Abschlussbericht Name: Marit von Graeve Einsatzland: Südafrika Einsatzstelle: Food Bank Malmesbury, Ilinge Lethu Thusong Service Centre Berichtspanne: 25. Mai bis 20. September 2015 Abschied von einem anderen Leben Seit knapp einem Monat bin ich jetzt wieder in Deutschland und eigentlich ist alles wie immer, nur nicht ganz genauso. Es ist ein seltsames Gefühl, nach 11 Monaten wieder nach Hause zu kommen. Meinen letzten Bericht habe ich im Mai beendet, das kommt mir schon wie eine Ewigkeit vor. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Erinnerungen tauchen wieder in meinem Kopf auf. Im Mai feierte die Food Bank ihren ersten Geburtstag. Seit der Gründung hatten wir es geschafft, unsere Suppenküche kontinuierlich wachsen zu lassen und das musste natürlich gefeiert werden. Relativ spontan beschlossen wir fünf deshalb, zusammen nach Kapstadt zu fahren. Natürlich konnten wir nicht allzu viel Geld ausgeben, aber es war trotzdem ein sehr schöner Tag. Ich musste auch lernen, mit den Schuldgefühlen ob meines „hohen“ Gehalts umzugehen. Dabei war es eine der eher seltenen Gelegenheiten, mich mit den Frauen auch privat zu treffen, was ich sehr genossen habe. Im Mai passierte sonst nicht viel abgesehen von den letzten Vorbereitungen für unseren Urlaub in Namibia. Der Juni ist dafür die perfekte Zeit, da die Europäer eher in den Monaten davor und danach ins Land kommen, die Preise dementsprechend niedriger sind und die Trockenzeit beginnt, während der man die wilden Tiere sehr viel besser beobachten kann. Außerdem konnten wir so den Sommer noch ein bisschen verlängern, da es im Juni in Südafrika schon recht kalt wird. Namibia ist viel wilder und entspricht mehr dem Bild, das man von „Afrika“ im Kopf hat. Endlos weite Steppen und Wüsten, kaum Einwohner, viele Tiere, einige ungeteerte Straßen, die uns fünf Reifenpannen bescherten und gleichzeitig ein starker deutsch-postkolonialer Einfluss. In den wenigen Städten begegneten wir immer wieder Menschen, die Deutsch mit uns sprachen und in den Supermärkten gab es eine riesige Auswahl deutscher Importprodukte, die uns mehr freute als man das annehmen sollte. Auf unserer Rundtour besuchten wir alle wichtigen Orte, darunter der Fish River Canyon, Lüderitzbucht, Kolmanskop, Duwisib Castle, Sossusvlei, Swakopmund, den Etosha-Nationalpark, Windhoek und Keetmannshoop, und wir können jetzt behaupten, Namibia gut zu kennen. Für uns alle war es außerdem der erste CampingUrlaub, der aber abgesehen von den eisigkalten Nächten komfortabler verlief als gedacht. Namibia ist ein unglaublich schönes Land und ich bin froh, solche Landschaften jetzt mit meinen eigenen Augen gesehen zu haben. Kaum waren wir zurück in Südafrika, ging es eher stressig weiter. Am ersten Tag zurück in der Food Bank wurde ich gefragt: „Marit, hättest du nicht Lust, das Ferienprogramm in zweieinhalb Wochen zu organisieren? Wir brauchen da noch jemanden.“ Ob meine Zusage so eine gute Idee war, weiß ich bis heute nicht. Ich war diese ganze Zeit damit beschäftigt, hinter mehr als zwanzig verschiedenen Leuten her zu telefonieren, mal mit, mal ohne Erfolg E-Mails zu schreiben und Pläne auf- und umzustellen. Das eigentliche Ferienprogramm verlief dann einigermaßen nach Plan, oft mussten wir aber auch auf die Hilfe der uns unterstützenden Sportlehrer zurückgreifen und die Kinder mangels anderer Alternativen auf den Sportplatz schicken. Aus ihrer Perspektive nicht das Schlimmste. Und der größte Erfolg des Ferienprogramms liegt für mich in einem Satz eines Sportlehrers: „Am Anfang wollten die schwarzen und die Coloured Kinder nicht miteinander Fußball spielen, aber jetzt ist das überhaupt kein Problem mehr.“ Darum denke ich, dass es trotz aller Komplikationen die Mühe wert war. Nachdem das Ferienprogramm vorüber war, stellte sich der Alltag wieder ein. Unser größtes Problem und auch das vieler anderer bestand dann in der nationalen Gaskrise. Der Herd unserer Suppenküche benötigt Gas in Tanks, die dann angeschlossen werden. Aus mir nicht genau bekannten Gründen kam es dann zu einem Pipeline-Bruch o.