Grosszügiger mit sich selbst sein und nicht alles alleine lösen wollen

FÜHRUNG UND LE ADERSHIP
Grosszügiger mit sich selbst sein
und nicht alles alleine lösen wollen
Der Ausbildungsexperte und Kursleiter Kari Wüest-Schöpfer kennt die Berufsbildung
aus eigener Erfahrung. Im Gespräch erklärt er, welche Rolle dabei die Berufsbildnerinnen
und Berufsbildner übernehmen.
Interview Fritz Keller
Junge qualifizierte Angestellte werden in den Betrieben
oftmals für die Ausbildung von Lernenden herangezogen und übernehmen so eine erste Führungsposition.
Bringt das eine grosse Veränderung mit sich?
Ja, schon. Die besten Fachkräfte werden für die Ausbildung von Lernenden eingesetzt. Das Ausbilden ist
für gute Fachleute logisch. Dass sie dann auch Chefin
oder Chef mit Führungsaufgaben sind, das kommt
für viele etwas überraschend. Denn damit übernehmen sie auch Verantwortung und Vorbildfunktion.
Vorbild sein heisst auch, mit Leistung etwas vormachen?
Es ist immer beides: Leistung und Verhalten. Das
sind auch die Kriterien, an denen die Lernenden
gemessen werden. Für einen selber ändert sich, dass
man nicht nur für das eigene Verhalten, die eigene
Leistung geradestehen, sondern immer noch jemanden im Augenwinkel beobachten muss.
Ist man genügend auf diese Aufgabe vorbereitet, wenn
man einen Berufsbildnerkurs* besucht hat?
Der Berufsbildnerkurs ist nur ein Teil der Vorbereitung, die Führung von jungen Lernenden ist eine
Aufgabe, in die man hineinwachsen muss. Führen
lernt man in der Praxis: Das heisst Fehler machen,
reflektieren, was falsch gelaufen ist, es das nächste
Mal besser machen.
AUF KURS BLEIBEN
Basiskurs für Berufsbildner/innen
Fünf Tage für den Erhalt des eidgenössisch anerkannten Kursausweises.
Umgang mit Widerstand im Lernprozess
Wenn mal ein bisschen Sand im Getriebe ist.
Gelungene Rekrutierung – gelungene Lehrzeit
Lehrbetrieb und Lernende sollten optimal zueinander passen.
SVEB-ZertifikatPLUS für Berufsbildner/innen
Vertieftes Wissen über Ausbildungsgestaltung.
Anmelden: eb-zuerich.ch/fuehrung
16 EB NAVI #5
Was wird in den Berufsbildnerkursen diesbezüglich vermittelt?
Den Rollenwechsel von der Fach- zur
Führungs­person, da schauen wir genau
hin. Ein weiterer Schwerpunkt ist die
Gesprächsführung. Die kann man lernen.
Wobei es meistens so ist, dass vor allem
das Zuhören, das Beobachten und das
Fragenstellen geschult werden müssen.
Gibt es konkrete Tipps für junge Berufsbildnerinnen und Berufsbildner?
Ja, vielleicht da und dort etwas grosszügiger zu sein. In der ersten Führungsrolle
sind die Ansprüche an sich selbst und die
Lernenden häufig sehr hoch. Da schiesst man dann
schon mal über das Ziel hinaus. Aber beim Führen
von Jugendlichen braucht es beides, klare Grenzen
und eine gewisse Elastizität.
Und wenn sie sich überfordert fühlen, was können sie
dagegen tun?
Als Berufsbildner betritt man Neuland. Man muss
plötzlich Personalentscheide fällen, zum Beispiel bei
der Rekrutierung. Oder man muss qualifizieren, Noten
geben. Wir hören oft, dass jungen Berufsbildnern das
Ausbilden viel Spass macht, dass jedoch das Beurteilen und Bewerten Mühe macht. Das ist nachvollziehbar, denn gewisse Beurteilungen sind prüfungsrelevant. Überforderung kann es auch bei rechtlichen
Fragen geben, zum Beispiel, welche Konsequenzen
hohe Absenzen haben. Da müssen sich die jungen
Führungskräfte einfach Hilfe von aussen holen.
griffe. Wir haben zu fast jedem Problem eine Anlaufstelle. Aber man muss selber die Initiative ergreifen.
Oder man kann auch bei der ehemaligen Chefin oder
bei Kollegen andocken. Junge Berufsbildnerinnen
haben bisweilen die Tendenz, alles selber lösen zu
wollen. Das aber ist der falsche Weg.
Was zeichnet gute Berufsbildner aus?
Sie müssen sich selbst im Griff haben, damit sie
andere führen können. Sie müssen ihre Stärken und
Schwächen kennen und dazu stehen können.
Was braucht es, um diese Aufgabe gut lösen zu können?
Drei Dinge: Man muss bereit sein, sein Wissen an
junge Menschen weiterzugeben, man muss Jugendliche auch mögen. Und man muss seinen Beruf lieben.
Wenn diese drei Voraussetzungen gegeben sind,
dann kommt es gut.
zVg
Wo?
Ausbilden von Lernenden heisst Zusammenarbeit.
Man ist nie allein. Es bestehen viele Möglichkeiten,
um sich Rat zu holen. Es gibt Fachstellen für Suchtprobleme, das Essverhalten, Wohnen, sexuelle Über-
Sie waren auch für einige Jahre als Berufsbildner tätig.
Was hat Ihnen an dieser Aufgabe gefallen?
Schön fand ich, junge Leute während vier Jahren
zu begleiten und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen, jemandem auch längerfristig auf die
Sprünge zu helfen, damit er oder
sie den Knopf aufmacht. Das
Kari Wüest-Schöpfer (53) absolvierte eine Elektromacht meiner Meinung nach den
nikerlehre. Nach Abschluss der Lehre schlüpfte er
Reiz dieser Tätigkeit aus. n
bei der Swissair relativ schnell in die Rolle als Praxis­
ausbildner. Nach einigen Jahren verlagerte Kari
Wüest-Schöpfer seine Tätigkeit als Berufs­bildungs­
* Der Bund legt Mindestanforderungen an
verantwortlicher ganz auf die Ausbildung von LernenBerufsbildnerinnen und Berufsbildner in Lehrbeden. Heute ist er Kursleiter an der EB Zürich im
trieben fest. Darin sind auch berufspädagogiBereich Berufsbildung und leitet in Co-Leitung mit
sche Qualifkationen vorgeschrieben. Diese können mit Berufsbildnerkursen erworben werden.
Gabrielle Leisi die «Drehscheibe für BerufsbildungsDer Besuch eines fünftägigen BerufsbildnerkurPROFIS».
ses ist Voraussetzung für das Ausbilden von
Berufslernenden.
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