KOPFBILD bilder im kopf Sie sind in unserem Gedächtnis gespeichert. Immer und immer wieder haben wir diese Bilder gesehen. Sie sind zu bildgewordenen Zitaten sogar für weltpolitische Begriffe geworden. Manchmal reicht nur die Erwähnung eines einzelnen Wortes und das dazugehörende Bild erscheint auf unserem inneren Display. Wir stellen in dieser Ausgabe an verschiedenen Stellen 7 solcher Bildikonen mit wenigen Worten vor. Wer sie alle richtig erkennt und uns die Namen der 7 Fotografen per Mail schreibt (zentrale@ photopresse.de), kann einen ganz besonderen Preis gewinnen: Eine vom Star-Designer Jason Wu gestaltete Kompaktkamera – ein echtes Sammlerstück. T – Wolfgang Heinen PP70 20 1 / 7 KOPFBILD nackt mädchen rennen napalm wolken STUNDE NULL AM ANFANG WAR DAS CHAOS Als erste deutsche Fotozeitschrift nach dem zweiten Weltkrieg kam am 15. Dezember 1945 mit Genehmigung der britischen Militärbehörde die Erstausgabe der PHOTO PRESSE heraus. Wie waren die Bedingungen in den Wochen und Monaten nach der Kapitulation, mit welchen Problemen hatten die Macher in dieser schwierigen Zeit zu kämpfen? T – Hagen Klie Nach Kriegsende lag die Wirtschaft – und mit ihr die deutsche Fotoindustrie – am Boden. Die Not war groß, der Schwarzmarkt blühte. Mit Tauschgeschäften hielt man sich über Wasser. Alles Erdenkliche wurde gemacht, um über die Runden zu kommen. Der Gründer der PHOTO PRESSE (dessen Name aus juristischen Gründen unerwähnt bleiben muss) hatte zunächst in Hann. Münden eine Colorier- und Vergrößerungsfirma ins Leben gerufen, deren Mitarbeiter von Haustür zu Haustür zogen und »buntgemachte« Kitschportraits von Schwarzweiß-Fotos gefallener Soldaten anboten. Die anfänglich mit dieser Firma liierte PHOTO PRESSE erschien in ihrem ersten Jahr als reines Anzeigenblatt. Mein Vater Karl Christian Klie war vor dem Krieg Lokalredakteur und Bildberichterstatter der »Mündener Nachrichten« gewesen und wollte im Frühjahr 1946 über eine PHOTO PRESSE Kleinanzeige seine alte Schreibmaschine gegen eine Robot tauschen, um wieder mit der Fotografie Geld verdienen zu können. Bei dieser Gelegenheit kam er mit dem damaligen Herausgeber ins Gespräch, der ihn nach seinem beruflichen Werdegang fragte. Als »Mann vom Fach« war mein Vater in dem von finanziellen Sorgen geplagten, kurze Zeit später auch noch um drei branchenunkundige Geschäftspartner erweiterten Verlag hoch willkommen: Am 15. Dezember 1946, seinem 37. Geburtstag, fing er als Redakteuer bei der PHOTO PRESSE an. Und eine Bedingung konnte er auch noch stellen: Ab sofort sollte das Geschäft mit den geschmacklosen Farbvergrößerungen Gefallener eingestellt werden, was auch geschah. Mein Vater ahnte jedoch nicht, was für ein Chaos ihn in dem kleinen, unbeheizten Ladenlokal in der Mündener Hauptstraße erwartete. Schlimm stand es vor allem um die Buchhaltung. Aus dem Tagebuch meiner Mutter: »Um einen Anzeigenkunden zu finden, muss stundenlang in verschiedenen Büchern gesucht werden. Nichts, aber auch gar nichts ist da, was nur den Anschein fachmännischer Handhabung erkennen lässt. Nächtelang hockt Karl zuhaus im warmen Wohnstübchen (im Büro ist’s zu kalt), um wenigstens einen Überblick zu kriegen. Dann will er erst ans Ordnen, Ändern und Ausbauen gehen. Karls erster Gedanke: PP70 22 Zu dem Anzeigenteil gehört unbedingt ein redaktioneller Text. Mitarbeiter müssen her, aus dem ›Anzeigenblättchen‹ muss eine richtige Zeitschrift werden, ein seriöses Fachblatt.« Harte Wochen und Monate folgten, aber es war auch der Anfang einer neuen Existenz. Ende 1947 sah es dann schon anders aus. Gute Mitarbeiter fanden sich schnell, schwieriger war die Papierbeschaffung. Zu den damaligen Aufgaben der Belegschaft gehörte es, in den Wald zu gehen, um Holz zu schlagen, das dann in Packpapier und dieses dann wiederum in Zeitungspapier umgetauscht wurde – um nur eine jene Kuriositäten zu nennen, die zu jenen Aufbaujahren gehörten. Mit dem baldigen Wiedererstarken der deutschen Fotoindustrie kam auch das Anzeigengeschäft in Gang. Besondere Bedeutung hatte zu dieser Zeit der immer umfangreich werdende Kleinanzeigenteil der PP. Viele Fotografen beschafften sich über ihn die benötigten günstigen Gebrauchtgeräte, um sich eine Existenz aufzubauen. Gleichzeitig war er auch eine beliebte Partnerbörse. »Fotograf sucht Fotografin, spätere Heirat nicht ausgeschlossen ...