Lagebild Verfassungsschutz 2014

Lagebild
Verfassungsschutz
2014
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort Innenminister Klaus Bouillon ...............................................4
I. Der Verfassungsschutz im Saarland ...............................................6
1. Gesetzliche Grundlagen .........................................................................................6
2. Aufgaben ...................................................................................................................6
2.1 Beobachtungsaufgaben........................................................................................6
2.2 Mitwirkungsaufgaben...........................................................................................7
3. Arbeitsweise..............................................................................................................7
4. Kontrolle.....................................................................................................................8
5. Aufbauorganisation des LfV Saarland.................................................................9
II. Rechtsextremismus........................................................................ 10
1. Allgemeines............................................................................................................ 10
1.1 Ideologie................................................................................................................ 10
1.2 Entwicklung/Tendenzen.................................................................................... 10
1.3 Personenpotenzial.............................................................................................. 13
1.4 Politisch motivierte Kriminalität (PMK) mit
rechtsextremistischem Hintergrund............................................................... 14
2. Einzelaspekte.......................................................................................................... 16
2.1 NPD........................................................................................................................ 16
2.1.1 Organisationsstruktur der Saar-NPD........................................................... 16
2.1.2 Beteiligung der Saar-NPD an der Europawahl........................................... 17
2.1.3 Beteiligung der Saar-NPD an der Kommunalwahl................................... 17
2.1.4 Sonstige nennenswerte regional-politische Aktivitäten der NPD......... 19
2.1.5 Beteiligung der Saar-NPD an überregionalen Aktivitäten....................... 20
2.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten und gewaltorientierte
Rechtsextremisten – insbes. Skinhead-/Kameradschafts-Szene ........... 22
2.2.1 Skinhead-Subkultur/“Hammerskins“(HS)................................................. 22
2.2.2 Kameradschaften............................................................................................ 22
2.2.3 Rechtsextremistische Musik......................................................................... 23
2.3 Nutzung neuer Medien - Saarländische Rechtsextremisten online......... 24
III. Linksextremismus......................................................................... 25
1. Allgemeines............................................................................................................ 25
1.1 Ideologie................................................................................................................ 25
1.2 Entwicklung/Tendenzen.................................................................................... 25
1.3 Personenpotenzial.............................................................................................. 26
1.4 Politisch motivierte Kriminalität (PMK).......................................................... 37
2. Einzelaspekte.......................................................................................................... 28
2.1 Organisierter Linksextremismus...................................................................... 28
2.1.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP)..................................................... 28
2.1.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD).......................... 29
2
2.2 Gewaltorientierter Linksextremismus............................................................ 30
2.2.1 Autonome.......................................................................................................... 30
2.2.2 Antiimperialistische Szene Saar................................................................... 37
IV. Ausländerextremismus
(ohne Islamismus/islamistischer Terrorismus)......................... 39
1. Allgemeines............................................................................................................ 39
1.1 Ideologie................................................................................................................ 39
1.2 Entwicklung /Tendenzen................................................................................... 39
1.3 Personenpotenzial.............................................................................................. 40
1.4 „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK)....................................................... 41
2. Einzelaspekte ......................................................................................................... 42
2.1 „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK).................................................................... 42
2.1.1 Allgemeine Lage, Entwicklung...................................................................... 42
2.1.2 Struktur.............................................................................................................. 45
2.1.3 Exekutivmaßnahmen...................................................................................... 46
2.1.4 Veranstaltungen/Aktivitäten der saarländischen Anhängerschaft....... 46
2.2 „Liberation Tigers of Tamil Eelam” (LTTE)...................................................... 49
V. Islamismus/islamistischer Terrorismus...................................... 51
1. Allgemeines............................................................................................................ 51
1.1 Ideologie................................................................................................................ 51
1.2 Entwicklung/Tendenzen.................................................................................... 51
1.3 Personenpotenzial.............................................................................................. 52
2. Einzelaspekte.......................................................................................................... 53
2.1 Islamistischer Terrorismus............................................................................... 53
2.2 Islamismus im Saarland.................................................................................... 54
VI. Spionage-/ Sabotageabwehr, Wirtschaftsschutz..................... 56
VII. Organisierte Kriminalität............................................................. 60
Anhang.................................................................................................. 61
3
Klaus
Bouillon
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
auch im Jahr 2014 wurde uns vor Augen geführt, dass es eine Vielzahl von
Bestrebungen in unserem Land gibt, die sich gegen die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung stemmen. Jener Werte, die aus den
Erfahrungen unserer Vergangenheit geboren wurden und zu wichtigen Säulen
unserer Demokratie geworden sind, die es zu verteidigen gilt. Der Verfassungsschutz ist dabei eine wesentliche Institution zum Schutz dieser Werte
und unverzichtbares Instrument unserer wehrhaften Demokratie.
Gefahren für unsere Demokratie und die Sicherheit unseres Landes werden
uns täglich durch die mediale Berichterstattung bewusst gemacht. Dabei
zeigen die Taten von islamistischen Terrorgruppen wie der „Boko Haram“
oder des „Islamischen Staates“ in erschreckender Weise die Entschlossenheit
dieser Terroristen, zum Erreichen ihrer Ziele alle Mittel im Kampf gegen die
westlichen Werte einzusetzen. Eine Reihe von Anschlägen in der Vergangenheit, nicht zuletzt Anfang 2015 in Paris, macht uns dies immer wieder
bewusst. Allerdings sind es oftmals nicht an Organisationen gebundene, sondern vielmehr fanatisierte Einzeltäter, die in hasserfüllter Weise bereit sind,
unschuldige Menschen zu töten.
Daher gilt es auch weiterhin, verfassungsfeindlichen oder gar terroristischen
Bestrebungen mit einem selbstbewussten und gut aufgestellten Verfassungsschutz wirksam entgegenzutreten. Im Rahmen der Aufarbeitung der Mordtaten des Nationalsozialistischen Untergrunds wurden Defizite im Austausch
von Informationen zwischen den Nachrichtendiensten, Polizei und Justiz
festgestellt. Deshalb haben sich die Innenminister auf eine Neuausrichtung
des Verfassungsschutzes verständigt, deren Ergebnisse zum Teil bereits umgesetzt bzw. noch in den zuständigen Gremien beraten werden.
So kam man im Saarland mit der Veröffentlichung des „Lagebildes Verfassungsschutz“ der Forderung nach einem ‚Mehr‘ an Transparenz nach. Darüber hinaus haben wir mit Blick auf die zunehmende Nutzung des Internets
4
sowohl zur Verbreitung extremistischer Propaganda, als auch zur Rekrutierung von Personen und Werbung von Sympathisanten und Unterstützern in
unserem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) mit dem Aufbau eines Referates „Nachrichtendienstliche Internetauswertung“ begonnen und damit eine
weitere Forderung im Prozess der Neuausrichtung umgesetzt. Das Internet
hat sich mittlerweile zu dem wichtigsten Kommunikationsmedium weltweit
und zu einer „virtuellen Parallelwelt“ entwickelt, die im Schutz einer vermeintlichen Anonymität Radikalisierungsprozesse in Gang setzen bzw. beschleunigen kann. Daher muss sich auch der Verfassungsschutz diesen veränderten
Lebenswirklichkeiten stellen und seine Aufklärungstätigkeit auf das Internet
ausweiten.
Der Beobachtungsschwerpunkt des LfV Saarland lag auch im Jahr 2014 in
den Bereichen des gewaltbereiten Rechtsextremismus und des Ausländerextremismus. Darüber hinaus war die Beobachtung im Bereich des Islamismus
insbesondere auf den Salafismus ausgerichtet, der in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen auch im Saarland eine nicht zu unterschätzende
Anziehungskraft insbesondere auf junge Menschen hat. Hier zeigte sich im
Berichtsjahr eine deutliche Belebung der personellen und organisatorischen
Strukturen, deren Entwicklung auch weiterhin im Blick unseres Verfassungsschutzes stehen wird.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch in diesem Jahr möchten wir Ihnen
die Arbeitsergebnisse unseres Verfassungsschutzes durch die Präsentation
dieses Lagebildes nahebringen. Nutzen Sie die Möglichkeit, sich zu informieren und mit uns in den Dialog einzutreten ¬– das Landesamt für Verfassungsschutz wird auch zukünftig für die Gewährleistung der Sicherheit zum Wohle
aller Saarländerinnen und Saarländer eintreten.
Abschließend möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
des Saarländischen Landesamtes für Verfassungsschutz für die geleistete
Arbeit und ihren Einsatz für den Schutz unserer freiheitlich demokratischen
Grundordnung ganz herzlich bedanken.
Saarbrücken, im Juni 2015
Klaus Bouillon
5
I.
Der Verfassungsschutz im Saarland
1.
Gesetzliche Grundlagen
Die wichtigste gesetzliche Handlungsgrundlage für das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist das Saarländische Verfassungsschutzgesetz (SVerfSchG). Eingriffe in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger unterliegen den
rechtsstaatlichen Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts sowie der Verhältnismäßigkeit und sind gerichtlich nachprüfbar.
2.Aufgaben
2.1Beobachtungsaufgaben
Die zentralen Aufgaben des LfV sind im § 3 Absatz 1 SVerfSchG zusammengefasst. Hiernach beobachtet das LfV
•
Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen die
freiheitlich demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine
ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der
Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer
Mitglieder zum Ziel haben,
•
Sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im
Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht,
•
Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich
des Grundgesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf
gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der
Bundesrepublik Deutschland gefährden,
•
Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität in der
Bundesrepublik Deutschland,
•
Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen den
Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG),
insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker
(Artikel 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind.
Die Beobachtung durch das LfV erfolgt durch gezielte planmäßige Sammlung
und Auswertung von Informationen. Die Auswertungsergebnisse werden
dem Ministerium für Inneres und Sport regelmäßig und umfassend übermittelt, um die Landesregierung in die Lage zu versetzen, Bestrebungen
und Tätigkeiten im Sinne von Absatz 1 zutreffend beurteilen zu können und
6
entsprechende Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Darüber hinaus dient die
Übermittlung auch der Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen und
Tätigkeiten nach Absatz 1.
2.2Mitwirkungsaufgaben
Neben den beschriebenen Beobachtungsaufgaben hat der Verfassungsschutz
noch sogenannte Mitwirkungsaufgaben. So wirkt das LfV auf Ersuchen der
zuständigen öffentlichen Stellen nach § 4 SVerfSchG ferner mit bei der
Sicherheitsüberprüfung von Personen sowie bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen,
die im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftig sind. Die Befugnisse
des LfV im Zusammenhang mit Sicherheitsüberprüfungen sind im „Saarländischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz“ geregelt. Zu den weiteren Aufgaben
des LfV zählt u. a. die Beantwortung von Anfragen der zuständigen Stellen im
Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach § 7 Luftsicherheitsgesetz
und nach § 12 b Atomgesetz, im Rahmen des Visumverfahrens und bei der
Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 73 Aufenthaltsgesetz sowie
im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens.
3.Arbeitsweise
Die Informationsgewinnung des LfV erfolgt sowohl in offener wie auch in
verdeckter Form. Bei der offenen Beschaffung von Informationen werden aus
offen zugänglichen Quellen, die in der Regel auch jedem Bürger zur Verfügung stehen (Printmedien wie z. B. Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, Flugblätter etc. sowie elektronische Medien wie z.B. Internet, Rundfunk, Fernsehen
etc.) Informationen erhoben. Darüber hinaus darf das LfV auch Informationen
mit nachrichtendienstlichen Mittel verdeckt erheben. Hierzu zählen die in §
8 SVerfSchG aufgeführten Mittel wie z. B. das Führen verdeckt eingesetzter
Personen, die planmäßige Observation, Bild- und Tonaufzeichnungen sowie
nach Maßgabe des Artikel 10-Gesetzes die Überwachung des Brief-, Postund Fernmeldeverkehrs.
Der Verfassungsschutz trägt als wichtige Säule der deutschen Sicherheitsarchitektur mit dazu bei, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu
gewährleisten. Deshalb arbeitet das LfV im Verfassungsschutzverbund mit
dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie den übrigen Landesbehörden
für Verfassungsschutz eng und vertrauensvoll zusammen. Das LfV hat keine
polizeilichen Befugnisse und ist auch gegenüber polizeilichen Einrichtungen
nicht weisungsbefugt. Es darf auch nicht die Polizei im Rahmen der Amtshilfe ersuchen, Maßnahmen zu ergreifen, zu denen es selbst nicht befugt ist.
7
Dies schließt jedoch einen kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen
Polizei und Verfassungsschutz nicht aus. Das oben beschriebene Trennungsgebot beinhaltet kein Zusammenarbeitsverbot. Gerade vor dem Hintergrund
der in der Vergangenheit festgestellten Defizite im Austausch von Informationen zwischen Nachrichtendiensten, Polizei und Justiz wurden verschiedene Zusammenarbeitsforen eingerichtet, die sich bis heute bewährt haben.
Hierzu zählt insbesondere das „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum“
(GTAZ) in Berlin, das der Aufklärung und Abwehr des islamistisch motivierten Terrorismus dient. Das GTAZ hat maßgeblich zu einem verbesserten
Informationsfluss zwischen den beteiligten Behörden beigetragen. Um dies
auch auf andere Phänomenbereiche zu übertragen, wurde das „Gemeinsame
Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ) gegründet, das seinen
Standort mittlerweile in Köln hat. Schwerpunkt der dortigen Zusammenarbeit
ist die Bekämpfung des Rechts-, Links und des sonstigen Ausländerextremismus, der nicht islamistisch motiviert ist, sowie die Spionageabwehr. Auch im
Saarland wird im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten ein
enger Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden praktiziert. So arbeitet
das LfV im Wege des Informationsaustausches eng und vertrauensvoll mit
dem Landespolizeipräsidium zusammen.
4.Kontrolle
Der Verfassungsschutz ist an klare gesetzliche Vorgaben gebunden. Sein Verwaltungshandeln ist wie bei allen anderen Behörden gerichtlich nachprüfbar.
Über die innerbehördlichen Kontrollmechanismen (z. B. behördlicher Datenschutzbeauftragter, Geheimschutzbeauftragter) und die Dienst- und Fachaufsicht durch das saarländische Ministerium für Inneres und Sport hinaus wird
die Tätigkeit des LfV fortlaufend überwacht durch
•
den Landtagsausschuss für Fragen des Verfassungsschutzes,
gleichzeitig auch Kontrollgremium des Landtages nach G 10,
•
die G10-Kommission des Landtages, bei Anordnungen zur
Telekommunikationsüberwachung,
•
richterliche Kontrolle bei Maßnahmen im Schutzbereich des
Art. 13 GG,
•
die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit,
•
den Rechnungshof des Saarlandes.
Das LfV ist darüber hinaus auf Antrag verpflichtet, anfragenden Bürgerinnen
und Bürgern Auskunft zu den zu ihrer Person gespeicherten Daten zu geben
(§ 21 SVerfSchG). Eine Auskunft unterbleibt nur dann, wenn ein in Absatz
2 dieser Vorschrift ausdrücklich genannter Verweigerungsgrund vorliegt. In
einem solchen Ausnahmefall werden die Anfragenden darauf hingewiesen,
8
dass sie die Richtigkeit der Speicherungen durch die Landesbeauftragte für
Datenschutz und Informationsfreiheit überprüfen lassen können. Selbstverständlich unterliegen Maßnahmen des LfV, hinsichtlich derer Betroffene
geltend machen, in ihren Rechten verletzt zu sein, auch der gerichtlichen
Kontrolle.
5.
Aufbauorganisation des LfV Saarland
Direktor
des LfV
Sicherheitsangelegenheiten
Abteilung Z
Zentralabteilung
Referat 1:
Grundsatz und
Personal
Referat 2:
Verwaltung,
Haushalt und
Informationstechnik
G10-Stelle
Abteilung I
Auswertung
Referat 1:
Auswertung
dt. Linksextremismus/
Scientology
ScientologyOrganisation
Referat 2:
Auswertung dt.
Rechtssextremismus
Referat 3:
Auswertung Islamismus/islamistischer
Terrorismus, Sicherheitsgefährdende
Einbürgerungen und Bestrebungen von
Ausländern
Aufenthaltsangelegenheiten
Behördlicher
Datenschutzbeauftragter
Abteilung II
Beschaffung
Beschaffung
Organisierte
Kriminalität
Spionageabwehr
ND-Technik
Tarnmittel
9
II.Rechtsextremismus
1.Allgemeines
1.1Ideologie
Der Rechtsextremismus zeigt sich in Deutschland sowohl hinsichtlich seiner
ideologischen Verortung wie auch mit Blick auf sein Erscheinungsbild als
äußerst vielschichtiges Phänomen. So treten verschiedene Varianten nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologieelemente mit unterschiedlichen sich daraus ergebenden Zielsetzungen auf. Prägend ist dabei die
im Widerspruch zum Grundgesetz stehende Auffassung, die Zugehörigkeit
zu einer Ethnie, Nation oder Rasse entscheide über den Wert des Menschen.
Eine weitere Klammer ist in der Regel das autoritäre Staatsverständnis, nach
dem der Staat und das nach Vorstellung der Rechtsextremisten ethnisch
homogene Volk in einer Einheit verschmelzen. Tatsächlich läuft diese Ideologie der „Volksgemeinschaft“ auf ein antipluralistisches System hinaus, das
die Rechte des Einzelnen beschneidet und wesentlichen Kontrollelementen
der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie dem Recht des Volkes,
die Staatsgewalt in Wahlen auszuüben, oder dem Recht auf Bildung und
Ausübung einer parlamentarischen Opposition keinen Raum lässt. Zu den
unverzichtbaren Ideologieelementen für die Mehrheit deutscher Rechtsextremisten gehören der Antisemitismus und der Geschichtsrevisionismus. Als
„moderne“ Form der Fremdenfeindlichkeit hat für Rechtsextremisten in den
letzten Jahren das Aktions- und Agitationsfeld „Islamfeindlichkeit“ an Bedeutung gewonnen. Bezüglich des Erscheinungsbildes des rechtsextremistischen
Spektrums in Deutschland sind insbesondere subkulturell geprägte Rechtsextremisten, Neonazis und legalistisch agierende rechtsextremistische Parteien
wie zum Beispiel die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) zu
nennen, wobei auf Grund von Überschneidungen bei diesen Teilspektren eine
trennscharfe Zuordnung nicht immer möglich ist. Überdies erschöpft sich
das Auftreten des Rechtsextremismus nicht in dieser Aufzählung, artikuliert
sich doch das Gedankengut darüber hinaus zum Beispiel auch im Schrifttum
rechtsextremistischer Autoren und Verlage, im Angebot der rechtsextremistischen Musikszene und der Artikelvertriebe sowie nicht zuletzt in rechtsextremistischen Straftaten.