ä. und die Gaslieferungen stockten. Die Krise wird wahrscheinlich noch einige Monate anhalten. Ob man Gas bekommt oder nicht, ist nun zum großen Teil Glückssache und wenn es nicht funktioniert, müssen wir auf Heizplatten oder bei Stromausfall auf dem Feuer kochen. Nichtsdestotrotz haben wir es geschafft, jeden Tag Essen auszuteilen. Zu meine wichtigsten Aufgaben in den letzten Wochen gehörten dann die Digitalisierung unserer Finanzen für die jährliche Buchprüfung (so habe ich das auch gleich mal gelernt), die Vorbereitung unserer nächsten Bewerbungen für Spenden, die Aktualisierung aller Internet-Auftritte und außerdem die Vorbereitung meiner Nachfolgerin auf ihre Arbeit in der Food Bank. Das war und ist eine riesige Menge an Informationen, die man weitergeben will/muss. Dazu kamen dann noch private Anliegen wie Studienwahl und Bewerbungen, Wohnheimsuche, Abschiedsgeschenke, letzte Wochenenden, Abschiedsbesuche und vieles, vieles mehr. Unserer Meinung nach haben wir in Südafrika jetzt wirklich alles gesehen, was man gesehen haben sollte, daher war das kein großer Punkt auf der Liste mehr. Stattdessen waren die Abschiede von all den lieben Menschen, die wir im Laufe des Jahres kennengelernt hatten, viel wichtiger. Ein letzter Besuch bei Freunden in Somerset West, in unserem Lieblingsrestaurant und –Café in Kapstadt, ein Pubbesuch mit Freunden in Wesbank, ein letztes Mal Reiten, ein letztes Abendessen mit meiner Gastfamilie. In den letzten Tagen kamen dann noch eine Überraschungs-Abschiedsfeier der Municipality, eine Feier mit den Frauen der Food Bank, ein Abschiedsessen bei meinem Afrikaans-Lehrer und seiner Frau und ein letzter gemütlicher Abend bei Freundinnen aus Malmesbury hinzu. All diese Verabschiedungen haben mir gezeigt, dass ich während dieses Jahres sehr viele Menschen getroffen hatte, die mir etwas bedeuten und die mich so gerne haben wie ich sie. Der Abschied fiel mir schwer, aber er hätte schöner nicht sein können. - Abschiedsfeier mit traditioneller Kleidung Mein Afrikaans-Zertifikat Drei Tage vor meinem Abflug kamen dann schon zwei der fünf nächsten „südafrikanischen“ Freiwilligen nach Malmesbury. So konnte ich ihnen alle wichtigen Orte und Personen zeigen und vorstellen. Im Endeffekt ist das aber auch etwas, das jeder alleine herausfinden muss, denn jeder Jahrgang unterscheidet sich voneinander. (Foto) Mein letzter Tag in der Food Bank: das Kleid war mein Abschiedsgeschenk. Dann habe ich mit großer Zuversicht meine Arbeitsstelle an meine Nachfolgerin übergeben. Die beiden nächsten Freiwilligen und meine Gastmutter brachten Jörgen und mich dann zum Flughafen und nach einem kurzen Zwischenstopp in Dubai kamen wir gegen Abend wieder in Hamburg an. Es war ein unglaubliches Gefühl, meine Heimat und meine Familie wiederzusehen – überwältigend und gleichzeitig doch so normal. Alles ist so wie immer, nur ein paar Kleinigkeiten haben sich verändert. Meine Geschwister sind größer, manche Dinge kenne ich nicht – der neue Zehn-Euro-Schein hat mich komplett überrascht. Doch der große Kulturschock, wie ich ihn bei anderen Freundinnen erlebt habe, ist genau wie bei der Ankunft in Südafrika völlig ausgeblieben. Nur manchmal merke ich, dass sich unterbewusst Verhaltensweisen bei mir verändert haben – beispielsweise war ich am Anfang immer noch etwas unruhig, wenn ich nachts durch die Stadt lief oder überprüfte bei Seilen o.ä. auf der Fahrbahn, ob das denn keine überfahrenen Schlangen wären. Das Gefühl der Sicherheit, das man in Deutschland einfach hat und über das man meistens gar nicht mehr wirklich nachdenkt, erfüllt mich manchmal noch mit Staunen. Bisher vermisse ich Südafrika nur selten, weil ich so froh bin, meine Familie und meine Freunde wiederzuhaben. Wir holen gerade nach, was wir in einem Jahr alles versäumt haben. Das schöne ist, dass es sich so anfühlt, als wäre ich nie weg gewesen. Manchmal denke ich noch an die lockere, entspannte Lebensart des letzten Jahres und versuche, diese so gut wie möglich in mein Leben hier zu integrieren. Ich schreibe meinen Bekannten und Freunden, habe noch einen Vortrag über die Food Bank gehalten, nehme an einem Buchprojekt teil und freue mich, wenn mich Leute auf mein Auslandsjahr ansprechen. Gleichzeitig ist es auch gut, dass mein Leben jetzt „normal“ weitergeht. Ich bin unglaublich dankbar für die Gelegenheit, dieses Jahr im Ausland verbracht haben zu dürfen. Ich weiß, dass ich mich verändert habe und erwachsener geworden bin. Jetzt gilt es, diese Erfahrungen auf mein Leben hier zu übertragen und das Beste daraus zu machen.
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