«, so oder so ähnlich hieß es in fast jeder Ausgabe. Viele Fotografenehen kamen auf diese Weise zustande, wie die zahlreichen Dankesschreiben an den Verlag bestätigten – auch noch nach Jahrzehnten. Nach anfänglich vierzehntägiger Herausgabe stellte die PHOTO PRESSE am 1. Oktober 1948 auf wöchentliches Erscheinen um. Sie war nun auch offizielles Fachblatt der Fotografeninnungen in der französischen Zone. Ab 1. März 1949 erschien sie mit dem Untertitel »Fachzeitschrift für das gesamte Lichtbildwesen, für Handel, Industrie, Verbandsorgan sämtlicher photographischer Fachverbände in den Westzonen«. MOMENTAUFNAHMEN EIN PERSÖNLICHER BLICK ZURÜCK Unmittelbar nach Beendigung meines Studiums im Jahr 1976 begann meine Tätigkeit für die PHOTO PRESSE. Als Newcomer traf ich mit der Fotobranche auf einen Wirtschaftszweig, in dem sich trotz kontinuierlichem technischen Fortschritts an den grundlegenden Strukturen seit Jahrzehnten nichts geändert hatte. Ähnlich war es bei der PHOTO PRESSE – wie die beiden Inhaber war auch das Heft in die Jahre gekommen. Einige Begegnungen und Stationen aus meiner Anfangszeit sind mir besonders in Erinnerung geblieben. Und wie dann alles ganz anders wurde. T – Hagen Klie Schon im Alter von vier Jahren hatte mir mein Vater einen Fotoapparat um den Hals gehängt und mit acht Jahren nahm er mich zum ersten Mal mit auf die photokina. Für ihn war es selbstverständlich, dass ich einmal sein Nachfolger werden würde. Das bekam ich in jungen Jahren ständig zu hören und führte regelmäßig zum Streit, weil ich mir meine berufliche Zukunft nicht so ohne Weiteres vorschreiben lassen wollte. Aber während meines Studiums (Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Publizistik) entdeckte ich mein Interesse an den Medien, insbesondere an Zeitschriften und Zeitungen. Ich bekam selbst Spaß am Schreiben und die Fotografie war mir ja schon von Kindesbeinen an vertraut. Kurzum, der Gedanke, im väterlichen Verlag zu arbeiten, hatte seinen Schrecken verloren. Zumindestens konnte ich es ja mal versuchen – die Perspektive, einmal selbstständig zu sein und selbst gestalten zu können, war ja nicht die schlechteste. Voilà, da war ich und saß erst einmal – in der Anzeigenabteilung. Es war schon eine grenzwertige Erfahrung, kurz vor Anzeigenschluss am Telefon handschriftlich eine mehrseitige Anzeige mit hunderten von Gebrauchtgeräten aufnehmen zu müssen – Fax und E-Mail waren ja noch in weiter Ferne. So lernte ich das Anzeigengeschäft von der Pike auf kennen. Dann ging es in die Redaktion, die mein Vater, in seinen späteren Jahren nicht mehr sehr reisefreudig, seit einigen Jahren ausschließlich vom Schreibtisch aus bewältigte. Sein Kompagnon, der mit der Fotobranche nie warm geworden war, hielt sich sowieso aus allem raus. Mit anderen Worten, es war höchste Zeit, wieder auf den Branchenevents präsent zu sein. Zum Glück hatte die PP nach wie vor eine so starke Position, dass die jahrelange Veranstaltungs-Abstinenz sich noch nicht negativ auf das Anzeigengeschäft ausgewirkt hatte. Jetzt war es aber höchste Zeit, wieder Flagge zu zeigen. PP70 24 PP-Stand auf der photokina 2002 mit Ehepaar Klie WIR BAUEN UNS EINE LABORMASCHINE Die Fotobranche erlebte gerade einen Aufschwung, das Bildergeschäft boomte, die Finisher hatten den Ein-Labortag eingeführt. Eine meiner ersten Geschäftsreisen, an die ich mich gut erinnere, führte mich nach Leverkusen zu Agfa. Ein neuer Colormator wurde auf einer Presseveranstaltung vom Konstrukteur persönlich vorgestellt. Ich glaube, er hatte damals jedes Bauteil, jede einzelne Schraube der Labormaschine erklärt, sodass die anwesenden Pressevertreter sich hinterher einig waren: »Jetzt können wir sie auch selber bauen.