Wir haben den satt Hunger

sommer 2015
magazin für franziskanische kultur und lebensart
Wir haben den
Hunger
satt
Es gibt genug für alle!
www.franziskaner.de
Weitere Themen: Sterbehilfe in Deutschland +++ Franziskanisch leben:
Franziskanerkloster Pupping +++ Spiritualität: Wegbegleiter im Alltag
06
Kultur
Anregungen und mehr
Sommer 2015
Zeitschrift der Deutschen Franziskaner
4
Titelthema
Wir haben den Hunger satt
»Gebt ihr ihnen zu essen!«
6
14
Debatte
Sterbehilfe – »Herr, lehre uns bedenken,
dass wir sterben müssen …«
15
Spiritualität
Der franziskanische Wegbegleiter im Alltag
17
Theologischer Impuls
Kleines theologisches Wörterbuch: Liturgie
21
Franziskanisch leben
Die Shalomgemeinschaft im
Franziskanerkloster Pupping
22
Unser Kursangebot
26
Berufungsgeschichten
Bernd Leopold OFM:
Wie ein Weg zu einem anderen Leben führt
27
Hintergrund
Nigeria
28
Kunst und Kultur
Siegfried Haas – Ein »franziskanischer Mensch«
30
Nachrichten
33
Impressum und Buchverlosung
34
Bruder Germanicus
35
Franziskanerklöster in Deutschland
36
2015 jahr der orden
Weltweit begeht die Kirche 2015 »Das Jahr
der Orden«. Viele Gemeinschaften nutzen die
Aufmerksamkeit, um über die Vielfalt des
Ordenslebens zu informieren (www.orden.de/
aktuelles/jahr-der-orden-2015). In diesem
Zusammenhang stellen wir in jeder Ausgabe
eine »Berufungsgeschichte« (S. 27) vor und
erweitern unsere Rubrik »Zum Beispiel« um
Porträts »franziskanischer Lebensprojekte«
(S. 22–25).
Im Franziskanerkloster Pupping hat
sich eine Gemeinschaft von Brüdern,
Schwestern und Laien gebildet, die versucht, auf den Spuren des heiligen
Franziskus und der heiligen Klara ihren
Alltag zu gestalten. Ein spannungsreicher und spannender Versuch …
15
22
Franziskanisch Leben 22–25
Der Künstler Siegfried Haas besuchte
einst das Franziskanerinternat in
Watersleyde. Doch noch im Noviziat
wurde ihm das damalige Ordensleben
geistig zu eng. Franz von Assisi allerdings prägte ihn und sein Schaffen ein
Leben lang.
Kultur 30–32
30
Wir haben den Hunger satt:
Während wir in Fülle leben, leiden
nach neuesten Schätzungen weltweit 795 Millionen Menschen an
Hunger – und das, obwohl genug
Nahrungsmittel für alle produziert werden!
S.2: © wolfgang stahr – laif, © kerstin meinhardt, s.3: © eisisenhans/fotolia
Titelthema 6–14
darf man über hunger schreiben?
Für mich ist es grotesk, ja fast pervers: Zur gleichen Zeit während ich an meinem Schreibtisch überlege,
mit welchen Gedanken zum Thema »Hunger« ich diese neue Ausgabe unserer Zeitschrift einleiten
könnte, leiden ungezählte Menschen Hungerqualen oder sterben gar vor Hunger!
Hunger ist schrecklich und grausam. Hunger ist ein Skandal. Hunger hat es zwar immer gegeben.
Aber Hunger müsste eigentlich nicht sein. Hunger ist von Menschen gemacht. Die Weltgemeinschaft
ist dafür verantwortlich, wenn Menschen verhungern. Wir wissen das. Und fühlen uns zugleich überfordert. Wir können »Hungernde speisen«, das haben Menschen zu allen Zeiten der Geschichte getan.
Aber den Hunger abschaffen?
Auch wenn wir satt sind und wohlgenährt, müssen wir über Hunger schreiben und lesen und nachdenken. Damit wir es nicht für selbstverständlich halten oder ganz vergessen, dass Menschen vor
Hunger krepieren. Damit wir etwas tun.
Wenn wir ehrlich sind: Hunger ist weit weg von uns. »In Deutschland muss niemand verhungern!«,
hört man manchmal. Das stimmt. Und es stimmt doch nicht so ganz. Denn auch bei uns in Deutschland gibt es längst das verbreitete Phänomen der Mangelernährung, etwa in Familien, die von Hartz 4
leben müssen. Da werden Kinder regelmäßig ohne Pausenbrot in die Schule geschickt. Mangelhafte
und einseitige Ernährung aber macht krank und führt zu dauerhaften Schäden. In den großen Städten
steigt der Bedarf an Suppenküchen, es sind schon lange nicht mehr nur die »klassischen Obdachlosen«,
die sich kein warmes Mittagessen leisten können, sondern zunehmend auch ältere alleinstehende
Menschen mit schmaler Rente. Das scheint weniger »schlimm« als die Hungersnöte in anderen Teilen
der Welt. Aber schlimm ist es dennoch. Und auch hier müssen wir etwas tun.
Herzlichen Dank, dass Sie sich mit uns dem Thema »Hunger« stellen.
Cornelius Bohl OFM (Provinzialminister)
editorial
3
BRUDER THOMAS EMPFIEHLT
SIMSme
In der Sommerausgabe des letzten Jahres haben wir in
unserer Titelgeschichte »Der gläserne Mensch«
darauf hingewiesen: Die Nutzung vieler Smartphone-Messenger – etwa von WhatsApp – birgt
die Gefahr, dass private Informationen ausgespäht werden. Deshalb habe ich mich auf die
Suche nach einer Alternative gemacht, von der
ich mir möglichst großen Schutz meiner Privatsphäre und Werbefreiheit erhoffe. Dabei bin ich
auf SIMSme gestoßen, den Smartphone-Messenger der Deutschen Post AG. Er wurde in Deutschland entwickelt und auch die Server stehen
in Deutschland. Anmeldung und Installation sind schnell erledigt. Außer einem
selbst gewählten Passwort fordert SIMSme
keine weiteren Berechtigungen. Als Nächstes
wähle ich Menschen aus, mit denen ich chatten will, und lade
sie ein. Die Garantie, dass sich hinter meinen Kontakten die
Menschen verbergen, die ich vermute, wird durch zwei Sicherheitsstufen gewährleistet. Der Chat selbst bietet neben
der direkten Kommunikation auch eine Gruppenfunktion.
Außerdem kann man Nachrichten in ihrer Lesemöglichkeit
beschränken, sodass sie nur bis zu einem bestimmbaren Zeitpunkt übermittelt oder nach einer festgelegten Zeit gelöscht
werden. Das Programm ist kostenfrei und für iOS und Android erhältlich. Ein Wermutstropfen ist der noch
kleine Nutzerkreis von SIMSme. Doch das
könnte sich ja vielleicht bald ändern.
Weitere Informationen findet man im Internet
unter www.simsme.de
Bruder Thomas Abrell OFM (50) arbeitet als Referent in der franziskanischen Bildungsstätte Haus Ohrbeck bei Osnabrück.
mit Franziskus
Unterwegs
Der Franziskanische Pilgerweg
Bensheim
Der franziskanische Pilgerweg im südhessischen Bensheim an
der Bergstraße verbindet die natürliche Schönheit der Umgebung mit dem Sonnengesang des heiligen Franziskus. Zehn
Stationen mit den Strophen des Sonnengesangs laden zum
Verweilen ein. Tau-Zeichen auf dem Weg führen durch die
reizvolle Landschaft mit Weinbergen und bewaldeten Höhen.
Ausgangspunkt jeder Wanderung ist die Klara-Kapelle in der
Franziskanerkirche inmitten der malerischen Altstadt von
Bensheim.
Darmstadt
ein
E35
Rh
bensheim
A67
A5
Mannheim
4
kultur
Heidelberg
Länge:
Fünf Kilometer mit gut begehbaren sanften
Steigungen und einem kurzen, aber relativ
steilen Hohlweg nach Station 7. Der
Pilgerweg ist kein geschlossener Rundweg,
für den Rückweg bieten sich mehrere
Alternativen an (PKW, Bus, Fußweg).
Zeitbedarf:
Einzelpersonen benötigen rund zwei
Stunden, Gruppen (mit Führung) etwa
dreieinhalb Stunden.
Anforderung:
Für Kinderwagen ist der Weg geeignet. Rollstuhlfahrer sollten geübt und in Begleitung
sein.
Informationen: Alle Details zur Wegstrecke sind in einem
handlichen Pilger-Begleitheft enthalten, das
kostenfrei in der Franziskanerkirche
erhältlich ist: Franziskanerkloster,
Klostergasse 5, 64625 Bensheim,
Telefon: 0 62 51 23 90,
E-Mail: [email protected]
> www.franziskaner-bensheim.de
NEU ERSCHIENEN
Bruder Rangel kocht
Niklaus Kuster OFMCap
Sprechende Zeichen:
Ein Papst macht Geschichte(n)
Die Versteigerung einer Harley Davidson, die
Geburtstagsfeier mit Clochards, das schweigende Beten an der Trennmauer zwischen Israel
und Palästina: Von Anfang an hat Papst Franziskus für Überraschungen gesorgt und bei
vielen Gläubigen die Hoffnung auf einen
neuen Frühling in der Kirche geweckt.
Paulusverlag Academic Press, Fribourg (CH)
2015, 120 Seiten, 16,80 Euro, 978-3-722-80864-2
Nähen für Syrien –
Eine Initiative für Menschen in Not
Sommersalat mit Petrusfisch
Zum Fest des Apostels Petrus am 29. Juni bietet sich bei schönem
Wetter ein sommerlicher Grillabend mit frischem Gartensalat und
Fisch an. Petrus war Fischer, und im Evangelium wird mehrmals
erwähnt, dass die Jünger mit Jesus Fisch aßen. In Tiberias am See
Genezareth war das nichts Außergewöhnliches, sondern die
Mahlzeit der einfachen Leute – ein einfaches und gut
schmeckendes Essen.
Zubereitung
Zutaten für vier Personen
• 1 Kopfsalat
• 1 Salatgurke
Als die Nachrichten aus Syrien immer schrecklicher wurden,
beschloss Ingeborg Hamisch, den notleidenden Menschen zu
helfen. Ihre Idee ist einfach – doch sie funktioniert: Die ausgebildete Fachlehrerin für Textilgestaltung setzte sich an die
Nähmaschine und begann zunächst aus Stoffresten kleine
Dinge wie Hüllen für Smartphones und Bücher oder Schlüsselbänder herzustellen. Später kamen weitere, größere Näherzeugnisse hinzu. Die Erlöse aus dem Verkauf reicht Ingeborg
Hamisch zu 100 Prozent an Werner Mertens OFM weiter. Der
Franziskaner leitet das »Kommissariat des Heiligen Landes« in
Werl und hält Kontakt zu den Klöstern in der Krisenregion.
Dort versuchen die Brüder, die Menschen mit
Essen und Medikamenten zu unterstützen.
Jeder Euro hilft also unmittelbar, das Leid in
Syrien zu lindern. Infos und Spendenkonto:
> www.heilig-land.de
Und schauen Sie doch auch mal auf der
Homepage von Ingeborg Hamisch vorbei.
Vielleicht finden Sie dort ein Geschenk, mit dem sie gleichzeitig einen kleinen Beitrag zu dieser tollen Initiative leisten
können.
> www.naehen-fuer-syrien.de
• 2 Tomaten
• Frische Petersilie
• Gartenkräuter
• Balsamico-Essig
• Olivenöl
• 4 kleine Buntbarsche
oder alternativ Forellen
• 2 Zwiebeln
Zwiebeln und Petersilie grob zerhacken. Die Fische sorgfältig
waschen, innen und außen mit
Zitronensaft beträufeln und auf ein
großzügiges Stück Aluminiumfolie
legen (die Folie leicht auffalten,
damit nichts abläuft). Dann mit
Zwiebeln und Petersilie bedecken,
zwei Esslöffel Olivenöl darübergießen und mit einer Prise Salz
würzen. Die Folie nun ganz um den
Fisch wickeln und gut verschließen.
Zwölf Minuten grillen (Gluthitze,
keine Flammen!), nach der Hälfte
der Zeit wenden. Alternativ im vorgeheizten Backofen bei 200° Celsius
etwa 20 Minuten backen. Zuletzt
Tomaten und Gurken in Scheiben
schneiden, Kopfsalat zerkleinern. Mit
Balsamico, Olivenöl, einer Prise Salz
und Gartenkräutern anmachen, mit
dem Fisch anrichten und servieren.
• 2 Zitronen
bruder rangel geerman
ofm (41) wurde auf Aruba (Niederländische Antillen) geboren und lebt in
Megen in den Niederlanden. Von Beruf ist er
Krankenpfleger. Er bekocht die Brüder und die
Gäste des Klosters und engagiert sich in
der Jugendarbeit.
Mehr als die Hälfte der weltweiten Ernte landet im Tank,
im Trog oder in der Tonne statt auf dem Teller. Die gute
Nachricht: Wenn wir weniger wegwerfen, weniger Fleisch
essen und weniger Agrarsprit in unsere Autos füllen, dann
ist genug für alle da!
