20Media Media 21 Lorenz Boegli, ein Siebdrucker ausserhalb der Norm Der Siebdrucker Lorenz Boegli hat sein Atelier seit 2011 in der Gemeinde Müntschemier, im Berner Seeland. Die Druckerzeugnisse, die er entwickelt, sind einzigartig, sie werden immer wieder ausgezeichnet. Zu Lorenz Boeglis Kunden zählen Weltmarken aus der Modeund der Uhrenindustrie, Bogenoffsetdruckereien im In- und Ausland sowie renommierte Künstler. Das Haus an der Bahnhofstrasse 17 in Münt schemier ist noch mit dem Namen Froidevaux Frères angeschrieben. Dabei haben die eins tigen Hersteller von Gehäusen für die Schwei zer Uhrenindustrie ihr Geschäft längst an bil lig produzierende Asiaten verloren und sind aus dem Gebäude ausgezogen. Ein leichter Geruch von Lösemittel steigt in die Nase. In den Werkstätten, wo noch bis im Jahr 2010 Feinmechaniker an Dreh- und Fräsmaschi nen gearbeitet haben, ist das Siebdruck gewerbe heimisch geworden. Im Jahr 2011 ist Lorenz Boegli von der Stadt Zürich nach Müntschemier im Berner See land umgezogen. Hier hat er sein SiebdruckAtelier eingerichtet. Warum der Wegzug aus einem urbanen Umfeld in die Provinz? «Weil ich hier viel näher bei meinen Kunden bin», erklärt er. Einige jener Druckereien, für die Lorenz Boegli arbeitet, zählen nämlich Unter Jürg Marti nehmen aus der Uhrenindustrie zu ihren Kun den. Wenn man so will, führt er ein Erbe der Froidevaux Frères fort. Lorenz Boegli ist Schriftenmaler und Sieb drucker von Beruf. Das Handwerk des Siebdruckers hat er bei Albin Uldry in Hin terkappelen gelernt, 1992 gründete er in Zürich seine eigene Siebdruckerei. In den ersten Jahren habe er als ein klassischer Sieb drucker gearbeitet, aber immer mehr Mit bewerber seien in das Geschäft mit dem UVLack eingestiegen, «ich wurde einer von vie len, die Preise brachen allmählich zusammen, ich musste mich neu orientieren». Er beginnt zu experimentieren. Als einer der ersten Siebdrucker druckt Lorenz Boegli iri sierende Pigmente in Halbtonbildern und fin det auf diesem Weg zu ungeahnten Effekt möglichkeiten. Er kombiniert metallische Farben mit matten und glänzenden Lacken, mit Deckweiss und Leuchtfarben. Die schöns ten Ergebnisse erzielt er auf Naturpapieren mit farbigem, dunklem, oft schwarzem Grund. Es fällt auf, wie viel schwarzes Papier Lorenz Boegli einsetzt. Nur der Siebdruck als Technik und er als Anwender seien in der Lage, fotografische Bilder in gerastertem Halbton negativ mit Lichteffekten darzustel len, sagt Lorenz Boegli. Er zeigt Goldeffekte ähnlich einer Folienprägung, phosphoreszie rende Halbtonbilder oder irisierende Drucke als Beispiele. Nein, bei ihm werde nicht Kunst gemacht, betont Lorenz Boegli. «Was ich tue, ist klar definiert, nichts entspringt dem Zufall.» Kre atives Drucken gibt es nach seinem Dafür halten nicht, drucken sei ein rein technischer Prozess. Das leuchtet ein. Wenn Lorenz Boeg li im Auftrag internationaler Luxusmarken mehrere tausend Umschläge für Pressemap pen, Kataloge oder Corporate-Broschüren pro duziert, muss ein Exemplar aussehen wie das andere – genau so, wie es in anderen indus triellen Druckverfahren auch gefordert ist. Der Druck an sich ist Mittel zum Zweck. «Ob ich im Siebdruck oder in einem anderen Druckverfahren arbeite, interessiert meine Kunden nicht. Was sie wollen, ist ein einzig artiges Resultat.» Aber Lorenz Boegli weiss, dass allein der Sieb druck ihn zu den gewünschten Resultaten führt. «Im Siebdruck bringe ich zwanzig bis achtzig Mal mehr Farbe auf das Papier als im Bogenoffset», erklärt er und spricht von bis zu dreiviertel Millimeter Farbschichtdicke. Die Pigmente könnten 50 oder 60 Mikrome ter gross sein, das ist rund das Zehnfache der Pigmentgrösse in Farben für den Offsetdruck. «Darin übertrifft keine andere Drucktechnik den Siebdruck», sagt Lorenz Boegli. Nur in diesem Verfahren erreiche er jene gewünsch ten Effekte mit ihrem reizvollen