1.2Entwicklung/Tendenzen
Im Saarland zeigt sich der Rechtsextremismus ebenfalls sehr heterogen. Das
Gesamtbild der Erscheinungsformen reichte auch 2014 wieder vom strukturierten Bereich mit der NPD und mehreren kleineren Personenzusammenschlüssen über den Skinhead- und Kameradschaftssektor bis hin zu
Einzelaktivisten und Personen, die aus rechtsextremistischer Motivation
Straftaten begingen. Eine Zustandsbeschreibung für das abgelaufene Jahr
10
ließe sich mit Stichworten wie „rückläufige Mitgliederzahlen“, „überschaubare außenwirksame Aktivitäten“, „mangelnder phänomeninterner Kooperationswille“, „nicht erreichte Wahlziele“, insbesondere aber auch „steigende
Straftatenzahlen“ abkürzen.
Wie im Bund war auch im Saarland die NPD dominierend im strukturierten
Bereich rechtsextremistischer Zusammenschlüsse. Diese Vorrangstellung
war aber mehr der relativen Bedeutungslosigkeit der übrigen im Saarland
existenten Vereinigungen (z. B. „Der Stahlhelm e. V. –Landesverband Saar“
(Stahlhelm)) geschuldet, als der eigenen Leistungsstärke. Überdies waren
Bestrebungen der lagerinternen Konkurrenzparteien („Die Rechte“ und „Der
Dritte Weg“) zum Aufbau regionaler Strukturen im Saarland auch weiterhin
nicht erkennbar.
Die internen und „hausgemachten“ Problemstellungen der Saar-NPD waren
auch im Berichtsjahr existent. So gelang es der Partei nicht, durch die Etablierung einer funktionierenden Jugend- und Frauenarbeit sowie durch die
Gründung weiterer Ortsverbände in der Fläche eigene strukturelle Defizite zu
minimieren. Auch mit der „Harmonie in der Führungsebene“ war es anscheinend schlecht bestellt, lässt es sich doch anders kaum erklären, dass der alte
Landesvorsitzende Frank F. und sein Nachfolger Peter M. Anfang November
auf dem Bundesparteitag bei der Wahl des Parteivorsitzenden gegeneinander
antraten. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass M. nicht nur bei
diesem Anlass eine innerparteiliche Niederlage einstecken musste. Schon
beim NPD-Sonderparteitag am 18. Januar im thüringischen Kirchheim war er
als amtierender Generalsekretär bei der Wahl um Platz drei auf der Kandidatenliste für die Europawahl unterlegen gewesen. Hatte er dabei wahrscheinlich die Quittung für sein Versagen bei der Vorbereitung der ursprünglich im
Saarland geplanten Veranstaltung erhalten, nachdem ein von ihm für die
Festhalle in Saarbrücken-Schafbrücke geschlossener Mietvertrag wegen
falscher Angaben zum Anmietungszweck „geplatzt“ war, geriet er in der Folge
auch wegen seiner via Facebook öffentlich diskutierten Teilnahme an einer
Party mit einer ehemaligen Pornodarstellerin zunehmend unter Druck. Anfang
April trat M. schließlich als Generalsekretär zurück. Diese Gesamtumstände
dürften mit dazu beigetragen haben, dass die saarländischen Nationaldemokraten 2014 bei der Anwendung ihres „Vier-Säulen-Konzeptes“ kaum Erfolge
zu verzeichnen hatten bzw. sich nur bedingt engagiert zeigten.
So konnte man im Rahmen des „Kampfes um die Parlamente“ zwar darauf
verweisen, bei der Europawahl mit einem Landesergebnis von 1,3 % besser
als im Bundesschnitt (1 %) und besser als bei der Wahl 2009 (0,4 % mit dem
Bündnispartner DVU) abgeschnitten zu haben, bei der gleichzeitig stattgefundenen Kommunalwahl blieb es aber trotz eines auf wenige Städte konzentrierten Wahlkampfes bei nur fünf Mandaten, wobei der Fraktionsstatus im
Völklinger Stadtrat sogar verloren ging.
11
Was den „Kampf um die Straße“ angeht, musste die NPD spätestens im
Herbst feststellen, dass ebenfalls Ressentiments gegen Ausländer bedienende Bewegungen mit allenfalls rudimentär vorhandenen Strukturen wie
die „Hooligans gegen Salafisten“ (HogeSa) und „Patriotische Europäer gegen
Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) – beide keine Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzbehörden – im Gegensatz zum „Original“ zum Teil
mehrere Tausend Personen mobilisieren konnten. Mit der Facebook-Initiative
„Saarländer gegen Salafisten“ (SageSa) und einer Mahnwache am 22. November in Völklingen versuchten bekannte Kader der Saar-NPD, an die Thematik anzudocken, um so die eigene gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.
HogeSa distanzierte sich allerdings deutlich von dem NPD-gesteuerten Plagiat
im Saarland. Mitte Dezember präsentierte sich über Facebook dann der PEGIDA-Ableger „Saargida – Saarland gegen die Islamisierung des Abendlandes“
(kein Beobachtungsobjekt des LfV Saarland). Auch hier versuchte sich die
NPD-gesteuerte SageSa einzubringen und beteiligte sich im Januar 2015 an
zwei Saargida-Kundgebungen mit ihrem eigenen Transparent. Es gelang den
Nationaldemokraten aber nicht, Einfluss auf die Organisation und den Ablauf
der Veranstaltungen zu nehmen. Zusätzlich distanzierte sich der Saargida-Initiator öffentlich vom rechtsextremistischen Lager, insbesondere der NPD.
Ansonsten gehörten zum „Kampf“ der saarländischen Nationaldemokraten
„um die Straße“ vor allem von der Bevölkerung wenig beachtete Infostände
und Mahnwachen.
Der „Kampf“ der Saar-NPD „um die Köpfe“ beschränkte sich im vergangenen Jahr nahezu ausschließlich auf den Teilbereich „Schulung der eigenen
Mitglieder und Anhänger“, erschöpfte sich letztlich aber in monatlichen Gesprächskreisen. Auch der „Kampf um den organisierten Willen“ als letztes zu
erwähnendes Glied des „Vier-Säulen-Konzeptes“ scheint bei der Saar-NPD in
der Sackgasse zu stecken. Hatte die Vorstandswahl im vorangegangenen Jahr
noch als Signal an die „Freien Kräfte“ zur Zusammenarbeit verstanden werden können, so war davon bis auf wenige gemeinsame Wahlkampfaktivitäten
in 2014 nichts mehr zu spüren: Die saarländische Kameradschaftsszene hält
bis auf eine Ausnahme offensichtlich Abstand zur NPD.
Auch die restliche rechtsextremistische Szene des Saarlandes, in der vor allem lokale Kameradschaften und „Hammerskins“ (HS) den Ton angeben, hielt
sich mit öffentlichkeitswirksamen Auftritten im Saarland zurück. So waren
zum Beispiel Skinhead-Konzerte ebenso wenig festzustellen wie demonstrative Aufmärsche zu den rechtsextremistischen Gedenktagen wie dem Hitler-Geburtstag oder dem Heß-Todestag. Bis auf eine Ausnahme blieb es mehr
oder weniger bei internen Aktivitäten, so dass über die Grundausrichtung
hinaus eine öffentlichkeitswirksame Vermittlung politischer Inhalte oder Zielsetzungen – Wahlkampfzeiten ausgenommen - im Saarland kaum erkennbar
war. Bevorzugt beteiligten sich jedoch Aktivisten einer Kameradschaft überregional an öffentlichkeitswirksamen Szeneevents.
12
Im Hinblick auf immer wiederkehrende Fragen zu möglichen rechtsextremistischen Einflussnahmeversuchen auf die Fußball- und Rockerszenen ist zu
konstatieren, dass die Schnittmenge von erfassten Rechtsextremisten und
gewaltbereiten Fußballfans im Saarland auch 2014 nur im niedrigen zweistelligen Bereich zu beziffern war. Dabei war eine strukturelle Zusammenarbeit
beider Szenen ebenso wenig festzustellen wie der Versuch einer Politisierung
der Fußballfanszene. Analog gilt dies auch für das Verhältnis der rechtsextremistischen Szene zum Rockermilieu.
1.3Personenpotenzial
Die Zahl der erkannten Rechtsextremisten im Saarland ist mit insgesamt 280
Personen im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr (300) leicht gesunken. Davon werden 40 Personen als gewaltorientiert eingestuft (2013: 60), bei rund
25 Personen ist eine neonazistische Ausrichtung zu erkennen (2013: 25).
Entwicklung des rechtsextremistischen Personenpotenzials innerhalb der
letzten fünf Jahre:
2010
2011
2012
2013
2014
Gesamtpotenzial
340
310
300
300
280
davon Gewaltorientierte
100
90
90
60
40
400
350
300
250
Gesamtpotenzial
200
davon Gewaltorientierte
150
100
50
0
2010
2011
2012
2013
2014
13
1.4
Politisch motivierte Kriminalität (PMK) mit
rechtsextremistischem Hintergrund
Die Gesamtzahl der bekannt gewordenen rechtsextremistisch motivierten
Straftaten überstieg mit 168 die Marke des Vorjahres (134) um rund 25 %.
Propagandadelikte und Volksverhetzungen machten – wie seit Jahren festzustellen - mit rund 90 % (Vorjahr: 96 %) den überwiegenden Anteil dieser
Straftaten aus.
Die Zahl der darin enthaltenen rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten
lag wie im vorangegangenen Jahr bei zwei. Hierbei handelte es sich um situativ bedingte Körperverletzungsdelikte mit fremdenfeindlicher Ausrichtung.
Entwicklung der rechtsextremistisch motivierten Straftaten im Saarland innerhalb der letzten fünf Jahre:
Straftaten insgesamt
2010
2011
2012
2013
2014
128
138
138
134
168
7
6
12
2
2
davon Gewalttaten
180
160
140
120
100
Straftaten insgesamt
80
davon Gewalttaten
60
40
20
0
2010
14
2011
2012
2013
2014
Die Verteilung nach Zielrichtung der Straftaten ergibt folgendes Bild:
Straftaten nach Zielrichtungen:
Zielrichtung
2010
2011
2012
2013
2014
6
16
5
10
11
fremdenfeindlich
11
17
28
12
21
sonstige Zielrichtung
111
105
105
112
136
Insgesamt
128
138
138
134
168
antisemitisch
180
160
140
120
100
80
60
antisemitisch
fremdenfeindlich
sonstige Zielrichtung
Insgesamt
40
20
0
2010
2011
2012
2013
2014
Über diese Deliktsstatistik hinaus ist zu ergänzen:
•
Die umfangreichen Aufklärungsarbeiten von Gerichten, Parlamenten
und Sicherheitsbehörden zum „Nationalsozialistischen Untergrund“
(NSU) und seinen Aktivitäten haben bisher keine Hinweise auf eine
Einbindung hier ansässiger Rechtsextremisten erbracht.
•
Das Schöffengericht in Neunkirchen verurteilte am 13. März einen
24-Jährigen aus Bexbach u. a. wegen Volksverhetzung zu einer
Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, verbunden mit
einer Auflage zur Ableistung von 100 gemeinnützigen
Arbeitsstunden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er im
15
April 2013 mehrfach Filme und Fotos mit nationalsozialistischem
Inhalt ins Internet gestellt habe. Darüber hinaus habe er öffentlich zur
Befreiung eines inhaftierten Rechtsextremisten aufgerufen und auf
eine im Internet abrufbare Anleitung zum Bau einer Bombe
hingewiesen. Der zuvor nicht einschlägig bekannte Verurteilte war
nicht in die rechtsextremistische Szene eingebunden und unterhielt
auch keine erkennbaren Kontakte zu hier ansässigen
Rechtsextremisten.
•
Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken leitete im Mai gegen die
Mitglieder der hiesigen Band „Wolfsfront“ ein Ermittlungsverfahren
wegen Volksverhetzung ein. Der Band wird vorgeworfen,
mindestens in dem verbreiteten Musikstück mit der Bezeichnung
„Holocaustus“ die Ermordung von Juden in Auschwitz zu leugnen.
•
Die 2013 im sogenannten „Winterbach-Prozess“ wegen gefährlicher
Körperverletzung verurteilten drei saarländischen
Kameradschaftsaktivisten traten Ende Juli bzw. Anfang August ihre
Haftstrafen an.
2.Einzelaspekte
2.1NPD
2.1.1 Organisationsstruktur der Saar-NPD
Nachdem der NPD-Kreisverband Saarbrücken-Land rund zwei Jahre nach seiner Gründung wieder rückabgewickelt wurde, gliedert sich die Saar-NPD, der
noch rund 90 Mitglieder zugerechnet werden (2013: 100), organisatorisch in
die drei Kreisverbände Saarbrücken, Saar-West und Saarpfalz. Eine kontinuierliche politische Basisarbeit der bislang sporadisch erwähnten Ortsverbände Burbach, Schafbrücke und Völklingen war nicht erkennbar. Auch weiterhin kann die Saar-NPD nicht auf Strukturen ihrer Teilorganisationen „Junge
Nationaldemokraten“ (JN) und „Ring Nationaler Frauen“ (RNF) zurückgreifen,
obwohl gerade die im März neu gewählte RNF-Bundesvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Rheinland-Pfalz Ricarda R. gute Kontakte ins Saarland pflegt. Ebenso gelang es auch nicht, eine
regionalspezifische, der internen Kommunikation und Identifikation dienende
Info-/Verbands-Schrift aufzulegen.
Darüber hinaus war auch eine koordinierte kommunalpolitische Vorfeldarbeit nicht erkennbar. Selbst die wenigen NPD-Vertreter in den Kommunalparlamenten (je ein Mandat in der Regionalversammlung Saarbrücken, den
Stadträten Saarbrücken und Völklingen sowie im Ortsrat Völklingen und dem
Bezirksrat Saarbrücken-West) waren trotz sporadisch – zumeist im Internet
16
– aufflackernder Äußerungen in ihrer Außendarstellung selbst für politisch
Interessierte kaum wahrnehmbar.
Die mit der Vorstandsneuwahl im Dezember 2013 eingeleitete Annäherung
an die Kameradschaftsszene, bekanntlich übernahmen ehemalige Kameradschaftsaktivsten Vorstandsposten und sollten auf diese Weise als institutionelles Bindeglied zwischen der Partei und den sogenannten „freien Kräften“
wirken, blieb bis auf einige wenige wahlkampfunterstützende Aktivitäten
folgenlos.
2.1.2 Beteiligung der Saar-NPD an der Europawahl
Im Saarland entfielen bei der Europawahl 2014 auf die NPD 5.594 Stimmen = 1,3 % (2009: als seinerzeitiger NPD-Bündnispartner hatte die DVU
1.675 Stimmen = 0,4 % erzielt). Damit lag sie prozentual über dem Ergebnis im Bund mit 300.815 Stimmen = 1,0 % (111.631 = 0,4 %). Im Vergleich
zum Saarlandergebnis bei der Bundestagswahl im September 2013 (9.691
Zweitstimmen = 1,7 %) verlor die NPD allerdings mit 4.115 Stimmen rund 0,4
Prozentpunkte.
2.1.3 Beteiligung der Saar-NPD an der Kommunalwahl
Bei der Kommunalwahl am 25. Mai trat die NPD nur in drei der 52 saarländischen Städte und Gemeinden mit Listen an. In Saarbrücken bewarb sie sich
um Mandate im Stadtrat sowie in den Bezirksräten von Saarbrücken-West,
Saarbrücken-Halberg und Saarbrücken-Mitte. In Saarlouis ging es um den
Einzug in den Stadtrat, während in Völklingen die Kandidaturen auf den
Stadtrat und die Ortsräte Völklingen und Völklingen-Lauterbach abzielten.
Zudem kandidierten Nationaldemokraten für die Regionalversammlung
Saarbrücken und den Kreistag Saarlouis. Die Partei hatte dazu insgesamt 18
Bewerber (darunter drei Frauen) nominiert. Der Altersdurchschnitt lag zum
Wahltag bei rd. 48 Jahren (bei den Frauen bei 43 Jahren). Ihren Wahlkampf
betrieben die Nationaldemokraten in der Hauptsache via Internet, darüber
hinaus führten sie insbesondere Informationsstände, Hauswurfaktionen und
Plakatierungen durch.
Ergänzend stellten sie im Rahmen eines sogenannten „kommunalpolitischen
Forums“ am 16. Mai im „Bürgerhaus“ in Saarbrücken-Burbach ihre kommunalpolitischen Forderungen und Kandidaten vor. An der Veranstaltung
nahmen bis zu 50 Personen teil.
Auf Kreisebene gelang es der NPD, ein Mandat in der Regionalversammlung
Saarbrücken zu erreichen. Die Partei blieb auch in den Stadträten von Saar17
brücken und Völklingen vertreten; allerdings entfiel der bisherige Fraktionsstatus in Völklingen und die damit verbundenen Vorteile. Auf Ortsrats- bzw.
Bezirksratsebene konnte die Partei je ein Mandat in Völklingen und Saarbrücken-West erzielen.
Wahlergebnisse der NPD bei der Kommunalwahl
2014
2009
Kommunalparlament
Stimmen
%
Mandate Stimmen
Regionalvers. Saarbr.
2478
2,1
1
Kreistag Saarlouis
1262
1,5
0
Stadtrat Saarbrücken
1187
2,0
1
1156
1,9
1
Stadtrat Völklingen
485
4,0
1
650
4,6
2
Stadtrat Saarlouis
232
1,7
0
Ortsrat Völklingen
362
4,0
1
544
5,2
1
Ortsr. VK-Lauterbach
65
6,1
0
79
5,8
0
Bezirksrat SB-West
459
5,3
1
Bezirksrat SB-Halberg
237
2,4
0
Bezirksrat SB-Mitte
739
2,1
0
2615
%
Mandate
2,0
0
nicht angetreten
nicht angetreten
nicht angetreten
214
2,0
0
nicht angetreten
3000
2500
2000
1500
1000
2009
2014
500
0
18
2.1.4 Sonstige nennenswerte regional-politische Aktivitäten der NPD
Auf Einladung des NPD-Kreisverbandes Saarbrücken referierte der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Krefeld Rainer H. am 24. Januar
in Saarbrücken-Fechingen zum Thema „Islam – Freund oder Feind?“.