« Was als Scherz gemeint war, hatte aber einen realen Hintergrund: Mir erschien die Branche in dieser Zeit enorm technikfixiert, man wurde von allen Herstellern, egal, ob sie nun Kameras, Objektive, Filme oder eben Labormaschinen produzierten, mit unzähligen technischen Details gefüttert. PORTFOLIO LESERBILDER 7 PORTRAIT TRENDS Danke, liebe Leserinnen und Leser, für das so zahlreiche Mitmachen bei unserer Leser-Foto-Aktion. Das sind alles ganz starke Bilder, die für das Leistungsspektrum der professionellen Portraitfotografie in Deutschland stehen. Aber es sind einige Fotos dabei, die sind noch mehr als stark. Die sind trendbildend. Und diese PortraitTrends 2016 zeigen wir Ihnen auf den nächsten Seiten. T – Wolfgang Heinen PHOTO PRESSE gratuliert MATTHIAS BUCHHOLZ herzlich zum 1. Platz unseres 70 Jahre-Jubiläums-Wettberwerbs. In der ersten Ausgabe der PP in 2016 widmen wir dem Fotografen aus Hamburg ein Portfolio seiner besten Werke. Herzlichen Glückwunsch! S 32–33 PP70 28 STEPHANIE SCHWEIGERT PORTFOLIO PP70 29 ZUKUNFT 7 VISIONEN FÜR DIE IMAGINGWELT VON MORGEN 70 Jahre haben wir die Fotobranche begleitet. Klar, dass wir da auch den Blick in die Zukunft wagen. Da könnte durch und mit Imaging Großartiges geschehen. Wir könnten aber auch komplett die Kontrolle über unsere Wahrnehmung verlieren. Mit den folgenden Thesen und Gedanken wollen wir zumindest zum Nachdenken anregen. T – Wolfgang Heinen 1 ● Consumer Imaging macht die Marke ● Business Imaging macht Innovationen und Margen Paradigmenwechsel bei den Unternehmen Wenn man in die Tiefen der Imaging-Unternehmen einsteigt und mit Leuten spricht, die in noch tiefere Tiefen der Headquarter in Deutschland, den USA und Japan vordringen, so stellt man fest: Für viele Unternehmen hat Consumer Imaging eher eine strategische Funktion als Markentransporter und Konsumenten-Kontaktmittel denn als ernstzunehmende Ertragsquelle. Die wichtigsten Innovationen und nachgelagert die entsprechenden Gewinne, um unter anderem Forschung und Entwicklung finanzieren zu können, kommen vor allem aus Bereichen wie Broadcast, Security, Automotive, Medical Imaging, Healthcare oder auch Office Management. Im Klartext: Außer bei Leica und Nikon ist Consumer Imaging bei den bekannten Kameraherstellern im Kontext des Gesamtkonzerns ein »Minderheitenprogramm«. Bei Canon und Fujifilm tragen Fotoprodukte keine 15 Prozent mehr zum Umsatz bei, im Olympus Konzern ist die Endoskopie-Weltmarktführerschaft um Längen ertragsstärker als die Fotoabteilung und bei Panasonic wie bei Sony wird das Consumergeschäft mit Kameras vor allem deshalb erfolgreich geführt, weil Sensoren, Elektrobauteile und optische Lösungen aus den eigenen Forschungsabteilungen ohne große Umbauprobleme in Consumer-Kameras implementiert werden können. Aber auch bei diesen zwei Unternehmen ist der Umsatzanteil Foto konzernweit eher marginal. Quintessenz: Innovationen im Imaging-Consumerbereich sind Ableitungen und Transformationen aus der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der umfangreichen Business-Imaging-Geschäftsfelder. Zumindest derzeit. PP70 40 VORBILDERMACHER 7 Fotografen, VON DENEN WIR LERNEN KÖNNEN Zielstrebigkeit, Innovationsgeist, Marktorientierung: Das Rezept für erfolgreiche Fotografie scheint die immer gleichen Zutaten zu enthalten. Dass es so simpel dann doch nicht ist, zeigt der Lebensweg vieler überaus erfolgreicher Fotografen. Wir stellen sieben vor, die auf ganz unterschiedlichem Weg den Durchbruch geschafft haben – und erklären, was man aus ihrer Vita lernen kann. T – Peter Schuffelen Anton Corbijn Yuri Arcurs Manfred Kage Ernst Haas René Staud Juergen Teller