Schaffhausen - at its best (2015)

Schaffhausen - at its best
Geschäftsausflug ORTAG 2015
Alex, Tamara, Beni, Roger, Camille, Luzia, Emre, Janine, Freddy, Gudrun und Gabriel, alle
erwartungsfroh vor dem Bahnhof Schaffhausen - Geschäftsausflug ORTAG 2015. Sieger
aus 29 Vorschlägen: Schaffhausen mit historischer Altstadtführung und Besuch des IWC
Uhrenmuseums.
Schaffhauser Uhren?
1409 wurde eine der ersten urkundlich erwähnten Uhren im Kloster Rheinau gefertigt: Die
Turmuhr für St. Johann in Schaffhausen. Die Schaffhauser Uhrmacher Dynastie Habrecht
schuf 1574 eine der berühmtesten Grossuhren: Die astronomische Uhr im Strassburger
Münster - still going strong! 1583 Gründung der Schaffhauser Uhrmacherzunft.
IWC
Amerikanischer Pioniergeist und Schweizer Tradition. 1868 gab's auch in Amerika schon
Uhren, z.B. E. Howard Watch & Clock Company in Boston. Die Cowboytypen zog's damals
westwärts in den Wilden Westen, die Uhrenmacher zogen ostwärts, in die Schweiz:
Billiglohnland mit guten Fachkräften! Florentine Ariosto Jones, Vizedirektor von Howard
Watch wollte in den abgelegenen Juratälern, am liebsten jedoch in Genf, günstige aber
hochwertige Uhren, in industrieller und nicht handwerklicher Produktionsweise, für den
amerikanischen Markt produzieren. Denkste - kein Zugang für Fremde zu den zunftmässig
abgeschotteten handwerklichen Uhrenmärkten. Jones wanderte also weiter dem Jurabogen
entlang und kam schliesslich nach Schaffhausen. Dort traf er Heinrich Moser (1805 - 1874) Industriepionier, das Pendant zum Zürcherischen Alfred Escher. Moser, erfolgreicher
Kaufmann in Russland, schuf nach seiner Rückkehr nach Schaffhausen den Moserdamm im
Rhein. Mit ihm und anderen Schaffhauser Industriellen wie Fischer, Neher usw. verbinden
wir SIG, +GF+, Rheinfallbahn, Dampfschifffahrtsgesellschaft, IWC und wie gesagt den
Moserdamm - Energielieferant der Schaffhauser Industrie. Das 1861 gegründete
Schaffhauser Intelligenzblatt, heute Schaffhauser Nachrichten, berichtete über die
erfolgreiche, 1868 gegründete Uhrenmarke IWC. Ende de 19. Jahrhunderts baute IWC die
bisher üblichen Taschenuhrenwerke in Armbanduhren ein - die Portugieserlinie entstand. Es
folgten die Fliegeruhren, Ingenieur, Da Vinici, Portofino usw.
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Nach einer wechselvollen Geschichte gehört IWC heute zum südafrikanischen RuppertKonzern Richemont, Schwestermarken sind Lange, Cartier, Jaeger-LeCoultre, Montblanc
Vacheron usw. Die weitere Erfolgsstory der IWC, die mit 650 Mitarbeitern rd. 70'000 (?)
Uhren produziert pa, erfahrt ihr im IWC Museum.
Sightseeing im historischen Schaffhausen
Bahnhof Schaffhausen, Station für die Klettgaulinie der Deutschen Bundesbahn und für die
S-Bahnlinie der SBB. Wir könnten eigentlich direkt ins Bahnhofbuffet gehen und dort ein
kühles, feines Falken Bier trinken!
Falken Bier
Das beste Bier zwischen Wuppertal und Firenze! Max Werber gründete 1644 (da waren die
meisten der ORTAG Angestellten noch nicht mal geboren), die Falken Hausbrauerei an der
Webergasse. 1799 beginnt Bernhard Fischer mit der gewerblichen Brauerei im
"Zedernbaum" und Ausschank im Falken. Seither eine Erfolgsstory! 46'000 lt
Tagesproduktion.
