Die Beziehungen der EU zu Georgien, Moldau und der Ukraine

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„Running out of Patience?
The Relations of the EU with Georgia, Moldova and Ukraine“
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Mit der Geduld am Ende? Die Beziehungen der EU zu Georgien, Moldau
und der Ukraine
Am 13. Oktober 2015 luden die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Stefan-Batory-Stiftung
zu einer öffentlichen Diskussion zum Thema „Running out of Patience? The Relations of
the EU with Georgia, Moldova and Ukraine” ein. Bei der Veranstaltung stand die Frage im
Vordergrund, ob die Geduld der am Assoziierungsprozess beteiligten Akteure aufgrund
der letzten Ereignisse langsam schwindet.
Warschau. Im Jahr 2014 unterzeichneten Moldau, Georgien und die Ukraine im Rahmen
der Östlichen Partnerschaft Assoziierungsabkommen mit der EU, in denen die drei Staaten ihren Willen zu einer verstärkten Annäherung an die EU bekundeten. Allerdings wurden die dazu notwendigen Reformen bisher eher schleppend umgesetzt. Hinzu kommt
das Verschwinden von 1 Milliarde US Dollar aus dem Bankensystem der Republik Moldau
und regelmäßige Massenproteste in Chisinau, steigende Ungeduld seitens der EU und der
ukrainischen Zivilgesellschaft aufgrund der schleppenden Umsetzung der Reformen sowie
die Autoritäten in Georgien, die sich bei der zügigen Implementierung der notwendigen
Reformen ebenfalls zurückhaltend zeigen. So stellt sich die Frage, ob die Geduld der am
Assoziierungsprozess beteiligten Akteure langsam, aber sicher schwindet. Im Rahmen
des Projekts „Eastern Partnership Revisited“ verfassten Experten aus Georgien, Moldau
und der Ukraine Länderstudien, die die Fortschritte der Länder bei der Umsetzung von
Reformen analysieren und darauf aufbauend Empfehlungen für den weiteren Assoziierungsprozess geben. Die in einer Studie zusammengefassten Ergebnisse wurden im
Rahmen einer öffentlichen Debatte im Oktober in Warschau vorgestellt und diskutiert.
Victor Chirila von der Foreign Policy Association aus Moldau, Vano Chkhidvadze von
der Open Society Georgia Foundation sowie Gennadiy Maksak von der Polissa
Foundation for International and Regional Studies aus
der Ukraine diskutierten die zunehmende
Ungeduld
und die möglichen
Auswirkungen
die
drei
sowohl
für
Länder,
intern
als
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auch in ihren Beziehungen mit der EU. Zur Begrüßung gab Roland Feicht, Leiter der
Friedrich-Ebert-Stiftung in Warschau, einen kurzen Überblick über den Fortschritt der
Integration (teilweise Visaerleichterungen und Freihandelsabkommen) der drei Länder
seit 2014 und betonte die besondere Relevanz und Aktualität des Projekts im Hinblick auf
das gemeinsame Konsultationspapier, das von der Europäischen Kommission und der
Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik demnächst veröffentlicht wird. Grzegorz Gromadzki von der Stefan-Batory-Stiftung, der auch die Diskussion moderierte,
stellte die aktuelle Situation in den drei Ländern vor und leitete somit über in die Diskussion.
“We have the perfect
stage for escalation in
the political situation.”
Zum Einstieg bat Gromadzki die Teilnehmer um eine Einschätzung der aktuellen Situation in ihrem Land. Im Falle
Moldaus stellte Victor Chirila fest, dass die pro-europäischen
Proteste, die von der Bürgerplattform „Gerechtigkeit und
Wahrheit“ (Justice and Truth) organisiert würden, auf interne Probleme fokussierten und
ernsthaft anstrebten, die Situation zu ändern, von der pro-russischen Plattform in den
Schatten gestellt würden. Diese sei besser organisiert und spiele „ihr Spiel mit der Bevölkerung smarter“. Notwendig sei daher, dass die Autoritäten endlich reale Reformen
implementierten, allen voran im Justiz-, Bankensektor, und zudem die Korruption weiter
bekämpften. Sollte es keine weitere Annäherung Moldaus an die EU geben, könnte die
Möglichkeit in Betracht gezogen werden, sich mit Rumänien zu vereinen.
