Bin vorbereitet

Jürg Stahl – Turner und Sportpolitiker
«Bin vorbereitet»
Die Swiss-Cup-Geschichte startet 1982 in der Saalsporthalle Zürich. Der «neue» Paar-Wettkampf
begeistert 2000 Fans. 2015 steht OK-Präsident Jürg
Stahl vor «seinem» letzten Swiss Cup Zürich als
«Chef». Wie ist das, welches Fazit zieht er und wer ist
Stahl eigentlich? Gesichert ist, er hat ein gefährliches
Hobby, ist ausgebildeter Leichtathlet und kann mit
dem STV-Stafettenstab bestens umgehen: «Auf die
Plätze. – Fertig. – Los!».
Jürg Stahl, wie charakterisierst du dich als Mensch selber,
stelle dich bitte den GYMlive-Lesenden vor.
Jürg Stahl: Ausgewogen, ausgeglichen und ehrgeizig mit einer grossen
Portion Kameradschaft.
Rollenspiel: Jürg, angenommen, du wärst ein Topkunstturner, mit welcher Turnpartnerin möchtest du beim
Swiss Cup Zürich 2015 um den Sieg turnen?
(überlegt, wägt ab, schmunzelt) Eine Russin, eine Rumänin? – Nein:
Giulia Steingruber!
Warum Steingruber?
Sie ist eine ehrgeizige und aufgestellte junge Frau, die ihren Weg geht.
Trotz der Erfolge hat sie den Bezug zur Turnfamilie und steht mit beiden Beinen auf dem Boden.
Mit welchem Barren-Element würdest du deine Turnpartnerin Steingruber beeindrucken?
Auf einen Blick: Jürg Stahl
Vorname, Name: Jürg Stahl, Rufname «Tschüge»
Geburtsdatum/Sternzeichen: 16. Januar 1968 / Steinbock
Grösse / Gewicht: 1,76 m / 90 kg
Wohnort/Internet: Brütten / www.juergstahl.ch
Ausbildung/Beruf: eidg. dipl. Drogist, Nachdiplomstudium HSG KMU
Zivilstand: Verheiratet mit Sabine
Verein: MR Brütten
Funktionär: Exekutivrat Swiss Olympic, Präsident Swiss Cup Zürich –
«Weltklasse Turnen», STV-ZV-Mitglied (bis 2013), Ehrenmitglied STV,
Nationalrat (zweiter Vizepräsident)
Aktive Sportarten: MR Brütten, Tennis und Ski fahren
Erstes Turnelement: Rolle vorwärts – «Purzelbaum»
Bestzeit über 100 m: 11,55 Sekunden
Besthöhe im Stabhochsprung: 4,40 Meter
Grösste sportliche Leistung: 6650 Punkte im Olympischen LA-Zehnkampf,
Sieger KTF Zürich 1993 (Pfungen)
Hobbys: Sport allgemein, Krimis, Lesen, Taschenmesser sammeln und
Gemütlichkeit
Lieblingsessen: «Sabine-Spaghetti von meiner Frau – genial.»
Lieblingsmusik: «Eros Ramazzotti, dies ist meine weiche Stahl-Seite.»
Literatur: Schwedische Krimis
Zuletzt gesehener Kinofilm: «‹Der Goalie bin ig›, von Sabine Boss nach
dem Buch von Pedro Lenz.»
Kleiderstil: Unspektakulär
Das nervt: «Die wichtigtuenden Lauttelefonierer im IC Bern–Zürich.»
Ein Wunsch: «Olympische Spiele in der Schweiz.»
«Wenn wir international mithalten wollen, brauchen wir eine
stärkere Förderung.»
Mit der Kreishochwende habe ich am Barren meinen LK-5-Kunstturnhöhepunkt erreicht. Ob dies Giulia beeindrucken würde, weiss ich nicht.
– Ich versuche ihr mit dem Swiss Cup Zürich lieber eine optimale Plattform zu bieten.
«
Es war ‹der› Meilenstein in Richtung einer Schweizer
Sport-Topveranstaltung.