Alex Prager PP70 54 ANTON CORBIJN STECKBRIEF Jahrgang 1955 Status Popstarfotograf, Art Director, Filmemacher Erfolgsrezept Begeisterung fürs eigene Sujet, keine Angst vor neuen Medien Credo Deine Schwächen sind dein großes Plus, sie bestimmen deinen Stil. web antoncorbijn.com Eins seiner Bilder kennt vermutlich jeder zwischen Australien und Grönland – und Millionen haben es im Regal stehen: das Plattencover des U2-Beststeller-Albums »The Joshua Tree«, für das Anton Corbijn als Fotograf und Art Director verantwortlich zeichnete. Doch viele der Bilder des Mannes, der Mick Jagger als Frau und David Bowie in Windeln inszenierte, sind zu Ikonen der Popgeschichte geworden, und der Niederländer hatte nahezu alle Granden des Popbetriebs vor der Linse: Nirvana, Miles Davis, Depeche Mode, Tom Waits, Jonny Cash, Herbert Grönemeyer, Captain Beefhart, Miles Davis, Sting, James Brown, Lou Reed, John Cale, Grace Jones, Stevie Wonder, Kate Bush, Kraftwerk, Einstürzende Neubauten, R.E.M, Bruce Springsteen, Metallica – Künstler, mit denen er zum Teil langjährige und enge Beziehungen pflegt. Später kamen auch andere Kunstschaffende hinzu. Schauspieler und Regisseure wie Martin Scorsese, George Clooney, Clint Eastwood oder Frank Sinatra; Künstler wie Gerhard Richter, Damien Hirst, Georg Baselitz oder Ai Weiwei. Dem breiten Publikum dürfte der Namen Corbijn allerdings inzwischen eher in Zusammenhang mit den Kinofilmen geläufig sein, die er in den letzten Jahren gemacht hat. Anton Corbijn ist einer der umtriebigsten Bilderschaffenden des Popbetriebs und bei Betrachtern wie Protagonisten seiner bis heute durchweg analogen Fotos für seine ganz eigene, zwischen heiter-verspielt und düsterdramatisch, zwischen Inszenierung und Authentizität changierenden Bildsprache berühmt. DER KARRIEREWEG IM SCHNELLDURCHLAUF Anton Johannes Gerrit Corbijn van Willenswaard wird 1955 als Sohn des Dorfpfarrers von Strijen geboren, auf einem kleinen, südholländischen Polders. Früh entflieht er der kulturellen Ödnis seines protestantischen Umfelds, die Musik ist sein Flugzeug, die Kamera das Bordticket des schüchternen jungen Mannes. Mit 17 Jahren fotografiert er eine lokale Musikgruppe, mit 19 ist er mit Portraits des niederländischen Bluesrockers Herman Brood erstmals in einer Zeitschrift vertreten. 1979, mit 24 Jahren, geht er nach London, fotografiert Joy Division, trifft Musiker, mit denen er bis heute zusammenarbeitet (unter anderem U2 und Depeche Mode), wird Fotograf der britischen Musikzeitschrift »New Musical Express«, für die er fünf Jahre lang als Hauptfotograf tätig ist. Kennzeichnend für seinen Stil sind bewusst gesetzte Unschärfen und kontrastreiche, extrem körnige Schwarzweißaufnahmen, die entstehen, weil er im düsteren Backstage-Bereich hochempfindliche Filme nutzt und diese aus Kostengründen auch für Tageslichtaufnahmen nicht auswechselt. Nach und nach perfektioniert Corbijn seinen grafischen Look, später weitet er seine VORBILDERMACHER Standbild aus dem Film »Control«. geheimnisvolle, zuweilen düstere fotografische Handschrift auch auf die Farbfotografie aus. 1983 dreht er sein erstes Musikvideo (für Palais Schaumburg), es folgen weitere für U2 und Depeche Mode, für die er auch die multimediale Bühnenshow entwirft. 2006 – Corbijn hat bereits rund 80 Musikvideos realisiert und ist 52 Jahr alt – dreht er mit »Control« seinen ersten Spielfilm – ein in suggestiven Schwarzweißbildern erzählte Biopic über den unter Depressionen und Epilepsie leidenden »Joy Division«Frontmanns Ian Curtis, der sich mit 23 Jahren erhängte. Der IndependentFilm, den Corbijn teilweise aus eigener Tasche sowie mit der Hilfe seines Londoner Nachbarn und Freundes Herbert Grönemeyer finanziert, trifft den Geschmack der Kritiker, an der Kinokasse ist er weniger erfolgreich. 