Zeitloser Klassiker Statt Ehrenb

24
Feuilleton regional
NUMMER 224
Volltreffer
zum Auftakt
Feuilleton kompakt
THEATER AUGSBURG
„Playboy“ wird wieder
aufgenommen
Jacob Karlzon im
Augsburger Jazzclub
Marijana Verhoefs Stück „Playboy“
wird am Donnerstag, 1. Oktober,
um 20.30 Uhr im Hoffmannkeller
wieder aufgenommen. Regie hat
darin Katrin Plötner geführt. Im
Stück geht es um Stevan Zecevic,
einen psychopathischen Gangster
und Geschäftsmann, der in der
Freizeit auch gern mal als Plüschhase seinen sexuellen Neigungen
nachgeht. Genau das wird ihm in
seiner Hybris zum Verhängnis.
Doch zum Glück sucht sein Chef gerade einen geeigneten Kandidaten
für die Nationalistische Partei Serbiens… Als Schauspieler sind Alexander Darkow, Helene Blechinger
und Sebastián Arranz im Hoffmannkeller zu sehen. (AZ)
VON ULRICH OSTERMEIR
KONZERT
Friedenslieder
in Herrgottsruh
Ein Friedenskonzert geben am
Samstag, 3. Oktober, um 17 Uhr in
der Wallfahrtskirche Herrgottsruh
bei Friedberg die Sängerin Alexandrina Simeon, der Trompeter
Stefan Wiedemann, der Drummer
Josias Goll sowie Roland Plomer an
der Orgel und am Piano. Moderiert wird das Konzert von Reiner
Philipp Kais. Anlass sind die vielen
Flüchtlinge, die vor Krieg, Verfolgung und Armut fliehen. Die
Gruppe Vocalissimo geht diesem
Thema nun in Wort und Musik
nach. Die Musiker werden Friedenslieder wie „Where have all the
flowers gone“, „Imagine“, „Wind
of change“. (AZ)
ULRICHSKIRCHEN
Orgelfestival in
den Ulrichskirchen
Unter dem Schlagwort „Faszination
Orgel“ stehen im Oktober vier
Konzerte in den Ulrichskirchen an.
Das erste am Sonntag, 4. Oktober,
um 16 Uhr in der Basilika St. Ulrich
& Afra heißt „Mit Pauken und
Trompeten…“ – die „Nördlinger
Bachtrompeten“ und der Organist
Peter Bader sind zu hören. Ökumenisches Orgelschlagen haben Michael Nonnenmacher (Kirchenmusikdirektor von St. Anna) und Stefan Saule (St. Moritz) ihr gemeinsames Konzert am 11. Oktober um
16 Uhr in beiden Ulrichskirchen genannt. Johann Sebastian Bach, seine Söhne und Schüler stehen am 18.
Oktober um 16 Uhr in ev. St. Ulrich im Mittelpunkt. Es spielen die
Ulrichsorganisten Peter Bader und
Wolfgang Kärner. Zum Abschluss
sind am 25. Oktober um 16 Uhr in
der Basilika Marie Wörle, Tyron
Kretzschmar, Marius Herb und Korbinian Schlosser zu hören. (AZ)
DIENSTAG, 29. SEPTEMBER 2015
Die Bibliothek der Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra stand im Spätmittelalter auch Augsburger Bürgern zur Verfügung. Seine Schreibstube war berühmt, seit 1472 bestand auch eine Druckerei im Kloster. Die Ansicht zeigt einen Ausschnitt aus dem kolorierten Stadtplan von Jörg Seld aus dem Jahr 1521.
Foto: Fred Schöllhorn
Augsburger Reformgeist
Geschichte Schriften zur geistlichen Erneuerung standen im Spätmittelalter hoch im Kurs.
Auch in der Reichsstadt taten sich die Drucker mit der Verbreitung hervor. Eine Spurensuche
VON ALOIS KNOLLER
Augsburg ging voran: Die Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra war
im 15. Jahrhundert das erste Kloster
im deutschen Sprachraum, in dem
knapp 20 Jahre nach Erfindung der
Druckerkunst, gleichzeitig eine leistungsfähige Schreibstube und eine
Druckerpresse existierten. Zudem
versorgte die Klosterbibliothek das
bildungseifrige Bürgertum freigiebig mit Literatur im Geist der mächtigen Reformbewegung dieser Zeit,
die sich aus Österreich von der Universität Wien und dem Kloster
Melk aus verbreitete. Mochte ihr
Brückenkopf in Bayern auch das
Kloster St. Quirin am Tegernsee
sein, die Weiterverbreitung von Reformliteratur lag in Augsburg.
