raumkonzepte 1 1 Das hellgraue Wohn- und das schwarze Arbeitshaus sind zum Garten hin verglast. Durch die Anlage der Beete und Pflasterung setzen die Räume sich nach draußen fort. 2 Blick vom Eingang des Arbeitshauses durch den Flur, rechts liegt der Hauptraum. 3 Dort bietet ein Podest mit aufklappbaren Dielen Stauraum. TEXT Gabriele Thiels und Marie Leukers FOTOS Robertino Nikolic 2 3 Zwei für eins Große Wirkung auf wenig Raum: In Düsseldorf bauten sich Norbert und Rita Kaiser zwei kompakte Kuben, die dank konsequenter Lichtführung und der Öffnung zum Garten so viel Grandezza entfalten wie ihre alte Bauhaus-Villa. DIE LAGE Dörfliches Wohngebiet ” Den Garten haben wir von Anfang an in die Planung miteinbezogen, die Hecken schon in der Bauphase gepflanzt.“ Da, wo der Düsseldorfer Stadtteil Lohausen nicht Flughafengelände ist, hat er nahezu dörfliche Strukturen und ruhige Wohnstraßen. In dieser Nachbarschaft könnte man die beiden Kuben, die hinter einer Backsteinmauer aufragen, einer schwarz, der andere grau und beide scheinbar fensterlos, eher für ein kleines Kraftwerk als für ein Wohnhaus halten. Doch das Ensemble ist das neue Zuhause des Energie-Experten Norbert Kaiser und seiner Frau Rita. Ihr altes Haus steht auch hier, in dem weitläufigen Gartenareal, das sich hinter den beiden Kuben auftut. Es ist eine Backsteinvilla aus der Bauhaus-Zeit, 300 Quadratmeter groß. 14 Jahre haben die Kaisers darin gelebt, „doch es wurde uns zu groß“, sagt Norbert Kaiser. Sie teilten das Grundstück, verkauften das Haus und bauten neu. Viel kleiner. Und vor allem: selbst. selbst entwerfen, sondern auch selbst errichten würde. Es ging ihm nicht nur darum, Geld zu sparen. Sondern um den Luxus, „Bauherr im ursprünglichen Sinne“ zu sein, statt nur ein paar Details zu entscheiden und sich sonst mit einem Haus ohne Eigenschaften zufriedenzugeben. Jahrzehntelang hat er für große Bauträger gearbeitet und erlebt, „wie das, was neben der Norm liegt, zum Gewährleistungsproblem wird. Die Kreativität geht verloren, weil Bauindustrie und Handwerk sich den Rücken frei halten.“ So wurde sein eigenes Haus zum Experiment: Was ist möglich, wenn weniger Baunormen als vielmehr er selbst durch seine Arbeitskraft und die einiger Helfer die Grenzen des Machbaren ziehen? „Das Haus sollte sich auch aus Trial and Error entwickeln“, sagt Norbert Kaiser. Das nötige Wissen darüber hatte er ja. DER WUNSCH Zwei kleine Häuser, die groß wirken DAS EXPERIMENT Vom Luxus, selber zu bauen Von Anfang an stand fest, dass Norbert Kaiser, gelernter Betonbauer und studierter Bauingenieur, das Haus nicht nur 98 A & W 2/15 www.awmagazin.de Die Kaisers wollten zwar weniger Wohnfläche, sie wollten aber zwei Häuser haben: ein kleines zum Wohnen, das gerade ausreicht für ein Paar, und ein größeres zum Arbeiten, das 2/15 A & W 99 raumkonzepte raumkonzepte 3 ” Das Entscheidende ist nicht die Quadratmeterzahl. Sondern dass man so groß baut, wie man fühlt.“ 2 3 1 1 Auf der Galerie im Wohnhaus wird geschlafen. Die Küchennische wurde in die angrenzende Garage hineingebaut. 