»Der Maßstab für Fortschritt ist nicht, wie viel wir dem
Überfluss derjenigen hinzufügen, die ohnehin schon
genug besitzen, sondern ob es uns gelingt, denjenigen,
die zu wenig besitzen, das zu geben, was sie zum Leben
brauchen.« Diese Einsicht des US-Präsidenten Franklin
D. Roosevelt, der kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges
starb, zeugt von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft
für alle Menschen, die mit der Gründung der Vereinten
Nationen verbunden war. Legt man Roosevelts Worte
zugrunde, fällt der Fortschritt der Weltgemeinschaft in
den letzten 70 Jahren sehr bescheiden aus.
6
titelthema
Ende Mai veröffentlichte die Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) ihre aktuellsten Schätzungen zum Hunger
in der Welt. Im Jahr 2014 litten demnach 795
Millionen Menschen an Unterernährung. Trauriger Spitzenreiter ist Indien mit 194 Millionen
Hungernden. Weltweit kommen weitere zwei
Milliarden Menschen hinzu, die aufgrund mangelhafter Ernährung ohne die notwendige Menge
an Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und
Spurenelementen vom sogenannten »stillen
Hunger« betroffen sind. Jedes Jahr sterben mehr
Menschen an Unter- und Mangelernährung als
an AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen.
Das Menschenrecht auf Nahrung wird weltweit
so oft verletzt wie kein anderes. Dabei bekannten
sich die gerade erst gegründeten Vereinten Nationen schon mit der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte im Jahr 1948 zum Recht auf
Nahrung. Es ist in Artikel 3 mit dem Recht auf
Leben und in Artikel 5 mit dem Recht auf einen
die Gesundheit und das Wohl gewährenden Lebensstandard verankert. Seit im Jahr 1976 insgesamt 162 Staaten den »Internationalen Pakt über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte«
unterzeichneten, gilt der Zugang zu ausreichender, gesunder und bezahlbarer Nahrung in diesen Ländern auch als bindendes Völkerrecht.
s. 6: © great divide photography – shutterstock, s 7 unten: © fiedels – fotolia, s7 portrait: misereor
Wir haben den Hunger satt
Im Jahr 2000 verständigten sich die Vereinten Nationen auf acht
gemeinsame Entwicklungsziele für die Menschheit. Vor allem
anderen sollte der Anteil der Armen und Hungernden bis 2015
im Vergleich zu 1990 um die Hälfte reduziert werden. Wenige
Monate vor Ablauf dieser Frist verkündet die Welternährungsorganisation FAO, dieses Ziel zwar nicht gänzlich zu erreichen,
jedoch große Fortschritte erzielt zu haben. Vor allem dank des
Wirtschaftswachstums sei die Zahl der Hungernden seit 1990
weltweit um 216 Millionen gesunken.
gesenkter grenzwert – weniger hungernde!?
Grundlage für die Berechnung der Hungerstatistik ist die Menge
an Kalorien, die ein Mensch am Tag mindestens zu sich nehmen
muss. Bis 2012 galt ein erwachsener Mensch dann als unterernährt, wenn er ein Jahr lang im Schnitt weniger als 2.100 Kilokalorien pro Tag zur Verfügung hatte. Diese Grenze senkte die
FAO später auf 1.880 Kilokalorien. Sie begründete dies mit einer
verbesserten Datengrundlage und legte im Gegensatz zu vorher
nun einen »bewegungsarmen Lebensstil« zugrunde. Entwicklungsorganisationen wie »Brot für die Welt« und »FIAN – Food
First Informations- und Aktionsnetzwerk« kritisieren die »schöngerechneten« Zahlen der FAO. Sie halten die Aussagen über
Fortschritte bei der Hungerbekämpfung in erster Linie für politisch motiviert. In jedem Fall macht das Beispiel deutlich, wie
manipulierbar und letztlich begrenzt aussagekräftig solche globalen Statistiken sind.
Pirmin Spiegel, katholischer Priester und
Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen
Hilfswerkes Misereor, kommt mit Blick auf
die UN-Millenniumsziele zu einem gemischten Urteil: »Es gibt Länder wie China
und Brasilien, die Armut und Hunger um
mehr als die Hälfte reduziert haben, wenngleich mit einem Wirtschaftsmodell, das
wenig tragfähig ist. Aber es gibt auch Länder, wo viel weniger geschehen ist. Insgesamt sollten wir uns nicht zu sehr an die Zahlen klammern,
denn es bleibt ein Skandal, dass noch so viele hungern. Gerade
beim Hunger wird sehr deutlich, dass wir mit einer absoluten
Priorisierung des Ökonomischen und des Wachstums leben.
Dies führt zu Diskriminierung und Verteilungsungerechtigkeit.
In der Agrarpolitik heißt das konkret, dass in unserer industriellen Landwirtschaft vielfach die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht und nur noch wenige große Player das Geschäft
von der Saat bis zur Vermarktung beherrschen. Dann wird von
›Welternährung‹ gesprochen, aber de facto geht es um Sicherung von Märkten und Zugang zu Rohstoffen. Die Agrarmodelle, die unter dieser Überschrift durchgeführt werden, nützen
dann wenigen und schaden oft sehr vielen und zementieren
Hunger und Elend in dieser Welt.«
Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen. Informieren Sie sich!
Zum Beispiel in dem Buch »Harte Kost – Wie unser Essen produziert
wird« (ISBN 978-3-453-28063-2). Dort wird zum Beispiel beschrieben,
wie die Welternährungsorganisation FAO mit einem simplen Rechentrick den Hunger einfach kleinrechnet und dies als Erfolg verkauft .
problemlöser:
industrialisierte landwirtschaft?
Schon lange tobt ein Richtungsstreit darüber, wie die zehn
Milliarden Menschen ernährt werden können, die voraussichtlich schon um die Mitte des Jahrhunderts auf unserem
Planeten leben werden. Für die einen ist klar, dass nur durch
weitere technische Innovationen in einer industrialisierten
Landwirtschaft ausreichend Lebensmittel für alle erzeugt
werden können. Dazu gehören unter anderem genetisch manipuliertes Saatgut, um Getreidepflanzen gegen extreme
Wetterbedingungen infolge des Klimawandels zu wappnen;
Kunstdünger, der von computergesteuerten Landmaschinen
direkt an den Wurzeln der Pflanzen platziert wird, sowie
neue Pestizide zur Bekämpfung von Unkräutern, Insekten
und Pilzen, die Ernten gefährden.
Kritiker sehen gerade in der industriellen Landwirtschaft
eine Gefahr für Mensch und Natur: Durch den hohen Energie- und Wasserverbrauch sei sie auf Dauer unwirtschaftlich,
Monokulturen und die Reduzierung auf immer weniger
Nahrungspflanzen gefährdeten die Biodiversität, der Einsatz mineralischer Kunstdünger und chemischer Pestizide
vergifte Gewässer und zerstöre auf Dauer die Fruchtbarkeit
der Böden. Tatsächlich verschwinden durch Erosion, Versalzung und ähnliche Prozesse jedes Jahr weltweit zehn Millionen Hektar Ackerboden.
Lust, Freunde zu einem besonderen Kinobesuch einzuladen? Der
Dokumentarfilm »10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?«
läuft derzeit in ausgewählten Kinos, zeigt Alternativen auf und
macht Mut zum Handeln. www.10milliarden-derfilm.de
titelthema
7
nicht der mangel, die verteilung ist das
problem!
Wer gemeinsam mit Familie und Freunden Salat und Gemüse sät,
pflegt und erntet, gewinnt wieder ein Gefühl für den Wert seiner
Lebensmittel und hilft gleichzeitig, Ressourcen zu schonen
Etwa 98 Prozent aller unter- und mangelernährten Menschen leben in Entwicklungsländern, ein Viertel allein in Afrika. Vom Hunger am stärksten betroffen sind ausgerechnet
diejenigen, die den größten Teil zur Ernährung der Menschheit beitragen. Rund 450 Millionen kleinbäuerliche Familienbetriebe mit jeweils höchstens zwei Hektar Land erzeugen
mehr als die Hälfte unserer Nahrung. Nach aktuellen Schätzungen steht ihnen dafür aber nur noch etwa ein Viertel der
weltweiten Anbaufläche zur Verfügung. Große Agrarfirmen
und Investoren eignen sich immer mehr Land in Afrika und
Asien an, das vor allem für den Konsum in den Industrienationen genutzt wird. Gen-Soja aus Südamerika für unser
Rindfleisch, Palmöl aus Indonesien für unsere Industrieprodukte, Rosen aus Afrika für unsere Blumenläden – all das
entzieht den Menschen vor Ort die Lebensgrundlage.
kleinbäuerliche betriebe sind der schlüssel!
Franziskaner engagieren sich für das Menschenrecht auf Nahrung.
Ganz praktisch geschieht dies zum Beispiel durch die Unterstützung
der Familienlandwirtschaftsschule Manoel Monteiro in Brasilien
durch die Franziskaner Mission. Die Aufnahme zeigt Jugendliche, die
in der Landwirtschaftsschule die Grundlagen einer biologisch
nachhaltigen Landwirtschaft und ihre Rechte als Kleinbauern und
Landbesitzer kennenlernen. Besonders wichtig ist auch die politische
Arbeit von Franciscans International (FI) bei den Vereinten Nationen
(UN). Einer der Arbeitsschwerpunkte der Nichtregierungsorganisation
der Franziskaner bei der UN in Genf und New York ist das Thema
»Extreme Armut«.
8
titelthema
Es ist inzwischen weithin anerkannt, dass gerade die Millionen Kleinproduzenten und Kleinproduzentinnen für die
Welternährung eine Schlüsselrolle einnehmen. Dieser Erkenntnis trägt auch die Sonderinitiative »Eine Welt ohne
Hunger« des deutschen Entwicklungsministers Gerd Müller,
CSU, Rechnung. Durch zehn sogenannte »Grüne Innovationszentren« sollen vor allem in Afrika und Asien Einkommen kleinbäuerlicher Betriebe gesteigert und Beschäftigung
im ländlichen Raum geschaffen werden, heißt es aus dem
Ministerium. »Wir begrüßen es sehr, dass Entwicklungsminister Müller die Ernährungssicherheit zu einem seiner
Schwerpunkte macht und die Frage der nachhaltigen Bodennutzung durch Kleinbauern dabei ein zentraler Baustein
ist«, sagt der Hauptgeschäftsführer des bischöflichen Hilfswerks Misereor Pirmin Spiegel. Doch es gibt auch Anfragen.
»Insbesondere das Projekt der Grünen Innovationszentren
kritisierten wir, weil es nicht bei dem Bedarf von Kleinbauern ansetzt, nicht auf Wissensverbreitung und Trainings von
Kleinbauern und ihren lokalen Bedingungen setzt. Dahinter
steht ein altes, verengtes Verständnis von Innovation, nämlich dass größere Unternehmen oder Konzerne Technologien zur Verfügung stellen, und damit die Probleme der Kleinbauern lösen.«
s. 8 oben: © norgal – fotolia, s. 8. links: © franziskaner mission-archiv, s 9 oben: © reuters, s. 9 unten: © aluxum – fotolia
Es gibt aber vor allem ein gewichtiges Argument gegen die
These, dass nur eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität den Hunger besiegen könne: Mangel ist nicht die
Hauptursache des Hungers. Nach Angaben der FAO werden momentan etwa 5.000 Kilokalorien pro Mensch und Tag erzeugt.
2.000 würden ausreichen – sie müssten nur jedem Einzelnen
zugänglich sein. Auf über einem Viertel der weltweiten Ackerfläche wachsen Nahrungsmittel, die nie gegessen werden. Sie
landen im Abfall, verderben beim Transport oder durch schlechte Lagerung, werden untergepflügt, an Tiere verfüttert oder in
Agrarsprit und Biogas umgewandelt.
Die breite Masse der Kleinbauern könne sich solche Technologien nicht leisten, gibt Spiegel zu bedenken. »Viele von denen,
die es versuchen, müssen sich verschulden oder überlasten
ihre fragilen Ressourcen, statt ihre Produktion auf nachhaltige,
lokal angepasste Weise zu steigern. Es geht dabei immer auch
um die Frage der Ernährungssouveränität, das Subjektsein der
Bauern, und die Möglichkeit, die Kontrolle über die eigene Tätigkeit nicht aufzugeben. Die Grünen Innovationszentren setzen auf die Einbindung der afrikanischen Bauern in Wertschöpfungsketten, die von größeren Firmen durchorganisiert
sind. Dort werden eine Kapitalausstattung und aufwändige
Managementpraktiken vorausgesetzt, was nur für maximal 10
Prozent der Bauern eine Option ist, und nicht für den großen
Teil. Bei diesen anderen, ärmeren 90 Prozent müsste angesetzt
werden, die sollten gefördert werden. Es gibt da so viele gute
Geschichten zu erzählen, auch durch Projektpartner von Misereor. Aber wir sind gemeinsam mit Minister Müller dran. Er
sagt: Lasst uns doch auch mit den anderen Ideen experimentieren.«
die vielfalt lokaler ernährungssysteme
stärken!
Der Hunger in der Welt kann nicht allein durch wohltätige Hilfe
überwunden werden. Auch eine bloße Steigerung der Produktion von Weizen, Reis, Mais und Soja, die direkt oder indirekt 75
Prozent unseres gesamten Kalorienbedarfs decken, wird nicht
ausreichen. Entwicklungsorganisationen fordern stattdessen,
mehr Menschen in ländlichen Räumen den Zugang zu Nahrung
zu ermöglichen – entweder durch die notwendigen Produktionsmittel oder ein ausreichendes Einkommen. Ein besonderes
Augenmerk gilt dabei der Rolle der Frauen. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass allein ein besserer Zugang
für Frauen zu Bildung, Gesundheit und Produktionsmitteln die
Zahl der Hungernden um bis zu 150 Millionen Menschen senken könnte.
