Lebendig bleibendes Filmgeschenk - Cinema

MONTAG, 25. JANUAR 2016
Stein/Diessenhofen 17
Der grosse Sommer
Gnädinger in seiner
letzten Rolle als
Schwingerkönig
VON EDITH FRITSCHI
STEIN AM RHEIN Obwohl auch ein Teil
des Solothurner-Filmtage-Publikums
schon «Den grossen Sommer» mit
Ma­thias Gnädinger gesehen hat, darf
das Kino Schwanen für sich beanspruchen, gestern die Premiere des Films
gezeigt zu haben. Am Mittag haben vor
allem Familie, Freunde und Bekannte
das Kino bis auf den letzten Platz gefüllt, am Abend gab es nochmals eine
ausverkaufte Vorstellung.
Einer, der fehlen wird
«Der grosse Sommer» ist so etwas
wie das filmische Vermächtnis des am
3. April 2015 verstorbenen Mathias Gnädinger, und es ist ein Film, der nochmals zeigt, was für ein grosser Schauspieler künftig in der Film- und Theaterlandschaft fehlen wird. Einer nämlich, bei dem man nie den Eindruck hat,
er spiele eine Rolle, sondern der einem
das Gefühl vermittelt, er sei die Figur
auch. Fast so, als könne er jederzeit von
der Leinwand herabsteigen. Frisch und
lebendig ist Gnädinger auch in diesem
wunderbaren letzten Film zu sehen,
eine Art Feel-good-Movie mit märchenhaften Zügen. In eindrücklichen und
starken Bildern erzählt Stefan Jäger
darin von einem alten, knorrigen, verbitterten Mann, der niemanden mehr
an sich heranlassen möchte. Und dann
schafft es ein kleiner Junge …
Der 10-jährige Hiro, überzeugend
dargestellt vom jungen Loïc Sho Güntensperger hat einen grossen Wunsch:
Er will unbedingt eine Sumoschule in
Japan besuchen. Nachdem seine Grossmutter gestorben ist, fragt er den grummeligen Nachbarn, den alten Schwingerkönig Anton Sommer. Nach langem
Zögern willigt dieser ein und geht mit
Hiro auf eine unvergessliche Reise
nach Japan, wo er kein Wort versteht.
Starke Bilder
Mithilfe einer kleinen Übersetzungsmaschine und der Unterstützung
des liebenswert-frechen Buben, der Japanisch spricht, schlägt Sommer sich
durch, und Hiro gewinnt sein Herz. Die
beiden bilden auf ihre Art ein ideales
Paar, und nach einigen kleinen Abenteuern gibt’s schliesslich ein Happy
End. Es ist eine letzte eindrückliche Begegnung mit dem Schauspieler Gnädinger, in der man herzhaft lachen kann.
Und soll. Denn das hätte er gewollt und
gemocht, wie Regisseur Stefan Jäger
betonte. Er sei sehr glücklich, dass er
mit diesem grossen Volksschauspieler
immer wieder drehen konnte.
Gefilmt wurde 36 Tage lang in Japan, und während dieser Zeit wurde
Mathias von seiner Frau Ursula Zarotti
Gnädinger begleitet, die für Garderobe
und Maske zuständig war. Bei den
Dreharbeiten in der Schweiz hatte Bea
Petri Feurer die Maske gemacht, wie so
oft. Und sie erinnerte sich sehr gerne
an die Zeit mit Mathias Gnädinger. «Er
war extrem genau und merkte sofort,
wenn eine Locke nur ein wenig woanders platziert war.» Wie vom ganzen
Team zu hören, hatte Mathias Gnädinger niemals Starallüren, sondern war
bescheiden, ehrlich und direkt.
Auch der Sohn war dabei
Im Film kann man übrigens auch
Gnädingers Sohn Gilles Schyvens begegnen. Er verkörpert den jungen
Schwingerkönig Anton Sommer. Und
macht es professionell, auch wenn ihn
die wirklichen Profis, so sagte er gestern, wohl nicht ernst genommen hätten. So oder so: Es ist ein Glück, dass
Mathias Gnädinger diesen Film hinterlassen hat, und es ist ein grosser Verlust, dass er keine Filme mehr drehen
kann. «Doch tot ist man erst, wenn man
vergessen ist», sagte er selbst. Dazu
hat er keine Chance. Jetzt kommt «Der
grosse Sommer» in die Schweizer Kinos und wird ähnlich Furore machen
wie «Usfahrt Oerlike». (E.F.)
