„Unda Maris“ - 30 m² Berg-Spitzgatter

„Unda Maris“ - 30 m² Berg-Spitzgatter
„Unda Maris“ wurde 1953 als „Onda“ auf Fünen in der Bauart
der typischen 30 m² - Dänischen Spitzgatter nach einem Riß
von Georg Berg auf Kiel gelegt und 1954 zu Wasser gelassen
– daher rührt die Bezeichnung „Berg-Spitzgatter“. Die
Bauwerft selbst ist unbekannt. Handwerkliches Kennzeichen
sind die gewachsenen Eichenspannten und Spanntleisten auf
die die 22 mm-Lärchenbohlen in Karvel mit Kupfernägeln
beplankt sind. Aufgrund des Gesamtgewichtes von 4,25
dänischen Tonnen = ca. 3.400 kg , dem
hohen
Kielballastanteil durch den über die gesamte Kiellänge
untergebolzten Gußkiel und der massiven und stabilen
Holzkonstruktion, lassen sich 30 m²- Spitzgatter wegen der
großen Segelfläche dennoch schnell segeln.
Trotz einer Länge von 7,20 Metern (LWL) , verfügt „Unda
Maris“ aber über einen 12 Meter langen gesteckten Mast mit
Ober- und Unterwant. Bei einer unkritischen Kränkung von
20 Grad verlängert sich die Wasserlinie auf ca. 8,50 m. In
Verbindung mit den strakken Rumpflinien der S-Spannten
sind 6,5 Knoten bei optimalem Trimm üblich und – soweit
die Genua stehen bleiben kann - sind bis zu 7,5 Knoten zu
erreichen.
1975 wurde ein Einzylinder-Schiffsmotor Volvo Penta MD 5
A mit 5,5 kw/7,5 PS aus 443 cm³ Hubraum eingebaut, der
noch heute – nach einer Generalüberholung 1993 und 1995 störungsfrei seinen Dienst versieht. Bei einer Fahrt von 5,5
Knoten liegt der Verbrauch bei verträglichen 1,5 Ltr./Std.
Der Antrieb erfolgt über eine etwas überdimensionierte 3flügelige Schraube von 13 * 9 . Die Segelgardrobe besteht aus:
Groß 20 m², Fock 10 m², Genua 16 m² und einer Sturmfock
6 m².
Die Geschichte von „Unda Maris“ ist schnell erzählt – viel ist
mir über das oben bereits erzählte trotz intensiver Recherche
nicht bekannt. Als „Onda“ 1953 gebaut, wurde das Schiff
nicht in die Klassenlisten der dänischen Klassenvereinigung
eingetragen – ein Hinweis, dass es sich nicht um Schiffsbau
für Regattazwecke, sondern für das Fahrtensegeln gehandelt
hat.
Das Schiff ist über verschiedene Eigner – vermutlich Anfang
der 70er Jahre über Flensburg nach Hamburg gekommen und
dort – fürsorglich in Stand gesetzt und gehalten – als „El
Tuna“ (als Verweis auf „Altona“) auf der Elbe gesegelt. 1998
ging das Schiff an einen Kapitän nach Föhr, der sich aufgrund
der beruflichen Pflichten nicht hinreichend um den Spitzgatter
kümmern und die erforderlichen Instandsetzungen
vornehmen konnte. Von ihm haben wir einen reichlich
ausgetrockneten Holzrumpf
ohne Fäulnis oder Rott
übernommen, der 3 Jahre in einer trockenen, zugigen Halle
gestanden hat. Das führte 2003 beim Zu-Wasser-lassen fast zu
einer Versenkung des Bootes im Föhrer Hafen, wobei nicht
klar war, ob mehr Wasser durch das Schiff oder den Hafen
geströmt ist – Dieter und Bernadette können davon ihr Leid
klagen: nach 14 Tagen abwechselnder Pumpenwache,
Schlafstörungen und Pendeltouren nach Föhr hatte sich
„Unda Maris“ wieder an ihr Element gewöhnt und hielt sich
tapfer über Wasser – und war für die Nachwelt gerettet. Vor
de Verlegung an die Weser konnte sich unser Schiff 2 Jahre in
Gelting an der Flensburger Förde in der Ostseewelle
akklimatisieren. Seit der Umlackierung des Rumpfes von
„Yachtweiß“ auf „Holznatur“ erscheint „Unda Maris“ wieder
im traditionellen Kleid der Spitzgatter – es fehlt nur noch der
übliche „minzgrüne“ Kajütdachanstrich.
