Mehr ausländische Patienten lassen sich in Deutschland behandeln

Ausgabe | 05
05. Februar 2016
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Medizintourismus
Mehr ausländische Patienten lassen sich in Deutschland behandeln
Vor allem Patienten aus Russland kommen gern in deutsche Kliniken. Die Ärzte genießen einen sehr guten Ruf
I
n Zeiten weltweiter wirtschaftlicher
Turbulenzen und niedriger Renten,
hat der Medizintourismus an Bedeutung
gewonnen. Während deutsche Rentner
nicht selten aufgrund niedrigerer Kosten in ein Pflegeheim ins Ausland gehen,
kommen Patienten aus dem Ausland
immer öfter nach Deutschland. Einer
Studie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg
in Sankt Augustin zufolge kamen 2014
über 251.000 Patienten nach Deutschland, um sich hier ambulant und stationär behandeln zu lassen. Das ist ein Plus
von 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Obwohl viele Kliniken über finanzielle
Schwierigkeiten und Investitionsnotstand
klagen, genießen die deutschen Kliniken
im Ausland einen sehr guten Ruf. Hervorragende Ärzte und eine hohe medizinische
Ausstattung werden von den ausländischen
Patienten meist als Grund für die Reise
nach Deutschland angegeben.
In den letzten zehn Jahren hat sich
die Zahl der ausländischen Patienten in
deutschen Kliniken verdoppelt. Sachsen
beispielsweise sah einen Zuwachs von
36 Prozent. Neben Bayern, NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg wird
auch Berlin bei den Medizintouristen
immer beliebter. Die Hauptstadt konnte
die Zahl der Patienten aus dem Ausland
von 2004 bis 2014 verfünffachen. „Berlin
ist derzeit sehr engagiert und erfolgreich
bei der Vermarktung als Medizintourismusstandort. Der direkte wirtschaftliche
Effekt durch die Medizintouristen beträgt
schätzungsweise 150 Millionen Euro pro
Jahr“, sagte Jens Juszczak von der Hoch-
schule Bonn-Rhein-Sieg. Hier haben sich
auch Hotels, Dienstleister, Kliniken und
Ärzte in dem Netzwerk „Berlin Medical
Tourism Guide“ zusammengetan.
Mit rund 24.800 Patienten liegt
Russland beim Medizintourismus nach
Deutschland seit Jahren vorn. Die schlechten politischen Beziehungen und der
wirtschaftliche Abschwung zeigen jedoch
auch hier erste Wirkungen. „Vor allem die
schlechte Wirtschaftslage in Russland trübt
die Aussichten auf eine Umkehr dieses
Trends“, so Juszczak. Während die Zahl der
russischen Patienten zurückging, stieg die
Zahl der Patienten aus den arabischen
Ländern. Allein bei den Patienten aus den
Golfstaaten wurde 2014 ein Plus von 30
Prozent erreicht.
Angesichts der Vorteile, die der Medizintourismus für das deutsche Gesundheitssystem hat, ist ein erneuter Anstieg
der russischen Patienten wünschenswert.
1,2 Milliarden Euro verdiente das deutsche
Gesundheitssystem 2014 an den ausländischen Patienten, so die Studie.
Geld, das die Kliniken sehr gut gebrau-
schen den jeweiligen Regionen. Ärzte in
Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg beispielsweise verdienen
sehr gut, Ärzte in Berlin, Brandenburg
und Thüringen zählen gehaltstechnisch
zu den Schlusslichtern. Generell zeigt der
Gehaltsreport darüber hinaus, dass es als
Arzt lukrativer ist, in Kliniken zu arbeiten als sich niederzulassen. Das Gehalt in
Kliniken ist im Schnitt 27 Prozent höher
als das von niedergelassenen Ärzten und
Medizinern.
Auch in Hinblick auf die lukrativsten
Branchen ist die Gesundheitsbranche
vorn mit dabei. Neben Banken und Finanzdienstleistern zählt auch die Pharma-
industrie zu den Top-Branchen. Hier sind
die Gehälter für Fachkräfte im vergangenen
Jahr um etwa drei Prozent gestiegen. Mit
am wenigsten verdienen die Fachkräfte
im Handwerk und der Gastronomie bzw.