»
Ende Rollenspiel: Die Swiss-Cup-Zürich-Geschichte
startete 1982, du warst 14 Jahre alt. Erinnerst du dich
an den ersten Swiss-Cup-Besuch – was blieb haften?
Mit meinem Vater, er war KTV-Zürich-Präsident, besuchten wir viele
Turnanlässe. Die Jahrzahl weiss ich nicht mehr. Ich erinnere mich an die
engen Platzverhältnisse, die vielen Zuschauer in der Saalsporthalle und
an die Kunstturner, die wir bewunderten.
Der Swiss Cup fand in der Saalsport-, der Kreuzbleiche-Halle
St. Gallen und findet seit 2006 im Hallenstadion statt.
Weshalb war der Hallenwechsel-Entscheid 2006 richtig?
Es war ‹der› Meilenstein in Richtung einer Schweizer Sport-Topveranstaltung. Die Ansprüche der Zuschauenden und der Turnenden stiegen.
Um dem gerecht zu werden und in dieser Liga mitspielen zu können,
war der Wechsel nötig.
Hast du dich schon gefragt, weshalb es jeweils nicht einfach ist, das Hallenstadion mit Zuschauenden zu füllen?
STV-Stafette |
Fotos: Peter Friedli
Solche Gedanken erreichen mich regelmässig. Wir versuchen immer besser zu werden und wollen die Turnfamilie begeistern, dass sie den Spitzensport als Teil der
Familie sieht. Die Zuschauerentwicklung enttäuscht
mich nicht. Die Anwesenden wollen wir zufriedenstellen, die Abwesenden verpassen etwas.
Der Swiss Cup Zürich 2015 ist der letzte
mit dem Präsidenten Jürg Stahl. Seit 2008
stehst du dem internationalen Turnanlass
vor. Warum ist jetzt Schluss?
Das Vizepräsidium im Nationalrat beinhaltet eine
markante Mehrbelastung. Hinsichtlich der Zukunft
möchte ich mich auf mein Amt konzentrieren. Der
Swiss Cup Zürich ist optimal aufgestellt. Mein Rücktritt bietet der ‹Crew› die Möglichkeit, in die nächste
Dekade zu gehen. Meine Wirkung überschätze ich
nicht in dem Ausmass, dass ich der entscheidende
Swiss-Cup-Faktor bin.
«Optimale Plattform bieten.»
GYMlive 5/15
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Sportpolitik: Ein ‹Dauerlauf um Geldtöpfe›. Gibt es beim Swiss-Olympic-Exekutivrat Stahl, der Geld will, und dem Politiker Stahl, der sparen muss/will,
Interessenkonflikte?
Interessenkonflikte sind Dauerbegleiter. Da habe ich
keine Hemmungen, Breiten- und NachwuchssportGelder einzufordern, damit wir Leistungssport betreiben können. Mehrheitlich reparieren wir Politiker ja
‹Schäden› in der Gesellschaft. Sport ist eines der wenigen Elemente, wo nicht repariert, sondern der Teppich
für Lebensschule, Bewegung, Kameradschaft, Fairness,
Gewaltfreiheit, Integration und Freude ausgelegt wird.
Wenn wir international mithalten wollen, brauchen
wir eine stärkere Förderung.
Wie beurteilst du die nationale, sportliche
Grosswetterlage. Stichworte: Sportverbände, Breite/Spitze, Sport-Grossanlässe?
Die Schweiz spielt eine wichtige Rolle. Beweis sind die
Sportverbände, die ihre Hauptsitze bei uns haben.
Grund sind nicht die Steuern. Es sind die weichen Faktoren, die zählen: Sicherheit, Stabilität, Bildung, Ver«Kein Feierabendentscheid.»
kehrsanbindung und so weiter. Zur oft kritisierten
Grossanlass-Vergabe. Eventuell waren wir mit der KanBezüglich Wünsche gilt das Persönlichkeitsgeheimnis. Als Swiss-Olym- didatur 2022 voraus. Genau solche Spiele werden jetzt angestrebt. Unpic-Exekutivrat habe ich den Quervergleich zu anderen Spitzenathleten. serer Jugend können wir in der kommenden Dekade 2020–2030 OlymIch stelle fest: Turnerinnen und Turner sind pflegeleicht und auf dem pische Spiele im eigenen Land ermöglichen, da bin ich zuversichtlich.