Der seinerzeitige NPD-Bundespressesprecher und Vorsitzende des
NPD-Kreisverbandes Saarbrücken-Land F. startete am 26. Januar die Onlinepetition „Das Saarland spricht Deutsch!“ (www.openpetition.de/online/
das-saarland-spricht-deutsch) und stellte erklärend fest, die Landesregierung
des Saarlandes habe vor, Französisch bis 2043 als Verkehrssprache zu etablieren. Das wolle die NPD nicht, Zweisprachigkeit per Zwang sei abzulehnen.
Im Nachgang wurde diese Initiative von den Nationaldemokraten allerdings
nicht mehr thematisiert.
Am 6. Februar referierte der mehrfach vorbestrafte Revisionist und ehemalige
NPD-Bundesvorsitzende Günter D. (Weinheim) im Rahmen eines „politischen
Gesprächskreises“ des NPD-Kreisverbandes Saarpfalz in Homburg-Kirrberg.
Sein Thema lautete: „Ausblick 2014 – Was bringt uns die Große Koalition?“.
Am „politischen Aschermittwoch“ der Saar-NPD am 5. März in Püttlingen-Köllerbach beteiligten sich rund 110 Besucher. Hauptredner waren die beiden
Spitzenkandidaten der NPD-Liste zur Wahl des Europäischen Parlamentes
Udo V. (Berlin) und Dr. Olaf R. (Pirna) sowie der saarländische NPD-Vorsitzende. Thematische Schwerpunkte ihrer Ausführungen betrafen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der
Drei-Prozent-Hürde bei der Wahl des Europäischen Parlamentes, „Flüchtlingswellen und Masseneinwanderung“ in die „Europäische Union“ (EU) sowie
Möglichkeiten und Erfolgsaussichten für die politische Rechte in Europa.
Die NPD-Protagonisten sprachen von gestiegenen Erfolgsaussichten bei der
Europawahl und betonten, jetzt gelte es, das „einzige heimattreue Original“ zu
unterstützen und zu wählen. Die NPD sei keineswegs gegen Europa, sie lehne
allerdings jegliche Brüsseler Bestrebungen einer „kulturellen Einebnung“
sowie den „Zentralisierungswahn der EU-Technokraten“ ab. Beim Thema
Zuwanderung wurde auf die erfolgreiche Kampagne der „Schweizerischen
Volkspartei“ (SVP) hingewiesen und hervorgehoben, es gäbe noch viele weitere Gemeinsamkeiten mit anderen „europäischen Heimatparteien“. Während
der gesamten Veranstaltung war ein Kamerateam des ZDF anwesend.
Am 13. Mai mischten sich NPD-Funktionäre unter eine „Burbacher Initiative
gegen Straßenprostitution“ (kein Beobachtungsobjekt des LfV Saarland), die
anlässlich einer Stadtratssitzung in der Saarbrücker Congresshalle unter dem
Motto „Nein zur Straßenprostitution in Saarbrücken“ protestierten.
Ende Mai richtete die Saar-NPD auf YouTube einen eigenen Videokanal ein.
19
Im Rahmen eines sogenannten „Aktionstages“ betrieben die Nationaldemokraten am 27. September Informationsstände in Saarbrücken, Saarlouis und
Völklingen. Verbreitet wurde dabei auch ein eigens entworfenes Flugblatt
„NPD SAAR informiert“ zu dem Thema „Asylmissbrauch endlich stoppen!“.
Eine Mahnwache unter dem Motto „Genug ist genug – Schluss mit dem Asylbetrug“ am 17. Oktober in der Lebacher Innenstadt verlief störungsfrei und
stieß auf wenig Resonanz bei Passanten. In kurzen Redebeiträgen vertraten
Saar-NPD-Chef M. und der Beisitzer im NPD-Landesvorstand Markus M. die
bekannten themenbezogenen Parteipositionen. Auch eine zweite Mahnwache unter dem erwähnten Motto am 18. Dezember auf dem Saarbrücker
Schlossplatz (Höhe des Historischen Museums) wurde von der Bevölkerung
wenig beachtet. Dieses Mal forderte M. in einem kurzen Redebeitrag u. a. den
Asylantenzustrom zu stoppen und die Kriegseinsätze deutscher Soldaten zu
beenden.
Mit der Facebook-Bewegung „Saarländer gegen Salafisten“ (SageSa) versuchten führende saarländische Nationaldemokraten an die Bewegung „Hooligans
gegen Salafisten“ (HogeSa) anzudocken, um diese Aktionsform für ihre Zwecke zu nutzen. Mit einer Mahnwache am 22. November auf dem Völklinger
Hindenburgplatz unter dem Motto „Europa gegen den Terror des Islamismus“,
an der laut Abschlussmeldung der Polizei in der Spitze rund 250 Personen
teilnahmen, darunter bekannte Rechtsextremisten und der Fußball-Risikoszene zurechenbare Personen, wurde der Übergang von der virtuellen in die
Realwelt vollzogen. Die Saar-NPD sah darüber hinaus in dem PEGIDA-Ableger
„Saargida“ (kein Beobachtungsobjekt) einen weiteren möglichen Türöffner,
um die eigenen Positionen gesellschaftsfähiger in der Bevölkerung verbreiten
zu können. Folglich rief sie ihre Anhänger zur Unterstützung von Kundgebungen dieser Bewegung auf, vermied es aber zugleich, ihre Teilnahmen offen
erkennbar zu machen.
2.1.5 Beteiligung der Saar-NPD an überregionalen Aktivitäten
Knapp ein Drittel der rund 30 Teilnehmer einer Kundgebungstour des
NPD-Kreisverbandes Trier gegen Asylmissbrauch am 1. Februar durch mehrere Trierer Stadtteile sollen - nach Angaben des Veranstalters - saarländische
NPD-Mitglieder und Aktivisten der Dillinger Kameradschaft „Sturmdivision
Saar“ gewesen sein. Der gegen die neue Außenstelle der rheinland-pfälzischen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende gerichtete Protest der
Rechtsextremisten war zugleich deren Wahlkampfauftakt für die Trierer
Stadtratswahl im Mai. Es kam zu vereinzelten Zusammenstößen mit Teilnehmern einer Gegendemonstration, an der sich zeitweise bis zu 180 Personen
beteiligten.
20
Rund 20 Rechtsextremisten protestierten am 25. März in Trier gegen „die
Verschwendung deutscher Steuergelder für die Förderung linker Kulturpropaganda“. Anlass der kurzfristig initiierten Aktion des NPD-Kreisverbandes
Trier war ein zeitgleich stattfindendes Konzert des „linken Barden“ Hannes W.
Nach Angabe des Veranstalters beteiligten sich auch Aktivisten aus Pirmasens, Zweibrücken und Saarlouis an dem Protest.
Das NPD-Parteiorgan „Deutsche Stimme“ (DS) widmete in seiner Juni-Ausgabe zwei seiner 24 Seiten einem Interview mit dem früheren saarländischen
Landesvorsitzenden und NPD-Bundespressesprecher F. Thematisch ging es
dabei um dessen Erfahrungen mit den etablierten Medien und seine Vorstellungen zur Zukunft der NPD. In seinen Antworten beklagte F. u. a., dass eine
wohlwollende Berichterstattung der Medien nicht zu erwarten und es deshalb nicht einfach sei, die Botschaften der NPD zu transportieren. So könne
beispielsweise ein Kernthema wie „Identität und Volk“ auch nicht in einem
Halbsatz erklärt werden. In ihrer Selbstdarstellung könne die Partei deshalb
„(…) ruhig als radikal gelten, solange wir ernst genommen werden“. Im Weiteren betonte er, die NPD müsse bei ihrer Positionierung zeitgemäß auftreten.
Die Frage nach potenziellen Bündnispartnern sah F. als Frage der praktischen
Vernunft an. Bedingung sei ein ernsthaftes Interesse an einer Zusammenarbeit. Dies gelte auch für die Kameradschaftsszene, was regionalspezifisch
auszuloten sei. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD – kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden) könne behilflich sein, NPD-Botschaften zur „Europäischen Union“ (EU) oder kritische Thesen zur „unkontrollierten
Zuwanderung“ in die Sozialsysteme salonfähig zu machen. Wie jede andere
Partei lebe auch die NPD von starken Frontleuten und deren medialer Inszenierung. Den Schlüssel zum Erfolg sah F. in der „richtigen Kommunikationsstrategie“. Die NPD-Konzepte sollten daher klug formuliert und zielorientiert
vermarktet werden. Einige Wochen zuvor hatte die NPD-Nachwuchsorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) unter der Überschrift „F. (…) und die
NPD“ ein mehrseitiges Interview mit F. in der Ausgabe 1/2014 ihrer Schrift
„Der Aktivist“ veröffentlicht.
Am 4. August war der saarländische NPD-Vorsitzende Gastreferent einer
NPD-Veranstaltung in Ludwigshafen, an der rund 20 Personen teilnahmen.
Zu Beginn seines knapp einstündigen Vortrages resümierte er die Europawahl
aus Sicht der Nationaldemokraten und sprach von „durchaus positiven Aspekten“. In seinen weiteren Ausführungen schlug er einen weiten Bogen von
lokalen Diskussionsthemen bis zu den Konflikten im Irak, in Syrien, Gaza und
in der Ukraine. In diesem Kontext bezeichnete der NPD-Funktionär die USA
als „Kriegstreiber“ und vertrat pro-russische Positionen.
Auch beim NPD-Bundesparteitag am 1./2. November im baden-württembergischen Weinheim standen saarländische Aktivisten im Blickfeld. Dort
wurde der bisherige NPD-Bundespressesprecher F. trotz zweier Gegenkandi21
daten bereits im ersten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit (62 %) zum neuen
NPD-Parteivorsitzenden gewählt. Seine Kontrahenten, Saar-NPD-Chef M.
und die ehemalige Vorsitzende der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler
Frauen (RNF) Sigrid SCH. (München), erhielten lediglich 23 bzw. 12 % der
Stimmen. Auch bei den Wahlen zu den stellvertretenden Parteivorsitzenden
unterlag der saarländische NPD-Chef.
2.2
Subkulturell geprägte Rechtsextremisten und gewaltorientierte
Rechtsextremisten – insbesondere
Skinhead-/Kameradschafts-Szene
2.2.1Skinhead-Subkultur/“Hammerskins“(HS)
Die politische und die organisatorische Ausrichtung sind bei den subkulturell
geprägten Rechtsextremisten seit jeher nachrangig. Im Vordergrund steht
die aktionsorientierte Freizeitgestaltung, wie die Teilnahme an Szenepartys
und Konzerten. Gewandelt hat sich allerdings im Laufe der Zeit das Erscheinungsbild der Skinheadszene. Martialische Auftritte in der Öffentlichkeit sind
mittlerweile die Ausnahme. Insgesamt hat die Skinheadszene an Bedeutung
eingebüßt. Subkulturell geprägte Rechtsextremisten zählen aber weiterhin
zum Rekrutierungspotenzial rechtsextremistischer Kameradschaften.
Während die Skinheadszene allgemein einen geringen Organisationsgrad
aufweist, sind „Hammerskins“ eine straff organisierte Vereinigung, die sich
als elitäre Bewegung innerhalb der rechtsextremistischen Szene versteht.
Ihre Hauptaktivität liegt im Bereich rechtsextremistischer Musik/Konzerte.
Organisatorisch angelehnt an die Struktur von Rockergruppierungen, sind die
„Hammerskins“ regional in Chapter untergliedert. Die vollwertige Mitgliedschaft setzt die erfolgreiche Absolvierung einer längeren Probezeit voraus.
Der Kreis der Mitgliedsanwärter der weltweit vernetzten HS-Szene nutzt als
Erkennungszeichen den Zahlencode 38 stellvertretend für den dritten und
achten Buchstaben des Alphabetes C und H (Crossed Hammers).
Die saarländischen HS-Aktivisten treten unter der Bezeichnung „Chapter
Westwall“ bzw. „Crew38-Westwall“ auf.
2.2.2
Kameradschaften
Von einer Kameradschaft spricht man, wenn die vier Mindestkriterien abgegrenzter Aktivistenstamm, lediglich lokale bis regionale Ausdehnung, zumindest rudimentäre Struktur und Bereitschaft zu einer gemeinsamen politischen
Arbeit auf der Basis einer rechtsextremistischen Grundorientierung gegeben sind. Wie im vorangegangenen Jahr war 2014 von den saarländischen
22
Kameradschaften nur die „Sturmdivision Saar“ öffentlich wahrnehmbar. Ihre
Aktivisten beteiligten sich u. a. am 1. März an zeitversetzten Kundgebungen
in Pirmasens, Zweibrücken, Homburg und Kaiserslautern unter dem Motto
„Fahrt der Erinnerung“, um an die Angriffe auf die genannten Städte durch
alliierte Bomber im Zweiten Weltkrieg zu erinnern.
Am 10. Mai führte die Kameradschaft im Völklinger Stadtteil Wehrden einen
„Trauermarsch“ zum Gedenken an die Bombardierung des Stadtteils im Mai
1944 durch. In ihren Redebeiträgen negierten der Anmelder Mathias T. und
der stellvertretende rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Safet B. die
Schuld Deutschlands am Ausbruch beider Weltkriege, verurteilten die Auslandseinsätze der Bundeswehr und kritisierten den hohen Ausländeranteil
an der Bevölkerung Völklingens. Ein großes Polizeiaufgebot verhinderte ein
direktes Aufeinandertreffen von Demonstranten und Personen, die an Protestaktionen des bürgerlichen sowie des antifaschistischen Lagers teilnahmen.
Dabei kam es zu strafbaren Handlungen aus der Gruppe der autonomen
Szene.
Bemühungen der Kameradschaftsszene, sich auf Dauer eine Trefförtlichkeit zuzulegen, waren auch 2014 nur bedingt erfolgreich. Nachdem man im
vorangegangenen Jahr in Folge einer Outing-Aktion des „Antifa“-Spektrums
ein als „Clubheim“ genutztes Mietanwesen in Saarbrücken-Rußhütte hatte
aufgeben müssen, konnte man in eine Ersatzimmobilie in Sulzbach-Altenwald ausweichen, die Mitte 2014 auch käuflich erworben werden sollte. Die
Kommune machte jedoch von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und kündigte
das Mietverhältnis mit den Rechtsextremisten.
2.2.3
Rechtsextremistische Musik
Die rechtsextremistische Musik ist nach wie vor ein wichtiger Identifikationswie Integrationsfaktor der Szene und baut mit ihren z. T. rassistischen und
antisemitischen Texten Feindbilder auf. Rechtsextremistische Musikveranstaltungen dienen dazu, Kontakte herzustellen, aufrechtzuerhalten und zu verfestigen. Hierzu treffen sich vor allem junge Menschen, die rechtextremistischem
Gedankengut zugänglich oder bereits der Szene selbst zuzurechnen sind.
Während solcher Veranstaltungen, in deren Rahmen in der Regel reichlich
Alkohol angeboten und konsumiert wird, werden oftmals auch einschlägiges
Propagandamaterial sowie entsprechende Musikträger verbreitet bzw. verkauft. Insoweit spielen auch kommerzielle Aspekte eine nicht unwesentliche
Rolle. Die Vorbereitungen für derartige Musikveranstaltungen laufen in aller
Regel äußerst konspirativ.
Wie im Vorjahr war auch 2014 im Saarland kein Skinhead-Konzert zu verzeichnen. Von den drei bekannten Bands „Jungsturm“, „Hunting Season“ und
23
„Wolfsfront“ trat lediglich die Letztgenannte drei Mal außerhalb des Saarlandes live in Erscheinung. Hierbei handelte es sich um Veranstaltungen am
24. Mai in Concevreux nahe Reims, am 26. Juli im grenznahen französischen
Volmunster-Eschwiller und am 18. Oktober im „Rhein-/Ruhrgebiet“.
2.3
Nutzung neuer Medien - Saarländische Rechtsextremisten online
Auch die saarländischen Rechtsextremisten haben ihre Präsenz in allen
Bereichen des Internet ausgebaut. Die von ihnen betriebenen Seiten dienen
der Selbstdarstellung und werden zur Agitation sowie zur Mobilisierung für
Veranstaltungen und Aktionen genutzt. Sie versuchen aber auch über die sozialen Netzwerke auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen. Dies
erfordert eine intensive Beobachtung, um auch zunächst anonyme Urheber
von rechtsextremistischen Inhalten identifizieren zu können und gegebenenfalls für strafbare Inhalte zur Verantwortung zu ziehen.
24
III. Linksextremismus
1.Allgemeines
1.1Ideologie
Linksextremisten aller Schattierungen streben die Überwindung der bestehenden und von ihnen als imperialistisch, kapitalistisch oder rassistisch bezeichneten Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland an. Je nach ideologisch-politischer Ausrichtung wollen sie die freiheitlich
demokratische Grundordnung durch eine kommunistische oder eine „herrschaftsfreie“ Gesellschaft ersetzen. Linksextremistische Parteien haben sich
den Sturz des bestehenden politischen Systems und die Errichtung einer Diktatur des Proletariats unter Führung einer „proletarischen Avantgarde“ als Ziel
gesetzt. Marxistisch-Leninistische Organisationen wie die „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) und die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) halten an ihrer Idee einer Revolution der Arbeiterklasse fest.
Das utopische Endziel dieser Gruppierungen ist die Schaffung einer klassenlosen kommunistischen Gesellschaftsordnung. Im Kapitalismus sehen sie
u.a. die Ursachen für imperialistische Kriege und Faschismus. Eine Art Renaissance erlebt der klassische „Anti-Kapitalismus“ durch die aktuelle weltweite
Wirtschafts- und Finanzkrise sowie eine „entfesselte“ Globalisierung. Autonome Zusammenschlüsse sind nicht wie kommunistische Organisationen
von einer einheitlichen Ideologie geprägt, sondern verknüpfen Elemente
kommunistischer und anarchistischer Theoretiker miteinander. Wenngleich
sie weder ideologisch noch strategisch homogen sind, haben sie sich mit der
Überwindung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in Richtung
einer herrschaftsfreien/libertären Ordnung das gleiche politische Ziel gesetzt.