Hotelbranche. Hier liegen die Gehälter bei
etwas mehr als 34.000 Euro.
Noch geringer fallen die Gehälter jedoch in der Pflege und Therapie aus. Durchschnittlich werden hier lediglich 33.446
Euro von Fachkräften verdient. In der Psychotherapie sowie in der Altenpflege sind
die Gehälter höher als beispielsweise in der
Physiotherapie. Auch hier spielt die Größe
der Unternehmen, in denen die Fachkräfte
arbeiten, eine entscheidende Rolle.
Allein die Zahl der Medizintouristen aus den Golfstaaten stieg 2014 um 30 Prozent an.
Flickr/FuFu Wolf/CC by 2.0
Analyse
Ärzte verdienen am meisten
Mit einem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt von 64.100 Euro gehören
Ärzte in Deutschland noch immer zu den
Spitzenverdienern. Auf dem zweiten Platz
hinter den Ärzten stehen die Juristen. Gefolgt von Ingenieuren und IT-Fachkräften,
wie der aktuelle StepStone Gehaltsreport
2016 zeigt. Das Durchschnittsgehalt einer
Fachkraft liegt bei 52.000 Euro. Bei den
Ärzten klafft allerdings eine große Lücke zwischen dem Gehalt bei Frauen und
Männern. Während das durchschnittliche
Bruttojahresgehalt bei Männern bei 73.858
Euro liegt, verdienen Frauen durchschnittlich 56.143 Euro.
Unterschiede zeigen sich auch zwi-
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chen können. Deutschlandweit werde der
Investitionsbedarf der Krankenhäuser in
den nächsten fünf Jahren sogar auf sieben
Milliarden Euro jährlich steigen. Das wird
zu einer verstärkten Finanzierung über den
Kapitalmarkt beitragen, heißt es in einer
Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
BDO und des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Die staatlichen Förderungen
sind in den vergangenen 15 Jahren um real
25 Prozent deutschlandweit gesunken. Aus
diesem Grund würden zwischen 30 und 40
Prozent der deutschen Kliniken seit mehr
als zehn Jahren in den roten Zahlen stehen.
Doch nicht überall sind die Medizintouristen gern gesehen. In München, wo
Wohnraum knapp und teuer ist, haben
sich nun Bürger zusammengetan, um den
Medizintourismus einzudämmen. Seit
Kurzem läuft deshalb eine Online-Petition:
„Wohnraum für Münchner statt für Medizintouristen.“ Die Petition fordert unter
anderem eine Verschärfung der Zweckentfremdungssatzung.
„Medizintouristen wohnen mit steigender Tendenz widerrechtlich für kurze
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Zeit in Wohnungen und nicht in Hotels“, so
die Initiatoren der Petition. Die Wohnungen
würden über Zwischenmieter oder direkt
vom Eigentümer für hohe Tagespreise
weitervermietet. Die Stadt München habe
die Schaffung bezahlbaren Wohnraums
versprochen, vermag es aber nicht, diesen
Missbrauch von Wohnraum zu unterbinden. „In den städtischen Kliniken wird für
dieses missbräuchliche Wohnmodell sogar
noch mit Flyern geworben.“ Ende Januar
wurde die Petition gestartet, sie läuft noch
bis Ende März.
Pharmabranche
Milliarden-Gewinn: NGO fordert Preissenkung bei Kinder-Impfungen
Sowohl Pfizer als auch GlaxoSmithKline haben im vergangenen Jahr stark von Impfstoffen für Kinder profitiert
D
er Pharmariese Pfizer konnte 2015
seinen Umsatz um sieben Prozent
auf 14,05 Milliarden Dollar steigern.
Vor allem der Kauf des Rivalen Hospira
und das wachsende Geschäft mit Impfstoffen trugen dazu bei. Ähnlich stark
profitierte auch GlaxoSmithKline vom
dem Vorjahresquartal (2014).