Vor der Premiere des Films «Der grosse Sommer» im Cinema Schwanen in Stein am Rhein zeigte die Gnädinger-Familie einen eigens für diesen Anlass zusammengestellten Film aus Mathias Gnädingers Kindheit. Auf unserem Bild ist Mathias Gnädinger als Baby zu sehen.
Bilder Selwyn Hoffmann
Lebendig bleibendes Filmgeschenk
Die Premiere von «Der grosse
Sommer» gestern im Cinema
Schwanen Stein am Rhein
war ein grosses Familienreffen.
STEIN AM RHEIN Am Vormittag zeigte
das Fernsehen in den «Sternstunden»
Stefan Jägers Dokufilm «Mathias Gnädinger – Die Liebe seines Lebens» über
das Leben und das Wirken Gnädingers. Am Nachmittag waren Familie
und Freunde in Stein am Rhein. Ursula
Zarotti Gnädinger kam kaum nach mit
Begrüssen. Neben Gnädingers Sohn
Gilles –Tochter Laura ist derzeit im Ausland – waren die Brüder Beat, Fritz und
Otmar mit Familien da, Angelo fehlte
krankheitshalber. Nichte Rebekka Gnädinger war aus Leipzig angereist, Nicole aus Winterthur. Und die Brüder
Gnädingers hatten als Überraschung
einen kurzen Film über Mathias’ Kindheit zusammengestellt, der als «Vorfilm» lief. Direkt von den Soloturner
Filmtagen gekommen waren Bea Petri
Feurer und Thomas Feurer. Sie schauten
sich dort neben Filmen auch die Ausstellung an, die Mathias Gnädinger gewidmet ist.
Regierungsrat Christian Amsler zog
in seiner Ansprache namens der Regierung – Reto Dubach und Frau Sabine waren persönlich vor Ort – symbolisch
den grossen Hut vor dem Volksschauspieler, den er als Brückenbauer bezeichnete, und die Steiner Stadtpräsidentin Claudia Eimer zeigte sich glücklich, dass sich Gnädinger in Stein am
Rhein wohlfühlte und man die Filmpremiere und Retrospektive zeigen könne.
Gekommen waren auch die neuen Steiner Stadträte Karin Sigrist und Ueli Böhni
sowie die Ex-Stadträte Beat Hug und
Heidi Schilling. «Ich werde mir den Film
nochmals anschauen», sagte begeistert
die Kunsthistorikerin Hortensia von
Roda. Corinna Peyer mit Familie vertrat
die Sturzeneggger-Stiftung, zudem war
Elisabeth Schraut, Gesamtleiterin Kultureinrichtungen der Windler-Stiftung,
da. Regisseur Stefan Jäger, der den Anlass moderierte, konnte am Schluss
Loïc Sho Güntensperger begrüssen, der
neben Gnädinger die Hauptrolle im
Film spielt. Fiebrig und hustend, aber
glücklich nahm auch er den heftigen
Applaus entgegen. (E.F.)
Ursula Zarotti Gnädinger freut sich über den Besuch von Schauspieler Herbert Leiser, angereist vom Kerenzerberg.
Im Element: Stefan Jäger, Regisseur des Films «Der grosse
Sommer», mit Hiro-Darsteller Loïc Sho Güntensperger.
Seit Langem gute Freunde von Gnädingers: Bea Petri Feurer und
Thomas Feurer, ehemaliger Schaffhauser Stadtpräsident.
Nach dem Film auf die Bühne: Produzentin Katrin Renz, Musiker
Angelo Berardi und Mathias Gnädingers Sohn Gilles Schyvens.
Die Gnädinger-Brüder Beat, Fritz und Otmar (v. l.). Angelo
konnte krankheitshalber nicht zur Filmpremiere kommen.
Aus Leipzig angereist: Nichte Rebekka Gnädinger (l.). Und aus
Winterthur kam Nicole Gnädinger.