Von der Vorstadt zum Fronwagplatz
Widerstehen wir der cervisianischen Versuchung und wandern linksseitig durch das
Löwengässchen hinunter in die Vorstadt. An der Vorstadt, rechts Richtung Fronwagplatz,
stehen die prächtigen Bürgerhäuser. Schauen wir jedoch zuerst nordwärts nach links, zum
Schwabentor. Das Schwabentor bildete seit 1361 den Nordabschluss der Stadtbefestigung
gegen das Schwabenland. Viel später, 1935, kreierte der Kunstmaler Arnold Öchslin die
Inschrift "Lappi tue d'Augen uf" auf dem Schlussstein des Schwabentors. Auch heute noch
eine hilfreiche Aufforderung!
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Der Vorstadt entlang sehen wir: Vorstadt 43 "Haus zum grossen Käfig" mit der
Fassadenmalerei aus 1675: Die Mongolen führen den besiegten Sultan vor. Vorstadt 17:
"Zum goldenen Ochsen" mit dem prachtvollen Erker, worauf die fünf Sinne (Sehen, Fühlen,
Riechen, Hören und Schmecken) abgebildet sind. Das spätmittelalterliche ehemalige
Gasthaus wurde 1608 im Stil der Renaissance zum repräsentativen Wohnhaus umgebaut.
Schaffhausen zählt 170 Erker. Erker brachten Licht in die Stuben, waren Statussymbol und
man konnte, lange vor dem Smartphonezeitalter, unerkannt schauen, wer mit wem des
Weges kommt.
Wir sind nun am Fronwagplatz, bei einem der vielen schönen Brunnen: Auf dem
"Mohrenbrunnen" sehen wir Caspar, einen der drei heiligen Könige im Frührenaissance Stil.
Auf der anderen Seite des Fronwagplatzes steht der prächtige "Landsknechtsbrunnen".
Vielleicht lohnt sich auch ein Blick in's Schaufenster von Zuckerbäcker Ermatinger, seit 1894
führend! Am Fronwagplatz, Marktplatz seit dem Mittelalter, stehen zwei Wohntürme:
Fronwagplatz 14 "Turm am Ort" eines um 1400 ausgestorbenen Rittergeschlechts.
Am Fronwagplatz 4 steht der "Fronwagturm", ehemals Sitz der Edlen von Randenburg,
Schultheisse und vom Abt des Klosters Allerheiligen mit dem einträglichen Waagrecht
belehnt. (Fronwa(a)g: Die Waage der Herren). Im Giebelfeld befindet sich die vom
Schaffhauser Uhrmacher Joachim Habrecht 1561 konstruierte astronomische Uhr komplizierter als die Apple Smartwatch!
Durch die Vordergasse zur Unterstadt
Schauen wir kurz rechts die Oberstadt hinauf: Wir sehen das "Obertor", Wohnturm der
Edlen Fribolt und westlicher Abschluss der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Gehen wir nun
links runter, am Manor vorbei in die Vordergasse hinunter. An der Vordergasse 65 steht das
"Haus zum Ritter" des Hans von Waldkirch mit den prachtvollen Fresken aus 1570
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(Bedeutendste Renaissance-Fresken nördlich der Alpen, 1938 neu originalgetreu gemalt).
Geschichten aus der antiken Mythologie, von Ritterlichkeit bis zu Bürgertugenden werden da
erzählt: Vom Römer Marcus Curtius tapfer auf dem Schimmel und vom listigen Odysseus
und Circe bis zu Gloria, Immortale und zur Tugend Virtus.