„Pfizer und GlaxoSmithKline haben
mit ihren Blockbuster-Impfstoffen gegen Lungenentzündung schon mehr als
28 Milliarden US-Dollar Umsatzerlöse
erzielt“, sagt Marco Alves von der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Der hohe
Gerade in ärmeren Regionen ist eine umfassende Impfung aufgrund der hohen Preise derzeit kaum
durchführbar.
Foto: Flickr/DFID - UK Department for International Development/CC by 2.0
Verkauf der Impfstoffe. Der aktuelle
Quartalsbericht des Konzerns zeigt eine
deutliche Steigerung für 2015. So stiegen die Gewinne beispielsweise im dritten Quartal um 39,3 Prozent gegenüber
Preis für die Pneumokokken-Impfstoffe
(PVC) erwies sich demnach als gut für die
Bilanz der beiden Pharmakonzerne. Aber
viele Kinder in ärmeren Ländern könnten
eben genau aufgrund des hohen Preises
nicht geschützt werden. „Wir fordern
Pfizer und GSK auf, den Preis je Kind
auf fünf US-Dollar für die drei notwendigen Dosen zu senken.“ Derzeit liegt
der niedrigste Preis für eine derartige
Immunisierung bei etwa zehn US-Dollar.
Jedes Jahr sterben rund eine Million
Kinder unter fünf Jahren an einer Lungenentzündung, die durch Pneumokokken
ausgelöst wurde. Für diese Altersgruppe
bieten nur Pfizer und GlaxoSmithKline
Impfstoffe an. Pneumokokken können
aber auch Hirnhautentzündungen und
Mittelohrentzündungen sowie Blutvergiftungen auslösen. Ähnlich wie herkömmliche Erkältungen werden Pneumokokken über Tröpfcheninfektionen
weitergegeben.
Den Ärzten ohne Grenzen zufolge
kostet es heute 68 Mal mehr, ein Kind in
einem Entwicklungsland umfassend zu
impfen als noch im Jahr 2001. Der hohe
Preis für die Pneumokokkken-Impfung
sei für fast die Hälfte der Verteuerung
verantwortlich. „Dies bedeutet, dass es
sich eine wachsende Zahl von Entwicklungsländern nicht mehr leisten kann,
den Impfstoff zu erwerben, um damit
Kinder gegen Lungenentzündung zu
schützen“. Zwar entwickle ein Hersteller
aus Indien derzeit einen PneumokokkenImpfstoff mit der Zusicherung, ihn für
sechs Dollar pro Kind zu verkaufen. Jedoch werde dieser erst 2019 verfügbar
sein.
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Wissenschaft
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Keine Tierversuche mehr: Neuer Mikro-Reaktor macht es möglich
Wissenschaftlern haben einen winzigen Reaktor entwickelt, der Tierversuche für Medikamententest überflüssig machen kann
S
eit Jahrzehnten sind Tierversuche
in der Kritik. Doch bisher konnte die
Pharmabranche stets darauf verweisen,
wie wichtig diese für die Forschung sind.
Nach und nach wird von staatlicher Seite
aber immer stärker interveniert. So hatte
die EU in der EU-Kosmetikverordnung
2013 den Handel mit Kosmetika, deren
Inhaltsstoffe an Tieren geprüft wurden,
untersagt. In der Medizin gibt es ein derartiges Verbot noch nicht. Aber erste Untersuchungen zu alternativen Testmöglichkeiten gibt es.
Eine davon ist der so genannte MikroReaktor, der von einem internationalen
Forscherteam entwickelt wurde. HeMiBio heißt das Forschungsprojekt, an dem
unter anderem auch Wissenschaftler des
Fraunhofer Instituts für Zelltherapie und
Immunologie (IZI) mitarbeiten. Ein Blick
in den Reaktor lässt die Beobachtung der
Leberreaktion in Echtzeit zu.