Der Konstrukteur Georg Berg
Georg Berg wurde um das Jahr 1875 in Faaborg/Fünen
geboren, erhielt eine Ausbildung als Schiffskonstrukteur und
verbrachte einen Teil seiner praktischen Ausbildung
in
Deutschland – vermutlich in Flensburg . Danach kehrte er
nach Dänemark zurück begann mit der Weiterentwicklung der
Kragejolle – einer offenen Spitzgatterkonstuktion. Sei erstes
Boot – die „Kuling“ – ging 1914 zu Wasser.
Historie der Spitzgatter
Spitzgatter sind in Hinblick auf die bei den Langkielern
bekannten guten Segeleigenschaften und hervorragenden
Schwerwettereigenschaften ein in den skandinavischen
Ländern weit verbreiteter Bootstyp. Die Konstruktionstypen
entwickelten sich aus den traditionellen kleinen und mittleren
Arbeitsbooten der Ostsee. An den Küsten des 19.
Jahrhunderts
traf
man
auf
verschiedene
stabile
Spitzgattformen wie Kragejollen, Bornholmer Lakskutter,
Lotsen- oder gar Zeesenboote. Sie zeigten noch immer die
wichtige Konstruktionsprinzipien der Langschiffe der
Wikinger: die Klinkerbeplankung, die spitzen Vor- und
Achtersteven und oft einen flachgehenden Kiel. Sie waren
überwiegend mit einem Sprietstagsegel mit Fock und Klüver
geriggt. Die Typen variierten von Landesteil zu Landesteil, da
sie entweder auf der Grundlage überlieferter Traditionen oder
von Konstruktionszeichnungen gebaut wurden.
In der Mitte des 18.Jahrhunders zeichnete und baute der
Schiffbauer Eggert C.Benzon aus Nyköbing auf Falster die
erste Kragejolle, ein offenes, geklinkertes Fahrzeug für die
Küstenfischerei. Ihre Merkmale waren: angehängtes Ruder,
Sprietsegel, Dreikant-Toppsegel sowie Fock und Klüver.
Noch vor der Jahrhundertwende trat sie als
etwas
komfortablere, sechs bis zehn Meter lange Freizeitversionen
(dän.: lystsejlads) mit Gaffelrigg, Kajüte und Außenballast in
Erscheinung. Sie war als „Segelyacht“ schnell und trotzdem
ein stabiles, seetüchtiges Schiff und fand eine großen
Verbreitung auch bei Segelclubs.
Bis um die
Jahrhundertwende vom 18. auf das 19. Jahrhundert wurde die
Kragejolle traditionell gebaut, so dass noch heute einige
Exemplare erhalten sind.
Die Entwicklung der Spitzgatter-Klassen
In den ersten 50 Jahren des 20.Jahrhunderts kam mehr und
mehr Bewegung in die Konstruktion von Spitzgattern, die
zunehmend auch mit Karvelbeplankung hergestellt und statt
des Gaffelriggs mit den moderneren Bermudariggs ausgerüstet
wurden, um die Segeleigenschaften zu verbessern.
In
Fortführung der Tradition beschäftigten sich zwischen 1914
und 1955 die wichtigsten dänischen Bootskonstrukteure mit
der „Innovation“ der Spitzgatterform. Ziel war es das positive
Verhalten der Rumpfform im kurzen, ruppigen Seegang der
Ostsee mit den Anforderungen an den Komfort, den die
Regatta- und Fahrtensegler an kleine Küstenkreuzer stellen, zu
verbinden.