Weiter unten steht das Haus der "Zunft zur Schmieden" (Vordergasse 61) mit dem schönen
Eingangsportal mit dem Zunftwappen. Gegenüber (Vordergasse 58) steht das, heute in
frühklassizistischem Stil gehaltene Haus der "Gesellschaft zun Kaufleuten", Sitz der
Redaktion der Schaffhauser Nachrichten. Im Obergeschoss befindet sich der RokokoFestsaal - Zentrum der 1798 untergegangen Zunftherrschaft. Wir gehen an weiteren
Zunfthäusern vorbei: Zunft zur Schneidern (Schneidergang 7), Zunft zur Webern
(Vordergasse 41), Zunft zur Schuhmachern (Vordergasse 18 hinter dem Tellenbrunnen)
und über die Bachstrasse zum Gerberplatz mit dem spätbarocken resp. im heiteren frühen
Rokokostil gehaltenen Zunfthaus Gerbern. Gleich daneben das Schaffhauser City-Kino der
Siggschen KIWI Gruppe. Am Ende der Unterstadt das neu erbaute Zunfthaus zun Fischern
mit dem schweizweit bekannten Restaurant Fischerzunft (leider hat André Jaeger kürzlich
nach 40 Jahren den Kochlöffel zur Seite gelegt).
Der Munot und die Stadtgeschichte
Nun kommt die sportliche Herausforderung: Rauf zum Munot. Unot, "ohne Not", war die
Bezeichnung für alle die Befestigungen auf dem Hügel ob Schaffhausen. Der heutige Munot,
ab 1583 nach Plänen von Albrecht Dürrer als Rondellbefestigung gebaut, ist das
Wahrzeichen von Schaffhausen. Der Munotverein mit seinen über 4'000 Mitgliedern setzt
sich für die Erhaltung des Munots ein und führt u.a. den Munotball und das Kinderfest durch.
H:\Ablage Temporär WR 2015\ORTAG Ausflug 2015 def.docx 08.07.2015
Seit über 400 Jahren läutet der Munotwächter, von Hand, um 9 Uhr das Munotglöggli:
S'isch Zyt zum heime goh - die Stadttore wurden geschlossen! Im Lied vom Munotglöggli
wird der Schmerz des Munotwächters ob der Untreue seines Mädchens am Munotball
besungen: "Gott wie ist die Welt Betrug, ach man küsste mir mein Liebchen, während ich die
Stunde schlug.... ich schlug wütend fest die Stunde , dass die kleine Glocke sprang". Seither
hat das Munotglöggli einen Sprung.
Wir haben die Treppen hinauf geschafft (immerhin 72 m Höhndifferenz), gehen durch die
Kasematten hinauf auf des Munot's Daches Zinnen und schauen über Stadt und Land.
Vielleicht bringt uns Christian Beck, der heutige, 68. Munotwächter noch etwas zu trinken?
Weshalb heisst die Stadt da unten mit dem Schafsbock im Wappen eigentlich
Schaffhausen? Der Name soll vom lateinischen "scapha", das Boot, abzuleiten sein. Also
müsste ein Boot in das Wappen und kein Schafsbock. Als die Städte voll aufkommendem
Bürgerstolz sich Wappen nach hipen Tieren gaben (Zürich den Löwen, Bern den Bären)
hiess die Stadt Scafhusun. Die Schaffhauser befürchteten schon, dass das Schaf, das brave
Lamm nun Wappentier würde und stellten flugs den Widder ins Wappen mit dem Spruch
"Der Widder heiss ich, wer mich stösst des wehr ich mich". (Sind die Schaffhauser wirklich
von aufbrausender Lebhaftigkeit und Angriffslust geprägt?). Pabst Julius II verlieh 1515 dank
tapferen Schaffhauser Söldnern das Privileg, die Zeichen der Mannheit zu vergolden!
Geschichten halt!