Boden geblieben. Spezialwünsche sind selten, machbare erfüllen wir. Das
reicht von Shoppen über Essen bis zu besonderen Transporten. Haften Jürg, vervollständige zum Schluss bitte folgende Sätze:
bleibt der Athleten-Transfer vom Memorial Gander in Chiasso nach Zü- Mein persönliches Engagement im und für den Sport,
rich, nach ergiebigen Schneefällen, ich war wie auf Nadeln, oder der trau- bedeutet mir …
rig-emotionale Achillessehnenriss von Oksana Tschussowitina.
… Kameradschaft, Befriedigung und Motivation, es weiterhin zu tun.
Deine Stafetten-Vorläuferin Myriam
Bertholet-Laala interessierte es, ob die
Turnenden jeweils besondere Wünsche
haben und was du als speziellste SCZ-Erinnerung mit in den ‹Ruhestand› nimmst?
War der Rücktrittsentscheid schwer, was hast du in den
acht SCZ-Jahren gelernt?
Dass unsere Ehrenamtlichkeit einzigartig und es anspruchsvoller ist,
ehrenamtliche Teams zu führen als solche in der Privatwirtschaft. Es war
kein Feierabendentscheid, der leichtfiel. Eventuell zögerte ich zu lange,
der Entscheid ist vernünftig.
Themawechsel: Bekannt ist, dass im Hause Stahl Nachwuchs unterwegs ist. Wie läuft es, wann ist es so weit,
bist du vorbereitet?
In fünf Jahren wird der Swiss Cup Zürich …
… 10 000 Zuschauer haben.
Windeln wechseln wird für mich kein Problem darstellen, weil …
… es für mich selbstverständlich ist, in einer Familie und Partnerschaft
einander zu helfen. Das bin ich mir von meinem fast viereinhalb Jahrzehnte langen ehrenamtlichen Einsatz her gewohnt.
Interview: Peter Friedli
(lacht) Soweit ich es beurteilen kann, bin ich vorbereitet. Meiner Frau
geht es gut, wir fühlen uns wohl. Der Sommer war warm, mit einem dickeren Bauch wird das spürbar. Der offizielle Geburtstermin ist drei Tage
nach dem Swiss Cup. Böse Zungen behaupten, ich hätte gut geplant: etwas abschliessen, dann kommt das Nächste.
Du sammelst Taschenmesser, das ist besonders. Was
steckt dahinter, wie gross ist die Sammlung?
Stabübergabe an …
Taschenmesser sind speziell: Schweizer Qualität, Einfachheit, Tradition,
sie haben emotionale Werte. So vergiftet wie ich mich dem Sport widme,
geht es beim Sackmesser sammeln sicher nicht zu und her.
Jürg Stahl, der werdende Vater, Turner, Zehnkämpfer, Nationalrat und Sportfunktionär, überreicht den STV-Stafettenstab an
Christoph Walter aus Sursee. Walter ist Musiker, Komponist,
Arrangeur und vielen STV-Turnenden bekannt als «Bandleader»
des «Gymotion»-Live-Orchesters im Hallenstadion.
Gibt es ein Messer, auf das du besonders stolz bist?
Natürlich, das Messer von Alt-Bundesrat Ogi. Er spielt in meiner Entwicklung eine wichtige Rolle. Als junger Offizier, voll im Saft und mit
Politik noch nichts am Hut, überzeugte er mich, dass die Mischung Sport
und Politik geht. Ich freue mich über alle Modelle, jedes hat seine Geschichte.
Stahl möchte von Walter wissen, wie, wann und was für Sport
er mit wie viel Aufwand treibt und welches die letzte Aktivität sei,
die der Musiker jeweils vor wichtigen Schau-Auftritten macht.