2010 folgt der Neo-Noir-Western »The American« mit George Clooney, 2014 dann die »John le Carré«-Verfilmung »A Most Wanted Man« mit Philip Seymour Hoffman. In »Life«, seinem jüngsten Film, der in diesem Herbst in die Kinos kommt, beleuchtet Corbijn das besondere Verhältnis zwischen James Dean und dem späteren Magnumfotografen Dennis Stock – und thematisiert damit zugleich seine Faszination für Fotografie und Bewegtbild. Bemerkenswert an dem Workaholic, der immer wieder große künstlerische und finanzielle Risiken eingegangen ist und seine Bilder oft ohne Assistenten binnen Minuten macht, ist sein künstlerisch-handwerkliches Selbstverständnis. »Am Ende«, hat der Fotograf und Regisseur, der heute mit seiner Lebenspartnerin in Den Haag lebt, in einem Interview gesagt, »findest du selbst heraus, was du kannst und was nicht. Deine Schwächen sind eigentlich dein großes Plus, denn sie bestimmen deinen Stil.« ● WAS WIR VON CORBIJN LERNEN KÖNNEN Dass eine eigene Handschrift manchmal gerade aus einer handwerklichtechnischen Imperfektion erwächst. Dass man sich auch mit über 50 neu erfinden kann. Und dass nichts so stark ist wie ein Traum, dem man bedingungslos folgt. PP70 55 IKONEN 7 KAMERA-KLASSIKER VON MORGEN Aktuelle Kameras gibt es wie Sand am Meer und ordentliche Bildqualität liefern die meisten von ihnen. Doch welche der heutigen Modelle werden wir auch in sieben und mehr Jahren noch sehen oder haben wollen, welchen hinterherweinen oder teuer von anderen kaufen müssen? Kurz gesagt – wer taugt zum Klassiker? Wir haben da sieben Vorschläge und sagen auch, warum wir in ihnen zeitlose Werte sehen. T – Wolfgang Heinen DXO ONE ● WAS SIE IST Die DxO One ist kompakt, überraschend durchdacht und wird direkt an das iPhone oder iPad angeschlossen, um sofort hoch aufgelöste Bilder mit der Familie, Freunden und Followern teilen zu können. Dank eines hochwertigen Objektivs mit Festbrennweite und ihres großen 1-Zoll-Sensors kann die DxO One Fotos auch bei schwachen Lichtverhältnissen aufzunehmen – und das mit einer Kamera, die nicht einmal so groß wie der Griff einer DSLR-Kamera ist. ● WARUM SIE EIN KLASSIKER WIRD Starkes Design und tolle Idee, das Smartphone in seiner Funktionalität grundsätzlich zu belassen und mit einem Modul zur echten Kamera aufzupimpen. Nun, der Preis von anderthalbtausend Euro ist happig, aber wir sehen das Ding durchaus in 20 Jahren in einem Technikmuseum. PP70 62 MEILENSTEINE 7 WICHTIGE ENTWICKLUNGEN DER LETZTEN 70 JAHRE Wer und was hat in den vergangenen 7 Jahrzehnten die Foto- und Imagingbranche besonders verändert? Wir haben nach einigen entscheidenden Scheidewegen, Knotenpunkten und Weichen geschaut. T – Wolfgang Heinen 1947 FOTOGRAFIEREN UND SEHEN – DIREKT: DIE SOFORTBILDFOTOGRAFIE Auf den Auslöser einer Kamera drücken – und nicht tagelang auf die Entwicklung von Film und Bildern warten zu müssen: Edwin Land stellt im Februar 1947 die erste Sofortbildkamera vor. Erstmals kam ein Schnellentwicklungsverfahren zum Einsatz, das noch an Ort und Stelle das belichtete Negativ auf ein Positiv übertrug. Ein paar Jahre später folgte dann das Polaroid SX-70 System, bei dem die Bildentwicklung ohne Negativ vonstatten ging und das durch seine Einfachheit ihren Siegeszug von Künstler-Ateliers bis in fast jeden Haushalt unternahm. 1948 DIE ERSTE ECHTE PROFI-KAMERA: HASSELBLAD 1600F Am 6. Oktober 1948 präsentierte Victor Hasselblad der Welt die erste von ihm hergestellte Kamera für Endanwender, die Hasselblad 1600F. Dieses Modell, eine 6 × 6-Spiegelreflexkamera mit Kodak Wechselobjektiven, Filmmagazinen und Suchern, wurde bei einer Pressekonferenz in New York City mit viel Beifall vorgestellt. Die Kamera 1600F war ein bahnbrechendes ingenieurtechnisches Meisterstück, das vor allem für Profifotografen über die kommenden Jahrzehnte DAS Werkzeug war. Und auf den Mond hatte es der stabile Kamerawürfel auch geschafft. 