Zur Verbreitung ihrer politischen Vorstellungen beteiligen Linksextremisten
sich an aktuellen gesellschafts- und sozialpolitischen Auseinandersetzungen.
Dazu arbeiten sie auch mit bürgerlich-demokratischen Organisationen und
globalisierungskritischen Bewegungen zusammen bzw. sie versuchen, auf
diese Weise Bündnispartner für ihre systemüberwindenden Ziele zu gewinnen.
1.2Entwicklung/Tendenzen
Die Hauptaktivitäten der linksextremistischen Szene im Saarland waren auch
im vergangenen Jahr auf den zentralen Aktionsfeldern „Antifaschismus“,
„Antirepression“, „Antirassismus“, „Antimilitarismus“ und „Antikapitalismus“
zu verzeichnen. Vor dem Hintergrund der militärischen Auseinandersetzungen in der Ukraine, der Eskalationen im Nahost-Konflikt, der Gräueltaten der
Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), von Bundeswehreinsätzen im
Ausland und deutscher Waffenlieferungen in Krisengebiete beteiligte sich die
linksextremistische Szene spektrumsübergreifend in Saarbrücken an frieden25
spolitischen Veranstaltungen der „Antikriegsbewegung“ und Solidaritätsaktionen des „Kurdischen Gesellschaftszentrums Saarbrücken e.V.“ (KGZ) für die
„kurdischen KämpferInnen gegen den IS-Terror“ insbesondere in der nordsyrischen Stadt Kobanê.
1.3Personenpotenzial
Im Saarland haben sich Strukturen und Erscheinungsbild des organisierten
und gewaltorientierten Linksextremismus im vergangenen Jahr gegenüber
2013 kaum verändert. Das Gesamtpotenzial linksextremistischer Gruppierungen und Zusammenschlüsse, die tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung bieten, hat sich durch den Fortzug einzelner
Angehöriger der autonomen Szene Saar aus dem Saarland und den permanenten altersbedingten Mitgliederschwund insbesondere bei der „Deutschen
Kommunistischen Partei“ (DKP) geringfügig von 450 auf etwa 430 Personen
verringert. Den Hauptanteil stellt mit etwa 350 Mitgliedern/Anhängern das
organisierte linksextremistische Parteienspektrum einschließlich seiner
Umfeldorganisationen gegenüber rund 80 Personen der gewaltorientierten
autonomen und antiimperialistischen Szene.
Entwicklung des linksextremistischen Personenpotenzials innerhalb der letzten fünf Jahre:
2010
2011
2012
2013
2014
Gesamtpotenzial
490
470
460
450
430
Organisierte
370
370
360
360
350
Gewaltorientierte
120
100
100
90
80
600
500
400
Gesamtpotenzial
300
Organisierte
Gewaltorientierte
200
100
0
2010
26
2011
2012
2013
2014
1.4
Politisch motivierte Kriminalität (PMK)
Die Gesamtzahl der linksextremistisch motivierten Straftaten, insbesondere
die Anzahl der darin enthaltenen Gewalttaten, hat sich trotz gesteigerter Aktivitäten der autonomen Szene Saar im Rahmen einer „Antifa-Offensive“ gegen
rechtsextremistische Strukturen, Funktionäre, Einrichtungen und Veranstaltungen gegenüber dem Vorjahr deutlich verringert. Dabei war festzustellen,
dass sich die Aggression, die von Szeneangehörigen gegen tatsächliche oder
vermeintliche Rechtsextremisten als legitim angesehen wird, in zwei Fällen
auch gegen Polizeibeamte als Vertreter des „staatlichen Repressionsapparates“ richtete. Die Bandbreite der Straftaten reichte von Verstößen gegen das
Versammlungsgesetz bis hin zur gefährlichen Körperverletzung. Insgesamt
waren 15 Gesetzesverletzungen (2013: 20) mit linksextremistischem Hintergrund zu registrieren, darunter drei Gewalttaten (2013: sieben).
Entwicklung der linksextremistisch motivierten Straftaten im Saarland in den
letzten fünf Jahren:
2010
2011
2012
2013
2014
Straftaten insgesamt
5
6
6
20
15
davon Straftaten
gegen „Rechts“
3
3
6
7
6
Teilbereich Gewalttaten
2
2
1
7
3
davon Gewalttaten
gegen „Rechts“
1
./.
1
1
1
davon Gewalttaten
gegen Polizeibeamte
1
2
./.
6
2
25
20
Straftaten insgesamt
davon Straftaten gegen
„Rechts“
15
Teilbereich Gewalttaten
10
davon Gewalttaten gegen
„Rechts“
davon Gewalttaten gegen
Polizeibeamte
5
0
2010
2011
2012
2013
2014
27
2.Einzelaspekte
2.1
Organisierter Linksextremismus
Marxistisch-leninistische und sonstige revolutionär-marxistische Zusammenschlüsse verloren im vergangenen Jahr bundesweit weiter an Einfluss und
stellen innerhalb des linksextremistischen Spektrums nur noch eine Randerscheinung dar.
Wichtigste Vertreter innerhalb des organisierten Linksextremismus im Saarland waren auch 2014 die orthodox-kommunistische DKP und die streng
maoistisch-stalinistisch ausgerichtete MLPD. Betätigungsfelder des vorgenannten linksextremistischen Parteienspektrums einschließlich der von ihnen
beeinflussten Organisationen waren im vergangenen Jahr aktuelle gesellschafts- und sozialpolitische Auseinandersetzungen. Anknüpfungspunkte für
friedenspolitische Aktionen boten die militärischen Auseinandersetzungen
in der Ukraine, die Eskalationen im Nahost-Konflikt und die IS-Gräueltaten
sowie Bundeswehreinsätze im Ausland und deutsche Waffenlieferungen in
Krisenregionen.
Im Fokus linksextremistischer Parteien standen die Europa- und Kommunalwahlen am 25. Mai 2014. Bei der Europawahl beteiligten sich im Saarland
aus dem linksextremistischen Parteienspektrum die DKP mit dem Slogan „Ja
zum Europa der Solidarität und des Widerstands gegen die EU! NEIN zum
Europa der Banken und Konzerne!“ und erstmals die MLPD unter dem Motto
„Rebellion gegen die EU ist gerechtfertigt!“ jeweils mit Bundeslisten. Nach
dem amtlichen Endergebnis erreichte die DKP insgesamt 298 Stimmen (0,1
%) gegenüber 450 Stimmen (0,1 %) bei der Wahl 2009.
Die MLPD war erstmals nach Aufhebung der bisher geltenden 3-Prozent-Sperrklausel durch das Bundesverfassungsgericht bei der Europawahl
bundesweit mit einer Kandidatenliste angetreten. Saarländische Parteimitglieder befanden sich jedoch nicht darauf. Auf die MLPD entfielen 207 Stimmen
(0,0 %).
Bei den zeitgleichen Kommunalwahlen im Saarland trat als einzige linksextremistische Partei die DKP an, kandidierte jedoch lediglich für den Stadtrat
Püttlingen. Dabei musste sie starke Stimmenverluste hinnehmen. Nach dem
amtlichen Endergebnis erreichte die DKP nur noch 281 Stimmen (3,4 %) gegenüber 768 Stimmen (7,1 %) bei den Kommunalwahlen 2009.
2.1.1 Deutsche Kommunistische Partei (DKP)
Die auf Bundes- und Länderebene in der Öffentlichkeit kaum noch wahrnehmbare DKP kämpft aufgrund ihrer Überalterung, eines ungebremsten Mit28
gliederschwundes, großer Finanzprobleme und insbesondere eines bereits
seit mehreren Jahren offen ausgetragenen Richtungsstreits zwischen Hardlinern und reformorientierten Kräften über wesentliche programmatische
Positionen um ihren Fortbestand. Während der orthodoxe Parteiflügel für eine
Neubesinnung auf die unverfälschte Lehre des Marxismus-Leninismus mit
der Forderung nach einer Führungsrolle der Partei an der Spitze politischer
Bewegungen steht, streben die reformwilligen Parteimitglieder eine Zusammenarbeit mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen an.
Die zu dem reformorientierten Lager zählende DKP-Saar ist innerhalb des
organisierten Linksextremismus mit ihren noch etwa 150 Mitgliedern die
zahlenmäßig größte Organisation. Aktive Stadt- und Ortsgruppen bestehen
zumindest noch in Neunkirchen-Wiebelskirchen, Püttlingen, St. Ingbert, Völklingen und Saarbrücken.
Kommunalpolitischer Schwerpunkt der DKP-Saar ist nach wie vor die Stadt
Püttlingen, in der sie regelmäßig im Rahmen monatlicher Aktionstage ihre
Stadtzeitung „pro + kontra“ kostenlos und in großer Auflage verbreitet. Nach
den herben Stimmenverlusten bei der Kommunalwahl, die auf den altersbedingten Rückzug des langjährigen Fraktionsvorsitzenden aus der Politik
zurückzuführen sind, verlor sie jedoch zwei ihrer zuvor drei Sitze im Stadtrat.
Die DKP-Saar beteiligte sich am 18. Pressefest des DKP-Zentralorgans „Unsere Zeit“, das vom 27. bis 29. Juni in Dortmund unter dem Motto „Gemeinsam
kämpfen - gemeinsam feiern!“ stattfand und die wichtigste Veranstaltung
neben dem Parteitag darstellt. Dort war sie u.a. mit einer Ausstellung zu ihrer
Kampagne „Stoppt die Kaputtsparer“ präsent, mit der politische Alternativen
zur „neoliberalen Politik“ der saarländischen Landesregierung aufgezeigt
wurden.
Darüber hinaus unterstützte die DKP-Saar im Jahr 2014 Veranstaltungen der
Arbeiter- und Frauenbewegung, Aktivitäten von Flüchtlingsinitiativen gegen
die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, „Antikriegsdemonstrationen“
und „antifaschistische“ Protestaktionen gegen Rechtsextremismus.
2.1.2 Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)
Die MLPD, die innerhalb der linksextremistischen Szene weitgehend isoliert
und ähnlich wie die DKP in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar ist, sieht
sich nach wie vor als „politische Vorhutorganisation der Arbeiterklasse“ in
Deutschland. Sie hält an ihrem grundlegenden Ziel, dem revolutionären Sturz
des „Monopolkapitals“ und Aufbau des Sozialismus als „Übergangsstadium
zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft“, fest.
29
Die MLPD-Saar ist überregional dem Landesverband Rheinland-Pfalz, Hessen
und Saarland (RHS) angegliedert. Die Landesgeschäftsstelle befindet sich
nach Angaben in der Parteizeitung „Rote Fahne“ und auf der Internetseite der
MLPD in Frankfurt am Main.
Im Mittelpunkt der Parteiarbeit standen im Jahr 2014 die Bemühungen, durch
eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit insbesondere im Rahmen ihres EU-Wahlkampfes möglichst viele Menschen für die „Alternative des echten Sozialismus“ zu gewinnen. Schwerpunkt ihrer Mitgliederwerbeaktionen und Wahlkampfveranstaltungen bildete wie schon in den Vorjahren der Saarbrücker
Stadtteil Malstatt, wo nahezu monatlich entsprechende Informationsstände
betrieben wurden. Ein Mitgliederzuwachs war aber nicht festzustellen.
Die MLPD-Saar bemühte sich auch im Jahr 2014 um die Fortführung der
Saarbrücker Montagsdemonstrationen gegen „Sozialabbau in Deutschland“,
die bereits 2004 vom nichtextremistischen „Bündnis gegen Sozialkahlschlag“
ins Leben gerufen worden waren. Die im monatlichen Rhythmus in der Fußgängerzone Bahnhofstraße durchgeführten Protestveranstaltungen wurden
ausnahmslos von MLPD-Aktivisten angemeldet. Einer entsprechenden Pressemeldung zufolge agitierten unbekannte Teilnehmer an der „Montagsdemo“
am „Antikriegstag 1. September“ u.a. gegen die Bundeswehr. Am „offenen
Mikro“ wurden eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft und die
Auslandseinsätze der Bundeswehr angeprangert. Darüber hinaus wurden die
Lage in Kurdistan und das in Deutschland bestehende Verbot der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) thematisiert.
2.2
Gewaltorientierter Linksextremismus
2.2.1Autonome
Autonome bilden bundesweit die weitaus größte Personengruppe innerhalb des gewaltorientierten linksextremistischen Spektrums. Trotz unterschiedlicher ideologischer Orientierungen einigt sie der Widerstand gegen
das bestehende „kapitalistische System“. Autonome Gruppierungen lehnen
das staatliche Gewaltmonopol ab. Stattdessen fordern sie „herrschaftsfreie
Räume“, in denen staatliche Organe keine Macht ausüben. Derartige „Freiräume“ wie beispielsweise besetzte Häuser oder selbstverwaltete Jugendzentren
versteht die Szene als Rückzugsgebiet und Ausgangspunkt ihrer „antistaatlichen“ Aktivitäten, die sich an aktuellen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen orientieren. Die Anwendung von Gewalt ist für Autonome in der
politischen Auseinandersetzung bzw. in ihrem Kampf gegen ein „System von
Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung“ unverzichtbar und wird von ihnen
zur Durchsetzung ihrer Ziele als legitim angesehen. Gewalt ist Ausdruck ihrer
Unversöhnlichkeit mit den Verhältnissen und soll den Forderungen der Szene
30
Nachdruck verleihen sowie mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Eine typische
Form autonomer Gewalt ist die „Massenmilitanz“, d. h. Straßenkrawalle, die
situativ im Zusammenhang mit Demonstrationen und Großveranstaltungen
initiiert werden. Trotz grundsätzlicher Organisierungs- und Hierarchiefeindlichkeit autonomer Gruppierungen sind bundesweit Bemühungen um eine
Bündelung und Vernetzung linker Kräfte, anlassbezogene Kooperationen mit
anderen Teilen des linksextremistischen Spektrums und auch nichtextremistischen Organisationen festzustellen. Mit der Öffnung gegenüber anderen
ideologischen Strömungen soll die eigene Handlungsfähigkeit erhöht werden.
Im Saarland war innerhalb der etwa 70 Personen umfassenden gewaltorientierten autonomen Szene im vergangenen Jahr lediglich noch die Saarbrücker
Gruppe „Antifa Saar/Projekt AK“ (AK = Analyse und Kritik) aktiv. Sie versteht
sich als linker, politischer, unabhängiger Zusammenschluss, der außerparlamentarisch aktiv ist und sich den Kampf gegen Faschismus, Sexismus und
Rassismus sowie für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung
zum Ziel gesetzt hat.
Sie nutzte im vergangenen Jahr insbesondere das Internet zur offenen Mobilisierung für ihre zahlreichen „politischen Aktivitäten“. Ihre interne Kommunikation erfolgte ausschließlich in geschlossenen Foren unter Verwendung
von gängigen Verschlüsselungsprogrammen. Darüber hinaus wurde vor allem
auch das Internetportal „linksunten.indymedia“ genutzt, das als erstes regionales „independent media center“ (imc) seit 2009 von „MedienaktivistInnen
aus dem Südwesten Deutschlands“ betrieben wird.
Die „Antifa Saar/Projekt AK“ sowie einzelne Szeneangehörige aus den Räumen Neunkirchen und St. Ingbert entwickelten im vergangenen Jahr zahlreiche Aktivitäten auf den zentralen autonomen Aktionsfeldern „Antifaschismus“, „Antirepression“, „Antisemitismus“, „Antirassismus“, „Antimilitarismus“
und „Erhalt bzw. Schaffung autonomer Freiräume“. Ferner unterstützten die
Szeneangehörigen vor dem Hintergrund der Eskalationen im Nahostkonflikt
und der Gräueltaten der Terrororganisation „Islamischer Staat“ entsprechende Solidaritätsveranstaltungen in Saarbrücken.
Der Arbeitsschwerpunkt der „Antifa Saar/Projekt AK“ lag erneut auf dem
Aktionsfeld „Antifaschismus“. Ihren „antifaschistischen Kampf“ definiert die
„Antifa Saar/Projekt AK“ als Eintreten für eine Überwindung des „kapitalistischen Gesellschaftssystems und der staatlichen Ordnung als Wurzeln des
Faschismus“. Im Rahmen der so genannten Antifa-Recherchearbeit sammeln
sie Informationen über „Neonazis“, deren Treffpunkte und andere logistische
Einrichtungen, um sie öffentlich via Internet oder in Szenepublikationen
bloßzustellen. Gleichzeitig sollen „Outing-Aktionen“ vor einer rechtsextremistischen Betätigung abschrecken. Ferner geht es darum, die politische Arbeit
von Rechtsextremisten zumindest zu erschweren. Von Jahresbeginn an setzte
31
die „Antifa Saar/Projekt AK“ konsequent ihre generelle Ankündigung um, der
NPD künftig und insbesondere im EU- und Kommunalwahlkampf jede Gelegenheit zu nehmen, den öffentlichen Raum für die Verbreitung ihrer menschenfeindlichen Ideologie zu nutzen. Auf dem Aktionsfeld „Antifaschismus“
waren folgende nennenswerte regionale und überregionale Aktivitäten der
„Antifa Saar/Projekt AK“, die sich insbesondere gegen Veranstaltungen, Einrichtungen und Mitglieder der NPD-Saar und der „neonazistischen“ Kameradschaftsszene richteten, zu verzeichnen:
18.01.:
„Antifa-Demo“ in Saarbrücken anlässlich des ursprünglich im
Stadtteil Schafbrücke geplanten NPD-Parteitages mit rund
180 Teilnehmern,
25. + 27.01.: „Outing“ der Betreiber von NPD-Infoständen in Völklingen auf
der Internetplattform „linksunten.indymedia“,
01.02.:
Beteiligung mit einem Transparent „Der NPD in die braune
Suppe spucken!
