Geschichte der Schüler-Bibelkreise Die Geschichte der Menschheit

Geschichte der Schüler-Bibelkreise
Die Geschichte der Menschheit ist eine Kette von actio et reactio. Ein
Geschehen aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, das wiederum die
Geschehnisse des 19. Jahrhunderts bis in unsere heutige Zeit massgebend
beeinflusst hat, war die Französische Revolution.
Die Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit brachte die bis
dahin existierenden absolutistischen Herrschaftssysteme in Bedrängnis. Hinzu
kam die im 19. Jahrhundert beginnende technische und damit industrielle
Entwicklung in Europa, die ein Bürgertum hervorbrachte, das mächtig genug
wurde, dem Adel Zugeständnisse abringen zu können und schliesslich im 20.
Jahrhundert deren Entmachtung besiegelte. Wie wir heute wissen, geschah
dies nicht ohne Turbulenzen. Das aufstrebende Bürgertum sah sich einer
erstarkenden neuen Gesellschaftsschicht, der Arbeiterschaft, gegenüber, die
eine Teilhabe an dem durch die Industrialisierung entstanden Wohlstand
verlangte. Das deutsche Kaiserreich unter Wilhelm I. erlebte nach dem
erfolgreich beendeten Deutsch-Französischen Krieg und der anschliessenden
Reichsgründung eine kurze Blütezeit, die aber unter Wilhelm II. mit dem Verlust
des 1. Weltkriegs das endgültige AUS der monarchischen Herrschaftsform
brachte.
Die Jahre nach der Revolution von 1848 mit der Gründung des ersten
demokratischen Parlaments und vor allem die Jahre nach dem DeutschFranzösischen Krieg ab 1871 werden als die Gründerzeit bezeichnet. In diese
Zeit fiel die Entstehung der Bibelkreise und vieler anderer Vereine und
Interessengruppen, in denen sich nicht nur grossbürgerliche und priviligierte
Gesellschaftskreise
zusammenfanden,
sondern
neben
kirchlichen
Gruppierungen auch Sportler, Sänger, Handwerker und Arbeiter.
Schon im Jahre 1848 schlossen sich mehrere protestantische Jünglingsvereine
zum ersten regionalen Verband, dem Rheinisch-Westfälischen Jünglingsbund,
einem Vorläufer des CVJM-Westbundes, zusammen. Bereits 1844 war der
CVJM in London und 1855 anläßlich der Weltausstellung in Paris gegründet
worden. Es war dies also keine auf Deutschland beschränkte, sondern eine
internationale Bewegung.
Die regionalen deutschen Jünglingsbünde schlossen sich ab 1882 zu einer
„Konferenz“ zusammen. Etwa zeitgleich damit wurde 1883 in Berlin der „Verein
christlicher junger Männer“ gegründet. Im Gegensatz zu den Jünglingsvereinen,
die als Zusammenschluß bereits gläubiger Jugendlicher und Männer auf
landeskirchlicher Ebene entstanden waren, versuchte der CVJM
überkonfessionell die Evangelisation von der Kirche fern stehenden Männern.
Das Jahr 1883 ist auch das Entstehungsjahr der Bibelkreise. Ein Ausschnitt aus
der von Udo Smidts verfassten Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der
westfälischen Bibelkreise wirft ein kleines Schlaglicht auf die damalige
Stimmung.
Seite aus der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum
Die regionalen evangelischen Jugendbünde schlossen sich 1900 zu einer
Nationalvereinigung der evange-lischen Jugendbünde zusammen. In der Folge
entstanden eine Vielzahl von Jugendbünden und Arbeitsgemeinschaften mit
unterschiedlichen Aufgaben- und Interessensschwerpunkten, die nicht nur
Geschichte der Schüler-Bibelkreise
miteinander, sondern leider auch gegeneinander arbeiteten. Abspaltungen,
Umgründungen und Ausschlüsse waren an der Tagesordnung.
Im Jahre 1923 erfolgte in Berchum unter Federführung des evangelischen
Hagener Jugendpfarrers Theodor Noa der Ankauf des Geländes, auf dem noch
heute die Jugendbildungsstätte der eSw sich befindet. Pfarrer Noa kann auch
als geistiger Ziehvater Kurt Gersteins angesehen werden.