Die Leber ist gerade für Tests hinsichtlich möglicher Giftstoffe ein gutes
Prüforgan. Schließlich ist es auch im
Körper das wichtigste Organ zur Entgiftung. Normalerweise sterben Leberzellen
jedoch bereits nach wenigen Tagen im
Labor ab. So waren Langzeittests bisher
kaum möglich. In dem Mikro-Reaktor
können Leberzellen einem Monat lang
gehalten und mit verschiedenen Stoffen
in Berührung gebracht werden.
Aufbau des Bioreaktors mit Mikrofluidik (im Bild
oben). Mikropartikel (Oxygen Probes) mit den
Zellen im Hintergrund (im Bild unten).
Foto: Fraunhofer IZI
Prototyp des Bioreaktors HeMiBio.
Foto: Fraunhofer IZI
„Sowohl im Tierversuch als auch in
herkömmlichen Laborversuchen führt man
bislang in der Regel Endpunkt-Messungen
durch“, sagt Claus Duschl, Leiter der Abteilung Zelluläre Biotechnologie am IZI. Dabei
verabreiche man verschiedene Dosen eines
Wirkstoffs und analysiere anschließend das
abgestorbene Gewebe oder das tote Tier.
„Wie der Wirkstoff im Detail auf die Zellen
wirkt, kann man damit nicht ermitteln.“
Der Mikro-Reaktor macht das nun möglich.
Winzige Sensoren messen beispielsweise,
wieviel Sauerstoff die verwendeten Leberzellen benötigen.
Der Sauerstoffverbrauch der Zelle ist
ein wichtiger Indikator, um den Zustand
und auch die laufenden Stoffwechselprozesse der Leberzelle zu erkennen. Je nachdem, welche Substanz den Leberzellen im
Mikro-Reaktor zugefügt wird, ändert sich
entsprechend der Sauerstoffverbrauch. Mit
den Sensoren wird jede kleinste Änderung
wahrgenommen.
„Im Projekt haben mit unseren Kooperationspartnern, Zellbiologen von der
Hebrew University in Jerusalem, unsere
Vermutung überprüft, indem genau jene
Substanzen ersetzt wurden, deren Produktion durch den Giftstoff blockiert wird“,
so Duschl. „Tatsächlich liefen danach die
anschließenden Stoffwechselschritte ungestört weiter.“ Ziel ist es nun, auch andere Zellen im Reaktor zu testen. Selbst ein
Nebeneinander unterschiedlicher Organe
für Tests wäre durch den Mikro-Reaktor
nun möglich.
Forschung
Diabetes: Stammzellen könnten Spritzen überflüssig machen
US-Forscher vom MIT ist es gelungen, mittels Stammzellen Mäuse ein halbes Jahr lang von Diabetes zu befreien
M
enschen mit Typ-1-Diabetes können kein Insulin produzieren. Aus
diesem Grund sind sie auf tägliche Insulinspritzen angewiesen. Ein Forscherteam
vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Universität Harvard will
genau das ändern. Nach jahrelanger Forschung ist es ihnen gelungen, bei Mäusen
Diabetes für ein halbes Jahr auszuschalten. Dafür haben sie den Mäusen Insulin
produzierende Zellen verabreicht.
Bei Typ-1-Diabetes-Patienten wurden
die Insulin produzierenden Betazellen in
den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse durch einen Autoimmunprozess vollständig zerstört. „Warum sich
aber das Immunsystem gegen den eigenen
Körper richtet, ist bisher nicht bekannt“,
so das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung.
Um diese Insulin produzierende
Zellen zu schaffen, hatten die Forscher
die Mäuse zuvor mit einem Material mit
menschlichen Zellen aus der Bauchspeicheldrüse versehen und dabei embryonale
Stammzellen genutzt. Nachdem die Zellen
bei den Mäusen injiziert wurden, begannen sie sofort mit der Insulinproduktion,
je nachdem, wie der Blutzuckerspiegel
aussah.