Gegen jeden Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus,
Rassismus und Deutschtümelei!“ an Protestaktionen gegen
eine NPD-Kundgebungstour in Trier,
01.03.:
Spontane „Outing-Aktion“ in Saarbrücken-Fechingen vor dem
Hotel „Budapest“ als „jahrzehntelanger Nazitreffpunkt“,
05.03.:
Farbanschläge eines „Autonomen Farbkommandos“ in
Saarbrücken auf das Wohngebäude des Vorsitzenden der
NPD-Saar im Stadtteil Schafbrücke und auf das
Verbindungshaus der Burschenschaft Germania in der
Bismarckstraße 112,
06.03.:
Verbreitung eines Flyers „Hotel Budapest – Rückzugsort der
NPD“ durch Postwurf und an Passanten in Fechingen,
13.03.:
Teilnahme von Szeneangehörigen als „antifaschistische
Prozessbeobachter“ an einer Gerichtsverhandlung gegen
einen Bexbacher „Neonazi“ vor dem Schöffengericht
in Neunkirchen,
17.04.:
32
Spontandemonstration in Saarbrücken unter dem Motto
„Kein Raum für Nazis – Den rechten Lifestyle aus der
Deckung holen! Nazis unter die Hufe nehmen“ gegen eine
Wahlkampfveranstaltung der NPD-Saar,
01.05.:
Beteiligung von etwa 20 Angehörigen der autonomen Szene
Saar an Protest- und Blockadeaktionen gegen einen
„Naziaufmarsch“ in Kaiserslautern,
10.05.:
Beteiligung von etwa 50 Angehörigen der autonomen
„Antifa-Szene“ an Protestaktionen gegen einen
„Naziaufmarsch“ in Völklingen,
18.05.:
„Enttarnung“ einer Protestaktion einer „Burbacher Initiative
gegen Straßenprostitution“ am 13. Mai vor der Congresshalle
während einer Stadtratssitzung via Internet als eine
Wahlkampfveranstaltung der NPD-Saar,
29.07.:
Veröffentlichung einer weiteren Ausgabe ihres „Recherche
Infos“ auf ihrer Homepage, in dem die
„Ermittlungsergebnisse“ zu einer angeblich geplanten neuen
„Nazikneipe“ auf dem Gastronomieschiff „Piraterie“ in
Saarbrücken zusammengefasst waren sowie die Saarbrücker
Kneipe „City Train“ als angeblicher Treffpunkt der rechten
Szene und deren Betreiberin als „NPD-Sympathisantin“
geoutet wurden,
05.11.:
Outing eines Ehepaares aus Saarbrücken-Ensheim mit
Lichtbild und Angabe ihrer Wohnanschrift im Internet als
„aktive Nazis“ innerhalb der NPD-Saar,
06.11.:
Bericht auf ihrer Homepage über die Teilnahme von acht
saarländischen „Neonazis“ an der von schweren
Ausschreitungen begleiteten Demonstration von etwa 4.800
Hooligans und Rechtsextremisten gegen Salafismus am
26. Oktober in Köln,
23.11.:
Internetveröffentlichung unter „linksunten.indymedia“ zur
geplanten Eröffnung von zwei rechten Szenelokalen in
Saarbrücken-Güdingen und Saarbrücken-Burbach durch die
Vorsitzende des NPD-Ortsverbandes SB-Burbach am
29. November bzw. 6. Dezember 2014 und
04.12.:
Outing eines angeblichen „Neonazis“ aus Limbach mit
Lichtbild und Angabe seiner Wohnanschrift im Internet.
Auch der Kampf gegen vermeintliche staatliche Kontrolle und „Repression“
bildete für die saarländischen Szeneangehörigen im vergangenen Jahr wieder
einen Schwerpunkt bei ihren „politischen Aktivitäten“. Die damit verbundene
33
Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols ist das zentrale verbindende
Element innerhalb der in Kleingruppen zersplitterten linksextremistischen
autonomen Szene. Unter „Repression“ verstehen Autonome die staatliche
Überwachung und Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit linksextremistischen Aktivitäten. Maßnahmen des Staates als Garant öffentlicher
Sicherheit und Ordnung bei demonstrativen Anlässen werden von den Szeneangehörigen generell als „ungerechte staatliche Unterdrückung“, „Repression“
und „Polizei- oder Amtswillkür“ interpretiert. Entsprechende Solidaritätskampagnen zu Gunsten von Personen oder Organisationen, die einer vermeintlich
„repressiven Maßnahme“ ausgesetzt sind, erfahren in der Regel eine breite
Unterstützung. So prangerte die „Antifa Saar/Projekt AK“ in einer auf den 23.
April datierten Internetveröffentlichung mit dem Titel „STILL NOT LOVING POLICE!“ mehrere Strafverfahren gegen „antifaschistische GegendemonstrantInnen“ als gezielte „staatliche Repression“ an. Diese waren im Nachgang zu den
tätlichen Auseinandersetzungen bei einer „Nazi-Kundgebung“ anlässlich des
100. Geburtstages des Kriegsverbrechers Erich PRIEBKE am 29. Juli 2013 in
Saarbrücken eingeleitet worden. In dem Artikel wies die „Antifa Saar/Projekt
AK“ gleichzeitig auf polizeiliche Übergriffe auf „Antifas“ hin.1
Als Reaktion auf eine Hausdurchsuchung am 5. Mai bei einem „Antifaschisten“ in Saarbrücken im Zusammenhang mit einer „Nazi-Outing-Aktion“ Mitte
August 2013 veröffentlichte die „Antifa Saar/Projekt AK“ auf ihrer Internetseite eine Pressemitteilung mit der Schlagzeile „Nach Naziübergriff: LKA kriminalisiert Antifaschisten“. Darin wurde die Maßnahme als nach bürgerlichen
Maßstäben äußerst fragwürdig und als ein weiterer „Kriminalisierungsversuch der politischen Polizei“ gegenüber saarländischen „AntifaschistInnen“
dargestellt. Am 7. November verfolgten etwa 15 Angehörige der autonomen
Szene Saar als Beobachter eine Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht
Saarbrücken gegen drei Gesinnungsgenossen wegen Verstoßes gegen das
Sprengstoffgesetz. Diese hatten in der Silvesternacht im Nauwieser Viertel
randaliert und eintreffende Polizeibeamte durch Werfen von Feuerwerkskörpern gegen das Dienstfahrzeug gezielt angegriffen. Zwei Szeneaktivisten
wurden wegen Einsatzes gefährlicher Explosivstoffe zu Geldstrafen in Höhe
von zehn bzw. 20 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.
Der Artikel war mit einem „aufgetauchten Journalistenvideo“ über die damaligen Ereignisse verlinkt. In der Folge wurde ein Polizeibeamter am 13. November vom Amtsgericht
Saarbrücken wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und Verfolgung Unschuldiger zu
einer Haftstrafe von 18 Monaten auf Bewährung und zur Zahlung von 2000 Euro an einen
Geschädigten, der als Nebenkläger aufgetreten war, verurteilt. Auf Grund des vorgenannten
Videos sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Beamte einen „Antifaschisten“ ungerechtfertigt angegriffen und durch den Einsatz eines Schlagstockes verletzt hatte.
1
34
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Flüchtlingsströme aus dem Nahen
Osten und aus Afrika beteiligten sich Angehörige der autonomen Szene im
Rahmen ihres Kampfes gegen den „institutionellen Rassismus“ auch friedlich an Veranstaltungen und demonstrativen Aktivitäten gegen die staatliche
Asyl- und Abschiebepolitik. Die linksextremistische Szene wirft dem Staat vor,
durch Abwehrmaßnahmen an den europäischen Grenzen und durch Abschiebungen eine rassistische Politik zu betreiben sowie letztlich für den Tod von
Bootsflüchtlingen und anderen in „Folterstaaten“ abgeschobenen Flüchtlingen verantwortlich zu sein. Sie unterstützt Forderungen wie beispielsweise
„Abschiebegefängnisse abschaffen“, „Keine Abschiebungen in Kriegsgebiete
und Folterstaaten!“ oder „Keine Ausreisezentren und andere Sammellager!“.
Darüber hinaus zielen ihre antirassistischen Aktivitäten gegen den „Alltagsrassismus“, der sich in zahlreichen fremdenfeindlichen Vorfällen offenbare.
Einer Internetveröffentlichung der „Antifa Saar/Projekt AK“ zufolge führten
Szeneangehörige am 19. September in Saarbrücken und Saarlouis zwei
„antirassistische Aktionen“ zur Erinnerung an den Todestag eines ghanaischen Flüchtlings durch, der 1991 bei einem vermutlich fremdenfeindlichen,
aber bis heute nicht aufgeklärten Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in
Saarlouis-Fraulautern ums Leben gekommen war. Mitte November rief die
„Antifa Saar/Projekt AK“ auf ihrer Homepage mit dem Slogan „Gemeinsam
gegen Rassismus und Islamismus! Dem rassistischen SaGeSa-Mob entgegentreten!“ für eine Beteiligung an einer Kundgebung auf, um gegen eine am
22. November in Völklingen angemeldete Demonstration der Gruppierung
„Saarländer gegen Salafisten“ (SaGeSa) zu protestieren. Unter die rund 300
Teilnehmer der von einer demokratischen Partei initiierten Gegenveranstaltung unter dem Motto „Gegen Rassismus und religiösen Fanatismus“ mischten sich auch etwa 40 Angehörige der hiesigen linksextremistischen autonomen „Antifa-Szene“ und einzelne „antifaschistische GesinnungsgenossInnen“
aus Rheinland-Pfalz sowie Mitglieder/Anhänger der DKP und der MLPD. Die
teilweise vermummten autonomen Aktivisten verteilten ein Flugblatt mit
dem Aufmacher „Gegen Rassismus und Islamismus! Kein Kompromiss mit
der Barbarei!“ und zeigten großflächige Transparente der „Antifa Saar/Projekt
AK“ mit den Aufschriften „pas de quartiers pour les fascistes, pas de fascistes
dans les quartiers!“ und „No Jihad! Stop Boko Haram, Al-Qaida, Hamas, Isis! –
Islamismus bekämpfen!“.
Die autonome Szene beteiligte sich ferner an bundesweiten und regionalen
friedenspolitischen bzw. „antimilitaristischen“ Protestveranstaltungen. Die
Agitation richtete sich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und deutsche Waffenlieferungen in Krisengebiete. Darüber hinaus wurde auch eine
angeblich zunehmende „Militarisierung der Gesellschaft“ thematisiert, die
sich in einer vermehrten Präsenz der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zeige.
Im Fokus von Linksextremisten standen insbesondere Militärmusikkonzerte
sowie Bundeswehrveranstaltungen zur Nachwuchswerbung in Arbeitsagen35
turen und Schulen. Einer auf den 16. Oktober datierten Internetveröffentlichung zufolge beteiligte sich die „Antifa Saar/Projekt AK“ ab Anfang Oktober
in Saarbrücken an Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen vor
der Europagalerie bzw. vor dem saarländischen Landtag sowie an einer Besetzung des Hauptbahnhofes zur solidarischen Unterstützung der „KämpferInnen“ der PKK in Kobanê.
Gleichzeitig wurden bei diesen Anlässen die Aufhebung des PKK-Verbotes in
Deutschland und die Aufnahme des Kampfes gegen den „globalen politischen
Islam“ gefordert. Zur finanziellen Unterstützung der „kurdischen Selbstverteidigungskräfte“ bot die vorgenannte „Antifa“-Gruppe Mitte Oktober auf ihrer
Homepage ein „Soli T-Shirt gegen Islamismus“ mit dem Aufdruck „No Jihad –
Stop Boko Haram, Al Qaida, Hamas, Isis“ zum Kauf an. Unter den rund 1.000
Teilnehmern eines friedlich verlaufenen Aufzuges am 1. November in Saarbrücken unter dem Motto „Solidarität mit Kobanê – Gegen IS-Terror/Ermordung von Yeziden“, die von der „Kurdischen Gemeinde Saarland e.V.“ (KGS)
anlässlich eines „Internationalen Aktionstages für Kobanê“ organisiert worden war, befanden sich auch etwa 20 Angehörige der autonomen Szene Saar.
Zur Aufarbeitung der jüngsten Eskalationen im Gazakonflikt organisierte die
„Antifa Saar/Projekt AK“ gemeinsam mit nichtextremistischen Organisationen
am 16. November in Saarbrücken eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Israel: Der ewige Sündenbock“ mit etwa 120 Teilnehmern.
Obwohl das Thema „Schaffung und Erhalt autonomer Freiräume“ infolge ihrer
„Antifa-Offensive“ im vergangenen Jahr etwas in den Hintergrund gedrängt
wurde, besitzt es bei Angehörigen der autonomen Szene Saar nach wie vor
einen hohen Stellenwert. In diesem Zusammenhang beteiligten sich Angehörige der autonomen Szene Saar am 8. Februar an einem „Solifestival“ für die
Schaffung eines „alternativen Hausprojektes“ in Saarbrücken. Zum Auftakt
dieses Musikfestivals mit mehreren „Punk-Rock-Bands“ aus der Region, das
im Jugendzentrum St. Ingbert (kein Beobachtungsobjekt) stattfand, wurde ein
von der autonomen „Antifa Saar/Projekt AK“ produzierter „Doku-Film“ über
ihren Kampf in den Jahren 2004/2005 für den Erhalt der „Alten Feuerwache“
in Saarbrücken als Kontakt- und Anlaufstelle für die Szene gezeigt. Derartige
„subkulturelle Musikangebote“ in „Autonomen Zentren“ und vergleichbaren
selbst verwalteten Einrichtungen werden von Szeneangehörigen u.a. auch
dazu genutzt, Einnahmen für ihre politische Arbeit zu generieren, Kontakte
zu Außenstehenden aufzubauen bzw. Nachwuchs anzuwerben oder für eine
Teilnahme an ihren linksextremistischen Aktivitäten zu mobilisieren. Von
diversen Bands werden dabei auch Lieder verbreitet, die typische linksextremistische Gesellschafts- und Systemkritik beinhalten. Mitunter finden sich
in den Texten auch Aufrufe zu Gewalttaten gegenüber Rechtsextremisten
oder Polizisten, aber auch zu Straftaten im Verlauf von Demonstrationen. Zu
dieser Kategorie deutscher Musikgruppen gehören beispielsweise die in der
autonomen Szene Mecklenburg-Vorpommerns verankerte Punk-Band „Feine
36
Sahne Fischfilet“ und die in der linksextremistischen Szene beliebte Berliner
Elektro-Formation „Egotronic“. Beide Bands traten am 12. Juli auf einem Musikfestival im „Skatepark Theley“ mit rund 700 Besuchern auf, das vom Verein
„Volcano e.V. – Verein zur Förderung offener Jugendarbeit und selbstverwalteter Jugendkultur“ aus Tholey bereits seit mehreren Jahren organisiert wird.
Während der Veranstaltung, mit der ein deutliches Zeichen gegen rechtes Gedankengut und Rassismus gesetzt werden sollte, waren nach einem Bericht
in der Saarbrücker Zeitung auch eine bundesweite Initiative „Kein Bock auf
Nazis“ mit einem Stand und die autonome „Antifa Saar/Projekt AK“ präsent.
2.2.2 Antiimperialistische Szene Saar
Neben den Autonomen sind dem gewaltorientierten linksextremistischen
Spektrum im Saarland noch einige wenige Aktivisten aus der ehemaligen
saarländischen RAF-Unterstützerszene zuzurechnen. Sie sind zwar nach wie
vor in der antiimperialistisch ausgerichteten Saarbrücker Gruppe „BASIS“
(Büro und Anlaufstelle für Selbstorganisierung – Internationalismus – Soziale
Emanzipation) organisiert, treten aber nach außen hin ausschließlich unter
der Firmierung „Libertad! Saar“ in Erscheinung. Angehörige dieses kleinen
Aktivistenkreises halten den Aufbau fester Organisationsstrukturen innerhalb des antiimperialistischen/autonomen Spektrums für unverzichtbar, um
eine weitere „Marginalisierung revolutionärer Kräfte“ zu verhindern bzw. die
Sprach- und Bedeutungslosigkeit der „radikalen Linken“ überwinden zu können. Aufgrund dieser Zielsetzung engagieren sich die vorgenannten Szeneangehörigen innerhalb der bundesweiten und in Frankfurt am Main ansässigen
Initiative „Libertad!“, die zunehmend in den aktuellen Auseinandersetzungen
gegen Globalisierung, Krieg, „staatliche Repression und Überwachung“ sowie
insbesondere gegen Kapitalismus Ausgangspunkte für den Aufbau eines
internationalen Netzwerkes revolutionärer Kräfte sieht. Deshalb ist „Libertad!“
bestrebt, mit einer strategischen Bündnisorientierung strömungsübergreifend
zu agieren. Dazu setzte die Initiative einschließlich ihrer Saarbrücker Ortsgruppe auch im Jahr 2014 ihre Mitarbeit im Aktionsbündnis „Interventionistische Linke“ (IL) fort, einem bundesweiten informellen Netzwerk von Gruppen
und Einzelaktivisten überwiegend aus dem autonomen Lager und mehreren
revolutionär-marxistischen Organisationen. Ein Großteil der „Libertad!“-Angehörigen sieht in der Weiterentwicklung dieses im Jahr 2005 gegründeten
Bündnisses durch Schaffung fester Organisationsstrukturen eine Chance, die
Stagnation zu überwinden und die „radikale Linke“ in Deutschland wieder
„interventionsfähig“ zu machen. Sie treten zwar nicht offen gewalttätig oder
gewaltbefürwortend auf, lehnen aber ein Bekenntnis zur Gewaltfreiheit
grundsätzlich ab.
37
„Libertad! Saar“ unterstützte im vergangenen Jahr einen Protestmarsch von
Flüchtlingen von Straßburg über Saarbrücken nach Brüssel (20. Mai bis 22.
Juni), der sich gegen die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (EU) richtete. Die Szeneangehörigen beteiligten sich an entsprechenden
Solidaritätsaktionen, die von saarländischen Flüchtlingsinitiativen entlang
des Marschweges vom 26. Mai bis 1. Juni im Saarland organisiert worden
waren. Ferner nahmen hiesige „Libertad!“-Aktivisten friedlich an Solidaritätsveranstaltungen der des „Kurdischen Gesellschaftszentrums Saarbrücken
e.V.“ (KGZ) für den kurdischen Widerstand gegen die IS-Terrororganisation in
Saarbrücken teil.