Welche Lebensmittel wir kaufen, ist nicht egal! Lebensmittel
der Saison vom Wochenmarkt oder aus dem Gemüseabo
stärken regionale Erzeuger und vermeiden unnötige
Transportwege und Verpackungen.
Indien: Wie ernährt man
1,3 Milliarden Menschen?
Mit einem Wirtschaftswachstum von 7,5 Prozent wird
Indien schon dieses Jahr China als die am stärksten
wachsende größere Volkswirtschaft der Welt ablösen.
Gleichzeitig leiden nirgendwo mehr Menschen an
Hunger als auf dem indischen Subkontinent, wo jedes
dritte unterernährte Kind dieser Welt lebt. Dabei produziert das Land oft Überschüsse und unterhält seit
Jahrzehnten ein staatliches Verteilsystem mit subventionierten Lebensmitteln für seine Armen. Korruption,
Willkür und eine ineffiziente Verwaltung machen viele
dieser Anstrengungen zunichte. Bis zur Hälfte der Lebensmittel sollen in der Vergangenheit verschwunden
sein, bevor sie verteilt werden konnten.
Im September 2013 erweiterte die damalige indische
Regierung das bestehende Versorgungssystem durch
das Gesetz zur Ernährungssicherung (National Food
Security Act, NFSA). 800 Millionen Inderinnen und
Inder – fast 70 Prozent der Bevölkerung – haben einen
gesetzlichen Anspruch auf eine tägliche Ration Getreide. Das größte Ernährungsprogramm der Welt verspricht außerdem allen Kindern in staatlichen Schulen
bis zum 14. Lebensjahr sowie allen schwangeren und
stillenden Müttern eine warme Mahlzeit am Tag.
Doch grundlegende Probleme wie die seit Jahren andauernde Krise der Landwirtschaft werden auch durch
das neue Gesetz nicht gelöst. Ein gesetzlicher Mindestpreis für den staatlichen Ankauf von Getreide, der Millionen indischen Kleinbauern helfen würde, ist darin
nicht enthalten. Die franziskanische Menschenrechtsorganisation Franciscans International (FI) befürwortet
das Gesetz dennoch, kritisiert aber, dass die Randgruppen der indischen Gesellschaft von dem Gesetz bislang
kaum profitiert hätten. Der Kapuziner A. J. Matthew
OFMCap, Präsident der Assoziation der Franziskanischen Familien in Indien (AFFI), sagte in einer gemeinsamen Presseerklärung mit Franciscans International:
»Das Wachstum unserer Gesellschaft liegt nicht in der
schnellen Verbesserung eines sozioökonomischen Systems, das einigen, mehreren, vielen oder sogar den
meisten dient. Es liegt in einem ganzheitlichen Wachstum, das niemanden ausschließt. Das ist das Verständnis von Wachstum im Evangelium und zugleich die
radikale franziskanische Botschaft.«
Pirmin Spiegel, der Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerks Misereor, ist selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Er
berichtet von einem Projektbesuch in Manila: »Dort hat man gesagt,
dass heute durch die lokale Produktion von Kleinbauern und informelle Märkte schon über die Hälfte der Menschen ernährt wird. Es
geht nicht nur darum, mehr zu produzieren, sondern es geht um die
Vielfalt lokaler Ernährungssysteme – das eigene Dorf, die eigene
Kommune, der eigene Kreis, und zwar nicht nur mit den Grundnahrungsmitteln. Es wird ja viel auf die Produktion von Getreide gesetzt. Aber wir brauchen mehr Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse,
um eine gesunde, ganzheitliche Ernährung zu fördern. Ich bin überzeugt, dass dies Reichtum für eine zukunftsfähige Landwirtschaft
ist. Wir sind mit Misereor in 600 Projekten im Bereich der Landwirtschaft und Ernährung tätig – denn der eine globale Hungerskandal
kann nur über die Vielfalt der unterschiedlichen Ernährungssysteme gelöst werden.«
»weiter wie bisher« ist keine option!
Für uns heute mag es nur eine Geste des guten Willens
sein, ein Akt der Solidarität oder auch bloß ein schicker
Trend, vegetarisch oder vegan zu leben. Aber schon in
wenigen Jahrzehnten könnten wir gezwungen sein, unsere Ernährung radikal zu verändern. »Echtes« Fleisch vom
Rind oder Schwein könnte wieder zu einem Luxusartikel
werden – so, wie es jahrhundertelang gewesen ist. Manche Experten glauben, dass vor allem Insekten einen wesentlichen Baustein der Welternährung darstellen könnten. Sie sind reich an Eiweiß, wertvollen Fettsäuren und
Mineralien. Ihre Aufzucht verbraucht außerdem deutlich
weniger Ressourcen als heutige Proteinquellen.
Obst und Gemüse könnten in Zukunft immer seltener
auf dem Acker, sondern in vertikal angelegten HochhausFarmen angebaut und geerntet werden. In dichtbesiedelten Ländern wie Südkorea oder Singapur, die kaum noch
über fruchtbare Ackerflächen verfügen, hat diese Zukunft schon begonnen. Die Kapazitäten der Weltmeere
haben ihre natürliche Grenze teilweise schon heute erreicht. Neuartige Konzepte für Aquakulturen sollen deshalb auch in Zukunft die Versorgung mit Fisch und Meeresfrüchten ermöglichen. Eines scheint jedenfalls sicher:
Ein »Weiter wie bisher« ist keine Option, wenn wir den
Hunger in der Welt besiegen und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen der Erde bewahren wollen.
andré madaus (43) ist Redakteur
der Zeitschrift Franziskaner und lebt in Ingelheim.
10
titelthema
Früher war Fleisch etwas Besonderes.
Kann es das wieder für uns werden? Fleisch, das auf einem Hektar
Acker produziert wurde, ernährt zwei Menschen, während
der Anbau von Getreide oder Gemüse auf derselben Fläche bis
zu neun Menschen satt macht.
Wenn Fleisch auf den Teller kommt, dann sollte es von solchen Tieren
sein, die ohne importierte Futterstoffe vom Bauern in der Region
artgerecht gehalten werden.
s. 10 oben: © picture-alliance/ dpa, unten: mara zemgaliete – fotolia, s. 11: picture alliance / abaca ©
Hunger ist gemacht! Hungernde Menschen sind ein Verbrechen!
Weitere Informationen im Netz:
www.fian.de
Food First Informations- und Aktions-Netzwerk
für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung
www.foodwatch.org
Verbraucherschutzorganisation für das Recht
aller Menschen auf eine ausgewogene Ernährung
www.tasteofheimat.de
Netzwerk von Verbrauchern und Erzeugern
für regionale und saisonale Lebensmittel
www.zugutfuerdietonne.de
Informationen und Tipps
des Ernährungs- und Landwirtschaftsministeriums
zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen
»Wir brauchen einen Aufstand
des Gewissens«
Interview mit Jean Ziegler
Mit dem provokanten Titel »Wir lassen sie verhungern« hatte der langjährige
UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung (2000–
2008) Jean Ziegler viel Staub aufgewirbelt. Seine zentrale Botschaft: Der
Hunger in der Welt ist menschengemacht – und jedes an den Folgen von
Unter- und Mangelernährung sterbende Kind wird ermordet. In seinem soeben erschienenen Buch »Ändere die Welt – Warum wir die kannibalische
Weltordnung stürzen müssen« fordert er uns nunmehr auf, alle unsere Möglichkeiten als Bürger, Konsumenten und nicht zuletzt als mitfühlende solidarische Wesen zu nutzen, um die Ursachen des Hungers zu bekämpfen.
Herr Ziegler, in diesem Jahr endet die UN-Millenniumskampagne. Unter anderem sollte die Zahl der unterernährten Menschen halbiert werden. Dieses
Ziel wird deutlich verfehlt …
Zu den Millenniumszielen gibt es eine widersprüchliche Antwort. Im Jahr 2000 hatte
UN-Generalsekretär Kofi Annan alle Staats- und Regierungschefs der Welt nach New
York eingeladen, von 194 kamen 164. Annan wollte neue Maßnahmen gegen die acht
schlimmsten Tragödien, die die Menschheit zu Beginn des Jahrtausends heimsuchten, beschließen. Erstes Ziel war die Reduktion von extremer Armut und Hunger um
50 Prozent bis 2015 im Vergleich zu 1990. Das wurde überhaupt nicht erreicht. Dagegen gibt es den Einwand, dass der Hunger proportional gesehen, also wenn man die
Demografie berücksichtigt, zurückgeht. Aber das Einzige, was jeden vernünftigen
Menschen interessiert, sind die absoluten Zahlen. Denn jedes Kind, das stirbt, ist die
Welt, die verloren geht. Und vor allem: Keiner der mörderischen Mechanismen, die
den Hunger verursachen und die identifiziert sind, wurde von der UN angegriffen.
Welche Mechanismen meinen Sie?
Die Spekulation auf die Grundnahrungsmittel Mais, Getreide und Reis
zum Beispiel. Diese drei Nahrungsmittel decken in normalen Zeiten 75 Prozent des Weltkonsums. Die Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel mit
den üblichen Börseninstrumenten, wie
beispielsweise Futures, ist absolut
legal, in allen Ländern der Welt. Die
großen Hedgefonds und Banken sind
2008 und 2009, nach der Finanzkrise,
mehrheitlich umgestiegen von den Finanzbörsen auf die Energie- und Nahrungsmittel-Rohstoffbörsen. Dort machen sie, was wiederum ganz legal ist,
astronomische Profite. Wenn Sie den
FAO Food Price Index der letzten fünf
Jahre anschauen, dann ist der Weltmarktpreis für Mais um 31,8 Prozent
gestiegen, der Reis-Preis um 39,2 Prozent und der Preis für die Tonne Weizen hat sich verdoppelt. Das heißt, in
den Elendsquartieren der Welt, in den
titelthema
11
Auch unter den Flüchtlingen, die in immer größeren
Zahlen versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, sind viele nicht auf der Flucht vor
Kriegen, sondern weil sie in ihrer Heimat kaum
noch Überlebenschancen sehen.
Unter anderem hier wird der Hunger »gemacht«: Bei der Chicago Board
Das Agrardumping der Europäer in Afrika zerstört die
of Trade (CBOT) wetten riesige Fonds auf sinkende oder steigende
afrikanische Landwirtschaft. Von den 54 afrikanischen
Nahrungsmittelpreise. Nach Meinung vieler Experten kann dies zu
Staaten sind 37 reine Agrarstaaten. Wenn sie in Dakar und
kurzfristigen Preisschwankungen für Grundnahrungsmittel führen und
die Existenz vieler Menschen bedrohen.
Bamako griechische, deutsche, französische oder spanische Geflügel, Früchte und Gemüse zur Hälfte des PreiFavelas von Rio de Janeiro, den Slums von Karachi und den Smokey
ses kaufen können – das hängt von der Saison ab –, dann
Mountains von Manila, wo die Mütter mit umgerechnet 1,25 Euro
ist der afrikanische Bauer ruiniert. Der rackert sich zehn
am Tag die tägliche Nahrung ihrer Kinder kaufen müssen, sterben
Stunden unter der brennenden Sonne ab und hat keine
Millionen Menschen mehr wegen der Explosion der WeltmarktpreiChance, auf ein Existenzminimum zu kommen. Wenn
se für Grundnahrungsmittel. Die Weltbank sagt, dass im letzten
die Hungerflüchtlinge mit letzter Kraft die AußengrenJahr aufgrund der Spekulation 69 Millionen Menschen zusätzlich
zen der EU erreichen, werden sie von der Frontex ins
umgekommen sind. Die UN hat nichts unternommen, um die BörMeer zurückgeworfen. Im letzten Jahr sind nach EU-Stasenspekulationen zu stoppen – natürlich
tistiken über 3.900 Menschen im Mitwegen der Konzerne und der Großbanken, die
telmeer ertrunken. Die Verlogenheit
»es gibt keinen objektiven
zu stark sind und auch auf die Staaten direkt
der Kommissare in Brüssel ist abmangel auf der welt«
Einfluss nehmen. Es gibt aber keine Börse auf
grundtief. Sie fabrizieren wissentlich –
der Welt, die in einem rechtsfreien Raum agiert. Frankfurt, London,
wahrscheinlich nicht willentlich, aber sicher wissentlich –
New York, Zürich und Paris haben alle ein Börsengesetz. Die Parladen Hunger in Afrika.
mente könnten morgen früh mit einem zusätzlichen Artikel diese
Spekulation mit Nahrungsmittelrohstoffen verbieten – und MillioUnsere Lebensweise spielt eine Rolle. Unser hoher
Fleischkonsum etwa verbraucht enorme Ressournen Menschen wären gerettet.
cen, die anderswo fehlen. Es scheinen nicht genüEs gibt aber noch andere Faktoren, die einer Überwindung
gend Menschen bereit zu sein, ihren Lebensstandes Hungers entgegenstehen.
dard einzuschränken. Mangelt es uns an Solidarität?