Drei Bootskonstrukteure dominierten die „Spitzgatterszene“:
Georg Berg, Aage Utzon und M.S.J.Hansen. Georg Berg, der
Faaborger Apotherkersohn, zeichnete ab 1914 Yachten mit
einem für die damalige Zeit hohen und schmalen Großsegel
sowie einer kurzen Gaffel. Der Übergang zum Bermudarigg
war anglegt. Aage Utzon konstruierte 1918 einen 55-m²Spitzgatter, der jedoch nur in einer kleinen Serie gebaut wurde.
Darunter war die Shamrock des Hafenmeisters von Aalborg,
über einige Jahre die schnellste Yacht an der Ostküste
Jütlands.
Die Vielzahl der Konstruktionen, Bauwerften und die
zunehmende Beliebtheit der Spitzgatter machte eine
Klassifizierung der Bootsklasse Danske Spidsgattere – und
damit das Aufleben einer Regattaszene - zwingend, so dass
1927 von der Jydsk Sejlunion (Jütländische Seglervereinigung)
der Beschluss gefasst wurde, Festlegungen für die Vermessung
der Spitzgatter mit
30m²
und 45m²
Segelfläche
allgemeingültig zu treffen und einen Wettbewerb für diese
Klassenboote auszuloben. Die Zeichnungen von Berg und
Utzon gewannen; ihre grundlegenden Maße wurden 1927 für
nationale Klassenvorschriften übernommen, die u.a. die
ausschließliche
Verwendung
skandinavischer
Hölzer
bestimmte. Hinzu kamen 1933 die 20m², 1935 die 26m² und
28m² und in 1936 die 55m² Spitzgatterklasse.
Berg, Utzon und Marius Sofus Johannes (kurz: M.S.J.) Hansen
dominierten in dieser Zeit mit ihren Konstruktionen die
Regatten in allen Klassen. Geringfügige Unterschiede in der
Ausführung der Schiffsbauten waren durch die Vergabe der
Bauaufträge an unterschiedliche Bauwerften begründet, die die
Konstruktionspläne oft mit einer „eigene Note“ umsetzten
oder – sofern keine Klassenvermessung angestrebt wurde –
den Eignerwünschen anpassten.
In der Zeit vor und nach dem Krieg wurden nach realistischen
Schätzungen insgesamt rund 300 Spitzgatter gebaut, von
denen ca. 120 Boote nach den Klassenvorschriften in guter
handwerklicher
Art
gebaut
und
nach
den
Vermessungsformeln registriert wurden.
Gegen Ende der fünfziger Jahre wurden die letzten
Klassenspitzgatter gebaut: ca. 4 Stück 20m², ca. 18 Stück
26m², ca. 50 Stück 30m², ca. 25 Stück 38m², ca. 20 Stück
45m² und 2 Stück 55m². Hiervon segeln noch ca. die Hälfte in
Dänemark in Klassenregatten, ein Teil wurde ins Ausland –
bevorzugt nach Deutschland – verkauft und die restlichen sind
dem Verfall zum Opfer gefallen - ein Holzboot benötigt eben
andauernde Pflege.
Selbst für geübte Augen waren Berg-, Utzon- und HansenSpitzgatter an der Rumpfform, im Sprung und Freibord sowie
an typischen Aufbaumerkmalen und Modifikationen der 3/4Hochtakelung nicht immer leicht zu unterscheiden - auch
heute Anlass für hinreichende Diskussionsfreude auf den
Bootsstegen. Eigner von Berg-Spitzgattern sind sich jedoch
einig, dass Georg Berg die harmonischsten und elegantesten
Rumpfformen entworfen und konstruiert hat!!!
1969 begann die Glasfiberepoche auch bei den Spitzgattern –
Peter Bruun zeichnete den "Spækhuggeren" mit starker
Inspiration der Spitzgatter von Utzon – mit den bekannt
stabilen
Segeleigenschaften,
jedoch
mit
einer
gewöhnungsbedürftigen Optik.