„Das ist ein großartiger erster Schritt
hin zu einer klinisch relevanten, zellbasierten Therapie für Typ-I-Diabetes“, zitiert das
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Die neuen Insulin produzierenden Zellen könnten
Patienten bis zu fünf Jahre vom täglichen Spritzen
befreien.
Foto: Flickr/Melissa Johnson/CC by 2.0
MIT Cherie Stabler von der Universität in
Florida. Ziel sei es, dass Typ-1-DiabetesPatienten vielleicht nur mehr alle paar
Jahre in eine Klinik kommen müssen, um
sich wieder diese Art der Stammzellen
spritzen zu lassen. Für Daniel Anderson,
einen der Co-Autoren, haben die bisherigen Ergebnisse „das Potential, Diabetiker
mit einer neuen Bauchspeicheldrüse zu
versorgen“. Diese würde es ihnen erlauben,
ihren Blutzuckerspiegel ohne die Einnahme von Medikamenten zu regulieren.
Doch nicht nur in den USA wird an
einer möglichen Heilung von Diabetes gearbeitet. Auch in Deutschland gibt es entsprechende Forschungen. Wissenschaftler
der Chirurgischen Universitätsklinik und
Poliklinik in Würzburg arbeiten dafür mit
Insulin produzierenden Zellen aus Bauchspeicheldrüsen von Schweinen. Finanziert
wird die Forschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Der Vorteil: Das von den Schweinezellen
produzierte Insulin unterscheidet sich
lediglich in den Aminosäuren von dem
menschlichen Insulin.
Eine Mikrokapsel, die die Schweinezellen umgibt, schützt diese vor dem
Immunsystem des Patienten. Sie ist so
für die Abwehrzellen sichtbar und wird
entsprechend nicht angegriffen. Für die
Kapseln verwendeten die Wissenschaftler
Alginat aus braunen Meeresalgen. Dieses
löst keine Entzündungsreaktionen aus,
lässt die für die Zellen notwendigen Nährstoffe durch und verhindert gleichzeitig
das Eintreten von Antikörpern.
Das Ergebnis: Nach 24 Stunden nor-
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Diese Stammzellen konnten Mäuse schon ein halbes Jahr mit Insulin versorgen.
Foto: MIT
malisierte sich der Blutzuckerspiegel der
Tiere. Bei einem Drittel blieb der Blutzuckerspiegel auch über einen längeren Zeitraum nach der Transplantation konstant,
teilweise bis zu 502 Tage. Allerdings: „Die
im Tierversuch erreichten Funktionszeiten der transplantierten, verkapselten
Inselzellen sind noch zu kurz“, sagt Karin
Ulrichs von der Uniklinik. „Erst wenn wir
Zeiten von fünf Jahren erreicht haben, ist
an einen klinischen Einsatz beim Menschen zu denken.“
Gesundheit
Glyphosat: Monsanto verklagt Kalifornien
Kalifornien will Glyphosat auf die Liste der anerkannten krebserregenden Stoffe setzen
M
onsanto sorgt angesichts seines umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Roundup erneut für Aufmerksamkeit.
Das US-Unternehmen verklagt eine kalifornische Behörde. Grund dafür ist das im Unkrautvernichter enthaltene Glyphosat, das
die Internationale Krebsforschungsagentur
IARC als „wahrscheinlich krebserregend“
eingestuft hatte. Kalifornien will Glyphosat
auf die Liste der bekannten krebserregenden Stoffe setzen.
Die zuständige kalifornische Behörde,
das Office of Environmental Health Hazard
Assessment (OEHHA), und der zuständige
Direkter, Lauren Zeise, sind von der Klage
betroffen. Ende September hatte die Behörde
ihre Pläne für die Glyphosat-Warnung angekündigt. „Soweit ich weiß, ist dies die erste
Aufsichtsbehörde in den USA, die feststellt,
dass Glyphosat krebserregend ist (…) Also, das
ist eine sehr große Sache“, zitierte EcoWatch
damals Nathan Donley vom Center for Biological Diversity.