Ja, wenn Sie zum Beispiel auf die Auslandsschulden der 50 ärmsten
Das grundlegende Problem ist die neoliberale Wahnidee.
Länder der Welt schauen. Wenn diese Staaten durch den Verkauf von
Sie ist die Legitimationstheorie der Finanzoligarchie und
Erdnüssen oder Baumwolle etwas einnehmen, geht das direkt an die
besagt, dass wirtschaftliches Wirken und Tun nicht mehr
Gläubigerbanken in Frankfurt oder New York, als Schuldzins und
menschlichem Willen gehorcht, sondern den NaturgesetAmortisationszahlung. Finanzminister Schäuble ist ja nicht vom
zen. Die »unsichtbare Hand« des Weltmarktes, die sogeHimmel gefallen, sondern ist Delegierter des souveränen Volkes. Er
nannten Marktkräfte, entscheiden demnach über das
könnte im Juni bei der Generalversammlung des Internationalen
Schicksal der Völker und Menschen. Diese Vorstellung
erzeugt eine unglaubliche Entfremdung der Menschen in
Währungsfonds in Washington einmal nicht für die Gläubigerbanken stimmen, sondern für die hungernden Kinder, das heißt für die
den Demokratien. Aber mein neues Buch Ȁndere die
Totalentschuldung der ärmsten Länder der Welt. Damit diese StaaWelt« verkauft sich sehr gut, und das zeigt mir, dass eine
ten endlich ein Minimum an Investitionskapital zur Verfügung hätUnruhe da ist. Viele Menschen spüren, es stimmt etwas
ten für Landwirtschaft, Bewässerung, Schulen, Krankenhäuser und
nicht auf dieser Welt. Laut Weltagrarbericht könnte die
so weiter. Nach der Weltbank-Statistik haben im letzten Jahr die 500
Landwirtschaft zwölf Milliarden Menschen normal ergrößten transkontinentalen Privatkonzerne 52,8 Prozent des Weltnähren, also fast das Doppelte der Weltbevölkerung.
12
titelthema
s. 12: © picture-alliance/dpa, s. 13 oben: © md3d – fotolia
bruttosozialproduktes, also aller in einem Jahr produzierten Reichtümer, beherrscht. Diese Konzerne entschwinden jeglicher interstaatlicher und gewerkschaftlicher
Kontrolle. Die haben eine Macht, wie sie nie ein Papst
oder Kaiser in der Geschichte der Menschheit besessen
hat. Und sie sind nicht da, um den Hunger zu bekämpfen.
Nestlé zum Beispiel, der größte Nahrungsmittelkonzern
der Welt, ist da, um die Gewinne der Aktionäre zu steigern. Diese Weltdiktatur des globalisierten Finanzkapitals
ist – mit anderen Faktoren zusammen – verantwortlich
für das tägliche Massaker des Hungers in der Welt.
Es gibt also heute keinen objektiven Mangel mehr. Jedes Kind, das
während wir hier reden an Hunger stirbt, wird ermordet. Das ist statistisch belegbar, es ist keine moralische Aussage. Mein Buch ist ein
Handbuch des Kampfes, keine moralische Abhandlung oder soziologisches Traktat. Nein, ich will den Menschen zeigen, dass Hunger
menschengemacht ist und die Mechanismen, die töten, identifizierbar sind und gebrochen werden können.
Unterschreiben Sie gegen Börsenspekulation auf Nahrungsmittel.
Bei der Franziskanischen Gemeinschaft läuft eine Petition gegen
Börsenspekulationen auf Nahrungsmittel und Landraub.
Infos und Unterschriftenlisten: Elisabeth Fastenmeier,
Regionalvorsteherin Ordo Franciscanus Saecularis OFS,
Tel.: 0 86 71 88 00 22, E-Mail: [email protected]
In »Ändere die Welt« zeigen Sie auch auf, wie jeder Einzelne
von uns etwas beitragen kann, um den Hunger zu besiegen.
Können wir tatsächlich etwas ausrichten?
Die Menschen in den offenen Demokratien in Westeuropa und
Nordamerika haben drei Möglichkeiten zu handeln. Zunächst die
Möglichkeiten als Bürger: Die Verfassungen geben uns alle Waffen
weltweit agierenden Saatgut- und Pestizid-Konzerns
an die Hand, schon morgen die Überschuldung der ärmsten LänMonsanto und verlangen eine Lizenzgebühr. Der Kleinder, die Börsenspekulation mit Grundnahrungsmitteln, das Agbauer hat das Saatgut aus der vorigen Ernte, aber Monsrardumping und den Landraub durch die Konanto besitzt darauf ein Patent. Genzerne zu stoppen. Wir können die mörderischen
»die menschlichkeit ist unter technisch veränderte Lebensmittel
Mechanismen demokratisch legal und friedlich neoliberalen ideen verschüttet« sind in der EU zwar nicht verboten,
durchbrechen – was es allein braucht, ist ein
aber es gilt das Vorsichtsprinzip.
Aufstand des Gewissens. Das Prinzip des kapitalistischen Systems
Wer sie in Umlauf bringt, muss die Herkunft nachweiist die unerbittliche Konkurrenz zwischen Individuen und Völkern.
sen. Auf der Verpackung muss die gentechnische VeränAber wenn Sie oder ich ein hungerndes Kind sehen, bricht in uns
derung gekennzeichnet sein. Also können Sie sagen: Das
etwas zusammen. Das Bewusstsein der Identität – ich bin der andekaufe ich nicht. Als Konsument können Sie auch in Weltre, der andere ist ich – gehört zum Wesen des Menschen. Immanuel
läden einkaufen. Sie zahlen etwas mehr, aber die GenosKant schreibt: »Die Unmenschlichkeit, die einem anderen angetan
senschaft in Nicaragua hat ein anständiges Einkommen.
wird, zerstört die Menschlichkeit in mir.« Dieses Bewusstsein und
Oder ich kann nur das kaufen, was dort produziert wird,
der moralische Imperativ setzen etwas radikal anderes in Gang,
wo ich wohne, und zu der Zeit, wo es geerntet wird. Und
nämlich Solidarität. Doch dieses Bewusstsein ist verschüttet von
ich kann vegetarisch leben.
der neoliberalen Wahnidee, die uns sagt, wir könnten sowieso
nichts ausrichten. Sie schraubt die Kette in unseren Köpfen fest und
Hilfsorganisationen wie »Brot für die Welt« setzen
überzeugt uns von unserer Ohnmacht. Aber wir sind nicht ohnverstärkt darauf, Kleinbauern etwa in Kenia zum
mächtig – es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie!
Anbau einheimischer Getreide- und Gemüsesorten
zu bewegen, anstatt ausschließlich auf transgenen
Mais zu setzen. Können wir auch durch die UnterWelche Handlungsmöglichkeiten haben wir außer dem »destützung solcher kleinen Projekte etwas zur Verbesmokratischen Kampf« noch?
serung der Situation beitragen?
Wir haben auch als Konsumenten eine ganze Reihe konkreter Interventionsformen. Genetisch veränderte Nahrung ist gefährlich für
Die konkrete Hilfe, die Solidarität, ist unsere dritte Mögdie Gesundheit und erzeugt Schuldknechtschaft in armen Ländern.
lichkeit, mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Diese SolidariWenn ein Bauer etwas angepflanzt hat, kommen die Anwälte des
tät kann ganz klein sein, von Mensch zu Mensch, von
Gruppe zu Gruppe – Solidarität, die jenseits von Staaten
und jenseits von Konsumverhalten stattfindet, aber die
Leben schafft. Die Zahlen für Unterernährung sind am
schlimmsten bei den 4,7 Milliarden Menschen, die in sogenannten ländlichen Gebieten leben, also Kleinbauern,
Pächter, Tagelöhner, die Nahrung produzieren. Ihr Beispiel aus Kenia ist großartig. Es stürzt zwar nicht die kannibalische Weltordnung, aber es schafft Leben. Und Leben
ist unmessbar! Es hat keinen Preis, wenn die Kleinbauern
statt Würmern anständig Kalorien im Magen haben und
ihre Kinder nicht mehr mit schwach entwickelten Gehirnzellen zur Welt kommen. Der französische Schriftsteller Georges Bernanos schreibt: »Gott hat keine anderen Hände als die unseren.« Entweder wir ändern die
kannibalische Weltordnung, oder es tut niemand.
Eine Fülle an Sachinformationen und Handlungsimpulsen bieten die
Bücher des Soziologieprofessors em. und ehemaligen
UN-Sonderberichterstatters Jean Ziegler:
»Wir lassen sie verhungern! …« (ISBN 978-3-570-10126-1)
»Ändere die Welt! …« (ISBN 978-3-570-10256-5)
interview und bearbeitung andré madaus
titelthema
13
kommentar
»Gebt ihr ihnen zu essen!«
Essen und trinken ist so existenziell wie atmen: ohne
Nahrungsaufnahme kein menschliches Leben. Bis zu
meinem 50. Lebensjahr habe ich etwa 100.000 Mahlzeiten zu mir genommen und ca. 20 Tonnen Lebensmittel verspeist. Als Mann nehme ich annähernd 1,5
Kilogramm Nahrung pro Tag zu mir. Damit stehen
mir 3.530 Kalorien zur Verfügung, während ein Äthiopier mit nur 1.950 Kalorien auskommen muss. Weltweit werden genügend Nahrungsmittel produziert.
Die Frage ist, wie wir mit ihnen umgehen.
Es trifft mich, wenn ich lese: »Wenn wir die Verschwendung in den USA und in Europa um die Hälfte reduzieren, könnten alle derzeit Hungernden 1,5-mal ernährt
werden.« Es ärgert mich, wie sorglos wir mit Nahrungsmitteln umgehen. Jeder Bundesbürger entsorgt jedes Jahr
rund 80 Kilogramm Lebensmittel im Wert von 500 Euro
in den Müll. Global werden rund 1,3 Milliarden Tonnen
Lebensmittel als sogenannter »Nahrungsmittel-Müll«
verschwendet. Das entspricht knapp einem Drittel der
landwirtschaftlichen Nutzfläche. Vielleicht gehen wir
auch deshalb so sorglos mit Nahrungsmitteln um, weil
wir durchschnittlich nur noch 10 Prozent unseres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen, während es 1960 noch rund 40 Prozent waren. Auch ist hinreichend bekannt, dass ein übermäßiger Fleischkonsum
nicht nur gesundheitsschädlich und klimaschädlich ist,
sondern zudem die Fleischproduktion weitaus weniger
Menschen ernähren kann als der Anbau von Pflanzen.
Papst Franziskus greift in seinem Apostolischen Schreiben »Die Freude des Evangeliums« die jesuanische Forderung bei der Brotvermehrung auf, wenn er schreibt:
»In diesem Rahmen versteht man die Aufforderung Jesu
an seine Jünger: ›Gebt ihr ihnen zu essen!‹ (Mk 6,37), und
das beinhaltet sowohl die Mitarbeit, um die strukturellen
Ursachen der Armut zu beheben und die ganzheitliche
Entwicklung der Armen zu fördern, als auch die einfachsten und täglichen Gesten der Solidarität angesichts
des ganz konkreten Elends, dem wir begegnen« [EG
187/188]. Die »Armen« werden durch die »Hungernden«
konkret.
Die strukturellen Ursachen des Hungers sind politischer
Natur in Form von Agrarsubventionen, Nahrungsmittelspekulation, Handelsabkommen, Landgrabbing, Flächenverbrauch im Ausland und Ähnlichem. Sie lassen
sich durch gesellschaftspolitisches Engagement verändern. Die Gesten der Solidarität betreffen mein Konsumverhalten. Wir werden das globale Ernährungsproblem
nicht auf einen Schlag aus der Welt schaffen, wenn wir
auf Fleisch verzichten, Gemüse und Eier im Hofladen
kaufen oder beim Bäcker das Brot vom Vortag. Aber
durch den Kauf von biologisch angebauten, regional erzeugten, saisonal abgestimmten und fair gehandelten
Lebensmitteln sowie die Reduzierung meines Fleischkonsums und das Vermeiden von »Nahrungsmittel-Müll« kann ich meinen persönlichen Beitrag dazu
leisten. Setzen wir um, was wir in einem neuen geistlichen Lied besingen: »Wenn jeder gibt, was er hat, dann
werden alle satt«. Teilt gerecht, was die Erde für alle hervorbringt! »Gebt ihr ihnen zu essen!«
stefan federbusch ofm
14
titelthema
s. 14: © picture-alliance/dpa, s. 15: © wolfgang stahr – laif
Ich habe nie wirklich gehungert. Hunger ist ein Phänomen, das ich bisher nur in dem Maße erlebt habe,
in dem es bei einem gut versorgten Menschen auftritt: als Hungergefühl. »Ich könnte mal wieder was
essen, die letzte Mahlzeit liegt bereits einige Stunden
zurück …« Was Hunger wirklich bedeutet, wissen in
Deutschland nur noch wenige aus der Nachkriegsgeneration. Hunger ist das Phänomen der Anderen –
vielleicht ein Grund, dass ich die Beseitigung des
Hungers nicht entschlossener zu meinem Anliegen
mache.
