Eine Bubenstimme wird erwachsen

Datum: 28.05.2015
Tages-Anzeiger
8021 Zürich
044/ 248 44 11
www.tagesanzeiger.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 172'920
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 374.003
Abo-Nr.: 1044548
Seite: 25
Fläche: 57'018 mm²
Eine Bubenstimme wird erwachsen
Der Zürcher Constantin Emanuel Zimmermann ist mitten im Stimmbruch, aber beim Singen
bleibt er im Sopran. Nun hat er eine CD mit Ton Koopman herausgebracht.
Zwischen
Zwischen Knabenstimme
Knabenstimmeund
undFalsett:
Falsett:Constantin
ConstantinZimmermann.
Zimmermann Foto:
Foto: Sabina
Sabina Bobst
Bobst
Medienbeobachtung
Medienanalyse
Informationsmanagement
Sprachdienstleistungen
ARGUS der Presse AG
Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich
Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01
www.argus.ch
Argus Ref.: 57981015
Ausschnitt Seite: 1/2
Datum: 28.05.2015
Tages-Anzeiger
8021 Zürich
044/ 248 44 11
www.tagesanzeiger.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 172'920
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Susanne Kühler
Gymnasium Rämibühl nicht besuchen:
Jöööh! Ein gerührtes Raunen geht je- Dort nimmt man keine Sänger auf, weil
weils durch die Konzertsäle, wenn Kna- deren Entwicklung wegen des Stimmbensoprane auftreten. Diese Buben, die bruchs schwer einzuschätzen ist. Also
so rein singen und dazu oft schmucke absolviert er ein normales Gymi - und
Uniformen tragen, gehören zu den At- erledigt das Musikpensum nebenher.
Themen-Nr.: 374.003
Abo-Nr.: 1044548
Seite: 25
Fläche: 57'018 mm²
men, und sie wusste durchaus, dass
Koopman Knabensopranen skeptisch
gegenüberstand: «Diese Stimmen verändern sich schnell, und die Musikalität ist
oft noch nicht ausgereift.» Der Verweis
auf Bachs Zeiten, in denen Knabensop-
Seine Eltern schütteln den Kopf dar- rane in den anspruchsvollsten Werken
traktionen eines Konzertbetriebs, in dem
das Herzige ansonsten keinen Platz hat. über. Beide sind Musiker, die Mutter eingesetzt wurden, hilft nicht weiter,
Bei Constantin Emanuel Zimmer- Cembalistin, der Vater Oboist im Ton- denn der Stimmbruch findet heute frühalle-Orchester. Es sei sowieso eine her statt als damals. Gerade von Bach
mann ist die Jöööh-Phase allerdings vorbei. Er sei einer der «sehr seltenen Knabensoprane, auf die das Beiwort <niedlich> nicht mehr zutrifft, die aber musikalisch etwas zu sagen haben», schreibt
Ton Koopman im Booklet zur gemeinsamen CD mit Schemelli-Liedern. 15 Jahre
alt ist Constantin mittlerweile, hochge-
schossen - und mitten im Stimmbruch.
Man hört es, wenn er erzählt, wie er immer schon gesungen habe: in der Familie, Kanons vor dem Einschlafen; später
bei den Luzerner und Zürcher Sängerknaben; mittlerweile als gefragter Solist.
Aber man hört es nicht, wenn er
singt. Zwar ist sein Sopran etwas tiefer
und abgeschatteter als früher, aber immer noch glöckchenrein. «Ich singe im
Moment irgendwo zwischen Knaben-
Gratwanderung, sagen sie, «man will ein weiss man, dass er jahrelang mit den BuKind nicht pushen, aber trotzdem sei- ben arbeiten konnte; dass ein 15-Jähriger
nen Begabungen entsprechend för- Sopran sang, war der Normalfall.
Einer von Bachs Schülern in Leipzig
dern». Diese Gratwanderung ist umso
heikler, wenn man sie allein und ausser- war der Sohn von Georg Christian Schehalb der Strukturen machen muss. Da ist melli, der heute vor allem wegen seiner
der Druck, weil man nichts verpassen 1736 publizierten Liedersammlung bewill. Und da sind praktische Probleme: kannt ist. Lange hatte man diese Lieder
So kollidieren Wettbewerbe immer wie- Bach zugeschrieben, aber nur drei dürfder mit dem Stundenplan; und das Üben ten von ihm stammen; manche sind
und die Hausaufgaben summieren sich schon aus dem 17. Jahrhundert überliebis weit in den Abend hinein. Alles zu- fert. Gemeinsam ist allen diesen Liedern
sammen sei schon viel, sagt Constantin. eine Einfachheit, die es Sängern schwer
Umso mehr freut er sich, dass er kürz- macht: Werden sie allzu kunstvoll gestallich die Aufnahmeprüfung ans neu ge- tet, wirken sie manieriert. Mit Laienstimschaffene Pre-College der ZHDK bestan- men dagegen klingen sie nach gar nichts.