Gemäß dem „Safe Drinking Water and
Toxic Enforcement Act, 1986“ (Proposition
65), welches ein im Jahr 1986 in Kraft getretenes kalifornisches Wasserschutz-Gesetz ist,
soll die Hygiene des Trinkwassers vom Staat
gefördert werden. Demzufolge ist die Umweltschutzbehörde verpflichtet zu verhindern,
dass krebserregende Substanzen in Verbraucherprodukte gelangen und daraus eventuelle
Missbildungen sowie andere Schädigungen
der Fortpflanzungsfähigkeit erfolgen.
Monsanto streitet ab, dass Glyphosat
krebserregend ist, und bezieht sich dabei auf
zahlreiche Studien, die Glyphosat als sicher
einstufen. Eine der Studien ist aus dem Jahr
2007 und von der kalifornischen Behörde
selbst veröffentlicht. Darin kommt diese zu
dem Schluss, dass es unwahrscheinlich sei,
dass Glyphosat Krebs verursache.
Indem Kalifornien Glyphosat auf Grundlage der Klassifikation durch die Internationale Krebsforschungsagentur IARC auf die
Krebs-Liste setzt, trete die US-Behörde ihre
Die kalifornische Umweltschutzbehörde Cal/EPA
will das Pestizid Glyphosat in die Liste der krebsverursachenden Mittel aufnehmen.
Foto: Flickr/ Mike Mozart/CC by 2.0
regulatorische Autorität an einen „nicht gewählten, undemokratischen, unerklärlichen
Fremdkörper“ ab, heißt es in der Klage von
Monsanto. Zumal diese Organisation nicht
unter der Aufsicht eines Staates stehe.
Nimmt Kalifornien Glyphosat in die
besagte Liste auf, wäre Monsanto gezwungen, die Konsumenten gut sichtbar vor der
krebserregenden Chemikalie zu warnen. Andere Unternehmen, die ebenfalls Glyphosat
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verwenden, wären davon ebenfalls betroffen.
Monsanto kämpft derzeit an vielen
Fronten. Auch in Europa ist der Widerstand
gegen Produkte von Monsanto – vor allem
mit Glyphosat – groß. In zahlreichen euro-
päischen Geschäften wurden Glyphosatprodukte bereits aus den Regalen entfernt.
Überraschend hatte die EU-Behörde für
Lebensmittelsicherheit (Efsa) den Stoff im
vergangenen Jahr als „wahrscheinlich nicht
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krebserregend“ eingestuft. Daraufhin hatten
hunderte Wissenschaftler sich vehement gegen diese Einstufung gewehrt. Sie kritisierten
in einem offenen Brief die Methoden der
EU-Behörde.
Pharma
Suche nach Zika-Impfstoff: Infizierte auch in Deutschland
Die Pharmaindustrie hat bereits mit ersten Untersuchungen für einen potentiellen Impfstoff begonnen
N
achdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der vergangenen Woche erhebliche Bedenken über die rasante
Ausbreitung des Zika-Virus geäußert hatte,
hat sie nun den Notstand ausgerufen. Der
Kampf gegen Zika müsse global koordiniert
werden, sagte WHO-Direktorin Margaret
Chan. Reise- oder Handelsbeschränkungen
seien aber nicht notwendig. Aus mehr als
20 Ländern gibt es bereits Berichte über Zika-Fälle. Der Zika-Erreger wurde erstmals in
den 1940er Jahren in Afrika nachgewiesen
und war in Süd- und Nordamerika unbekannt, bis im Mai in Brasilien die ersten Fälle auftraten und sich die Krankheit schnell
in Lateinamerika ausbreitete.
Vor allem bei Schwangeren kann das Zika-Virus gefährlich werden. Zika wird mit Missbildungen bei
Neugeborenen in Verbindung gebracht.