Fragen um Leben und Tod berühren uns unmittelbar. Entscheidungen am Anfang und
am Ende unseres Lebens sind deshalb so
schwierig, weil sie unser Selbstverständnis
als Menschen betreffen. Zum Ausdruck kam
dies exemplarisch in einem Interview des
Ehepaars Anne und Nikolaus Schneider (ZEIT,
17. Juli 2014). Beide sind seit 1970 verheiratet.
Sie ist Lehrerin für Religion und Mathematik,
er evangelischer Theologe. Von ihren drei
Töchtern starb die jüngste Tochter Meike
2005 im Alter von 22 Jahren an Leukämie.
Zur aktuellen Debatte um die Sterbehilfe in Deutschland
»Herr, lehre uns bedenken,
dass wir sterben müssen …«
Nikolaus Schneider hatte seinen Rückzug vom Amt
des Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in
Deutschland angekündigt, um seiner Frau Anne beizustehen, bei der im Juni 2014 ein entzündlicher
Brustkrebs festgestellt wurde, der bereits ihr Lymphsystem befallen hat. Der 66-jährige Nikolaus Schneider vertritt die Position: »Beim Sterben jede Hilfe.
Aber nicht zum Sterben.« Seine Frau hält dies für eine
»Elfenbeinturm-Unterscheidung! Ich finde, beim
Sterben helfen, kann auch heißen, dass man den Sterbeprozess beschleunigt. Dann ist es auch eine Hilfe
zum Sterben. Das lässt sich gar nicht trennen.« Für
ihren Mann ist klar: Die »weitgehende Schmerzfreiheit – die muss gesichert sein. Aber ein Giftcocktail
ist ausgeschlossen«. Die 65-jährige Anne Schneider
verweist auf eine Bibelstelle und ihre Interpretation
dazu: »›Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben
müssen, auf dass wir klug werden‹: Diese biblische
Bitte heißt für mich, dass ich mein Ende aktiv gestalten kann in der Verantwortung vor Gott. Zur Gottebenbildlichkeit des Menschen gehört für mich eine
Gestaltungsfreiheit von Anfang bis Ende dazu (…) So
sehe ich es als Teil meiner Verantwortung, dass ich
auch entscheiden darf: Jetzt gebe ich mein von Gott
geschenktes Leben dankbar an Gott zurück.« Für sie
bedeutet das konkret: »Ich hoffe, wenn ich selber an den Punkt kommen sollte, sterben zu wollen, dass mein Mann mich dann in die
Schweiz begleitet. Dass er neben mir sitzen und mir die Hand halten
würde, wenn ich das Gift trinke. Auch wenn es seiner theologischethischen Überzeugung widerspricht. Ich hoffe, dass dann die Liebe
stärker ist.« Nikolaus Schneider entspricht dieser Erwartung seiner
Frau: »Das wäre zwar völlig gegen meine Überzeugung, und ich
würde es sicher noch mit Anne diskutieren. Aber am Ende würde
ich sie wohl gegen meine Überzeugung aus Liebe begleiten.«
mein recht auf selbstbestimmung gilt bis zum ende
Die Auffassungen von Ehepaar Schneider spiegeln zwei wichtige
Positionen in der aktuellen Debatte wider. Anne Schneider betont
den Aspekt der Gestaltungsfreiheit und Selbstbestimmung des
Menschen. Diese sieht sie auch für das eigene Sterben gegeben und
liegt damit auf der Linie der evangelischen Theologen der Niederlande, die für aktive Sterbehilfe eintreten. Nikolaus Schneider dagegen liegt auf der Linie, die auch die katholische Kirche vertritt: »In
Würde stirbt, wer anerkennt, dass sein Leben als solches unverfügbar ist«, betont die Deutsche Bischofskonferenz. »Die Verfügung
über die Existenz als solche ist dem Menschen entzogen.« Das Lebensende liegt alleine in der Hand Gottes und darf daher vom Menschen nicht aktiv herbeigeführt werden. So wie der Mensch nicht
durch freie Wahl sein Leben erwählt hat, darf er es auch nicht
durch freie Wahl beenden. Lediglich eine passive Sterbehilfe wird
debatte
15
über mein leben als solches kann ich nicht
verfügen
Sowohl Anne wie auch Nikolaus Schneider argumentieren
mit jeweils guten Gründen aus ihrem Glauben heraus. Die
Würde eines selbstbestimmten Lebens und Sterbens muss
auf jeden Fall gewahrt bleiben. Zwei Aspekte bilden aber
eine notwendige Ergänzung zur geforderten Selbstbestimmung. Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff verweist darauf, dass menschenwürdiges Sterben überhaupt nur unter der Bedingung möglich ist, »dass personale
Beziehungen und das Angebot menschlicher Nähe aufrechterhalten werden«. Zudem ist kritisch zu beleuchten, wie
selbstbestimmt tatsächlich die Entscheidung zur aktiven
Sterbehilfe ist. Wie groß ist der gesellschaftliche Druck von
Ärzten, der Familie, des Freundeskreises, dem Leben ein
Ende zu bereiten, wenn es aus der Perspektive anderer nicht
mehr als lebenswert angesehen wird? Die Beispiele der Niederlande und Belgiens mit der Legalisierung der aktiven
Sterbehilfe seit 2001 zeigen, dass die Zielgruppen immer
weiter ausgedehnt werden. Was mit unheilbar Kranken und
einwilligungsfähigen Menschen begann (Sterbehilfe auf
Verlangen), wird mittlerweile auch für nicht einwilligungsfähige Menschen diskutiert, für alte Menschen generell, für
psychisch Kranke, für Komapatienten, für Kinder und für
Neugeborene. Es kam zu nicht wenigen Fällen von Tötung
ohne Verlangen. »Was einst als Selbstbestimmung begann,
mündete in Bevormundung«, so das Fazit des niederländischen Buchautors Gerbert van Loenen. Er zeigt auf, dass die
niederländische Praxis der Lebensbeendigung nicht auf
Selbstbestimmung, sondern auf Mitleid beruht. »Gegenüber
den Befürwortern der Sterbehilfe in anderen Ländern, die
sich auf den hohen Wert der Selbstbestimmung berufen,
mag daher die Frage erlaubt sein, wie sie das, was in den Niederlanden geschieht und noch geschehen wird, in ihrem
Land zu verhindern gedenken. Sie sollten sich die Frage stellen, welches der beiden Argumente für aktive Sterbehilfe
und Beihilfe zur Selbsttötung für sie wichtiger ist: Selbstbestimmung oder Mitleid. Entscheiden sie sich für die Selbstbestimmung, dann stehen sie vor der Frage, wie sie verhindern wollen, dass nach der Legalisierung aktiver Sterbehilfe
und der ärztlichen Beihilfe zum Suizid derselbe Prozess einsetzt wie in den Niederlanden. Entscheiden sie sich für Mitleid, leisten sie der Bevormundung direkt Vorschub.«
der fraktionszwang ist aufgehoben
Die Mitglieder des Bundestages stehen vor der schwierigen
Entscheidung, was im Bereich Sterbehilfe gesetzlich geregelt
werden soll und was nicht. Zu bedenken ist dabei, dass es
wie bei allen ethischen Fragen um eine Verständigung geht,
die die Gesamtgesellschaft repräsentiert, sowohl die religiös
wie die nichtreligiös geprägten Teile. Am 13. November
2014 fand im Bundestag eine mehrstündige Orientierungsdebatte statt, bei der bewusst der Fraktionszwang aufgehoben war. Im Herbst 2015 soll eine Entscheidung getroffen
werden. Im Wesentlichen finden sich drei unterschiedliche
Sichtweisen. »Jeder hat das Recht, über das Ende seines eigenen Lebens zu entscheiden und sich dabei helfen zu lassen.
Wie er das tut, sollte ihm selbst überlassen sein«, so die Position derjenigen, die auch bereit sind, unter bestimmten Bedingungen Sterbehilfevereine zuzulassen. Zu den Bedingungen zählen eine Dokumentationspflicht, eine Begutachtung
durch unabhängige Ärzte sowie der Ausschluss kommerzieller Interessen. Umstritten ist in dieser Gruppe, ob Sterbehilfe auf tödlich Erkrankte beschränkt bleibt. Andere lehnen
Sterbehilfevereine ab, wollen aber die ärztliche Beihilfe zum
Suizid ausdrücklich erlauben. Wieder andere wollen das
Standesrecht der Ärzte auf keinen Fall aushebeln und überlegen sogar ein strafrechtliches Verbot. Einigkeit besteht lediglich darin, dass mit Sterbehilfe kein Geld verdient werden darf und palliativmedizinische Angebote ausgebaut
werden müssen. ■
stefan federbusch ofm (47) ist Redaktionsleiter der Zeitschrift
»Franziskaner« und Leiter des »Franziskanischen Zentrums für
Stille und Begegnung« in Hofheim am Taunus.
© fotolia – sandor kacso
als legitim angesehen, die auf lebensverlängernde Maßnahmen in aussichtslosen Fällen verzichtet. Wer die Argumentation prüft, stellt schnell fest, dass derselbe Begriff »Würde«
oft unterschiedlich interpretiert und für beide Positionen
gleichermaßen beansprucht wird. Für die Verfechter der aktiven Sterbehilfe realisiert sich Würde in der Möglichkeit zur
Selbstbestimmung. Der Mensch habe das Recht, sein Recht
auf Leben preiszugeben. Die katholische Kirche sieht das
Leben als Geschenk Gottes an und warnt vor einer »Verabsolutierung der Autonomie«. Dieser Position wird entgegnet,
dass ein Geschenk in den Besitz des Beschenkten übergehe
und somit in sein Verfügungsrecht. Ebenso wird kritisch angemerkt, dass der Mensch permanent durch medizinische
Maßnahmen in das Verfügungsrecht Gottes (bzw. der Natur)
eingreife und das Leben von Menschen verlängere, die ohne
medizinische Hilfe längst verstorben wären.
Der franziskanische Wegbegleiter • Franziskaner Zeitschrift • Sommer 2015
franziskanische
grund­haltungen
gewaltlos und friedfertig • einfach das leben geniessen • das evangelium als weg gehen
Liebe Leserin, lieber Leser,
franziskanische Grundhaltungen sind der rote Faden des geistlichen
Wegbegleiters in diesem Jahr 2015. Wer diesem roten Faden nachgeht, kommt
schnell auf die Bergpredigt. Wenn Franziskus am Anfang seiner Lebensregel
schreibt, dass es ihm vor allem darum geht, in den Fußspuren Jesu das
Evangelium zu leben, dann denkt er an die Verheißungen und Verpflichtungen
der Bergpredigt. Dort wird die allgemein gültige Wertepyramide auf den Kopf
gestellt. Nicht Macht und Ansehen, Geld und Vermögen, Verwirklichung des
Egos und seiner Wünsche sind erstrebenswert, sondern genau das Gegenteil:
Seliggepriesen werden jene, die auf Gott vertrauen und die Nächsten lieben, die
wahrhaftig und barmherzig sind, die einfach leben und die Widrigkeiten des
Lebens aushalten. Weder Jesus noch Franziskus oder Klara geben eindeutige
Verhaltensregeln oder dogmatische Glaubenslehren vor, wichtig sind ihnen ein
lauteres sehnsüchtiges Herz, Füße, die den Weg der Nachfolge gehen, Hände,
die das Reich Gottes aufbauen.
Franziskanische Grundhaltungen sind Tugenden im ursprünglichen Sinn: Werte,
die zum Glück taugen und uns tauglich machen für ein gelingendes, liebevolles
Leben. Niemand muss oder kann Jesus oder Franziskus oder Klara eins zu eins
nachahmen. Dem roten Faden franziskanischer Grundhaltungen nachzugehen,
bedeutet eher, der eigenen Sehnsucht nach Lebendigkeit und Gutsein
nachzuspüren. In der Tiefe des Herzens die Kraft zu ahnen, die über uns
hinausweist, dem Raum zu geben, was wir im Grund unserer Seele wünschen.
Wie ein Leben in dieser Spur zu einem erfüllten, glücklichen Leben wird, das
zeigt Franziskus auf großartige Weise in seinem Sonnengesang – ein
Blumenstrauß von bunten Glückserfahrungen, die sich in einem Satz
zusammenfassen lassen: Das Leben ist schön.
Wir wünschen Ihnen, im eigenen Leben diesen Satz zu entdecken,
und grüßen Sie von Herzen
Ricarda Moufang und Helmut Schlegel OFM
Ricarda Moufang
(52) – »Gebet« – ist Referentin im Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität
und lebt in Frankfurt.
Helmut Schlegel OFM (71) – »Impuls«
und »Schritte« – ist Leiter des Zentrums für christliche Meditation
und Spiritualität des Bistums
Limburg in Frankfurt und
lebt in Hofheim.
Der franziskanische Wegbegleiter • Franziskaner Zeitschrift • Sommer 2015
3 gebet
kein friede – nirgends
gewalt – überall
fressen und gefressen werden
unterdrücken und verachten
ausbeuten und horten
woher dann
diese bilder?
wolf und lamm, seite an seite
frauen, aufrecht und kraftvoll
lazarus im himmelsschoß
und alle völker in deiner stadt
bilder, unauslöschbar
dein friedenscode für diese welt
genau so wird es sein
1 impuls
Auch in dem Wort »gewaltlos« ist das Wort »Gewalt« präsent. Wir kommen
offenbar nicht los von der negativen Sogkraft, die den Menschen zum Raubtier
machen kann. Nein, Gewaltlosigkeit allein genügt nicht. Das jesuanische
Liebesgebot setzt der geballten Faust nicht nur das »Nein« entgegen, sondern auch
das »Ja« der ausgestreckten Hand. Jesus war inspiriert von einem Geist, der weit
über die »Losigkeit« hinaus in das göttliche Magnetfeld von Liebe und Versöhnung
hineinführt.