Im Jahre 1927 ging Pfarrer Noa als Gemeinedepfarrer nach Siegen. Dort wurde
er von den Jugendlichen, die ihn von den Bibelfreizeiten her kannten, begeistert
empfangen. 1937 veranstaltete er seine letzte Jugendbibelfreizeit in Zingst auf
dem Darß, wo die Westfälischen Schülerbibelkreise ein Seeferienheim hatten,
in dem auch Kurt Gerstein verschiedentlich mit Jugendgruppen gewesen ist. Im
Jahre 1938 fand man die Leiche von Pfarrer Noa im Spreekanal in Berlin. Eine
eindeutige Todesursache konnte bis heute nicht gefunden werden. Die
Tatsache, dass er jüdischen Vorfahren hatte, lassen allerdings einiges
vermuten.
Auszug aus Reinhard Gädeke, 1983: „Es klingt ein Ruf ...“ Zur Geschichte
der Schülerbibelkreise Westfalen
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933, die alle
gesellschaftlichen Kreise in Deutschland in ihrem Sinne zu indoktrinieren
versuchte, brachte auch für die Jugendverbände aller Art drastische
Veränderungen. Da die Bedeutung der Jugend als zukünftiges Kaderreservoir
für die Nationalsozialisten an vorrangiger Stelle stand, sollten alle
Jugendverbände, seien sie sportlicher oder religiöser Ausrichtung unter dem
Dach der Hitlerjugend zwangsvereint werden, um zentral besser gelenkt
werden zu können. Dies geschah ab 1934. Aus Protest gegen diese
Zwangseingliederung in einen, wie sich bald herausstellte, paramilitärischen
und nationalsozialistisch ausgerichteten Jugendverband, der HJ, lösten sich die
Bibelkreise auf. Da die Gestaltung der Jugendarbeit der HJ sehr geschickt und
für Jugendliche sehr attraktiv in sportlicher und spielerischer Hinsicht
aufgezogen wurde, fand die HJ nicht unerheblichen Zulauf.
Kurt Gerstein wehrte sich ebenso wie andere Jugendleiter vehement gegen die
Zwangseingliederung in die HJ. Die Schülerbibelkreise verbrannten in zum Teil
spektakulären Aktionen ihre Fahnen und ihre Kluft. An die Stelle der Vereine
traten Gemeindejugendkreise ohne definierte Mitgliedschaft. Die ursprünglichen
Zusammenkünfte in den von den Jugendlichen hochgeschätzten Zeltlagern
fanden von nun an sozusagen in anderer Form im Untergrund statt.
Auszüge aus einem Schreiben Kurt Gersteins an den Reichsjugendführer
Baldur von Schirach:
„... Das Jahr 1933 und das erste Vierteljahr 1934 ist für die Hitlerjugend, ist für
Sie, ein Jahr des Sieges. Sie haben es geschafft, den wesentlichsten und
weithin wertvollsten Teil Deutscher Jugend in dem Bunde zusammenzufassen,
der den Namen des Führers trägt. Noch einige Monate des Kampfes, dann
werden Sie auch den letzten großen Störenfried, die katholische Jugend erfasst
haben.
Geschichte der Schüler-Bibelkreise
...Unter denen, die Sie schon besiegt und erledigt haben, befindet sich vor
allem die evangelische Jugend...
Als Reichsjugendführer haben Sie mehrfach ausgesprochen: Eine Auflösung
der konfessionellen Verbände kommt nicht in Frage. Hintenherum haben Sie
gleichzeitig der HJ die Parole gesetzt: Schafft vollendete Tatsachen! Schlagt
sie, wo ihr sie trefft! Dann kann ich zum Führer gehen und sagen: Die Einheit
der Jugend ist in Gefahr durch die Sturheit der konfessionellen Verbände!
...Viele sind bis ins Tiefste ihrer Seele verwundet worden durch die brutale und
durchtriebene Art, mit der man sie selbst und ihre Bünde verdächtigte,
bekämpfte und auf kaltem Wege langsam kaputt zu machen suchte.