1961 VOM EINZEL- ZUM MASSENBILD: CEWE Bis in die 50er Jahre gab man seine Filme beim Drogisten oder Fotografen seines Vertrauens ab, um Abzüge zu erhalten. Das geht auch anders, dachte sich Heinz Neumüller und gründete im Jahre 1961 mit Cewe Color das erste Großlabor, das die Film- und Bildentwicklungen industrialisierte. Es folgten zahlreiche Labors, die es ihm nachmachten – von denen im Gegensatz zu CEWE aber kaum noch eines im Markt existent ist. Das Oldenburger Erfolgsrezept bis heute: Zum richtigen Zeitpunkt den Wandel wagen. PP70 70 1950–2015 7 WICHTIGE FOTOBÜCHER Die sieben wichtigsten Fotobücher der letzten Jahrzehnte aus einem Meer wichtiger und guter Bücher herauszudestillieren, ist eine ebenso ambitionierte wie gewagte Aufgabe. Markus Schaden, Fotobuchexperte und Leiter des weltweit einzigartigen PhotoBookMuseum, hat sich ihr gestellt. T – Markus Schaden Das sei gesagt: Weder Martin Parr, der ungekrönte Papst und MasterSammler des Fotobuchs, noch sein Compañero Gerry Badger oder irgend jemand sonst hat es bis heute auch nur gewagt das »Beste Fotobuch« eines ganzen Jahrzehnts auszuwählen. Nun soll ich eine Wahl für sieben Jahrzehnte treffen, ein Fotobuch pro Jahrzehnt, sieben Jahrzehnte, seit Gründung der PHOTO PRESSE nämlich. Eine kurze Erklärung vorab ist also unerlässlich. Das Ritual kommt so zuverlässig wie Weihnachten oder Karneval: Jeden Dezember tauchen die sogenannten »Best of the Year«Listen des Fotobuchs auf, es sind einige Dutzend mittlerweile. Sie kursieren im Netz, und zum Schluss addiert einer alles zusammen und kürt einen Meta-Sieger. Eine einfache rechnerische Lösung für meine »Best of Decades 1950-2015« wäre also eine mögliche Herangehensweise gewesen. Doch leider existieren diese Listen erst seit knapp einem Jahrzehnt – seitdem das Fotobuch in Blüte steht. Sicher, ich bin selbst nahezu jedes Jahr irgendwo angefragt, meine »Besten des Jahres« kundzutun – und damit wären wir schon beim entscheidenden Punkt angelangt: Nach welchen Kriterien wird denn da eigentlich ausgewählt? Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Es gibt keine erkennbaren Regeln. Der aller simpelste Maßstab der Juroren scheint folgender zu sein: »Diese Fotobücher haben mir dieses Jahr am besten gefallen!« So geschmeidig komme ich hier nicht davon, denn: Die »Wichtigsten« sind nicht unbedingt die »Besten«, und so orientiere ich mich in meiner Auswahl am Zusammenspiel von fünf wesentlichen Kriterien: Einfluss, Innovation, Qualität, Nachhaltigkeit und Zeitgeist. Kurioserweise musste ich während meiner ausufernden Recherche schmerzlich feststellen, dass es das aus meiner Sicht wichtigstes Fotobuch aller Zeiten erst gar nicht in meine Dekaden-Liste geschafft hat: »The Americans« von Robert Frank nämlich. Es steht über den Jahrzehnten. Prüfen, reiben, erfreuen Sie sich an oder regen Sie sich gerne auf über mein vorläufig endgültiges »Best of« der Jahrzehnte. Ich jedenfalls schließe mit einem Toast auf weitere sieben erfolgreiche Jahrzehnte PHOTO PRESSE – und einem: Long live the PhotoBook! PP70 72 1 50er ED VA N DER EL SK EN »LI EBE I N SA I N T GER M A I N DE S PR E S« – 1958 Es braucht nahezu ein ganzes Jahrzehnt, bis sich die Fotografie nach dem 2. Weltkrieg erholt hat und neu aufstellen kann. Edward Steichens WanderAusstellung »The Family of Man« bringt die heile Welt zurück. Dann, Ende der 50er, erscheinen auch wieder großartige Fotobücher. Unter anderem William Kleins radikales Schwarzweiß-Meisterwerk »Life is Good & Good for You in New York«, Chargesheimers »Unter Krahnenbäumen« sowie das vermutlich wichtigste Fotobuch aller Zeiten: Robert Franks »The Americans«. Aber keines ist so innovativ und kraftvoll zugleich wie »Liebe in Saint Germain des Pres« (englisch: »Love on the Left Bank«). Der Holländer Ed van der Elsken erfindet auf Anraten Edward Steichens und seines kongenialen Gestalters Juriaan Schrofer die Fotonovelle. Eine fiktive LoveStory im radikalen antibürgerlichen Milieu der Seine-Metropole Paris. Ein grandioses