Dem Thema widmete sich jetzt
interdisziplinär eine Tagung der Uni
Augsburg bei der Hanns-SeidelStiftung im malerischen Wildbad
Kreuth, geleitet von der Historikerin Gisela Drossbach und dem Germanisten Klaus Wolf. Denn es ging
um mehr als die Forderung, dass der
Abt wieder unter seinen Mönchen
leben und beten sollte anstatt abseits
herrschaftlich zu residieren. Das
ganze Kloster sollte wieder ein Zentrum der guten Sitten, verinnerlichter Frömmigkeit und vertiefter Bildung sein.
In den Büchern tauchten Illustrationen, Karten, Schaubilder auf, um
Wissen didaktisch geschickt aufzubereiten. Bücher sollten Nutz haben
für studierte Literati, die Latein verstanden, wie für Illiterati, die man in
der Volkssprache erreichte. „Man
kann im Spätmittelalter durchaus
schon von einer Wissensgesellschaft
sprechen“, meinte Wolf.
Texte der Wiener Hohen Schule
ließ man mit Vorliebe in Augsburg
drucken. Denn hier waren die Drucker aufs Deutsche spezialisiert, ihre
Sprache verstand man noch jenseits
des Mains. Das Büchlein „Von der
Liebhabung Gottes“ erschien hier
genauso wie ein Arznei-Ratgeber.
In Zeiten der Pest sollte sich ein umsichtiger Hausvater helfen können.
In der Reichsstadt selbst las man solche Werke, zumal Bürger wie der
Patrizier Johannes Gossembrot in
Wien studiert und Johannes Celler,
Verfasser eines (Augsburger) Passionsspiels für das Burgtheater, es in
Wien zum Arzt gebracht hatte.
Die Mönche von St. Ulrich und
Afra indes hinkten der Melker Reform hinterher. „Sie brauchen über
30 Jahre, bis sie Tegernsee um Reformatoren bitten“, merkte MarcAeilko Aris aus München süffisant
an. Dort begann das Kloster bereits
in den 1420er Jahren, sich zu erneuern, wenn auch manche Heuchelei
im Konvent noch zu überwinden
war. „Am Anfang gaben sie alle guten Willen vor…“, tadeln die Visitatoren. Kein Vergleich mit dem Reformeifer, den zur selben Zeit die
Augustiner Chorherren vorlegten,
wie Franz Machilek berichtete. Sie
hatten den großen Schlafsaal in Zellen aufgeteilt, damit jeder Chorherr
in Ruhe studieren konnte.
In Augsburg half Kardinal Peter
von Schaumberg nach, drängte 1458
Abt Johannes zum Rücktritt und
setzte als Mann der Melker Reform
Abt Melchior von Stamheim ein. Er
beschäftigte sich seit Einführung des
Buchdrucks in Augsburg Ende der
1460er Jahre damit, auch in der Abtei eine Druckerei einzurichten, um
die Mönche vom Müßiggang fernzuhalten. 1472 realisierte er diesen
Plan, das ambitionierte Projekt endete allerdings mit dem plötzlichen
Tod des Abtes 1474.
Uni-Bibliothekar Günter Hägele
hat erstmals die Sache erforscht und
trug gewissermaßen druckfrisch seine Ergebnisse auf der Tagung vor.
Hieß es bisher, die Ulricher Druckerei sei ein Fehlschlag gewesen,
wies Hägele nach, dass sie sogar ordentlich Gewinn abwarf. Zumal sie
Schriften im Geist der Erneuerung
auflegte, in knapp zwei Jahren immerhin ein volles Dutzend auf Latein und Deutsch, davon etliche
Erstausgaben. Etwa die Dialoge von
Papst Gregor dem Großen in deutscher Übersetzung des Johannes von
Speyer, Novizenmeister in Melk.
Etwa der „Spiegel der Erlösung des
Menschen“ mit Szenen aus dem Leben Jesu und Mariens – „gleichsam
eine Ikone der langjährigen persönlichen Beziehungen zwischen Melk
und Augsburg“, urteilt Hägele.
Pater Sigismund Meisterlin indes,
dem Christoph Paulus den „Urknall
der Historiografie“ mit seiner Chronographia Augustensium (1457) zuschrieb, galt in den Augen der Reformer als halsstarrig und unbotmäßig und sie empfahlen dem Frühhumanisten den Umzug ins Reformkloster S. Giustina in Padua. Er hielt
Distanz zum „neuen Joch“.