2 Die Bäume werfen ihre Schatten auf die gekalkten Wände. 3 Der Boden vor der Küche ist aus Aluminiumguss. 4 Lange Vorhänge verdecken die Treppe zur Galerie, so wirkt der Raum noch höher. auch Platz für Gäste bietet. Norbert Kaiser entwarf zwei rechteckige Boxen in Holzständerbauweise, die eine vier mal neun Meter groß, die andere gut sieben mal elf Meter groß und sieben bzw. 6,50 Meter hoch. Sie wirken von außen kompakt und von innen weitläufig. Das Entscheidende, sagt Norbert Kaiser, sei nicht die Quadratmeterzahl. „Das Entscheidende ist, dass man so groß baut, wie man fühlt.“ Er setzte dieses Gefühl durch die Einbeziehung des Gartens, durch radikale Lichtachsen und nicht ohne verschmitzte Theatralik um. den Blick geradewegs auf den Garten dahinter lenkt. Gemessen an dieser Wirkung bleiben den Hauseingängen nur Nebenrollen: Sie liegen rechts und links des Wegs einander direkt gegenüber – schmale Ausschnitte, die durch Glastüren verschlossen werden. Hinter diesen befindet sich jeweils ein Flur, der den Bau auf ganzer Breite durchmisst und wieder in einer Glastür endet. So entsteht eine Licht- und Sichtachse, die beide Häuser optisch zusammenbindet. DAS WOHNHAUS Der Weg zum Licht DIE POSITIONIERUNG Ein Tor zum Garten Die Lage der Neubauten war festgelegt. Weil die alte BauhausVilla mit dem umgebenden Garten unter Ensembleschutz steht, durfte nur neben der alten Garage gebaut werden, die auf dem Grundstücksteil der Kaisers nahe der Straße steht. Der Bauherr setzte das kleinere Wohnhaus mit der Kopfseite an die Garage, das zweite positionierte er parallel dazu. Zwischen beiden Baukörpern verläuft ein Weg, er ist nicht breit und offen zum Himmel, sodass er eine Schlucht bildet und 100 A & W 2/15 Diese Querachse ist aber nur eine fragile Klammer im Vergleich zu der Kraft, die die Längsachsen in beiden Häusern entwickeln. Das Wohnhaus etwa besteht aus nur einem hohen Raum mit Kochnische, in den eine Schlafgalerie mit Bad eingezogen ist. Man betritt den Raum unvermittelt, steht unter der Empore – und blickt ins Licht: Die schmale Gartenseite nach Westen ist ganz verglast, der Boden aus Straßenpflastersteinen setzt sich nahtlos nach draußen fort. Man erlebt den Raum schmaler, höher und länger, als er ohnehin ist. www.awmagazin.de 2/15 A & W 101 Details raumkonzepte INFORMATIONEN UND PLÄNE DER ARCHITEKT Norbert Kaiser (hier mit Frau Rita), geboren in Kitzbühel, aufgewachsen in Düsseldorf. Betonbauer-Lehre, Studium des Bauingenieurwesens, danach Bauleiter, dann Projektentwickler und Projektleiter in Bauträgergesellschaften. Er spezialisierte sich dabei auf Energie- und Umweltaspekte, entwickelte Energiekonzepte, u.a. für Jean Nouvel und Norman Foster. Seine Erfahrungen bündelnd, widmet er sich nun unter der Marke „Baukunstbau“ dem Thema Sinn und Sinnlichkeit von Gebäuden und Eigenbau. DIE KONSTRUKTION Ein Wohn- und ein Arbeitshaus in Holzständerbauweise. Außenwände und Dach mit Zwischensparrendämmung sowie überdeckender Außendämmung. Zwischenwände und Treppen in Holzkonstruktion, im Arbeitshaus teilweise Brettstapelbau. Fundamente als