In der Ukraine sei es,
laut Gennadiy Maksak,
aufgrund
der
kurzen
Zeitspanne sehr schwierig,
den
Prozess
der
Umsetzung von Reformen jetzt schon zu beurteilen. Fünf Indikatoren könnten dabei jedoch helfen: 1. Der politische Wille. Dieser sei
mit einer pro-europäischen Regierung zwar prinzipiell vorhanden, doch häufig stünden
privaten Interessen weiterhin im Vordergrund. 2. Eine Reformstrategie. Ein Plan allein
reiche nicht, von den 18 Reformen müssten fünf priorisiert werden, um auch Ergebnisse
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vorzeigen zu können. 3. Institutionelle Kapazitäten. Es seien bereits neue Institutionen
geschaffen worden, doch diese würden vor allem im
Visa- und Anti-Korruptionssektor nicht ausreichen. 4.
Internationale Unterstützung. Dies sei ein sehr positiver
“We still have a perspective
in reform implementation.
I’m optimistic.”
Indikator, da die Ukraine sowohl von der EU als auch von der USA Unterstützung erhalte.
Lediglich der Informationsprozess könnte ausgebaut werden. 5. Starke Einbindung der
Zivilgesellschaft. 60% der Ukrainer hätten keinen Glauben an die Reformen und es gäbe
Anzeichen, dass auch NGOs unter Druck der Autoritäten stünden. Allerdings betonte
Maksak, es sei in der Ukraine nicht so rosig, dennoch sei er optimistisch.
“It could be the calm
before the storm.”
Obwohl es in Georgien vergleichsweise ruhig scheine, schätzte
Vano Chkhidvadze die Lage in Georgien in Anbetracht der kommenden Wahlen in 2016 und 2017 als angespannt ein. 45% der
Bevölkerung seien nach einer aktuellen Umfrage noch unentschlossen, welche Partei sie
wählen würden. Währenddessen erstarken antiwestliche und pro-russische Kräfte, die
sogar Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung hätten. Daher sei es momentan schwierig,
die notwendigen Reformen zu implementieren. Aufgrund des äußerst schwachen Parlaments und der fehlenden Strategie einer inkohärenten Regierung zeigte sich Vano
Chkhidvadze eher pessimistisch, was eine baldige Umsetzung der Reformen betrifft.
Auf Nachfrage von Gromadzki bewerteten die Experten den Einfluss von Kritik seitens der
EU auf die drei Länder. In der Ukraine fünde diese Kritik Beachtung, wohingegen die
moldauische Regierung und das Parlament solche Kritik weniger fürchteten. Solange die
Regierung den Oligarchen unterliege, würde sie der europäischen Kritik kein Gehör
schenken.
In
Georgien
gebe es zwei Umgangsweisen mit europäischer
Kritik: entweder die Regierung interpretiere und
lege die Kritik für sich
positiv aus oder sie beschuldige die Kritiker der
Voreingenommenheit
gegenüber Georgien.
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In der abschließenden Diskussion mit
dem Publikum betonten die Teilnehmenden, dass vor allem die Liberalisierung der Visabestimmungen für die
drei Länder ein großer Anreiz zur Implementierung der Reformen sei und
eine hohe psychologische Wirkung habe, wie am Beispiel von Moldau bereits
gesehen werden kann. Für Georgien,
so
Chkhidvadze,
sei
es
besonders
wichtig, die Liberalisierung der Visabestimmungen auf einem Verdienst basierenden Ansatz unabhängig von der Ukraine zu
behandeln. Außerdem betonte er, die aktuelle Flüchtlingsdebatte dürfe keinen Einfluss
auf die weiteren Verhandlungen mit Georgien haben, da die georgische Bevölkerung hohe
Erwartungen an die EU habe.
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