März im Kantonsrat geben. Mit einem
Vorstoss sollen IPV und Zulagenthematik
entflochten werden.