... Jeder Gedanke, als sei von der einen oder anderen Seite selbst im Laufe von
Generationen irgendeine Gleichschaltung möglich, verkennt die tiefsten Kräfte,
die hier wirksam sind. Sie reden immer von konfessionellem Zwiespalt, der die
deutsche Jugend trenne. Zwischen denen, die wirklich etwas von ihrem
Bekenntnis wissen, sei es nun das katholische oder evangelische, ist
gegenseitige Achtung eine Selbstverständlichkeit gewesen. Der Zwiespalt trat
meist erst dann auf, wenn Leute, die weder katholisch noch evangelisch waren,
diese Achtung vermissen liessen...“
Auf dieses Telegramm hin erhielt Kurt Gerstein folgende lapidare Antwort:
„Ich bestätige den Eingang Ihres Schreibens und verbitte es mir ein- für allemal,
in derart unverschämten Auslassungen über den Reichsjugendführer an uns
heranzutreten. Weitere Maßnahmen gegen Sie behalte ich mir vor.
i.V. Friszewsky, Oberbannführer“
Mit derart aufmüpfigen und unverblümten Stellungnahmen machte sich Kurt
Gerstein Feinde und Bewunderer zugleich, wobei er die Feinde oft durch
schauspielerisch brilliante Ergebenheitsbezeugungen wieder entwaffnen
konnte. Dieses janusgesichtige Verhalten sorgte allerdings auch vielfach nach
dem Krieg für Unverständnis, Zweifel und Zwiespältigkeit bei der Beurteilung
seiner Person.
Als Leiter der Bibelkreise wurde Kurt Gerstein im hiesigen Raum von den
Jugendlichen bewundert und geliebt. Dass sie ihn „Vati“ nannten, ist ein
beredtes Zeichen dafür. Auch die vorhandenen Zeitzeugenberichte und Fotos,
die uns erhalten sind, erzählen begeistert von den mit ihm durchgeführten
Freizeiten und Zeltlagern. Sein finanzieller Hintergrund erlaubte es ihm, dass er
seinen jugendlichen Bibelkreisteilnehmern, die im hiesigen Raum nicht immer
aus wohlsituierten Familien kamen, bei solchen Gelegenheiten mal Obst oder
Leckereien mitbringen konnte, was in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten
Ende der 20er Jahre dankbar aufgenommen wurde.
Für die Zeit während des 2. Weltkriegs von 1939 bis 1945 liegen keine Berichte
über Veranstaltungen mit den Jugendlichen vor. Das mag einerseits an
Gersteins Beanspruchung durch seine Tätigkeit am Hygiene-Institut der SS in
Berlin liegen, andererseits aber auch an der Vormachtstellung der HJ und den
Umständen, die der Krieg für die Zivilbevölkerung mit sich brachte.
Geschichte der Schüler-Bibelkreise
Zum Neubeginn in Berchum nach dem Kriegsende 1945 wurde die Tätigkeit der
Bibelkreise zwar in veränderter Form und unter Erweiterung der Zielgruppen
(Mädchenarbeit ! ), aber nicht minder engagiert wieder aufgenommen. Die
Beschäftigung
der
Jugendbildungsstätte
mit
Rassismusbekämpfung,
Vergangenheitsbewältigung, Bekämpfung der Jugendkriminalität und der
Förderung von Kreativität und Selbstbehauptung auf der Basis christlicher
Grundwerte ist ein weites Feld, das erfolgreich nicht nur in Zusammenarbeit mit
Schulen und anderen Jugendorganisationen, sondern auch im internationalen
Jugendaustausch vor allem mit Osteuropa spannend und mit hoher Akzeptanz
bearbeitet wird.
Geschichte der Schüler-Bibelkreise
Daten zur Geschichte der eSw
09.02.1923: Der Geschäftsführende Verein der Bibelkreise wird gegründet und
in das Vereinsregister eingetragen. Die Gründer sind Pfr. Theodor Noa, Vikar
Otto Vetter und der Bankbeamte Erich Möning.
26.02.1923: Von der Stiftung „Kinderheim Berchum“ wird der Kotten am Ergster
Weg gekauft, der in Zukunft das „Landheim“ genannt wird. Im selben Jahr wird
hieran ein Anbau errichtet.
01.10.1928: Von der Stiftung „Kinderheim Berchum“ werden am Landheim 8 ½
Morgen Land gekauft.
1939 wird ein treuhänderischer Übernahmevertrag mit der EvangelischLutherischen Kirchengemeinde Hagen über das Gelände am Ergster Weg
abgeschlossen. Dieser Vertrag sollte dazu dienen, den Besitz in Berchum vor
der Übernahme durch die Nationalsozialisten nach offizieller Auflösung der
Schüler-Bibelkreise zu schützen.
Während des Krieges war ein Heim der Inneren Mission im Landhaus in
Berchum untergebracht.
1949 wurde das Gelände mit dem Landhaus wieder in eigenen Hände
übernommen.
1957 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, das Landhaus in ein Gästehaus
umzubauen.
11.07.1958: Nach Abschluss des 1. Bauabschnitts wird das Landhaus als
Gästehaus eingeweiht.