Werk im Mix von Fotografie, Film und Literatur. PARTNERSCHAFTEN DEUTSCH-JAPANISCHE AUGENBLICKE Die Historie der Kameratechnik wurde im 20. Jahrhundert von Deutschen und Japanern geschrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es allerdings vor allem die Japaner, die es schafften, mit innovativen Technologien die Konsumenten weltweit zu begeistern. Bald wollte kaum noch jemand Produkte von Carl Zeiss, Leitz, Praktika und Voigtländer. Die neuen Stars der Fotobranche hießen Asahi, Canon, Fujifilm, Nikon, Olympus, Panasonic, Pentax, Ricoh und Sony. PHOTO PRESSE erzählt die Geschichte einer wunderbaren Zusammenarbeit, die durch gegenseitiges Nehmen und Geben geprägt ist. T – Daniel Albrecht JAPANISCHE MEILENSTEINE – KAMERAS SEIT 1945 YUKO TANAKA PRODUCT DEVELOPMENT DIRECTOR – CANON EUROPE Ob Karl Christian Klie wusste, wie sehr sich die Fotobranche in den kommenden Jahrzehnten verändern würde? Als er nach dem Zweiten Weltkriegs die Lizenz zur Herausgabe der PHOTO PRESSE beantragte, hingen die großen deutschen Kamerahersteller in den Seilen. Die Alliierten verfügten über all jene Patente, die Carl Zeiss, Leitz und Co. zuvor ihre führende Rolle in der Welt gesichert hatte. Jetzt waren diese Informationen der Konkurrenz zugänglich. In Sachsen demontierten die Sowjets die Kamerafabriken. Würde die deutsche Fotoindustrie jemals wieder zu ihrer alten Stärke zurückkehren? ● Klie hatte daran offenbar keinen Zweifel. Zumindest glaubte er an die Zukunft der Fotografie, an den Markt für fotografische Produkte. Genau er wollte der Erste sein, der die Wiederauferstehung der Branche publizistisch begleitet. Und so kam es: In den ersten Jahren von PHOTO PRESSE berichteten Klie und sein Redaktionsteam darüber, wie in Braunschweig, Bad Kreuznach, Dresden, Göttingen, München, Oberkochen und Wetzlar die Hersteller Rollei, Voigtländer, Schneider, Praktika, Agfa, Carl Zeiss und Leitz mit Unterstützung der Siegermächte die Produktion Schritt für Schritt wieder hochfuhren. BEGINN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG An Japan dachte Klie zunächst nicht. In der Euphorie des Wiederaufbaus war der seit den 1920er-Jahren übliche Nachbau deutscher Kameras durch die Japaner fast in Vergessenheit geraten. So richtig ernst wollte man in Deutschland die Konkurrenz aus Nippon ohnehin nicht nehmen – was wenig verwundert, denn auch Japan stand nach der traumatischen Kriegsniederlage vor einem Neuanfang: Rohstoffe waren Mangelware, und sofern die japanischen Kamerahersteller überhaupt in der Lage waren zu produzieren, begnügten sie sich mit der Fertigung von Vorkriegsmodellen. ● Was in Deutschland nach der Stunde Null kaum jemand wusste: Die Fotoszene im Land der aufgehenden Sonne erwachte nach 1945 rasch und stand der Entwicklung in Deutschland nicht nach. Im Januar 1946, nur wenige Monate nach der Gründung der PHOTO PRESSE, erschien die erste Nachkriegsausgabe der japanischen »Camera«. Die Fotozeitschrift hatte seit 1921 mit einer Mischung aus Fotografie und Technik-Berichten das Format für das massentaugliche Kameramagazin definiert. PP70 76 Unsere Beziehung zu Publikationen wie PHOTO PRESSE lässt sich eher als Partnerschaft bezeichnen. Eine Partnerschaft, die uns hilft, die Feinheiten unserer Technologie für die Verbraucher verständlich zu kommunizieren. Da wir unsere Produktpalette beständig weiterentwickeln und immer wieder neue aufregende Produkte auf den Markt bringen, werden wir auch künftig eng zusammenarbeiten, um die Features und Vorteile dieser Produkte vollständig zu erklären. Dies wird aktuelle und zukünftige Kunden inspirieren, die Welt in wundervollen Fotos und Videos festzuhalten und mit anderen zu teilen. 