2 franz von assisi
will ich leben
gewaltlos
und friedfertig
»Ich rate aber meine Brüder, warne und ermahne sie im Herrn
Jesus Christus, dass sie, wenn sie durch die Welt ziehen, nicht
streiten noch sich in Wortgezänke einlassen noch andere
richten. Vielmehr sollen sie milde, friedfertig und bescheiden,
sanftmütig und demütig sein und mit allen anständig reden,
wie es sich gehört.« (Bestätigte Regel, Kapitel 3, 10f.)
4 schritte
Ich frage mich selbst, wo ich Gewalt-sinnig, Gewalt-herzig und
schließlich Gewalt-tätig bin. Nur was ich ehrlich wahrnehme,
kann ich loslassen.
Menschen sind von Natur aus nicht gewalttätig, sie »lernen«
Gewalt, weil sie sie am eigenen Leib und an der eigenen Seele
erfahren. Ebenso können sie gewaltloses Denken und
friedfertiges Handeln lernen. Ich wecke die tief in mir liegende
Sehnsucht nach Versöhnung und Liebe.
Alle sind mit allen und alles ist mit allem vernetzt – eine
Erkenntnis der Psychologie und auch der modernen
Quantenphysik. Ich stehe nicht unbeteiligt und ohnmächtig
dem gegenüber, was in Syrien, Nigeria oder der Ukraine
geschieht. Meine heilenden Gedanken, Segenswünsche,
Gebete sind vielleicht wirkungsvoller, als ich denke.
links: © ugurhan betin, rechts: kerstin meinhardt
Wir wären gewiss froh, wenn in den
vielen Kriegsgebieten dieser Erde erst
mal das Feuer zum Erlöschen käme.
Waffenstillstand ist ein erster Schritt
zum Frieden. Die biblische Utopie vom
Reich Gottes geht allerdings weit über
den Punkt hinaus, wo die Waffen
schweigen. Sie träumt davon, dass
Lanzen und Schwerter umgeschmiedet
werden in Werkzeuge des Friedens.
Utopie bedeutet übersetzt »Kein-Ort«.
Friede ist kein Ort, kein Hier oder Dort.
Friede ist ein Geist, eine Gesinnung, eine
»Fertigkeit«. Noch ist die Stadt des
Friedens ein »Kein-Ort«, aber die FriedFertigkeit befähigt uns, Schritt für Schritt
den Weg zu gehen, den realutopischen
Weg dorthin, wo »der Friede blüht«.
(Psalm 72,7)
dafür
Der franziskanische Wegbegleiter • Franziskaner Zeitschrift • Sommer 2015
einfach das leben
geniessen
1 impuls
Geht das zusammen: einfach leben und das
Leben genießen? Einfach leben – da stelle ich
mir einen asketischen Typ vor, der sein Geld
zusammenhält, mit dem Fahrrad zur Arbeit
fährt, jeglichen Luxus meidet, keinen Alkohol
trinkt und auf fair gehandelte Lebensmittel
achtet. Ein Lebensgenießer dagegen besucht
Gourmet­restaurants und trinkt erlesene
Weine, fährt einen teuren Wagen und tut,
was ihm Spaß macht.
Tatsächlich aber gibt es Menschen, die das
Leben in vollen Zügen genießen und
dennoch todunglücklich sind. Andere freuen
sich in ihrer Anspruchslosigkeit an einem
sonnigen Frühlingstag und an einem
wohlschmeckenden Gemüse­eintopf und
auch daran, dass ihr ein­facher Lebensstil mit
ihrem sozialen und ökologischen Verant­
wortungsgefühl übereinstimmt. Ihr Vorbild
ist vielleicht der griechische Philosoph
Diogenes, der in Korinth in einer Tonne
hauste und eines Tages von Kaiser Alexander
besucht wurde. Als dieser ihn fragte,
welchen Wunsch er ihm denn erfüllen könne,
antwortete Diogenes kurz: »Geh mir bitte
aus der Sonne.«
Es passt also vielleicht doch zusammen –
einfaches Leben und Genuss. Wer sich nicht
vollstopft mit Dingen, wer seine Energie
nicht der Macht des Habens übergibt, ist frei,
seinen Körper und seine Seele spüren zu
lassen, wie schön es ist, zu leben, und wie
schön es ist, einfach zu leben.
2 franz von assisi
»Unter allen Gaben, die Gott, der
freigebige Spender alles Guten,
Franziskus verliehen hatte, ragte eine
besonders heraus: dass er durch die Liebe
zur Armut den Reichtum der Einfachheit
erlangen durfte. Der Heilige bedachte
sehr gut, dass diese Eigenschaft dem
Sohn Gottes besonders vertraut war.«
(Bonaventura, Legenda Major, Kap. VII, 1f.)
3 gebet
wenn das sonnenlicht
am trägen sonntagnachmittag
in den blättern der birke tanzt
wenn die mönchsgrasmücke
unüberhörbar und vorlaut frohlockt
wenn der tee am morgen
duftet und dampft
dann weiß ich:
es kostet nichts
es mir richtig gut gehen zu lassen
was Gott uns gönnt
ist unbezahlbar
und reichlich vorhanden
für jedes lebewesen
in allen universen
und himmeln
4 schritte
Ich halte während des Tages immer wieder mal kurz an und lasse das volle
Leben auf mich wirken. Ich begrüße still das Wetter – wie immer es auch ist –,
die Menschen um mich herum, die Tiere und Pflanzen und wünsche allen
ein gutes Leben. Was möchte ich tun für Menschen, die wirklich und
unfreiwillig arm sind? Die sich Verzicht gar nicht leisten können, weil sie
nichts haben?
Wie kann ich meinen Lebensstil vereinfachen? Meine Ernährung? Meine
Wohnverhältnisse? Meinen Energieverbrauch? – Bevor ich ganz große
Konzepte entwickle, fange ich mit einem kleinen Vorhaben an und freue
mich, wenn ich es umsetzen kann.
Auf welche Dinge, Gegenstände, Einrichtungen kann ich verzichten? Wie
kann ich meinen Kalender entrümpeln? Wie viel Zeit möchte ich mir für
Freizeit, Lektüre, Kontaktpflege nehmen?
Der franziskanische Wegbegleiter • Franziskaner Zeitschrift • Sommer 2015
3 gebet
1 impuls
Das öffentliche Wirken Jesu fand weitgehend auf dem
Weg statt. Von sich selbst sagte er: »Die Füchse haben ihre
Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber
hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann« (Mt 8,20).
In Wirklichkeit war dies für Jesus und seine Jünger weniger
ein Zeichen des Mangels als vielmehr der Fülle. Es war sein
»Konzept«, sein Leben mit den Menschen zu teilen, zumal
mit jenen, die unfreiwillig auf Haus und Habe verzichten
mussten. Für sie war Jesus immer präsent und
ansprechbar. Jesu Zuhause war der »Abba«, in dem er sich
geborgen wusste. Und bei ihm, dem himmlischen Vater,
dürfen wir alle unser Zuhause suchen und finden.
Es ist ein Weg, auf dem alle in dem ihnen gemäßen Tempo
gehen können. Wer ihn geht, vertraut darauf, dass dieser
Weg trägt und ein Ziel hat. Nichts anderes als Gott selbst
ist der tragende Grund und das Ziel der Lebensreise. Wer
sich auf den Weg des Evangeliums einlässt, geht ihn nicht
allein. Der Kyrios Christus geht voraus und jene, die
mitgehen, nennen sich Kyriake – Kirche. Kirche ist nichts
anderes als Weggefährtenschaft. Wenn Franziskus sich
und seine Schwestern und Brüder in einer für uns fast
übertriebenen Weise an die Kirche bindet, dann geht es
ihm darum: Leben nach dem Evangelium ist ein Leben auf
dem Weg – mit Jesus und mit einander.
wie der berühmte rabbi
sind auch wir nur auf der durchreise
doch wir verstehen es nicht
ankünfte, ziele:
verkaufsschlager in einer welt
todmüde vom immer-schneller
der weg aber
mündet ins meer
ich lege ab uhr
und landkarte
endlich zerreißt der schleier:
Dein regenbogen
im brunnen
Dein name
2 franz von assisi
»Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben hatte, zeigte
mir niemand, was ich tun sollte, sondern der Höchste
selbst hat mir offenbart, dass ich nach der Form des
heiligen Evangeliums leben sollte.« (Testament 14)
im wind
4 schritte
Ich gehe allein und schweigend einen Weg und spüre mit dem ganzen
Körper, was mir gerade geschieht. Ich lege in diesen Weg meine
Erfahrungen, meine Begegnungen und meinen Glauben hinein.
Kirche als Weggemeinschaft – was bedeutet das für ihre konkrete
Wirklichkeit? Für welche Be-Weg-ung, für welche Weg-Richtung mache ich
mich stark?
Ich schaue dankbar auf die Wegstrecken meines Lebens. Ich bejahe meine
Wege so, wie sie waren. Und ich lasse mich vertrauend auf das Unbekannte
ein, das noch auf mich zukommen mag.
s. 20: © istock – srdjan pavlovic, s. 21: © pascal deloche/godong
das evangelium
als weg gehen
kleines theologisches wörterbuch
C
Paradoxerweise ergibt sich aus diesem Dialoggeschehen auch der »offizielle« und
objektive Charakter von Liturgie: Auch
wenn sich jeder Einzelne persönlich angesprochen fühlt und in der je eigenen Rolle
authentisch einbringt, geht es im Kern
nicht um die individuelle Befindlichkeit,
die leicht in eine individualistische Vereinzelung führt. Es geht um ein gemeinsames
Tun und eine gemeinschaftliche Erfahrung, die über alles nur Eigene hinaus zur
Kirche Christi verbinden. Liturgie baut
Kirche auf. Kirche realisiert sich in der Liturgie. Liturgie ist »der Höhepunkt, dem
das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich
die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt«
(Zweites Vatikanisches Konzil).
Wer aus der Kraft der Sakramente lebt und
das Kirchenjahr mitfeiert, wird immer
mehr hineingezogen in das Geheimnis
Christi. Eine lebendige Spiritualität aber
hristen verstehen unter Liturgie den offiziellen Gotspeist sich nicht allein aus der offiziellen
Liturgie, sondern wesentlich auch aus dem
tesdienst der Kirche. Von seiner griechischen Wurzel
privaten Gebet, aus Brauchtum und Volksher bezeichnet der Begriff ursprünglich ein »Tun (ergon)
frömmigkeit. Verkündigung und Diakonie,
des Volkes (laós)«. Dies ist jeweils in zweifacher Weise zu
gemeinsam mit der Liturgie Wesensvollzüverstehen: Das Volk tut etwas, zugleich aber wird für dieses Volk etwas getan. Ebenso: Der Mensch dient Gott,
ge der Kirche, kommen zwar im Gottesdienst vor, müssen sich aber
aber zugleich dient auch Gott
dem Menschen. Die Bewegung
auch außerhalb eigenstän»von oben nach unten« steht an
dig entfalten. Und nicht nur
erster Stelle: Im Gottesdienst
der kultische Raum, sonhandelt Gott durch Christus an
dern vor allem der gelebte
der
Gottesdienst;
das
gemeinsame
Tun
uns. Er hat uns zusammengeruAlltag ist der Ort, an dem
Gott an mir handelt und ich
fen und ist darum in seiner Gemeinde gegenwärtig. Er spricht
ihm antworte. Liturgie ist
uns an in den Lesungen aus der Heiligen Schrift. Er tut
immer auch Sendung und führt mich tieetwas an uns in den Sakramenten. Er schenkt sich selbst
fer in die Welt und zu den Menschen. Sie
in der Eucharistie. Er vergibt, stärkt, verheißt seine Beführt ins Lebenszeugnis. Je mehr ich mich
gleitung. Unser Tun ist dann Antwort hierauf: Wir richin einer alltäglichen Praxis existenziell auf
ten unser Gebet an ihn, bitten und danken, hören und
Christus einlasse, umso ehrlicher werde
schweigen, feiern und singen.
ich Liturgie feiern können. ■
C
Liturgie, die;
Liturgie ist also immer dialogisch. Sie geht von Gott zu
uns und von uns zu Gott. So verbindet sie auch uns Menschen untereinander. Wo sie als »Vorstellung« einer weniger Akteure vor einem passiven Zuschauer-Publikum
erfahren wird, im schlechtesten Fall als One-Man-Show,
ist sie entstellt. Denn Christus handelt an allen Gliedern
des Volkes Gottes, alle sind Empfangende und Beschenkte. Zugleich ist das gesamte Volk Gottes Träger der Liturgie. Das Neue Testament spricht hier selbstverständlich
vom Priestertum aller Getauften (vgl. 1 Petr 2,9). Erst auf
dieser Grundlage differenzieren sich verschiedene Rollen und Dienste, zu denen auch der Amtspriester gehört.
dr. cornelius bohl ofm (53)
ist seit 2012 Provinzialminister der Deutschen
Franziskanerprovinz und lebt in München.
theologischer impuls
21
Kloster Pupping
Blick vom offenen Klostergarten, der gerne von
Einwohnern des Ortes Pupping besucht wird.
Das nahe Linz gelegene Kloster war 1477 am
Sterbeort des heiligen Wolfgangs erbaut worden.