Darüber hinaus zählten die Saarbrücker Szeneangehörigen zum breiten Unterstützerkreis eines bundesweiten „Blockupy-Bündnisses“, das die Planungen für die Durchführung von „antikapitalistischen Aktionstagen“ in Frankfurt
am Main anlässlich der ursprünglich im November geplanten Feierlichkeiten
zur Eröffnung des Neubaus der „Europäischen Zentralbank“ (EZB) in der
deutschen Bankenmetropole maßgeblich steuerte. Dieses Bündnis setzte
sich aus überwiegend nichtextremistischen Initiativen, Gewerkschaften und
demokratischen Organisationen sowie aus gemäßigten Linksextremisten und
autonomen Gruppierungen zusammen. Die Beteiligung von linken Gruppen
an diesem breit aufgestellten Bündnis verdeutlicht, dass aus dem gesamten
linksextremistischen Spektrum heraus versucht wird, die demokratischen
Proteste gegen die globale Wirtschafts- und Finanzkrise für die eigenen Ziele
zu instrumentalisieren bzw. eine „antikapitalistische Grundeinstellung“ in
die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Die Vorbereitungen auf Landesebene für
eine Teilnahme an den Protesten gegen die EZB als das „Symbol der kapitalistischen Gesellschaft“ wurden von einer regionalen „AG Blockupy“ geführt,
in der Angehörige der antiimperialistisch ausgerichteten Gruppe „Libertad!
Saar“ sowie Vertreter mehrerer nichtextremistischer Organisationen mitarbeiteten. Anfang Mai mobilisierte die vorgenannte AG via Internet und mit
einem im Raum Saarbrücken verbreiteten Flyer „Blockupy 2014 – Grenzenlos
solidarisch – für eine Demokratie von unten! Wir zahlen nicht für eure Krise!“
für eine gemeinsame Bahnanreise zu einer „Antikapitalismusdemo“ am 17.
Mai in Stuttgart. Diese war im Rahmen europaweiter Protestaktionen unter
dem Motto „Solidarity beyond Borders – Building Democracy from below“
gegen die europäische Sparpolitik der „Troika aus EU-Kommission, EZB und
Internationalem Währungsfonds (IWF)“ organisiert worden. Darüber hinaus
führte die regionale „AG Blockupy“ in monatlichem Rhythmus in Saarbrücken
entsprechende Mobilisierungsveranstaltungen zu den in den März 2015 verschobenen „antikapitalistischen“ Protestveranstaltungen gegen die Eröffnung
des EZB-Neubaus in Frankfurt/Main durch.
38
IV. Ausländerextremismus
(ohne Islamismus/islamistischer Terrorismus)
1.Allgemeines
1.1Ideologie
Der Ausländerextremismus ist keine Extremismusform eigener Art. Der Begriff
umfasst vielmehr extremistische Bestrebungen von Migrantenorganisationen,
bei denen Gründung und Wirken auf unterschiedlichste Konflikte in den Herkunftsregionen zurückzuführen sind. Bei dem Versuch, die dortigen Verhältnisse in ihrem Sinne zu verändern, wenden sie friedliche, zum Teil aber auch
militante Mittel an. Die Aktivitäten der in der Bundesrepublik - oft auch im
Zusammenwirken mit deutschen extremistischen Gruppierungen - agierenden Ableger zielen in der Hauptsache auf die Unterstützung ihrer Mutterorganisationen ab. Zu beobachten sind dabei vor dem Hintergrund der jeweiligen
Entwicklungen in den Ursprungsregionen insbesondere propagandistische,
logistische und finanzielle Unterstützungshandlungen. Vor allem aus Akzeptanzgründen bemühen sich die Gruppen grundsätzlich um ein friedliches
Erscheinungsbild in Deutschland; vereinzelte, durch besonders emotionalisierende Ereignisse und Entwicklungen ausgelöste gewalttätige Aktionen sind
aber immer wieder festzustellen. Ideologische Grundausrichtungen findet der
hier relevante nicht-islamistische Ausländerextremismus im Linksextremismus, Nationalismus und Separatismus.2
1.2 Entwicklung /Tendenzen
Die beschriebene heterogene Zusammensetzung des Ausländerextremismus
(AEX) findet sich in seiner ganzen Bandbreite auch im Saarland. Wie bereits in
den vergangenen Jahren hatte die Beobachtung der in Deutschland mit einem
Betätigungsverbot belegten „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) Priorität.
Im vorliegenden Bericht wird erstmals der früher im Teil „Ausländerextremismus“ mitbehandelte Phänomenbereich „Islamismus/islamistischer Terrorismus“ gesondert dargestellt.
Diese Änderung wurde im Wesentlichen aus zwei Gründen vorgenommen:
-
Während Islamismus früher als ein von außen kommendes Phänomen
betrachtet wurde, muss festgestellt werden, dass die hier lebenden Islamisten
häufig deutsche Staatsbürger sind und ihre Radikalisierung sich ohne direkte
Einflüsse aus dem Ausland vollzieht.
-
Religiöser Extremismus hat andere Ursachen als der säkulare und stellt daher eine
eigenständige Kategorie dar.
2
39
1.3 Personenpotenzial
Das Mitglieder-/Anhängerpotenzial der dem Beobachtungsbereich Ausländerextremismus zugeordneten Organisationen, Gruppierungen und Einzelaktivisten im Saarland war zum Jahresende 2014 auf Grund aktueller Erkenntnisse mit bis zu 400 geringer zu beziffern als im Vorjahr, als rund 430 Personen
diesem Spektrum zuzurechnen waren.
Nach wie vor stellt sich dort die PKK mit etwa 300 Mitgliedern/Anhängern
und einem Mobilisierungspotenzial von bis zu 1.000 Personen unverändert
als die zahlenmäßig größte und auf Grund ihrer Aktivitäten in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommene Einzelgruppierung dar. Die Unterstützung
der von der Organisationsführung initiierten Kampagnen und Aktionen durch
die Anhängerschaft im Saarland belegte erneut deren Einbindung in die
streng hierarchisch gegliederte Gesamtorganisation.
Entwicklung des ausländerextremistischen Personenpotenzials innerhalb der
letzten fünf Jahre:
Gesamtpotenzial
2010
2011
2012
2013
2014
450
450
430
430
400
460
450
440
430
420
Gesamtpotenzial
410
400
390
380
370
2010
40
2011
2012
2013
2014
1.4 „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK)
Im Jahr 2014 waren insgesamt 16 Straftaten mit erwiesenem bzw. zu vermutendem ausländerextremistischen Hintergrund zu verzeichnen (keine
Gewalttaten). Die gegenüber den Vorjahren erhöhten Fallzahlen sind auf ein
umfangreiches Strafverfahren gegen Funktionäre/Anhänger der tamilischen
Separatistenorganisation „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) zurückzuführen. Auch LTTE-Funktionäre und -Aktivisten im Saarland waren von
diesem Strafverfahren betroffen; so sind hier elf Verfahren gegen LTTE-Angehörige wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) zu
verzeichnen. Fünf Straftaten waren dem Bereich PKK zuzuordnen.
Entwicklung der ausländerextremistisch motivierten Straftaten innerhalb der
letzten fünf Jahre3:
2010
2011
2012
2013
2014
gesamt:
5
6
3
3
16
davon Gewalttaten:
0
1
1
0
0
18
16
14
12
10
gesamt:
8
davon Gewalttaten:
6
4
2
0
2010
2011
2012
2013
2014
3
Bei der von der Polizei übernommenen Straftatenstatistik erfolgt keine Trenung zwischen
„ausländerextremistischen“ und „islamistischen“ Straftaten. Wie auch im Vorjahr war 2014
keine Straftat mit islamistischem Hintergrund zu registrieren.
41
2. Einzelaspekte
2.1
2.1.1
„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)
Allgemeine Lage, Entwicklung
Die PKK befindet sich seit Anfang 2013 in einem nach wie vor anhaltenden,
allerdings ins Stocken geratenen Friedensprozess mit der Türkei. Seitdem
sind die Kampfhandlungen zwischen den Guerillaeinheiten der PKK und der
türkischen Armee insgesamt zwar signifikant zurückgegangen, flackern aber
immer wieder auf. So führte das türkische Militär am 13. Oktober vergangenen Jahres Luftangriffe auf PKK-Stellungen im Südosten der Türkei durch.
Dies wurde von den „Volksverteidigungskräften“ (HPG) der PKK als Bruch
der Waffenruhe bezeichnet; die Angriffe seien durch die HPG beantwortet
worden, hieß es in der Erklärung weiter. Andererseits hat die PKK gemeinsam
mit ihrem syrischen Ableger „Partei der Demokratischen Union“ (PYD) im
vergangenen Jahr ihr Engagement gegen die sunnitische Terrororganisation
„Islamischer Staat“ (IS) in den kurdischen Siedlungsgebieten in Syrien und
Irak verstärkt. Ziele waren die Verteidigung der in drei „Kantonen“ Nord-Syriens im Januar 2014 von Kurden ausgerufenen „Demokratischen Autonomie“
sowie der Schutz der vom IS bedrohten Jesiden im Nordirak.
Das Aktionsverhalten der PKK, die in Westeuropa seit 1999 um ein weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild bemüht ist, richtete sich im vergangenen
Jahr neben Aktionen zur Freilassung der Führungs- und Symbolfigur Abdullah
ÖCALAN aus türkischer Haft und zur Aufklärung der Morde an drei PKK-Aktivistinnen vom 9. Januar 2013 in Paris gegen den Vormarsch des IS in kurdische Siedlungsgebiete in der Heimatregion.
Nicht zuletzt die prekäre Situation um die syrische Stadt Kobanê ließ insbesondere die Zahl der Protestkundgebungen im September und Oktober
deutlich ansteigen. Aufgrund der Emotionalisierung insbesondere PKK-naher kurdischer Jugendlicher kam es zu Spontandemonstrationen u. a. an
deutschen Flughäfen, Bahnhöfen sowie zu Sitzstreiks gegen die „Untätigkeit
Europas im Kampf gegen den IS“. Die Proteste verliefen bis auf vereinzelte
gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kurden bzw. PKK-Anhängern
und Islamisten/Salafisten weitestgehend friedlich. Insbesondere wurde im
Rahmen der Veranstaltungen in Deutschland verstärkt eine Aufhebung des
PKK-Verbotes gefordert.
Zum Jahrestag der Ermordung der drei PKK-Aktivistinnen in Paris fand am 11.
Januar in der französischen Hauptstadt eine zentrale Großkundgebung mit
13.000 Teilnehmern statt. Im Rahmen der friedlich verlaufenen Veranstaltung bekräftigten kurdische Vertreter ihre Forderung an den französischen
Staat zur Aufklärung der Morde und betonten, dass „Europa Gastgeber dieses
beschämenden und barbarischen Mordes gewesen“ sei. In zahlreichen deutschen Städten wurde das ganze Jahr über bei Kundgebungen und Mahnwa42
chen, u. a. vor französischen Auslandsvertretungen, eine lückenlose Aufklärung der Morde gefordert.
Anlässlich des 15. Jahrestages der Festnahme Abdullah ÖCALANs fand am
15. Februar in Straßburg eine Großkundgebung mit etwa 10.000 Personen
statt. Allgemeiner Tenor der Ansprachen war die Forderung nach einer Freilassung des Kurdenführers sowie nach einer Lösung der Kurdenfrage.
PKK-Anhänger begingen am 22. März mit einer zentralen Großdemonstration
(10.000 Teilnehmer) unter dem Motto „Freiheit in Kurdistan – Demokratie in
der Türkei“ in Düsseldorf das traditionelle kurdische Neujahrsfest NEWROZ.
Per eingespieltem Video forderte der inhaftierte Kurdenführer zum Festhalten
am Friedensprozess und die türkische Regierung zur Aufnahme konkreter
Verhandlungen auf.
Im Juni betonte ÖCALAN ferner, es sei wichtig, die Inhalte der Friedensgespräche mit der Öffentlichkeit zu teilen. Überdies müsse man aufhören, den
Friedensprozess mit gegenseitigen Provokationen zu behindern; der Waffenstillstand müsse von beiden Seiten eingehalten werden.
Zur Jahresmitte hin verschärften sich die militärischen Auseinandersetzungen
zwischen den „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) der PYD und dem IS in der
türkisch-syrischen Grenzregion „Rojava“. Vor diesem Hintergrund fanden in
zahlreichen deutschen Städten verstärkt Solidaritätsaktionen zur Unterstützung der kurdischen Autonomiebestrebungen in Syrien bzw. Protestaktionen
gegen den Vormarsch des IS statt. Insbesondere wurde an die internationale
Politik appelliert, sich ihrer Verantwortung in dieser Angelegenheit bewusst
zu werden. In einer Erklärung vom 8. Juli betonte die PKK-Führung, die
IS-Angriffe blieben nicht auf „Rojava“ beschränkt, sondern stellten eine große
Gefahr für alle Kurden dar. Funktionäre riefen die Kurden zum gemeinsamen
Widerstand mit dem Volk von „Rojava“ auf und hoben hervor, es sei für sie
eine nationale Pflicht, sich an diesem Widerstand zu beteiligen.
Der Vormarsch des IS im Nordirak, insbesondere die Eroberung der Stadt
Sengal, die hauptsächlich von Angehörigen der religiösen Minderheit der
Jesiden bewohnt wird, löste Anfang August zahlreiche Protestkundgebungen
von PKK-Anhängern und Jesiden in Deutschland aus. In Veröffentlichungen
PKK-naher Organisationen wurden die Angriffe als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet. Vor allem Deutschland stünde
hier in der Verantwortung, da viele hier lebende Kurden deutsche Staatsbürger seien und den Schutz ihrer Verwandten und Bekannten in der Heimat
auch als ihren Schutz verstünden. Ferner wurde die Politik der „regionalen
Mächte“, vor allem die der türkischen Regierung, verurteilt, welche den IS
unterstütze oder zumindest auf ihrem Staatsgebiet operieren lasse.
43
Vor dem Hintergrund der Offensiven des IS in den kurdischen Siedlungsgebieten in Nordsyrien und im Nordirak waren in Deutschland und in anderen
europäischen Ländern verstärkt Bemühungen festzustellen, Personen für den
bewaffneten Kampf der PKK zu gewinnen. Unter Hinweis auf die als Erfolg
der PKK deklarierte Zurückdrängung des IS und die Befreiung der Jesiden aus
dem nordirakischen Sindschar-Gebirge wurden junge Kurden in PKK-nahen
Medien dazu aufgefordert, sich zur Verteidigung ihrer Heimat für mindestens
sechs Monate den bewaffneten Einheiten der PKK in Syrien bzw. im Irak
anzuschließen.
Unter dem Motto „Die Rojava- Revolution ist dem freien Kurden eine Ehre/
Freiheit für ÖCALAN – Status für Kurdistan“ fand am 13. September in
Düsseldorf das „22. Internationale Kurdische Kulturfestival“ statt. An der
störungsfrei verlaufenen Veranstaltung mit ca. 30.000 Teilnehmern aus ganz
Europa wurde der „Widerstand der kämpfenden Gruppen der PKK“ gegen
den IS thematisiert sowie die Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbotes
erneuert.
Aufgrund der anhaltenden Angriffe des IS auf die nordsyrische Stadt Kobanê
kam es Ende September bundesweit zu einer mehrwöchigen Protestwelle
mit zahlreichen sowohl angemeldeten als auch spontanen Kundgebungen.
Getragen wurden die weitgehend friedlichen Demonstrationen, Mahnwachen, kurzzeitigen Besetzungen oder Blockaden des Schienen- und Straßenverkehrs überwiegend von PKK-Anhängern mit Beteiligung türkischer und
deutscher Linksextremisten. Bei den Spontanaktionen wurden u. a. Flughäfen
(Frankfurt/M., Hamburg, Köln-Bonn Stuttgart), Rundfunkanstalten (Hannover, Düsseldorf, Kiel) und Parteibüros (Frankfurt, Köln, Dortmund) besetzt. Im
Rahmen des Protestgeschehens kam es in einzelnen Fällen auch zu Sachbeschädigungen an türkischen Einrichtungen und zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, u. a. am 6. und 7. Oktober zwischen Kurden bzw. Jesiden
und Salafisten bzw. Tschetschenen in Hamburg und Celle. Zudem stellte
die PKK-Führung als Reaktion auf die zurückhaltende Position der Türkei
bezüglich eines Militäreinsatzes gegen den IS in Syrien den Friedensprozess
zwischen der türkischen Regierung und der PKK in Frage.
Den vorläufigen Höhepunkt erreichten die Massenproteste am 11. Oktober
mit einer zentralen Großdemonstration unter dem Motto „Stoppt den IS –
Freiheit für ÖCALAN“ in Düsseldorf, an der sich 21.000 Personen beteiligten,
darunter türkische und deutsche Linksextremisten. Der türkischen Regierung
wurde vorgeworfen, den IS zu finanzieren und für die Angriffe auf die Kurden
in „Rojava“ verantwortlich zu sein. Darüber hinaus wurde die deutsche Regierung aufgefordert, „Rojava“ anzuerkennen.
Am 1. November, der zu einem „Internationalen Aktionstag für Kobanê - Global Rally for Kobanê“ erklärt worden war, beteiligten sich an bundesweiten,
44
weitgehend störungsfrei verlaufenen Demonstrationen ca. 39.000 Personen,
darunter auch türkische und deutsche Linksextremisten.
Mitte November unterzeichneten u. a. 39 „kurdische Einrichtungen und Organisationen“, hierunter auch PKK-nahe Vereinigungen, einen an die Bundeskanzlerin gerichteten Brief mit der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbotes und begründeten dies mit einer angeblichen grundlegenden Änderung
der aktuellen politischen Situation in Deutschland gegenüber dem Jahr 1993,
als die PKK durch den Bundesminister des Innern mit einem Betätigungsverbot belegt worden war. Zur Bekräftigung führten sie den nun fast zwei
Jahre andauernden Friedensprozess zwischen der türkischen Regierung und
Abdullah ÖCALAN an, in dem die PKK ihre friedlichen Absichten unter Beweis
gestellt habe. Die Forderungen wurden insbesondere auch im Rahmen von
Demonstrationen anlässlich des 21. Jahrestages des Verbots (22. November
1993) thematisiert. Die größte Demonstration fand mit 1.200 Personen am
29. November in Frankfurt/M. statt.
2.1.2Struktur
Im Zusammenhang mit dem von Abdullah ÖCALAN im Frühjahr 2013 ausgerufenen Friedenskurs hatte die Organisationsführung beschlossen, ihre
europäischen Gliederungen in legale, transparente und basisdemokratische
Strukturen zu überführen. Hierzu hatten sich bereits im Juli 2013 der politische Arm der PKK in Europa, die „Koordination der kurdisch-demokratischen
Gesellschaft in Europa“ (CDK) und die „Konföderation kurdischer Vereine in
Deutschland“ (KON-KURD) unter der Bezeichnung „Kurdisch-Demokratischer
Gesellschaftskongresses in Europa“ (KCD-E) mit dem Ziel zusammengeschlossen, alle kurdischen Vereine in Europa unter einem Dach zu vereinen
und u. a. demokratische Gesellschaftszentren für Kurden zu eröffnen. Im
Frühjahr 2014 wurde mit den Umstrukturierungen in den Gebieten begonnen. In zahlreichen deutschen Städten fanden in der Folge so genannte
„Gründungsversammlungen kurdischer Gesellschaftszentren“ statt. Der
Dachverband der örtlichen Kurdenvereine, die „Föderation kurdischer Vereine
in Deutschland e.V.“ (YEK-KOM), dem eigenen Angaben zufolge 46 örtliche
Kurdenvereine angehören, nannte sich im Juni 2014 in „Demokratisches
kurdisches Gesellschaftszentrum Deutschland e.V.“ (NAV-DEM) um. Das
NAV-DEM will die Zusammenarbeit von Frauen, Jugendlichen, verschiedenen kurdischen Religionsgemeinschaften und insgesamt 260 Vereinen und
Einrichtungen koordinieren. Die primäre Entscheidungsbefugnis soll bei den
Gesellschaftszentren auf der lokalen Ebene liegen.