70 Jahre PHOTO PRESSE – Ich möchte ganz persönlich zu diesem außergewöhnlichen Meilenstein gratulieren. Wir freuen uns auf viele weitere Jahre der Partnerschaft und Zusammenarbeit. PHOTO PRESSE LESER-GESCHICHTEN Was sind das eigentlich für Menschen, die uns lesen? Diese Frage stellt sich wohl jedes Medium. Zum Siebzigsten lassen wir einige unserer langjährigsten Abonnent(inn)en zu Wort kommen. Darunter: einen Kanzlerfotografen, ein frühes PP-»Cover-Girl«, den Bundesinnungsmeister sowie eine Leserin, die uns seit 57 Jahren treu ist. T – Peter Schuffelen Natürlich kann eine Zeitschrift mit einer festen Stammleserschaft wie die PP über Leserumfragen einiges über die eigene Leserschaft in Erfahrung bringen – und das tun wir ja im Übrigen auch regelmäßig. Unser Jubiläumsausgabe wollten wir aber nutzen, um etwas mehr in die Tiefe zu gehen statt in die Breite. Deshalb haben wir mit fünf unserer langjährigsten Abonnenten Kontakt aufgenommen und sie nach ihren Erfahrungen, persönlichen Verbindungen und Wünschen mit und an die PHOTO PRESSE befragt. Beginnen wollten wir mit einer Frau, die die PP seit 1958 liest – seit mehr als einem halben Jahrhundert also: Herta Klassen. HERTA KLASSEN EIN HALBES JAHRHUNDERT BRANCHENGESCHICHTE Eins der Bilder, das Herta Klassen aus einem klassischen Fotoalbum (jawohl eins, in das man die Bilder noch einklebte) eingescannt und uns gemailt hat, zeigt sie 1957 im Labor von Foto Wagner in Rendsburg. Es stammt aus einer Zeit, als Bundeskanzler Adenauer gerade zum dritten Mal wiedergewählt worden war und auch die kühnsten Technikvisionäre sich so etwas wie einen Scanner oder ein digitales Bild nicht im Traum hätten ausmalen können. Nur die Älteren werden die Atmosphäre nachspüren können, die hinter diesem Bild steckt. Lachend sitzt Klassen an einem Vergrößerungsgerät, und man darf getrost davon ausgehen, dass der stechende Geruch von Essigsäure in der Luft lag. Eins ihrer Vergrößerungsgeräte hat sie einst über die PHOTO PRESSE verkauft – »es gab ja noch kein Internet«, sagt sie. Und: »Das waren noch Zeiten, als wir die Prints auf einer großer Trockentrommel auf matt oder Hochglanz getrimmt haben. Heute geht das alles viel schneller und bequemer.« Trotzdem würde sie heute einen anderen Beruf wählen, sagt Klassen, die sich von der Fotografie schon 1980 verabschiedet hat – allerdings nur hauptberuflich: Noch 1997 haben wir auf eine ihrer Fotoausstellungen mit dem Titel »Natur und Struktur« verwiesen. »Heute fotografiere ich nur noch privat auf Reisen oder in meiner Heimatstadt Hamburg – bis vor einigen Jahren mit einer Leica R4 und jetzt mit einer Nikon Coolpix P510.« Dass sie inzwischen ausschließlich digital fotografiert, wundert uns wenig. Denn unsere langjährigste Abonnentin verbindet mit der PP vor allem »Neues in der Fotografie«. Treu geblieben ist sie uns über all die Jahre »weil mich die technischen Innovationen und die tollen Bilder interessieren«, sagt sie. Wir jedenfalls bedanken uns aus ganzem Herzen für ihre Treue und hoffen, dass sie uns weiter gewogen bleibt. Herta Klassen 1975 bei BP. Klassen 1957 bei Foto Wagner in Rendsburg. PP70 84 UNTERNEHMEN 7 HEISSE IMAGING-STARTUPS Klein, schnell, marktnah und mit wahnsinnigem Wachstumspotenzial: Auch für Startups weltweit ist das Thema Imaging verlockend – und lukrativ. Wir haben uns umgesehen und sieben Kandidaten herausgesucht, die Sie im Auge behalten (oder kaufen) sollten. T – Wolfgang Heinen LIGHTLIGHT.CO ● WAS SIE MACHEN 16 Kameramodule in Smartphone-Größe versprechen DSLR-Qualität. ● WARUM SIE HEISS SIND Das frische Startup sieht – wie DxO – Marktchancen für ein nur Smartphone großes Gerät, dass dank intelligenter Technologien eine Top-Qualität wie Systemkameras ermöglicht. In diesem Falle werden 16 Kameramodule mit jeweils 13-MB-Sensor zu einem Gesamtbild von 52 MB zusammen gerechnet bzw. 4K-Video. Spannend und heiß wird es aber vor allem durch die Software, die ähnliche Kunststücke wie Lichtfeldfotografie ermöglichen soll – also die nachträgliche Veränderung der Schärfeebenen im Bild. PP70 88
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