Foto: Flickr/Joe Green/CC by nd 2.0
Doch der Zika-Virus beschränkt sich
nicht auf Nord- und Südamerika. Auch in
Österreich, der Schweiz und in Dänemark
gab es im Januar erste Verdachtsfälle. So
soll sich dem Tropenmedizinischen Institut zufolge eine österreichische Touristin
in Brasilien infiziert haben. Ebenfalls bei
einer Reise nach Mexiko und Brasilien
hatte sich ein Däne mit der von Mücken
übertragenen Krankheit infiziert, teilte das
Universitätskrankenhaus in Aarhus mit.
Sowohl in Österreich als auch in Dänemark
wiesen die Tropenmediziner jedoch darauf
hin, dass es nicht zu einer Epidemie im
Land kommen könne, da es dafür zu kalt sei.
Das Virus wird durch Mückenstiche
übertragen und gilt vor allem für Schwangere als gefährlich. Tausende Missbildungen
bei Neugeborenen werden in Brasilien mit
Zika in Verbindung gebracht. Aus dem Land
wurden inzwischen rund 4000 mutmaßliche Fälle der sogenannten Mikrozephalie
gemeldet. Das ist 30-mal mehr als etwa im
Jahr 2010. Die Köpfe betroffener Babys sind
deutlich kleiner als bei gesunden Kindern.
Eine Zika-Infektion soll bei rund 80 Prozent
der Betroffenen ohne Symptome verlaufen,
die ähnlich wie bei dem Dengue-Virus aus
Fieber, Ausschlag und geröteten Augen
bestehen.
Die WHO fürchtet, dass sich Millionen
Menschen infizieren könnten. Im Falle der
Ebola-Krise im vergangenen Jahr wurde
der WHO vorgeworfen, viel zu spät auf
die Verbreitung aufmerksam gemacht zu
haben. Der Pharmakonzern Sanofi hat als
eines der ersten Unternehmen angekündigt, einen Impfstoff entwickeln zu wollen.
Die Sparte Sanofi Pasteur baue dabei auf
ihre bei anderen Impfstoffen gesammelte Erfahrung gegen ähnliche Virus-Arten
wie etwa Gelbfieber und Denguefieber,
teilte das französische Unternehmen am
Dienstag mit. Sanofi hofft, Erkenntnisse
aus dem erst vor kurzem zugelassenen
Impfstoff gegen Denguefieber übertragen
zu können. Bislang haben lediglich kleinere
Biotech-Firmen und Forschungseinrichtungen konkrete Pläne zur Entwicklung
eines Impfschutzes gegen das vor allem
für Schwangere als gefährlich geltende
Virus. Der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline kündigte an, ein entsprechendes
Projekt zu prüfen.
Dem Robert Koch Institut zufolge habe
eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung
„keinen nennenswerten Einfluss“ bei der
Verbreitung. Nur in Einzelfällen scheint
demnach die Möglichkeit einer sexuellen
Übertragung zu bestehen. Vermutlich habe
das aber keinen nennenswerten Einfluss
auf die Verbreitung des Erregers. „Bislang
gibt es keine Hinweise darauf, dass ZikaViren über die Muttermilch weitergegeben
werden können“, so das Institut.
Zwar hat das Institut aktuell einzelne
Zika-Virus-Infektionen in Deutschland diagnostiziert, aber genaue Zahlen gebe es
nicht. Erst am Mittwoch wurde ein neuer
Fall bekannt. Ein Patient der Düsseldorfer
Uniklinik hatte sich mit dem Virus in Venezuela angesteckt. Tatsächlich besteht
in Deutschland nämlich keine gesetzliche Meldepflicht für diese Infektion. Die
Gelbfieber-Mücke gibt es in Deutschland
nicht, aber die asiatische Tigermücke ist
vereinzelt in Süddeutschland anzutreffen.
Hier ist jedoch noch nicht geklärt, ob diese
das Virus übertragen könnte. „Wenn es
im Sommer eine größere Anzahl importierter Zika-Virus-Fälle in Deutschland
geben würde und die hiesigen Mücken
das Virus tatsächlich übertragen könnten, dann wären einzelne Übertragungen
in Deutschland in besonders warmen
Sommermonaten nicht ausgeschlossen.“
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin:
Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Elke Baumann. Copyright: Blogform
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