Über Unwissende lehren

Evangelium: Johannes Kapitel 15, Verse 1-8
Liebe Schwestern und Brüder,
der heilige Pfarrer von Ars lebte von 1786-1859. Mit
bürgerlichem Namen hieß der hl. Pfarrer von Ars: Jean Marie
Vianney. Jean Vianney kam erst spät auf die höhere Schule,
weil er sich beim Lernen ungeheuer schwer tat. Er hatte v.a.
in Latein so wenig Talent, dass er im Alter von 21 Jahren von
einem 12-jährigen Klassenkameraden Nachhilfeunterricht
bekam. Als ihm der 12-jährige zum X-ten Mal etwas erklärt
hatte, und Vianney es immer noch nicht verstand, da gab ihm
der Junge eine Ohrfeige. Aber Vianney schlug nicht zurück.
Er kniete sich vor den Zwölfjährigen nieder und sagte:
„Verzeih´ mir! Entschuldige, dass ich so dumm bin“. Darauf
war der Junge nicht gefasst. Diese Haltung berührte ihn so,
dass er über sich selbstweinen musste.
Soweit diese wahre Begebenheit, liebe Schwestern und
Brüder. Wir werden später wieder auf sie zurückkommen.
Zuerst einmal ist ja die Frage: Was hat diese Begebenheit mit
dem Evangelium zu tun? Nun: Im Evangelium betont Jesus,
wie wichtig es ist, „gute Früchte“ zu bringen. Und wir alle
wissen, was Jesus mit „guten Früchten“ meint. Jesus meint
damit ganz direkt: Gute Taten. Gute Taten soll ich
vollbringen. Das ist es!
In unserer katholischen Spiritualität gibt es einen klassischen
Katalog der guten Taten. Das sind: Die „Werke der
Barmherzigkeit“. Es gibt 7 leibliche und 7 geistliche Werke
der Barmherzigkeit. (Vgl. GOTTESLOB Nr. 29/3).
# Die 7 leiblichen Werke der Barmherzigkeit sind:
~ Die Hungrigen speisen.
~ Den Durstigen zu trinken geben
~ Die Nackten bekleiden.
~ Die Fremden beherbergen.
~ Die Kranken besuchen.
~ Die Gefangenen erlösen.
~ Die Toten begraben.
# Die 7 geistlichen Werke der Barmherzigkeit sind:
~ Die Unwissenden lehren.
~ Die Zweifelnden beraten.
~ Die Trauernden trösten.
~ Die Sünder zurechtweisen.
~ Den Beleidigern gerne verzeihen.
~ Die Unangenehmen ertragen.
~ Für alle Beten.
Insgesamt sind es also 14 „gute Werke“. Man nennt sie auch:
„Die 14 Stufen zum Himmel“. Genauso könnte man auch
sagen: „Die 14 Früchte des christlichen Lebens“.
An dieser Stelle darf ich wieder zurückkommen auf die
Begebenheit aus dem Leben des Hl. Pfarrers von Ars von
vorhin: Es ist nicht möglich über alle 14 Werke der
Barmherzigkeit auf einmal zu predigen, denn: Eine Predigt
darf über alles gehen, nur nicht über 10 Minuten.
Deswegen jetzt noch einige Gedanken über das 1. Geistliche
Werk der Barmherzigkeit: „Unwissende lehren“.
Dass die Menschen hierzulande Lesen/Schreiben/Rechnen
lerne, dafür sorgt bei uns erfeulicherweise schon der Staat.
Unsere Aufgabe, als Glieder der Kirche Gottes, ist es
vielmehr, Unwissenden die „Frohe Botschaft“ nahezubringen
– so, wie das Jesus von seinen Aposteln gefordert hat: „lehrt
sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe!“. Dazu
muss freilich erst einmal ich selber über die Fragen des
Glaubens Bescheid wissen. Kenntnisse über meine Religion
kann ich durch Lesen oder Hören erwerben. Durch Lesen
von Büchern und Zeitschriften über meine katholische
Religion. Allen voran natürlich in der Hl. Schrift, - der Bibel.
Aber auch durch das Studium des Katechismus. Wer hat
überhaupt einen aktuellen katholischen Katechismus? Und
wer liest immer wieder mal im Katechismus?
Mein Wissen über den Glauben darf ich dann freilich den
Unwissenden nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren
schlagen, sondern: Es gilt, was der selige Papst Paul VI.
einmal geschrieben hat: „Der heutige Mensch braucht
Zeugen, statt Gelehrte“. Und das war der Fehler des 12jährigen, der dem hl. Jean Marie Vianney Nachhilfe gegeben
hat: Er hat es ohne Barmherzigkeit getan. Und nur mit
Barmherzigkeit ist „Unwissende lehren“ eine „gute Frucht im
Sinn von Jesus.
Amen
Über
Unwissende
lehren