Der Jazzclub steht Augsburg bestens zu Gesicht: Er gibt der Jazzmusik mitten in der Stadt ein festes Zuhause und ist ein Ort spontaner Begegnungen. Das erste Konzert dort
war gleich ein Coup. Zur Weihe des
Hauses war Jacob Karlzon geladen.
Der weltweit bekannte schwedische
Jazz-Pianist trat nicht solo, sondern
mit seinem Trio auf.
Schon in „Running“, seinem Entree, zeigte sich, wie geschmeidig
sich Karlzon, Hans Andersson am
Bass und der Drummer Robert
Mehmet Ikiz aus Istanbul auf einer
Linie bewegten. Karlzons Herz
schlug für Songs, für Melodien. Ins
Ohr gehende Motive leuchteten auf,
die der Bass als Bindeglied aufgriff.
Dabei dominierten Karlzons betörende Pianofarben, die von Bass und
Schlagzeug intensiviert und komplementär ergänzt wurden.
Dadurch gewann dieser Jazz eine
Leuchtkraft, wie sie signifikant für
Karlzons jüngste CD „Shine“ ist,
von der etliche Songs gespielt wurden. In „Bubbles“ waren aufsteigende Luftblasen zu hören, impressionistisch feingezeichnet. „Innerhills“ führte hinein in besinnliche
Reflexion, Karlzons pianistisches
Feingefühl lies den Flügel fein nuanciert singen. Exotisch gefärbt war
„Outsourced“, gewann rhythmische
Sprengkraft, die Instrumente rieben
sich aneinander, entfalteten indisches Flair, Ikiz’ Soli hatten TablaQualität. Feuer war unterm Klubdach.
Solo zielte Karlzon auf kontemplative Momente ab: „Mad World“
(von der Popgruppe „Tears“) überführte er in berührende Piano-Lyrik, „The more I find you“ lotete er
tief aus, ehe „Fool’s gold“ über wiederkehrende Motive wiederum
Trio-Intensität gewann. Der rappelvolle Jazzclub war aus dem
Häuschen.
Jacob Karlzon bei seinem Auftritt im
Jazzclub Augsburg.
Foto: Herbert Heim
Zeitloser Klassiker
Statt Ehrenbürger ein Volksfeind
Theater I „Onkel Toms Hütte“ in ansprechend aktualisierter Form
Theater II Rufus Beck in Neusäß in einer Ibsen-Inszenierung
VON THOMAS NIEDERMAIR
„Willkommen im Gefängnis! Erwarten Sie keine teuren Kostüme!
Das hier ist sicher nicht ,Vom Winde verweht‘.“ Gut so, denkt man
sich bei den einführenden Worten
von Ron Williams in der Stadthalle
Gersthofen, denn der Erfolg einer
Inszenierung des 1852 veröffentlichten Romanklassikers von Harriet Beecher Stowe hängt nicht von
einer opulenten Ausstattung ab.
Dass „Onkel Toms Hütte“, am
Samstag in Gersthofen (nur einen
Tag nach der Premiere) durch die
Kempf-Theatergastspiele zur Aufführung gebracht, verdientermaßen
mit Stehapplaus bedacht wurde,
hatte andere Gründe.
Die Kernbotschaft des Romans,
dass die Versklavung der Afroamerikaner des 19. Jahrhunderts ein
himmelschreiendes Unrecht ist,
wurde in dem Schauspiel mit (viel)
Musik (Regie: Frank Lenart) wirkungsvoll vermittelt. Dazu trug eine
in der Gegenwart angesiedelte Rahmenhandlung bei. In dieser lässt
Tom Rutherford (Ron Williams),
ein Sozialarbeiter mit Gangsterver-
gangenheit, in einem US-Knast vier
junge Inhaftierte das Stück „Onkel
Toms Hütte“ aufführen.