Im Rahmen dieser bundesweiten „Gründungskongresse“ beschloss die als
zentrale Anlaufstelle der PKK-Anhänger im Saarland fungierende „Kurdische Gemeinde Saarland e.V.“ (KGS) in einer Mitgliederversammlung im
45
Mai ihre Umbenennung in „Kurdisches Gesellschaftszentrum Saarbrücken“
(KGZ-Saarbrücken). Zur Bewältigung der praktischen Arbeit richtete der
Verein in der Folge Kommissionen ein, so u. a. für Außenbeziehungen und
Öffentlichkeitsarbeit sowie Jugend, Kultur und Sprache. Die neue Vereinsbezeichnung KGZ-Saarbrücken wurde am 18. Dezember im Vereinsregister
beim Amtsgericht Saarbrücken eingetragen.
Die „Kurdische Jugend Saarland“ ist über das Internet vernetzt. Nach derzeitigen Erkenntnissen nutzen rund 200 jugendliche PKK-Sympathisanten das
soziale Netzwerk „Facebook.com“ als Kommunikationsplattform. Die hier in
2013 gegründete Studentengruppe der PKK-Massenorganisation „Verband
der Studierenden aus Kurdistan“ (YXK) kommuniziert ebenfalls über Facebook. Zum Kreis der Administratoren des geschlossenen Forums gehört die
Leiterin der Jugendkommission im KGZ-Saarbrücken.
Die Einrichtung der Gesellschaftszentren kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der konspirativ agierende Kaderapparat, der die eigentliche
Leitung inne hat - nach wie vor - weiter besteht. In diesen Strukturen ist die
PKK in Deutschland weiterhin in vier Sektoren („SAHAs“) für die Bereiche
Nord, Mitte und Süd 1 und 2 mit jeweils einem Führungsfunktionär an der
Spitze eingeteilt. Diesen SAHAs sind 30 Gebiete untergeordnet, die sich wiederum in Teilgebiete gliedern. Die örtlich eingesetzten Funktionäre arbeiten
meist im Verborgenen, um sich einem staatlichen Zugriff zu entziehen, und
verfügen nur selten über persönliche Bindungen.
Das Gebiet „Saarland“ gehört mit seinen sieben bis in die Westpfalz und nach
Trier reichenden Teilgebieten zum „SAHA Süd 1“.
2.1.3Exekutivmaßnahmen
Am 16. Dezember wurde ein mutmaßlicher PKK-Funktionär aus dem Saarland
aufgrund eines Haftbefehls des Oberlandesgerichtes (OLG) Koblenz durch
Beamte des Landespolizeipräsidiums Saarland wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland festgenommen. Er
wird verdächtigt, im PKK-Gebiet Saarbrücken von Mai 2013 bis Sommer 2014
als hauptamtlicher Kader für die Organisation tätig gewesen zu sein.
2.1.4 Veranstaltungen/Aktivitäten der saarländischen Anhängerschaft
Die hiesige PKK-Anhängerschaft hat auch im vergangenen Jahr kontinuierlich
die Marschrichtung der Organisation mitgetragen und gezeigt, dass sie bei besonderen Ereignissen relativ kurzfristig handlungsfähig ist. Offensichtlich vor
dem Hintergrund der Solidarität mit den Kämpfern kurdischer Milizen gegen
46
den IS in Syrien und im Nordirak erhöhte sich das Mobilisierungspotenzial im
Saarland im Vergleich zu 2013 von ca. 700 auf rund 1.000 Personen. An den
friedlich verlaufenen Veranstaltungen der KGS beteiligten sich neben Personen aus der linksextremistischen Szene auch jesidische Kurden.
Folgende Aktionen sind hervorzuheben:
11.01.: Beteiligung von 300 PKK-Anhängern an einer zentralen
Großdemonstration in Paris im Zusammenhang mit der
Ermordung von drei PKK-Aktivistinnen,
15.02.: Beteiligung von 500 PKK-Anhängern an der
Großdemonstration zum 15. Jahrestag der Festnahme
Abdullah ÖCALANs in Straßburg,
22.03.:
Beteiligung von etwa 700 PKK-Anhängern und
-Sympathisanten an der zentralen Großveranstaltung in
Düsseldorf zum kurdischen Neujahrsfest NEWROZ,
31.05.: Kundgebung der KGS vor der Europagalerie in Saarbrücken
zur Lage in Syrien,
14.07.: Protestaktion der KGS in Saarbrücken mit 100 Teilnehmern
gegen die Angriffe des IS auf die Bevölkerung in der
nordsyrischen Stadt Kobanê,
06.08.: Protestkundgebung der KGS in Saarbrücken mit etwa 1.000
Teilnehmern, darunter zahlreiche jesidische Kurden, im
Zusammenhang mit der Eroberung der nordirakischen Stadt
Sengal und den damit verbundenen Gräueltaten
durch den IS,
13.09.: Beteiligung von 700 Kurden aus dem Saarland am
„Internationalen Kurdischen Kulturfestival“ in Düsseldorf,
29.11.: Beteiligung hiesiger Aktivisten an einer bundesweiten
Großdemonstration gegen das PKK-Verbot in Frankfurt/M.,
13.12.: Benefizveranstaltung der KGS zugunsten der kurdischen
Bevölkerung in Kobanê.
47
Zur speziellen Protestwelle i. Z. m. den Kämpfen um die nordsyrische Stadt
Kobanê im Herbst gehörten:
20.09.:
Kundgebung der KGS mit 200 Teilnehmern vor der
Europagalerie,
26.09.: Petitionsübergabe durch KGS- Mitglieder beim
Saarländischen Landtag,
27.09.: Nicht angemeldete Demonstration der KGS mit 400
Teilnehmern durch die Saarbrücker Innenstadt;
anschließend Sitzstreik von ca. 70 jugendlichen Kurden in
der Bahnhofsvorhalle,
06.10.: Spontandemonstration mehrerer Hundert Kurden vor der
Europagalerie,
07.10.: Spontankundgebung der KGS vor dem Saarländischen
Landtag mit 200 Teilnehmern; Fortsetzung der Protestaktion
vor der Europagalerie und Übergabe einer
Informationsmappe beim Saarländischen Rundfunk,
09.10.: Aufzug der KGS in Saarbrücken mit 300 Teilnehmern,
11.10.: Beteiligung an der zentralen Großdemonstration in
Düsseldorf,
13.-15.10.: Kundgebungen der KGS in Saarbrücken,
20./22.10.: Nicht angemeldete Kundgebung vor der Europagalerie,
01.11.: Demonstration der KGS in Saarbrücken mit etwa 1.000
Teilnehmern zum „Internationalen Aktionstag für Kobanê“.
48
2.2 „Liberation Tigers of Tamil Eelam” (LTTE)
Seit Anfang der 1980er Jahre verfolgt die tamilische Separatistengruppe LTTE
das Ziel, im überwiegend von Tamilen bevölkerten Norden und Osten Sri
Lankas einen unabhängigen sozialistischen Tamilen-Staat, den Tamil Eelam,
zu errichten. Bis zu ihrer militärischen Zerschlagung im Mai 2009 führte sie
einen Guerillakrieg gegen die sri-lankischen Sicherheitskräfte, der auch von
zahlreichen Terroranschlägen gegen Zivilisten und zivile Einrichtungen begleitet wurde. Der rund 26 Jahre dauernde Bürgerkrieg forderte insgesamt mehr
als 100.000 Todesopfer auf beiden Seiten.
Die Organisation ist in Deutschland zwar nicht verboten, wurde aber auf der
so genannten „Terrorliste“ der Europäischen Union geführt. Mit Urteil des
Gerichts der Europäischen Union in Luxemburg vom 16. Oktober 2014 wurde
die Listung wegen festgestellter Fehler im seinerzeitigen Listungsverfahren
des Rates der Europäischen Union allerdings für nichtig erklärt. Die Frage, ob
es sich bei der LTTE um eine terroristische Vereinigung handelt, wurde vom
Gericht hingegen ausdrücklich offen gelassen. Das Urteil wurde von der tamilischen Diaspora dennoch als Erfolg und als „Freispruch“ von dem Vorwurf,
eine terroristische Organisation zu sein, gewertet.
Im Zuge der letzten militärischen Offensive der sri-lankischen Armee verlor
die LTTE nahezu ihre komplette oberste „Kommandoebene“, darunter auch
ihren Führer Velupillai PRABHAKARAN. Aufgrund der fehlenden Führung
aus dem Heimatland kam es innerhalb der Organisationsstrukturen in der
Diaspora zu einer Aufspaltung der Anhängerschaft. Dabei konnten sich zwei
miteinander konkurrierende Gruppen etablieren: Die „Moderaten“, die die
LTTE in eine gewaltfreie und demokratische Bewegung umwandeln wollen,
und die „Hardliner“, die an der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes
zur Errichtung eines tamilischen Staates festhalten. Nach einem anfänglichen
Konkurrenzkampf kam es zu einer Annäherung beider Flügel, die schließlich
im Herbst 2013 in einer offiziell verkündeten Wiedervereinigung mündete.
Aktuell ist die LTTE-Anhängerschaft in Deutschland in einer Vielzahl tamilischer Vereine organisiert, die schwerpunktmäßig für das Sammeln von Spendengeldern, die Durchführung von Propagandaaktionen und die Mobilisierung
für regionale und überregionale Veranstaltungen zuständig sind.
Der Saarbrücker „Tamilische Kulturverein e.V.“ sowie die tamilischen Schulen
(„Thamilalayams“) in Saarbrücken, Sulzbach, Dillingen und Homburg bilden
die legalen Strukturen der LTTE im Saarland. Hier sind ca. 35 Tamilen der LTTE
direkt zuzurechnen; das Mobilisierungspotenzial liegt bei rund 300 Personen.
Innerhalb der tamilischen Diaspora im Saarland ist nach wie vor eine anhaltende politische Teilnahmslosigkeit festzustellen. Ursächlich dafür dürfte die
Einsicht sein, dass die Errichtung eines souveränen tamilischen Staates in Sri
49
Lanka in naher Zukunft weder mit militärischen noch mit politischen Mitteln
erreicht werden kann. Auch im vergangenen Jahr waren daher wieder nur wenige Aktionen im Saarland sowie nur eine geringe Beteiligung dortiger Organisationsanhänger an überregionalen Veranstaltungen zu beobachten.
Am 10. März beteiligten sich etwa 50 Tamilen aus dem Saarland an der
Abschlussveranstaltung des „Walk for Justice“ in Genf. Der vorangegangene
Marsch mehrerer LTTE-Anhänger von Brüssel nach Genf, mit dem auf die
Menschenrechtsverletzungen an der tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka
aufmerksam gemacht werden sollte, hatte am 16. Februar auch durch das
Saarland geführt.
Anlässlich des so genannten „Tamil Genocide Day“, an dem traditionell der
tamilischen Opfer des Bürgerkriegs in Sri Lanka gedacht wird, beteiligten sich
rund 25 LTTE-Anhänger aus dem Saarland an einer Großdemonstration am
18. Mai in Düsseldorf. Der Demonstrationszug vom dortigen Hauptbahnhof
bis zum nordrhein-westfälischen Landtag stand unter dem Motto „Wir fordern einen Tamil Eelam“.
Die „Tamil Youth Organisation Germany“ (TYO Germany) organisierte am 29.
Juni eine Kulturveranstaltung in Saarbrücken-St. Arnual, an der sich etwa 200
Tamilen aus dem südwestdeutschen Raum beteiligten. Das folkloristische
Programm mit Musik, Tänzen und Theateraufführungen wurde von den Schülern der tamilischen Schulen im Saarland mitgestaltet.
Am 7. September machten Teilnehmer der „Fahrradtour von Genf nach Brüssel“ einen Zwischenstopp im Saarland. Im Rahmen dieser unter dem Motto
„Auf die Straße für eine unabhängige internationale Untersuchung“ stehenden Protestaktion kam es vor der Saarbrücker Europagalerie zu einer Kundgebung, an der sich rund 25 saarländische LTTE-Anhänger beteiligten. In seiner
Rede forderte der hiesige LTTE-Gebietsleiter u. a. die Durchführung einer
unabhängigen internationalen Untersuchung des Völkermordes in Sri Lanka
durch die Vereinten Nationen (UN) und die Anerkennung der LTTE.
Am 27. November, dem Geburtstag des bei einer Militäroperation der sri-lankischen Armee im Mai 2009 getöteten LTTE-Führers Velupillai PRABAKHARAN, begingen zuletzt ca. 2.000 Organisationsanhänger, darunter auch rund
50 Tamilen aus dem Saarland, in Dortmund den so genannten „Heldengedenktag“. Die Feierlichkeiten zur Erinnerung an die im Kampf für einen unabhängigen Tamilen-Staat „Tamil Eelam“ getöteten Kämpfer wurden von einem
umfangreichen Kultur- und Musikprogramm begleitet.
50
V. Islamismus/islamistischer Terrorismus
1. Allgemeines
1.1 Ideologie
Der Islamismus ist eine Form des politischen Extremismus, die sich vordergründig einer religiösen Sprache und religiöser Argumentationsmuster
bedient. Islamisten instrumentalisieren den Islam für ihre politischen Zwecke
und sehen ihn als ein ganzheitliches, allumfassendes Regelwerk an. Für sie
gilt: Der Islam ist die einzige Lösung für alle gesellschaftlichen und politischen Fragen.
Unter dem Überbegriff Islamismus werden verschiedene Strömungen subsumiert. Diese reichen von politisch legalistischen Vereinigungen über
unterschiedliche missionarische Bewegungen bis hin zu militanten bzw.
terroristischen Strukturen oder Netzwerken. Die Übergänge innerhalb dieses
Spektrums sowie innerhalb bestimmter Strömungen sind fließend und müssen immer wieder neu bestimmt werden.
Alle Islamisten haben das Ziel, aus der Religion des Islam gesellschaftlich-politische Ordnungen abzuleiten. Diese müssen nach den Vorstellungen der
Islamisten aus Werten und Normen bestehen, die sich aus den Quellen des
Islam, dem Koran und der Sunna, ableiten lassen. Derartige Gesellschaftsordnungen, die auch das Staats- und Rechtswesen umfassen sollen, widersprechen ganz überwiegend der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
1.2 Entwicklung/Tendenzen
Arbeitsschwerpunkte des Landesamtes waren auch im vergangenen Jahr die
Aufklärung islamistisch-terroristischer Aktivitäten sowie die Beobachtung
salafistischer Bestrebungen.
Wie die Anschläge von Paris im Januar und Kopenhagen Anfang Februar 2015
deutlich gemacht haben, steht Europa - und damit auch die Bundesrepublik
Deutschland - mit ihren staatlichen und zivilen Einrichtungen unverändert
im Zielspektrum des islamistischen Terrorismus und unterliegt damit einer
fortgesetzten hohen abstrakten Gefährdung, die sich jederzeit durch terroristische Taten konkretisieren kann.
Auch wenn den deutschen Sicherheitsbehörden derzeit keine Hinweise auf
konkrete Tatplanungen in Deutschland vorliegen, muss unter Berücksichtung
des zumindest quantitativ starken jihadistischen Personenpotenzials sowie
der Schwierigkeit, emotionalisierte Spontan- und Einzeltäter frühzeitig zu
erkennen, auch in Deutschland mit der Vorbereitung bzw. Verwirklichung
terroristischer Anschläge gerechnet werden.
51
Insbesondere Rückkehrer aus jihadistischen Ausbildungslagern stellen neben
fanatisierten Einzeltätern das größte Gefährdungspotenzial dar. Aktuell liegen
Erkenntnisse zu ca. 680 (Stand: April 2015) Islamisten aus Deutschland vor,
die in Richtung Syrien ausgereist sind, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise
zu unterstützen. Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese
Personen tatsächlich in Syrien aufhalten oder aufgehalten haben. Darüber
hinaus ist bekannt, dass sich Islamisten aus Deutschland von Syrien aus in
den Irak begeben haben, um sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen; die
Anzahl kann nicht abschließend beziffert werden. Aufgrund der dynamischen
Lageentwicklung vor Ort unterliegt die Gesamtzahl der ausgereisten Personen
tagesaktuellen Veränderungen mit weiterhin steigender Tendenz. Diese Dynamik könnte lediglich durch den weiteren Kriegsverlauf auf syrischem bzw.
irakischem Territorium beeinflusst werden.
Etwa ein Drittel dieser ausgereisten Personen befindet sich momentan wieder
in Deutschland. Zu der Mehrzahl dieser Rückkehrer ist nicht bekannt, ob
sie sich aktiv an Kampfhandlungen vor Ort beteiligt haben. Als Ergebnis der
kontinuierlichen Aus- und Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten
Personen liegen den Sicherheitsbehörden aktuell zu etwa 50 Personen Erkenntnisse vor, wonach diese sich aktiv am bewaffneten Widerstand in Syrien
oder dem Irak beteiligt haben. Ferner gibt es zu ca. 85 Personen Hinweise,
dass diese in Syrien oder dem Irak verstorben sind. Zudem wurden weitere
Ausreiseplanungen bekannt.