Es ist eines der altehrwürdigen Häuser der
österreichischen Franziskaner. Für einige Jahre
war das vierflügelige, mächtige Gebäude nach
dem Zweiten Weltkrieg sogar Noviziatshaus.
Die Tiroler Franziskanerprovinz, zu der Pupping
gehörte, ist 2007 mit der Wiener Franziskanerprovinz vereinigt worden. Etwa 140 Brüder in
25 Niederlassungen gehören zur Provinz.
Franziskanisch Leben
In der Reihe »Franziskanisch leben« stellen wir Menschen vor, die auf ganz unterschiedliche Weise
versuchen, im Geist des heiligen Franziskus und der heiligen Klara zu leben. Zum Beispiel die
Shalom-Gemeinschaft im Franziskanerkloster Pupping in Oberösterreich.
»Mami, Mami!!!«, Hirman aus dem Iran
gestikuliert lebhaft mit den Tellern, die
er zur Küche hereinbringt. Die Angesprochene blickt vom Einräumen der
Spülmaschine auf. Das Essgeschirr von
27 Menschen, die gerade gefrühstückt
haben, muss gesäubert werden. Sie
rückt ihren Schleier zurecht und lächelt.
Ein Haushalt, in dem 22 Menschen mit einer wechselnden
Zahl Gäste leben, ist eine organisatorische Herausforderung.
Der eigentliche Verantwortungsbereich von Schwester MariaTheres ist die Betreuung von Sakristei und Kirche.
Vor nun bald 50 Jahren ist Schwester
Maria-Theres in den Klarissenorden
eingetreten, und wer da von der Tür
des Speisesaals ruft, ist kein kleiner
Junge und schon gar nicht ihr Sohn.
Hirman ist ein junger Mann, der aus
dem Iran geflüchtet ist. Seit Anfang Januar lebt er mit neun weiteren jungen
Asylbewerbern im Kloster Pupping.
»Mami« ist eine Art Ehrentitel, mit
dem er ausdrücken will, wie gut die Ordensfrau und die Shalom-Gemeinschaft für ihn und die anderen Asylbewerber sorgen.
Die Shalom-Gemeinschaft im Kloster
Pupping, die die sechs Iraner und vier
Syrer aufgenommen hat, besteht seit
15 Jahren. Das Kloster gehört zur österreichischen Franziskanerprovinz und
könnte gut als Beispiel dafür dienen, in
welchem Wandlungsprozess sich die
Ordensgemeinschaften im deutschsprachigen Raum befinden.
Allerdings ist nicht die Aufnahme von
Verfolgten Ausdruck dieser Veränderungen. Für die Gemeinschaft ist es
22
franziskanisch leben
eine Antwort auf die Not der heutigen
Zeit, und dieses Engagement findet
sich auch in anderen Klöstern. Das, was
Pupping auszeichnet, ist der Versuch
eines Zusammenlebens von Männern
und Frauen, von Ordensleuten und
Laien in einer Gebetsgemeinschaft.
Mancherorts wird der Mangel an jungen Ordensleuten beklagt, während
versucht wird, möglichst viele der bisherigen Aufgaben mit geringer werdenden Kräften zu bewältigen. Andernorts entstehen derweil neue Formen
franziskanischen Lebens. Das Shalomkloster ist eine dieser vorsichtigen
Tastbewegungen in eine franziskanische Zukunft. Ungewiss ist, wie diese
Zukunft aussehen wird, doch sicher ist,
dass das Leben franziskanischer Gemeinschaften künftig anders sein wird
als in vergangenen Zeiten.
Schwester Maria-Theres, jene Schwester,
die der Iraner Hirman »Mami« ruft, lebt
seit 44 Jahren im Kloster Pupping. Vom
Alter her könnte sie Hirmans Großmutter sein. Sie versteht sich gut mit den
Asylbewerbern. Nur zwei von ihnen
sprechen Englisch, sie dolmetschen für
die anderen. Alle zehn bekommen erst
seit Kurzem Deutschunterricht. Doch
die Verständigung klappt trotz Sprachbarrieren.
Und bei allen Herausforderungen, die
das Zusammenleben mit Flüchtlingen
mit sich bringt: So viel zu lachen wie
mit ihnen, hatte die zierliche Schwester nicht in allen Jahren ihres Ordenslebens. Als die gebürtige Schweizerin
1971 ins Kloster Pupping eintrat, bestand dort seit kurzem eine Klarissengemeinschaft. Die Franziskaner hatten
die große Klosteranlage den Schwestern zur Verfügung gestellt. Wie für
Klarissen üblich, lebten die Frauen in
der strengen Abgeschiedenheit der
Klausur. »Zu den Leuten vom Ort hatten wir fünf Schwestern natürlich nicht
viel Kontakt«, berichtet Schwester Maria-Theres. Wo heute ein für jederman
zugängliches, weitläufiges Parkgelände mit Schaugarten regelmäßig Besucher anzieht, zogen früher die Klarissen ihr Gemüse hinter hohen Klostermauern. »Es fiel uns mit der Zeit
immer schwerer, die ganze Arbeit zu
bewältigen. Der erhoffte Eintritt junger
Schwestern blieb aus, und als dann
noch die Tatkräftigste von uns fünfen
überraschend starb, wussten wir einfach nicht mehr weiter. So entschieden
wir, das Kloster an die Brüder zurückzugeben.«
seite 22: © kerstin meinhardt, seite 23: © franz josef gregorschitz
San Masseo als Vorbild
Auf Bitten des Provinzials der Tyroler
Franziskaner hielt Schwester Maria-Theres mit dem alten Schwesternseelsorger Pater Bonaventura die »Stellung«, bis über die weitere Verwendung des Hauses entschieden worden
war. »Und dann kam ein junger Franziskaner aus Assisi zurück. Bruder
Fritz Wenigwieser bat mich wiederum
zu bleiben, bis er sich in alles hier eingefunden hatte. Seine Idee war, in Pupping ein Jugendprojekt wie in San Masseo bei Assisi zu entwickeln. Er hatte ja
vorher vier Jahre dort gewirkt.« Und
Schwester Maria-Theres blieb – bis
heute.
Ein Jugendprojekt wurde Pupping
schlussendlich nicht. Was das Konzept
betraf, bekam die junge Kommunität
seitens der Provinzleitung große Freiheiten eingeräumt, und heute findet
die Jugendarbeit an anderen Orten der
Provinz statt. Zwar kommen auch mal
Jugendgruppen, so wie kürzlich eine
Firmgruppe aus Deutschland, zu Besuch, aber vom Konzept her ist das Kloster heute ein Mitlebehaus für Menschen in Not. Was das bedeutet, beschreibt der Franziskaner Werner Gregorschitz, der seit nun bald drei Jahren
zur Shalom-Gemeinschaft gehört: »Hier
können Menschen eine Zeit lang mitleben, mitarbeiten und zur Ruhe kommen – mit Einladung zu Gebet und
Glaubensvertiefung. Wir haben viele
Gäste, darunter auch Dauergäste, die
schon jahrelang mit uns leben. Die eigentliche franziskanische Gemeinschaft besteht aber aus uns neun Frauen und Männern. Als heilende Gemeinschaft möchten wir Zeugen der
Liebe Christi in der Welt sein, das
heißt, offene Türen für Suchende zu
haben und verfügbar zu bleiben für karitative und pastorale Aufgaben.«
Arbeitseinheiten und Essenszeiten.
Morgens nach dem Frühstück wird die
Arbeit aufgeteilt, alle sind einbezogen,
die Mitglieder der Gemeinschaft, die
Dauergäste, die Asylbewerber und die
nur kurz verweilenden Besucher.
Auch wenn es kein Jugendprojekt ist,
vieles erinnert doch an das Vorbild:
»Wie San Masseo ist das Shalomkloster
Pupping aufgebaut durch die Hände-Arbeit jener Menschen, die hierher
gekommen sind. Und wie in San Masseo leben wir auch hier möglichst ohne
Geld und vertrauen auf die Vorsehung.
Das geht, weil wir alles selbst machen
und gut integriert sind in die Bevölkerung«, sagt Bruder Fritz Wenigwieser,
der »Gründervater« der Gemeinschaft.
Bescheiden leben und offen
sein für die Not des anderen
Bruder Werner war lange Pfarrer in
Reutte in Tirol. Er ist bekannt als Autor
und Lyriker und kommt mit den Leuten leicht ins Gespräch. Sein heiteres,
sonniges Gemüt ist bestens geeignet,
den Besuchern des Hauses die Schwellenangst zu nehmen. Manche der Gäste
begleitet er als Ansprechpartner während ihres Aufenthaltes. Wer jeweils für
wen zuständig ist, regeln die neun Mitglieder der Shalom-Gemeinschaft untereinander. Wichtig ist nur, dass jemand verbindlich für die Gäste da ist.
»Zu uns kommen Menschen, die auf
der Suche sind. Manche haben den
Boden unter den Füßen verloren, darunter auch Menschen mit psychischen
Problemen.« Die feste Tagesstruktur
des Klosterlebens bietet in solchen Situationen Orientierung: regelmäßige
Gebetszeiten in der traditionellen
Form des Stundengebets, gemeinsame
Alle packen an: Die Mitglieder der Shalom-Gemeinschaft,
Asylbewerber, langjährige Dauergäste oder Kurzzeitbesucher:
Am einen Tag geht es zur Baumpflanzaktion beim Nachbarn,
von dem die Apfelspenden kommen. Am nächsten Tag wird
beim Herausreißen alter Fußböden ein paar Höfe weiter
geholfen. Mit ebenso viel gemeinsamem Einsatz sind der
gesamte Umbau des Hauses, die Renovierung der Kirche und
die Gestaltung der Außenanlagen geschafft worden.
Bis heute lebt die kleine franziskanische Gemeinschaft vorwiegend von Spenden, darunter viele Lebensmittelgaben aus der Bevölkerung. Wer als Gast kommt, muss nicht bezahlen, aber mitarbeiten. Bruder Fritz führt die
Aufnahmegespräche. Bis zu einer Woche kann
jeder bleiben, danach muss die Gemeinschaft
über das Weitere entscheiden.
franziskanisch leben
23
Elena ist eine der Dauergäste. Die 38-jährige
Gymnasiallehrerin unterrichtet an einer Schule, die gut 50 Kilometer entfert liegt. Im Sommer werden es drei Jahre, dass sie nach Pupping kam. Nach einem kürzeren Aufenthalt
folgte ein längerer, und schließlich wurde ein
Dauergaststatus daraus. Sie war zuvor schon
auf der Suche nach einer Gemeinschaft gewesen, in der sie ihren Glauben mit anderen
leben kann und die solidarisch mit denen ist,
Daniela Lanni (r.) – hier mit »Küchenjungen« aus Syrien – ist so
etwas wie die »Mutter« des Ganzen. Sie sorgt zum Beispiel
dafür, dass die große Gemeinschaft jeden Tag satt wird.
die am Rande stehen. Während ihres Studiums in Wien lernte sie die Gemeinschaft
Sant'Egidio kennen. Deren soziales und politisches Engagement schätzte sie sehr, aber sie
wollte eine Gemeinschaft von Männern und
Frauen, die aus dem gemeinsamen Glauben
heraus auch den Alltag teilen. »Es ist gut, dass
ich keine volle Stelle an der Schule habe, denn
das Gemeinschaftsleben braucht viel Zeit.«
Elena ist dankbar, dass die Gruppe nicht auf
eine Entscheidung drängt, und genießt die Offenheit bei gleichzeitiger Verbindlichkeit in
den persönlichen Beziehungen. Drei der fünf
Frauen sind wie sie Mitte/Ende dreißig.
Hanni Benedikt ist neben Schwester Maria-Theres eine der älteren Frauen in der Gruppe. Die gebürtige Deutsche hat bis vor Kurzem
in einer Caritas-Einrichtung gearbeitet und ist
nun in Rente. Sie genießt es, jetzt mehr Zeit
für ihre kreativen Projekte und die Gemeinschaft zu haben. Hanni kam vor sieben Jahren
in der Trennungsphase von ihrem Mann ins
Kloster. Sie brauchte Abstand und Neuorientierung. Beides bot ihr Pupping. Dass sie dort
nicht nur für eine Auszeit blieb, irritierte ihre
erwachsenen Kinder anfangs. »Ich suchte damals ein Haus, und meine Freunde fanden
24
franziskanisch leben
eins nach dem anderen für mich. Als
ich dann auch anTraumhäusern etwas
auszusetzen hatte, merkte ich, dass ich
hier eigentlich das gefunden hatte, was
ich suchte.« Im Unterschied zu Elena
gehört Hanni fest zur Shalom-Gemeinschaft. Sie und die anderen Laien der
Gemeinschaft haben sich für eine radikale Lebensform entschieden. Sie wollen das Evangelium leben, indem sie
das, was sie haben, mit den Bedürftigen und mit den Menschen, die zu
ihnen kommen, teilen und sich voll
und ganz einsetzen.