Schauen wir nun wieder runter auf Stadt und Rhein, fragen wir uns: Weshalb ist gerade hier
eine grössere Siedlung entstanden? Schaffhausen ist dank einer USP entstanden, einer
unique selling proposition. Und das kam so: Früher gab's hier, gleich unterhalb der
heutigen Rheinbrücke nach Flurlingen, gefährliche Kalkriffe im Rhein, genannt der "Kleine
Laufen". Weiter unten gab's den "Grossen Laufen", den Rheinfall. Im 11. Jahrhundert kam
der Fernhandel auf. Vom Bodensee wurde z.B. Salz (Schweizerhalle wurde erst 1836
entdeckt) aus dem Salzkammergut oder Getreide aus Süddeutschland nach Burgund und
Flandern verschifft. Der kleine und der grosse Laufen waren Hindernisse auf diesem
Handelsweg. Hier mussten also die Schiffe entladen und die Waren auf Fuhrwerken bis
unterhalb des Rheinfalls transportiert werden. Andere Handelsgüter für die Märkte in Zürich ,
Zurzach und weiter im Süden folgten später. Für die Rückfracht wurden Schaffhauser- und
Klettgauweine geladen. Viele Marktgüter wurden in den grossen Salzstadeln und
Getreidehallen am Rhein gelagert und teilweise bereits in Schaffhausen verkauft. Ein Hafen,
ein Markt und eine Stadt entstanden, es gab Arbeit und Zolleinnahmen. Um 1500 wurden
jährlich 40'000 Fass Salz umgeschlagen.
Marktmässig war also eine Basis für eine Stadtgründung vorhanden. Die rechtliche
Voraussetzung der Stadtgründung brachten die Nellenburger Grafen. Die Grafen von
Nellenburg waren im 11. Jahrhundert aktiv von Chiavenna über den Schwarzwald bis ins
Elsass. Am 10. Juli 1045, 970 Jahre vor dem Geschäftsausflug der ORTAG, verlieh Kaiser
Heinrich III dem Grafen Eberhard von Nellenburg das Münzrecht für Schaffhausen. Es
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folgten die Klostergründung Allerheiligen durch die Nellenburger mit Personal von
Einsiedeln. Jahrhunderte lang waren die Äbte auch die Stadtherren, später ging die Macht
an die Zünfte über; Kloster, Zunft- und habliche Bürgerhäuser prägen noch heute das
Altstadtbild. 1501 tritt Schaffhausen der Eidgenossenschaft bei, 1529 wurde die Reformation
eingeführt, die vielen Klosterländereien im weiteren Umfeld fielen an die Stadt. Schaffhausen
wuchs vom Stadtstaat zum Kanton mit heute rd. 80'000 Einwohnern, die Hälfte davon in der
Stadt.
Nach diesem 1000 jährigen Rückblick begeben wir uns hinunter an den Rhein. Wir schauen
uns die mittelalterlichen Lagerhäuser an und wandern Richtung Kloster Allerheiligen. Die
Geschichte dieser Benediktinerabtei mit dem Münster kennen wir bereits. Im Kreuzgang
finden wir die Grabstätten der verblichenen Äbte. Highlight ist neben dem sehr schönen
Museum Allerheiligen der Klostergarten mit den gesunden Kräutern und der
"Schillerglocke". Die 4,5 Tonnen schwere Glocke wurde 1486 in Basel gegossen und hing
bis 1895 im Münster. Friedrich Schiller verwendete 1799 ihre Umschrift als Motto für sein
Gedicht "Das Lied der Glocke": Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango - Die Lebenden
rufe ich, die Toten beklage ich, die Blitze breche ich.
Zu guter Letzt
Hier endet unser historischer Stadtrundgang - es gäbe ja noch so vieles zu sehen und zu
erzählen. Das Haus Thiergarten und die Bombardierung 1944, Herrenacker, Kunsthallen,
Rheinufer und die vielen anderen Altstadtgassen, z.B. an der Vordergasse das Rathaus mit
dem Widder, die romanisch - neugotische Stadtkirche St. Johann, die Konditoreien Rohr und
Reber mit den Schaffhauserzungen und, und, und. Wer nun Schaffhauser-Fan geworden ist,
findet in meiner Chronik über die "Zürcher Schaffhauser" und im Essay "Auswanderung aus
dem Schaffhausergebiet" vielleicht noch manches Wissenswertes.
Abschliessen möchte ich den kurzen Reiseführer durch das historische Schaffhausen mit
dem Dank an alle MitarbeiterInnen der ORTAG für Ihre tatkräftige Mitarbeit, für’s Mitdenken
und den guten Teamgeist im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15.
Roger Werner
9. Juli 2015. Alle Angaben SE&O.
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