Die deutschen Sicherheitsbehörden sind bestrebt, möglichst viele dieser
Ausreiseplanungen frühzeitig wahrzunehmen, um deren Verwirklichung zu
unterbinden; die Anzahl der behördlich tatsächlich verhinderten Ausreisen
bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich.
1.3 Personenpotenzial
Das Mitglieder-/Anhängerpotenzial der dem Beobachtungsbereich Islamismus/ islamistischer Terrorismus zugeordneten Organisationen, Gruppierungen und Einzelaktivisten im Saarland belief sich im abgelaufenen Jahr auf
etwa 210 Personen (Vorjahr: ca. 420). Dabei waren dem Phänomenbereich
des Salafismus rund 100 Personen (Vorjahr: ca. 90) zuzurechnen. Die signifikante Reduzierung des Gesamtpotenzials resultiert aus dem Umstand, dass
die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) mit mehr als 200 Anhängern seit Oktober 2014 nicht mehr unter Beobachtung steht.
52
Entwicklung des islamistischen Personenpotenzials innerhalb der
letzten fünf Jahre:
Gesamtpotenzial
2010
2011
2012
2013
2014
350
400
420
420
210
450
400
350
300
250
Gesamtpotenzial
200
150
100
50
0
2010
2. 2.1 2011
2012
2013
2014
Einzelaspekte
Islamistischer Terrorismus
Die Ausrufung eines „Kalifats“ durch den „Islamischen Staat“ (IS) Ende Juni
2014 stellte auch für die jihadistische Szene in Deutschland ein herausragendes Ereignis dar. Neben entsprechenden Sympathiebekundungen für die Terrorgruppe war in der Folgezeit ein deutlicher Anstieg der Ausreisezahlen nach
Syrien/Irak zu verzeichnen. Im Saarland konnten bislang keine islamistisch
motivierten Reisebewegungen festgestellt werden. Ein Bezug zum IS ergab
sich im vergangenen Jahr lediglich insoweit, dass ein amtsbekannter Aktivist
Anfang Juli eine IS-Fahne4 am Balkon seiner Saarbrücker Wohnung hisste, die
auf Betreiben der Polizei wieder abgehängt wurde.
Am 12. September 2014 hat der Bundesminister des Innern ein Betätigungsverbot der
Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) für die Bundesrepublik erlassen. Das Verbot
umfasst u. a. auch die öffentliche Verwendung und Verbreitung von Kennzeichen des IS.
4
53
2.2 Islamismus im Saarland
Mehrere Ausformungen des breiten Spektrums der dem Beobachtungsbereich Islamismus zuzurechnenden Bestrebungen sind auch im Saarland vertreten oder organisatorisch bzw. ideologisch mit hiesigen Gruppierungen oder
Einzelpersonen verbunden. Nicht auf den ersten Blick erkennbar, bestehen
solche Verbindungen z. B. zur „Hizb Allah“ (HA), zur „Muslimbruderschaft“
(MB) und auch zur „Tabligh-i-Jama’at“-Bewegung (TJ).
Die aktuell sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene dynamischste islamistische Bewegung, die insbesondere auf jüngere Menschen
eine enorme Anziehungskraft entfaltet, ist der Salafismus.
Der Begriff „Salafismus“ bezeichnet eine islamistische Ideologie und die aus
ihr hervorgegangene Bewegung, nach der sich die Muslime in Glaube, religiöser Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran
sowie dem vom Propheten Muhammad und den ersten Muslimen gesetzten
Vorbild auszurichten haben. Ziel von Salafisten ist die vollständige Umgestaltung von Staat, Gesellschaft und individueller Lebensführung jedes einzelnen
Menschen nach „gottgewollten“ Grundsätzen. Das Demokratieprinzip wird
kategorisch abgelehnt, „weltliche“ Gesetzgebung strikt negiert.
Damit stehen Kernelemente der salafistischen Ideologie im Widerspruch zur
freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Während die Mehrzahl der
Salafisten ihre Ziele durch eine langfristige Veränderung der Gesellschaft und
Missionierung erreichen will, setzen einige wenige auf Gewalt und terroristische Akte.
Salafistische Gruppierungen verzeichnen in Deutschland weiterhin signifikant
steigende Anhängerzahlen. Im Saarland werden der salafistischen Strömung
ca. 100 Personen zugerechnet; eine exakte Quantifizierung ist aufgrund
struktureller Besonderheiten dieses Phänomenbereichs jedoch nur schwer
möglich. Im Gegensatz zu früheren Jahren, als insbesondere der salafistische
Verein „Einladung zum Paradies“ (EZP) im Saarland offene Missionierungsarbeit leistete, waren hier im Berichtszeitraum keine öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen von Salafisten festzustellen. Gleichwohl war auch im
vergangenen Jahr eine deutliche Belebung der personellen und organisatorischen Strukturen bei salafistischen Erscheinungsformen im Saarland zu
konstatieren. Der hiesigen Klientel dienten weiterhin insbesondere ein Verein
in Sulzbach sowie ein Verein in Merzig als Anlaufstellen; weitere Ansätze
waren darüber hinaus auch für die Landeshauptstadt festzustellen. Die Szene
war nach wie vor nahezu in Gänze dem politischen Salafismus zuzurechnen.
Gewalt bzw. Jihad befürwortende Tendenzen konnten lediglich bei Einzelpersonen nicht ausgeschlossen werden.
54
Im besonderen Fokus der Öffentlichkeit stand der Salafismus erneut aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Syrien und einer stetig steigenden Zahl
von Reisebewegungen von Salafisten aus Deutschland und Europa in die
dortige Krisenregion. Innerhalb der salafistischen Szene im Saarland war der
Syrien-Konflikt unverändert Gesprächsthema. Mit den in dortigen Kreisen
durchgeführten Spendensammlungen für Syrien (Sach- und Geldspenden)
wurden vornehmlich karitative Zwecke verfolgt; eine Unterstützung islamistischer Gruppierungen in Syrien kann allerdings im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden.
55
VI. Spionage-/ Sabotageabwehr, Wirtschaftsschutz
Die Bundesrepublik ist als eine der führenden Industrienationen und als
Standort zahlreicher Unternehmen der Spitzentechnologie mit Weltmarktführung sowie wegen ihrer politischen Rolle in der EU und NATO ein Zielgebiet
für fremde Nachrichtendienste. Ihre offene und pluralistische Gesellschaft
erleichtert Nachrichtendiensten fremder Staaten die Informationsbeschaffung. Hauptträger der Spionageaktivitäten gegen Deutschland sind derzeit
die russische Förderation und die Volksrepublik China. Darüber hinaus sind
vornehmlich Länder des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas nachrichtendienstlich in Deutschland aktiv.
Die Nachrichtendienste dieser Staaten sind in unterschiedlicher Personalstärke an den jeweiligen amtlichen und halbamtlichen Vertretungen in Deutschland präsent und unterhalten dort sogenannte Legalresidenturen. Darunter
versteht man Stützpunkte eines fremden Nachrichtendienstes, abgetarnt in
einer offiziellen (z.B. Botschaft, Generalkonsulat) oder halboffiziellen (z.B.
Presseagentur, Fluggesellschaft) Vertretung im Gastland.
Die dort angeblich als Diplomaten oder Journalisten tätigen Nachrichtendienstmitarbeiter betreiben entweder selbst offene oder verdeckte Informationsbeschaffung oder leisten Unterstützung bei nachrichtendienstlichen
Operationen, die direkt von den Zentralen der Nachrichtendienste in den
Heimatländen geführt werden. Daneben führen Nachrichtendienste auch
Operationen ohne Beteiligung ihrer Legalresidenturen durch.
Fremde Nachrichtendienste handeln nicht allein nach gesetzlichen Aufgabenzuweisungen, sondern werden zudem politisch gesteuert. Die Schwerpunkte ihrer jeweiligen Beschaffungsaktivitäten orientieren sich an aktuellen
politischen Vorgaben oder wirtschaftlichen Prioritäten in ihren Staaten.
Aufklärungsziel ausländischer Nachrichtendienste ist vor allem die Informationsbeschaffung aus Politik, Wirtschaft, Militär sowie Wissenschaft und
Technik. Nachrichtendienste einiger Staaten (wie Iran, Syrien, China) legen
ihren Aufklärungsschwerpunkt auch auf die Ausspähung von Oppositionellen. Um ihr Aufklärungsziel zu erreichen, versuchen diese Nachrichtendienste,
ausgewählte Personen aus der Oppositionsbewegung mit dem Ziel einer Verpflichtung zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit anzusprechen. Bei
Ablehnung wird den betroffenen Personen oder ihren in der Heimat lebenden
Angehörigen oftmals mit Repressalien gedroht.
Vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte und neuer weltpolitischer
Konstellationen hat die Bedeutung der Wirtschaftsspionage in den letzten
Jahren stetig zugenommen. Im Zentrum der Ausforschung durch fremde
Nachrichtendienste stehen wegen ihres enormen ökonomischen Potenzials
auch Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Staaten mit Techno56
logierückstand sind besonders an der Beschaffung von Informationen über
Fertigungstechniken und technischem Know-how interessiert, um auf dem
Markt mit kostengünstiger gefertigten Nachbauten (auch Plagiate) wettbewerbsfähig zu sein und zum anderen Kosten für eigene Entwicklungen und
Lizenzgebühren zu sparen. Technisch und wirtschaftlich hoch entwickelte
Staaten interessieren sich mehr für wirtschaftspolitische Strategien, sozialökonomische und politische Trends, Markt- und Unternehmensstrategien,
komplexe Fertigungstechniken bis hin zu Informationen über Preisgestaltungsmodalitäten und Zusammenschlüssen von Unternehmen. Daher kommt
der Sensibilisierung, Information und Aufklärung von Unternehmen und
wissenschaftlichen Einrichtungen über die Gefahren der Wirtschaftsspionage
eine hohe Bedeutung zu.
Darüber hinaus bemühen sich einige Länder (sogenannte Risikostaaten
wie Iran, Nordkorea und Syrien) darum, in den Besitz von Technologien für
atomare, biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen und den
dafür erforderlichen Trägersystemen zu gelangen sowie die hierzu erforderlichen Güter und das entsprechende Know-how zu erwerben (Proliferation).
Massenvernichtungswaffen und entsprechende Trägertechnologie sind als
Gesamtprodukte auf dem freien Markt nicht erhältlich. Deshalb versuchen die
Proliferation betreibenden Staaten systematisch, Kontrollmaßnahmen durch
Lieferung von Teilprodukten über Drittländer und durch die Beschaffung von
„Dual-use“-Produkten, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind, zu
umgehen. Deutschland ist als eine der führenden Industrienationen und als
Standort zahlreicher Unternehmen der Spitzentechnologie ein Zielgebiet für
entsprechende Beschaffungsbemühungen dieser Risikostaaten. Deshalb sind
in Deutschland seit Jahren intensive und stetig ansteigende Beschaffungsbemühungen zu verzeichnen. Iran spielt dabei wegen seines umstrittenen
Nuklearprogramms eine herausragende Rolle.
Eine besondere Gefahr mit Zielrichtung „Wirtschaftspionage/Proliferation“
stellen „Elektronische Angriffe“ auf Computersysteme von Wirtschaftsunternehmen dar. Angesichts der ausgewählten Ziele und der angewandten
Methoden erscheint eine staatlich gelenkte nachrichtendienstliche Steuerung
in vielen Fällen als sehr wahrscheinlich.
„Elektronische Angriffe“ haben sich zu einer wichtigen Methode der Informationsgewinnung für fremde Nachrichtendienste entwickelt und ergänzen als
zusätzliche Informationsquelle die bislang eingesetzten nachrichtendienstlichen Mittel. Neben der Informationsgewinnung sind auf diesem Weg verbreitete „Schadprogramme“ auch in der Lage, Sabotagefunktionen auszuführen,
die gerade beim Einsatz gegen sensible Infrastrukturen erhebliche Auswirkungen haben könnten.
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Auch auf Behörden zielende „Elektronische Angriffe“ mit nachrichtendienstlichem Hintergrund waren im vergangenen Jahr festzustellen. Fallzahlen
belegen die weiterhin hohe Gefährdung für die Informationssicherheit von
Bundesbehörden und sonstiger staatlicher Stellen durch solche Angriffe.
Nach den bisher vorliegenden Analysen ist davon auszugehen, dass die
Mehrzahl dieser Attacken einen staatlich gelenkten nachrichtendienstlichen
Hintergrund besitzt. Die zur Durchführung der Angriffe erforderlichen Infrastrukturen und die sehr hohe Qualität und Zielrichtung deuten auf Parallelen
zu früheren Angriffen aus China und Russland hin. Auch ist nach wie vor von
einer hohen Dunkelziffer nicht erkannter „Elektronischer Angriffe“ auf deutsche Wirtschaftsunternehmen auszugehen.
Nicht zuletzt hat die sogenannte „NSA Affäre“ klargemacht, dass elektronische Spionageaktivitäten auch von sog. „befreundeten Nationen“ ausgehen.
Die Aktivitäten befreundeter Staaten müssen künftig bei der Spionageabwehr
stärker als bisher berücksichtigt werden. Dazu wurden im Verfassungsschutzverbund bereits neue Bearbeitungsansätze konzipiert, die künftig mit
einem „360 Grad Blickwinkel“ Spionagetätigkeiten aller Staaten erfassen.
Wichtiger als die Verfolgung einzelner Spionageaktivitäten, die häufig gar
nicht erkannt werden, ist die Prävention durch die Sensibilisierung von saarländischen Unternehmen. Gerade kleine und mittelständige Unternehmen
verfügen häufig im Hinblick auf Firmensicherheit weder über die notwendigen personellen noch finanziellen Ressourcen. Sie unterschätzen nach den
Erfahrungen der Verfassungsschutzbehörden oft die möglichen Risiken für ihr
Unternehmen. Diese Fehleinschätzung kann unter Umständen existenzielle
Folgen haben. Die Spionageabwehr unterstützt daher saarländische Firmen
und Forschungseinrichtungen, bei denen aufgrund von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen bekannt ist, dass sie möglicherweise im Zielspektrum
fremder Nachrichtendienste stehen könnten.
Durch Sensibilisierung und Beratung werden dabei Vorgehensweisen und
potenzielle Gefahren durch Wirtschaftsspionage angesprochen und Schutzmaßnahmen/Verhaltensregeln bei Geschäftsreisen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken anhand von Beispielen verdeutlicht. Saarländische
Firmen, die geschäftliche Kontakte nach China, in die GUS-Staaten und in den
Iran unterhalten, werden über Spionagerisiken und die bekanntgewordenen
Methoden fremder Nachrichtendienste aufgeklärt.
Im Rahmen dieser Sensibilisierungen werden stets auch die im Verfassungsschutzverbund einheitlich erstellten Broschüren „Wirtschaftsspionage Risiko für Ihr Unternehmen“ und „Proliferation“ sowie Merkblätter mit Sicherheits- und Verhaltensweisen, z.B. bei Geschäftsreisen, übergeben.
In Vorträgen von Experten aus dem saarländischen LfV und dem BfV wurden
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beispielhaft Unternehmensverbände, aber auch interessierte Bürger über
Spionagerisiken und Vorgehensweisen ausländischer Nachrichtendienste
informiert.
Neben der Sensibilisierung im Rahmen des Wirtschaftsschutzes stellt die
Verhinderung der Proliferation einen weiteren Arbeitsschwerpunkt der Spionageabwehr dar. Saarländische Firmen, die proliferationsrelevante Produkte
herstellen, wurden in Sensibilisierungsgesprächen über Beschaffungsmodalitäten iranischer, syrischer und nordkoreanischer Nachrichtendienste informiert.
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VII. Organisierte Kriminalität
Das Landesamt für Verfassungsschutz gewinnt und bewertet sach- und personenbezogene Informationen über kriminelle Strukturen.
Ziel ist es, ohne den Druck des Legalitätsprinzips Strukturen Organisierter
Kriminalität sowie die Täter und Hintermänner zu erkennen. Die Ergebnisse
werden an die Strafverfolgungsbehörden abgegeben. Hierdurch leistet das
Landesamt auch einen Beitrag zur Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität.
60
Anhang
In dem vorstehenden Bericht sind folgende extremistische Organisationen
bzw. Gruppierungen genannt, die im Berichtszeitraum im Saarland strukturell vertreten und aktiv waren:
zu II. Rechtsextremismus
1. Organisationen
„Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD)
Quelle: https://de-de.facebook.com/npd.de
NPD Landesverband Saar einschließlich seiner lokalen Teilvertretungen
Quelle: https://de-de.facebook.com/npdsaar
„Hammerskin“ (HS) Chapter Westwall
Quelle: http://bremer-schattenbericht.com/wp-content/uploads/2013/05/HN-logo.jpg
61
2. Rechtsextremistische Bands
Jungsturm
Hunting Season
Wolfsfront
3. Kameradschaften
Sturmdivision Saar
Quelle: https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/
mages/6550501854.jpg
zu III.Linksextremismus
1. Linksextremistische Parteien
„Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP)
Quelle: http://www.dkp.de/
62
„Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD)
Quelle: http://www.mlpd.de/
2. Gewaltorientierte autonome Szene Saar
Antifa Saar/Projekt AK
Quelle: http://antifa-saar.org/
3. Gewaltorientierte antiimperialistische Szene Saar
„BASIS“
Büro und Anlaufstelle für Selbstorganisierung – Internationalismus – Soziale
Emanzipation
Quelle: http://www.sandimgetriebe.de/basis/stern.gif
Libertad! Saar
Quelle: http://www.libertad.de/
63
zu IV. Ausländerextremismus
1. Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern (ohne Islamismus)
„Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK)
Quelle: https://de.wikipedia.org
„Verband der Studierenden aus Kurdistan“ (YXK)
Quelle: http://www.yxkonline.com/
„Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE)
Quelle: http://www.ntamil.com/
64
zu V. Islamismus / islamistischer Terrorismus
Islamischer Staat (IS)
„Hizb Allah“ (HA)
Quelle: http://rehmat1.com/2008/08/13/hizballah-the-party-of-allah/
„Muslimbruderschaft“ (MB)
Quelle: http://europenews.dk/
65
„Tabligh-i-Jama`at-Bewegung” (TJ)
Quelle: http://tablighijamaatijtema.blogspot.de/
66
67
Ministerium für
Inneres und Sport
Franz-Josef-Röder-Str. 21
66119 Saarbrücken
E-Mail:
lagebild-verfassungsschutz@
innen.saarland.de
www.innen.saarland.de
/innen.saarland
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