Theater im Theater wurde also
gespielt, wobei die Essenz des Romans in auf das Wesentliche reduzierter Form herausgearbeitet wurde. In rascher Abfolge schlüpften
der Schwarze Billy (Simon Berhe),
die Asiatin Hitomi (Anna Takenaka)
und die beiden Weißen Sugar (Stephanie Marin) und Dave (Karsten
Kenzel) in die Rollen diverser Figuren. Für die Häftlinge wie fürs Publikum taten sich ungewohnte Perspektiven auf, wenn etwa Billy (als
weißer Sklavenhändler!) Veränderungen an sich wahrzunehmen begann: „Ich spürte, dass es mir allmählich Spaß machte, diesen Schinder Haley zu spielen.“
Das kleine, sehr feine Ensemble
um Ron Williams, der in der Titelrolle glänzte, agierte homogen. Da
alle fünf Akteure auch famos sangen, entfalteten Spirituals („Go
Down, Moses“, „Old Man River“),
Evergreens („Over the Rainbow“),
Rap-Nummern („Born in the
Streets“) und neue Songs (von Ron
Williams) große Kraft. Haindling-
Tastenmann Michael Mufty Ruff
war als „lebenslänglich verurteilter
Barney“ für die (souveräne) musikalische Leitung zuständig.
Dass in dieser Inszenierung über
das tragische Schicksal des selbstlosen Christen Onkel Tom und der
rechtlosen Sklaven des 19. Jahrhunderts auch polizeiliche Gewalt- und
Willküraktionen gegenüber Afroamerikanern in den heutigen USA
zur Sprache kamen, trug zum Gelingen des herzhaft-kraftvoll gespielten Stückes zusätzlich bei.
VON CLAUDIA HAMBURGER
Ron Williams in der Stadthalle GersthoFoto: Siegfried Kerpf
fen.
Rufus Beck und Christiane Mudra in „Ein
Foto: Michael Hochgemuth
Volksfeind“.
Der Schauspieler Rufus Beck spielt
lieber auf großen Bühnen. Dort
gebe es mehr Platz, sich zu entfalten, sagt er. Die Stadthalle in Neusäß passt da vermutlich nicht so ganz
in seine Wunschvorstellung. Denn
hier, übertreibt der 58-Jährige ein
wenig, müsse man beim Spiel aufpassen, nicht gegen einen der
Scheinwerfer zu stoßen. Dass sich
der Schauspieler eingeschränkt
fühlt, merkt man ihm (und den an-
deren Darsteller der „Theatergastspiele Kempf“) aber glücklicherweise nicht an.
Denn in Henrik Ibsens „Der
Volksfeind“ wirft Beck mit Stühlen
und Schuhen, schreit, gestikuliert
und mosert. Überzeugend verkörpert er den Badearzt Thomas Stockmann, der einen Umweltskandal
aufdeckt. Stockmann wird nicht,
wie von ihm erträumt, zum Volkshelden oder gar Ehrenbürger seiner
Kleinstadt ernannt. Und auch die
von seiner schwangeren Frau erhoffte Gehaltserhöhung steht nicht
an. Stattdessen wird der Badearzt im
Laufe des Stückes zum Volksfeind,
ihm werden Lügen vorgeworfen,
Manipulation. Die Öffentlichkeit,
von der Presse einseitig informiert,
sieht Spekulation und Gewinnsucht
hinter seinen Anschuldigungen. So
gerät Stockmann in einen Sumpf aus
Korruption, Macht, Vetternwirtschaft und mangelnder Zivilcourage, in dem wirtschaftliche Interessen höher gestellt werden als die Gesundheit der Bürger.
Die Themen sind in der Gegenwart aktuell, auch wenn das Stück
bereits aus dem Jahr 1882 stammt.
So dürfte es Autor Rainer Erler
nicht schwergefallen sein, den Stoff
in die Jetztzeit zu überführen. Seine
Neufassung ist stark verdichtet, ein
kompakter Ibsen sozusagen. Er hat
das Stück auf sechs Rollen (die Kinder des Ehepaars Stockmann kommen beispielsweise nicht vor) und
nur die wichtigsten Handlungsstränge reduziert. In der Inszenierung von Christoph Brück dauert
das Ganze gerade einmal eineinhalb
Stunden. Dennoch hat man nicht
das Gefühl, dass etwas fehlt.
Auch nicht der Platz auf der Bühne, den Beck in der Pause im Gespräch bemängelt. Auf der leicht
schrägen Ebene, auf der sich Wasserhahn und Wasserrinne befinden,
gelingt es den Schauspielern, ihre
Rollen mit Leben zu füllen. Dabei
überzeugen besonders Michael Rast
als Landrat Peter Stockmann sowie
Manuel Klein als Redakteur Hovstadt. Sie kreieren einen netten
Theaterabend mit einem leicht zugänglich inszenierten Stück, angereichert mit einer Prise Witz. Das
Publikum dankt mit Applaus, der
für eine Abo-Eröffnung aber noch
größer hätte ausfallen können.