Koopmans Idee, diese Musik mit eiden hat: Damit erhalten seine musikali- nem Knabensopran aufzunehmen, war
stimme und Falsett», sagt Constantin schen Aktivitäten eine institutionelle deshalb schlau: Constantin Emanuel
Zimmermanns Stimme hat Strahlkraft,
und dass seine Stimmlage vermutlich Basis, das wird vieles erleichtern.
Dass die Musik seine Zukunft ist, aber nichts Opernhaftes. Schlicht und
dereinst die eines Countertenors sein
werde. Er hätte nichts dagegen, «ich mag daran zweifelt Constantin ebenso wenig
Countertenöre, und auch das barocke wie seine Eltern und sein Lehrer. Wenn
er auf der Bühne stehe, so formuliert er
Repertoire, das sie vor allem singen».
es, «verschwindet alles andere». Und er
stand schon auf vielen Bühnen: etwa auf
Risiko für die Stimmung
Dass dieser Übergang so fliessend vor jener des Zürcher Opernhauses, wo er
sich geht, ist aussergewöhnlich. Den Bu- vor einem Jahr in Monteverdis «Il riben, die in den Stimmbruch geraten, rät torno d'Ulisse in patria» den Amor gab.
man in der Regel vom Singen ab; sie sol- Oder in der Tonhalle, wo er schon als
len erst wieder anfangen, wenn sich die 11-Jähriger Howard Blakes Filmmusical
neue Stimme stabilisiert hat. Auch Cons- «The Snowman» gesungen hat. Und natantin Emanuel Zimmermann hörte türlich bei Wettbewerben: 2013 holte er
diese Warnungen, und sie verunsicher- einen ersten Preis mit Auszeichnung
ten ihn: «Ich wollte unbedingt weitersin- beim Schweizer Jugendmusikwettbegen, und es ging ja auch gut. Aber ich werb, 2014 wurde er in Braunschweig
wollte die Stimme nicht kaputtmachen.» erster Bundessieger mit Höchstwertung
Mit Scot Weir fand er an der Zürcher am deutschen Bundeswettbewerb «JuHochschule der Künste einen Lehrer, gend musiziert».
der das Experiment wagen wollte; auch
der Opernhaus-Chorleiter Ernst Raffels- Schon Bach arbeitete mit Buben
berger arbeitet sporadisch mit ihm.
Auch bei Ton Koopman, dem illustren
Das ist umso wichtiger, als Constan- niederländischen Organisten, Cembalistin aus dem Rahmen fällt, den das ten und Dirigenten, musste er erst einSchweizer Schulsystem vorgibt. So kann mal vorsingen. Der Kontakt war über
er zum Beispiel das Kunst-&-Sport- Constantins Mutter zustande gekom-
Medienbeobachtung
Medienanalyse
Informationsmanagement
Sprachdienstleistungen
gar nicht süsslich besingt er den «süssen
Jesu», Triller und sonstige Verzierungen
setzt er nur sparsam ein (Koopman an
der Orgel ist da übermütiger). Und rasch
wird klar, dass da einer nicht nur eine
klare Stimme, sondern auch Sinn für
den barocken Stil, für musikalische Bögen, für Sprache hat.
Constantins Lehrer Scot Weir formuliert es so: Dass der Stimmbruch bei ihm
kontinuierlich vor sich gehe, sei ein
Glücksfall. Aber dass das musikalische
Verständnis so ausgeprägt sei: Das sei
schon ein kleines Wunder.
Constantin Emanuel Zimmermann,
Ton Koopman: Schemellis Gesangsbuch
(Challenge Classics).
Video Zu Besuch bei Constantin
Emanuel Zimmermann
zimmermann.tagesanzeiger.ch
ARGUS der Presse AG
Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich
Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01
www.argus.ch
Argus Ref.: 57981015
Ausschnitt Seite: 2/2