Betonstreifen mit Perimeterdämmung. Boden mit Glaskies/Glasasche (Wärmedämmung) zur Aufnahme reversibler Böden, was spätere Änderungen erlaubt. Wohnhaus: ca 60 Quadratmeter, Bodenbelag Naturstein, Fassade aus verzinkten Blechscharen ohne Unterkonstruktion über das Gebäude gelegt, durch Nieten-Verwebung und Verankerung im Boden stabilisiert. So ist die Gebäudehülle von der Konstruktion entkoppelt. Das Arbeitshaus hat ca 120 m² Nutzfläche, Boden Holzkonstruktion, teilweise Holzbelag, teilweise Walzstahlplatten. Innere Bekleidung aus horizontal verlegten Dachlatten und außen entsprechend aus Profilhölzern. Bauzeit: Wohnhaus: 2012, Arbeitshaus: 2013, jeweils ein ganzes Jahr. 4 4 5 8 1 3 2 4 7 3 5 6 1 5 1 2 6 9 10 11 0 DAS ARBEITSHAUS Blick in die Bäume Beim breiteren Arbeitshaus ist die Sogwirkung weniger radikal. Auch hier wurde zur Straße hin eine Zwischendecke gezogen: Oben liegt eine Galerie mit Arbeitsplätzen, unten ein Gästezimmer nebst WC und Bad. Der Bereich davor, vor allem bei Einladungen genutzt, ist offen bis zum Dach und durch zwei deckenhohe Fenster gegliedert. So kann man auch oben vom Schreibtisch aus in die Bäume blicken. Theoretisch. Norbert Kaiser tut dies nicht, hat er festgestellt – und trauert etwas der ursprünglichen Raumlösung hinterher: Er hatte im Erdgeschoss zum Garten hin auf ganzer Breite ein Fensterband geplant, der Bereich darüber aber sollte verschlossen bleiben und wie eine Haube über dem Raum schweben. „Doch als das Innengerüst aufgestellt war, standen wir auf der Zwischendecke, sahen herüber und dachten: Wir brauchen auch oben Fenster.“ DIE AUSFÜHRUNG Trial and Error im besten Sinne „Das Haus sollte gebaut aussehen“, sagt Norbert Kaiser – und 5m Erdgeschoss 1 Eingang 2 Küche 3 Essplatz 4 Wohnbereich 5 Treppe 6 Flur 7 Saal 8 Podest 9 Gästezimmer 10 Gästebad 11 WC Obergeschoss 1 Schlafgalerie 2 WC 3 Duschbad 4 Luftraum 5 Arbeitsplatz 6 Büro meint damit auch die sinnliche Erfahrung, selbst Hand anzulegen und gestalten zu können. Die riesige Glaswand im Wohnhaus etwa setzte er auf Schwerlastrollen, sodass sie komplett zur Seite geschoben werden kann. „Die schließt natürlich nicht ganz dicht, aber irgendwo muss man ja lüften“, sagt er trocken. Für die Außenverkleidung ersann er eine Hülle aus Zinkblechbahnen, die über den Kubus gelegt, mit Nieten verbunden und mit Spanngurten fixiert wurden. Gut 20 000 Nieten hat er verarbeitet: „Das ist in Stundenlohn nicht umzurechnen, das kann man nur selber machen.“ Die übrig gebliebenen Bahnen steckte Rita Kaiser zu rechten Winkeln geknickt in die Beete – und führte die Architektur dadurch subtil im Garten fort. Das Arbeitshaus wurde ganz mit horizontal liegenden Dachlatten verkleidet; allein innen sind 5000 laufende Meter vertackert und mit Sumpfkalk gestrichen worden. Deren Reliefwirkung gefällt ihnen derart, dass die Kaisers, obwohl engagierte Kunstsammler, hier kein Bild aufhängen. Eigentlich sind ja ihre Häuser selbst Kunstwerke – bewohnte Skulpturen eben. p Mehr im Register ab Seite 180 102 A & W 2/15
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