1960 werden weitere 12.000 m² für einen Sportplatz erworben.
1963 werden weitere 2.050 m² erworben, auf denen das Pastorat errichtet wird.
Hierin ist neben einer Pfarrerwohnung ab 1966 die Geschäftsstelle der
Schüler-bibelkreise Westfalen untergebracht.
14.05.1964: Der 2. Bauabschnitt wird in Anwesenheit von Präses Wilm, Frau
Elfriede Gerstein und zahlreichen Gästen feierlich
seiner Bestimmung
übergeben und „Kurt-Gerstein-Haus“ genannt.
01.02.1966: Die BK-Geschäftsstelle wird von Herford nach Berchum in das
Pastorat verlegt.
1968 erfolgte die Trennung der Funktionen Geschäftsführer und Heimleiter
1982 wird auf dem Gelände gegenüber des Landhauses der sogenannte
„Werkbereich“ unter engagierter Mitwirkung zahlreicher Jugendlicher errichtet.
06.06.1987 Der Anbau an das Kurt-Gerstein-Haus als 3. Bauabschnitt wird in
Anwesenheit von Präses Linnemann eingeweiht.
Geschichte der Schüler-Bibelkreise
Namen
Theodor Noa, geb. 10.05.1891, gest. 1938 auf ungeklärte Weise in Berlin. Von
1920 bis 1927 Jugendpfarrer für Hagen
Reinhard Gädeke, geb. 19.12.1908, gest. 29.04.1994, 1965 Nachfolger von
Johannes Mantz ist bis zum 02.05.1971 Geschäftsführer und Heimleiter.
Johannes Mantz, geb. 21.04.1899, gest. 03.09.1986, war von 1927 bis 1933
Landeswart der Schüler-Bibelkreise, Zusammenarbeit mit Kurt Gerstein, nach
dem Krieg bis 1965 Vorsitzender der eSw und dann 1966 Ehrenvorsitzender
des Kuratoriums.
Wilhelm Siebert
Eberhard Röhrig ab 01.10.1960 Ableistung des Hilfsdienstjahres bei den
Schülerbibelkreisen, 14.05.1961 ordiniert.
Karl Lücking, geb. 23.11.1893, gest. 30.11.1976, Vizepräsident der Evang.
Kirche von Westfalen
Karl Pertz, gest. 21.10.1975, Sprecher der Altfreunde des westfälischen BK
Herbert Weißelberg, geb. 24.06.1914, gest. 1992. Ab 1955 Geschäftsführer
des Westfälischen Bibelkreises. Verantwortlich für die Umsetzung der
Bauabschnitte 1 und 2. Bis 01.10.1970 Vorsitzender der eSw.
Hans-Peter Wertensohn, Nachfolger von
Geschäftsführer, bis zum Austritt am 31.12.1972.
Herbert
Weißelberg
als
Otto Grabowski, Heimleiter in Berchum
Eberhard Warns, geb. 25.03.1927, gest. 16.09.2007. Vom 02.05.1971 bis
1991 hatte er den Vorsitz der eSw inne.
Eckehard Uhr, geb. 31.08.1936, gest. 28.01.2008. Landeswart der BK und von
1971 bis 1991 im Vorstand der eSw.
Udo Smidt, geb. 01.07.1900, gest. 18.04.1978. Von 1930 bis 1934 Reichswart
der Schüler-Bibelkreise, nach deren Zwangsauflösung durch die Nazis
Gemeindepfarrer, ab 1958 Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche.
Johannes Busch, geb. 11.03.1905, gest. 14.04.1956. 1928 Vikar in Bielefeld
und ab 1930 Gemeindepfarrer in Witten. Ab 1934 bis zu seinem Tode 1956
Bundeswart des CVJM-Westbundes. Nach 1934 Strafversetzung, Redeverbot,
Gefängnisaufenthalt. Trotzdem Mitarbeit in der Bekenntnis-Synode und im
Bruderrat. 1940 Einberufung zur Wehrmacht, 1945 Entlassung aus russischer
Kriegsgefangenschaft. ab 1946 Mitwirkung an der Gründung der
Jugendkammer zusammen mit Udo Smidt. Die Jugendkammer umfaßt die freie
Verbandsjugend und die Gemeindejugend. Hanns Lilje ist Vertreter der EKD in
der Jugendkammer. Das „Darmstädter Wort“ fordert die Christen auf, sich auch
politisch zu engagieren, um christliche Werte zu verteidigen und zu bewahren.