Wechsel spiel der Farben. Etwa sieben Prozent seiner Zeit investiert Lorenz Boegli in die Forschung und Entwick lung, wie er sagt. «In dieser Hinsicht kann ich mich durchaus mit der Pharmaindustrie mes sen.» Die schöpferische Unruhe führt ihn immer wieder zu neuen Entdeckungen. Jüngs tes Ergebnis seiner Forschungsarbeit ist der drucktechnische Aufbau eines Halbtonbilds aus den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau. Gemeinsam mit der Firma Merck, der Pigmentherstellerin, hat Lorenz Boegli hier massgebliche Grundlagenarbeit geleistet. Additive Farbmischung mit Druckfarben, wie kann das funktionieren? Lorenz Boegli erklärt: Wir separieren die Vorlage in die negativen Auszüge Rot, Grün und Blau. Mit einem Silberpigment bringen wir den gewünschten Kontrast und die Lichterzeich nung in das Bild. Die metallischen Pigmente reflektieren das auftreffende Licht, es findet in der Tat eine additive Mischung statt, die der Betrachter als die Farbtöne Cyan, Magenta, Gelb sowie die unbunten Grautöne bis hin zum Weiss wahrnimmt. Der RGB-Druck entfaltet seine Wirkung nur auf schwarzem Bedruckstoff. Indem der dunkle Grund das auftreffende Licht absorbiert, kommen die Farben des Druckbilds erst zur Geltung. Was Lorenz Boegli leistet, findet weltweit Anerkennung. Renommierte Fachverbände wie die Fespa (Federation of Screenprinting and Digital Printing Industry) oder die SGIA (Specialty Graphic Imaging Association, der US-amerikanische Siebdruckverband) zeich nen seine Arbeiten regelmässig mit ihren Preisen aus. Im Drucksaal hat Lorenz Boegli über hundert Gold-, Silber- und Bronzepreise eng aneinandergereiht. Lorenz Boegli ist heute ohne Konkurrenz. Er sieht sich als ein kleines Segelflugzeug im Zentrum eines Wirbels, wo rund um ihn die Preise immer stärker in einen Sog geraten. Lorenz Boegli selber könne sich dieser Kraft Lorenz Boegli, Siebdrucker: «Ob ich im Siebdruck oder in einem anderen Druckverfahren arbeite, interessiert meine Kunden nicht. Was sie wollen, ist ein einzigartiges Resultat.» entziehen. Durch herausragende Druck erzeugnisse setze er sich keiner negativen Preisspirale aus. Auch gegenüber äusseren wirtschaftlichen Einwirkungen zeigt sich der Geschäftsgang von Lorenz Boegli resistent. Selbst als im Januar 2015 die Schweizerische Nationalbank bekannt gab, den Frankenkurs gegenüber dem Euro nicht weiter zu stützen, spürte er kaum eine Auswirkung. Der 15. Januar 2015 sei für ihn ein Schock gewesen, sagt er. Immerhin erwirtschaftet er gut 15 Prozent seines Umsatzes im Euroraum. Doch was Lorenz Boegli befürchtete, trat nicht ein. Kein einziger Kunde habe über Preise diskutiert, obschon seine Leistungen von einer Minute auf die andere um 20 Prozent teurer gewor den waren. Gibt es für den Siebdruck eine Zukunft? Ohne Zweifel, antwortet Lorenz Boegli. So wie er das Verfahren anwende, sei der Siebdruck ohne Alternative. «Ich arbeite in einer Nische und bin darin einzigartig.» Aber soeben ist die Uhrenindustrie in eine neue Krise geraten, der starke Franken und eine schwindende Nachfrage vor allem in China liessen die Exporte einbrechen. Wird ihn nicht das gleiche Schicksal treffen wie die Froidevaux Frères vor ihm? Dafür sei er zu breit aufgestellt, sein Geschäft hänge nicht allein von den Uhrenherstellern ab. «Ich arbeite auch viel mit Künstlern zusammen, Urs Fischer, Christopher Wool, Yves Netz hammer oder Silvia Gertsch.» Also doch Kunst. «Nein», widerspricht Lorenz Boegli. «Die Kunst machen meine Kunden, sie kom men mit einer Idee zu mir, mit einem Wunsch oder einem fertigen Motiv. Meine Aufgabe ist auch hier einzig und allein, die Idee in einem technisch-kreativen Prozess zu verwirkli chen, auf die beste mögliche Art, so, dass ich erfüllen kann, was meine Kunden erwarten.» viscom print & communication | Nr. 5 | 1. März 2016
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