Ohne die Laien wäre das Kloster Pupping nicht der gastfreundliche Ort, als
der er von allen Besuchern wahrgenommen wird. »Hier kann ich einfach
ich sein« sagt einer der Gäste, und eine
andere fügt hinzu: »Auf der einen Seite
ist das Shalomkloster sehr traditionell
katholisch, auf der anderen Seite
herrscht eine große Offenheit. Alles
atmet Freiheit und doch gibt es viel
Struktur und Verbindlichkeit. Das gefällt mir! Und ich schätze gerade die
freundliche, ruhige Gelassenheit der
Laien der Gemeinschaft. Das ist schon
ein Pfund, das gerade die Frauen hier
einbringen.«
In einer solch offenen, heterogenen Gemeinschaft zu leben, ist zugleich eine
gewaltige Herausforderung. »Für die
meisten Brüder unserer Provinz ist das
sicher nicht das Geeignete, ihnen entspricht eher die Lebensform der klassi-
schen Konvente«, weiß Bruder Fritz.
»Es gibt sicher berechtigte kirchenrechtliche Anfragen. Auch mit der historischen Erfahrung lassen sich Zweifel
begründen, wenn man bedenkt, dass
es immer wieder Doppelklöster gab
und diese nie Bestand hatten.«
Aber die Suche nach neuen Formen, in
denen die Idee eines franziskanischen
Lebens weitergeführt werden kann, ist
das Gebot der Stunde, findet auch Bruder Werner. »So wie viele andere Gemeinschaften, ist unsere österreichische Ordensprovinz von der Überalterung der Mitbrüder und dem Mangel
an Nachwuchs geprägt. Das drängt uns,
neue Wege zu suchen, wie wir aus dem
Evangelium heraus eine Gebetsgemeinschaft sein können, die das Leben
miteinander teilt und gemeinsam arbeitet.« Doch in welcher Form Laien in
die rechtliche Struktur des Ordens einzubinden sind, ob das überhaupt gewollt sein kann und welche Verbindlichkeiten jeweils gebraucht werden,
das gilt es zu klären.
»Nach den charismatischen Anfängen
hier in Pupping beginnt jetzt die Phase
der Konsolidierung«, erklärt Bruder
Fritz den derzeit laufenden rechtlichen
Klärungsprozess. »Ob es seitens der Ordensgemeinschaft dann die Offenheit
für solche neu entstandenen Formen
gibt, ob das zum offziellen ›Portfolio‹
der Provinz gehört, muss sich zeigen.«
Zurzeit ist Pupping streng genommen
Zum Kloster gehören auch etliche Tiere, für die Hanni und Daniela zuständig sind. Hannis
eigentlicher Bereich sind die Töpferei und die Filzwerkstatt, aber auch Tanz und
Puppenspiel. Die Tiere und die musisch-kreativen Elemente bereichern das Leben der
Gemeinschaft. Insbesondere Töpfern und Filzen schaffen gute Möglichkeiten, Gäste und
Asylbewerber einzubeziehen.
seite 24: © kerstin meinhardt, seite 25: © franz josef gregorschitz
Solidarisch in Gemeinschaft leben
ein Konvent der Brüder, und im Kloster
leben auch eine ehemalige Klarisse und
einige Laien. Wichtig für den Klärungsprozess ist unter anderem die Statusklärung der Laien. Daniela Lanni, eine
junge Italienerin, die nach ihrem Studium vor zwölf Jahren nach Pupping kam,
erzählt, dass für sie und die anderen
Laien der Gemeinschaft die Erstellung
eigener Statuten ein wichtiger Schritt
zur Klärung ihres Selbstverständnisses
gewesen sei. Die Laien haben nun eine
eigene Gemeinschaft mit eigenem Gelübde gebildet. Sie gehören zur Franziskanischen Gemeinschaft, also zum Dritten Orden der franziskanischen Familie.
Im vergangenen November haben Daniela, Hanni und Tanja Neudorfer, die
seit 5 Jahren im Kloster lebt, im Rahmen
einer Aufnahmefeier mit dem Provinzial ihre selbst formulierten Gelübde abgelegt. »Wir wollen uns an Franziskus
und Klara orientieren, wir wollen in
Armut Gerechtigkeit üben, aufrichtige,
ehrliche Beziehungen zu unseren Mitmenschen leben und in Ehrfurcht den
Weg mit Gott gehen.«
Auf der Suche nach einer
neuen Form, Glauben, Leben
und Arbeit zu teilen
»Bei allem verantwortungsvollen Umgang – zum Beispiel hat jeder eine
Krankenversicherung – kann es aber
dennoch nicht unser oberstes Prinzip
sein, zu gucken, dass alles abgesichert
ist!«, meint Bruder Fritz. »Verzicht auf
Sicherheiten und auf Geld ist gut franziskanisch! Heute ist das aber eine ständige Provokation. Viel zu sehr haben
wir alle das Wirtschaftssystem verinnerlicht, auch in der Kirche!« Als Leiter
des Hauses weiß er, dass nicht alles
ohne Geld geht, zumal wenn jeden Tag
eine so große Gruppe Menschen satt
werden soll und Rechnungen zu zahlen
sind. »Für viele Gemeinschaften ist die
Frage der Finanzierung allerdings
etwas ganz Zentrales geworden, allein
schon, weil so große Häuser so viel
Geld verschlingen. Das ist bei uns nicht
so. Wenn wir zum Beispiel eine Köchin
anstellen wollten, könnten wir uns das
kaum leisten. So aber machen wir alles
selbst, leben sehr einfach, bekommen
Die Shalom-Gemeinschaft (v. l.): Klaus Gerhard Strohmaier OFM, Maria Theresia Oberholzer,
Hanni Benedikt, Franz Josef Gregorschitz OFM, ein Gast, Tanja Neudorfer, Daniela Lanni,
Fritz Wenigwieser OFM, Silvia Giuliani, Johann Wenin OFM
viel geschenkt und können es uns sogar
noch leisten, Gäste gratis bei uns aufzunehmen. Der Sinn des Erhalts dieses
Hauses war, das Haus für die Menschen
zu öffnen und es gemeinsam mit ihnen
Stück für Stück zu sanieren. Aber ein
Kloster nur um des Klosters willen zu
erhalten, wäre für mich nicht sinnvoll.
So wie es bei uns ist, gibt die Renovierung eine gute Gelegenheit, gemeinsam etwas zu schaffen. Alle neuen Gemeinschaften, die in den letzten vierzig Jahren entstanden sind, alle Bruderschaften, die aus den traditionellen
Klöstern ausgezogen sind, sind gescheitert. Das heißt, wenn man die
ganze Tradition, den Ort, die damit
verbundene Spiritualität – ja den ganzen äußeren Rahmen – aufgibt, dann
braucht es eine starke Klammer, die
den Zusammenhalt herstellt. In Pupping sind das das gemeinsame Arbeiten und Beten und sicher auch die Tradition des Ortes. Vieles steht in Span-
nung zueinander. Für diese Spannung steht
der Shalombrunnen am Eingang des Klosters.
So wie sich das Shalom definiert als eine Balance zwischen den Polen Wasser und Feuer,
so steht auch unser Name, das Shalom, für das
Aushalten dieser Spannungen.«
Den Ortsnamen Pupping übersetzen die Bewohner des Klosters für sich mit »Verpuppen«.
Hier kann sich Neues entfalten. Für Schwester
Maria-Theres entstand hier nach der Schließung ihres Klarissenklosters tatsächlich Neues.
»Nach 25 Jahren in Klausur war das damals
eine gewaltige Umstellung für mich. Ich fragte
mich immer wieder: ›Was will Gott von mir?‹
Heute glaube ich, Gott will, dass ich hier bin.
Pupping ist tatsächlich ein Ort des Sterbens
und des Auferstehens. Ich bin gespannt, wie es
weitergeht.« Die kleine Schwester lächelt zufrieden, als sie mit zweien der Asylbewerber in
den Garten geht, um mit ihnen Blumen für den
Gebetsraum und die Kirche zu holen. p
kerstin meinhardt (54) ist Redakteurin der
Zeitschrift und lebt in Idstein
vivere – leben aus franziskanischer Inspiration
Wir Franziskaner der Deutschen Ordensprovinz starten unter dem Titel »vivere« den
Versuch, eine Bewegung ins Leben zu rufen, die Menschen zusammenführen soll, die
sich vom franziskanischen Lebensentwurf inspiriert fühlen. Diese Bewegung soll offen
sein für Christen verschiedener Generationen, Konfessionen und Kulturen, Verheiratete
und Alleinstehende oder Ordenschristen. In einem ersten Schritt laden wir ganz herzlich zu einem der zwei Begegnungstreffen im Jahr 2015 ein:
Fr, 26.–So, 28. Juni 2015
Haus Ohrbeck, 49124 Georgsmarienhütte, Am Boberg 10, Kontakt: Thomas Abrell OFM,
Tel.: 0 54 01 3 36 29, E-Mail: [email protected]
Fr, 10.–So, 12. Juli 2015
Kloster Hülfensberg, 37308 Geismar, Hülfensberg 1, Kontakt: Johannes Küpper OFM,
Tel.: 03 60 8 24 55 00, E-Mail: [email protected]
heute franziskanisch leben
Unser Kursangebot
auswahl der zum erscheinungsdatum buchbaren kurse
Auszug aus den Programmen unserer Bildungs- und Exerzitienhäuser. Die Häuser senden Ihnen
gerne die kompletten Programme zu. Auch im Internet finden Sie ergänzende Informationen.
exerzitienhaus – franziskanisches zentrum für stille und begegnung
Kreuzweg 23, 65719 Hofheim, Tel.: 0 61 92 99 04-0, Fax: -39, E-Mail: [email protected], www.exerzitienhaus-hofheim.de
26. 6.28. 6. 2015
Weg und Wandlung
Initiatische Therapie nach Dürckheim/
Hippius
Anette Prüfer, Exerzitienbegleiterin
26. 6.28. 6. 2015
Yoga-Wochenende im Sommer
Asanas, Pranayama und Meditation
(für Anfänger und Fortgeschrittene)
Roswitha Bleul, Yoga-Lehrerin
8. 7.12. 7. 2015
Das Leben erden: Gartenexerzitien
Durchgängiges Schweigen, Arbeit im
Klostergarten, Gebete und Eucharistie
Stefan Federbusch OFM, Erwachsenenbildner,
Susanne Schmitt, Exerzitienbegleiterin
24. 7.31. 7. 2015
Einzelexerzitien
Impulse zur Bibel- und Lebensbetrachtung
Norbert Lammers OFM, Exerzitienbegleiter,
Ruth Walker OFS, Exerzitienbegleiterin
28. 8.6. 9. 2015
Eremeo–Tage auf dem Monteluco/
Spoleto
Franziskanische Exerzitien in Italien
Norbert Lammers OFM, Exerzitienbegleiter,
Ruth Walker OFS, Exerzitienbegleiterin
31. 8.4. 9. 2015
Rhythmus – Atem – Bewegung intensiv
Lehr- und Übungsweise nach Hanna Lore
Scharing
Maria Hansmann, Diplom-Lehrerin für
Rhythmus – Atem – Bewegung
11. 9.13. 9. 2015
Unterwegs zur eigenen Mitte
Meditationswochenende zum Labyrinth
Stefan Federbusch OFM, Erwachsenenbildner
14. 9.19. 9. 2015
Fasten und Wandern
Entspannung, Meditation, Fasten- und
Ernährungsberatung
Elisabeth Müller, Fastenleiterin
Viele Farben hat das Licht
Exerzitienreise nach Istanbul
Stefan Federbusch OFM, Erwachsenenbildner,
Timur Kumlu, Lehrer
17. 10.24. 10. 2015
haus ohrbeck – katholische bildungsstätte
Am Boberg 10, 49124 Georgsmarienhütte, Tel.: 0 54 01 33 6-0, Fax: -66, E-Mail: [email protected], www.haus-ohrbeck.de
10. 7.12. 7. 2015
»Jetzt verstehe ich dich besser!«
Gesprächstraining für Paare mit dem
EPL – Ein Partnerschaftliches Lernprogramm
Alfons Gierse und Waltraud Kipp, EPL-Trainer,
Thomas Abrell OFM, Theologe
10. 7.12. 7. 2015
Ähnlich – und doch anders
Wochenende für Mütter und ihre Töchter
von 3 bis 10 Jahren
Ingrid Grossmann, Supervisorin DGSv,
Maria Feimann, Supervisorin DGSv
24. 7.26. 7. 2015
Wege und Umwege der Liebe
Mit Sinn(en), Verstand und Gefühl
Partnerschaft erleben
Elfi Ribing, Psychotherapeutin, Dr. Gerhard Schmid OFM,
Pastoralpsychologe, Thomas Abrell OFM, Theologe
47. Internationale Jüdisch-Christliche
Bibelwoche
Das Buch Kohelet (Bildungsurlaub!)
Rabbiner Prof. Dr. Jonathan Magonet,
Dr. Uta Zwingenberger, Theologin
26. 8.30. 8. 2015
Nach Rom!
Fahrradpilgertour für Männer in sechs
Jahresetappen, Etappe 1: Ohrbeck–Trier
Wilfried Prior, Carsten Vossel, Erlebnispädagoge
18. 9.20. 9. 2015
Vergeben und verzeihen
Wochenende für Mütter und ihre Töchter
von 12 bis 16 Jahren
Ingrid Grossmann, Supervisorin DGSv,
Maria Feimann, Supervisorin DGSv
25. 9.27. 9. 2015
In der Trauer lebt die Liebe weiter
Wochenende für trauernde Menschen
Margarete Pols, Trauerbegleiterin,
Thomas Abrell OFM, Theologe
28. 9.30. 9. 2015
Coaching mit System und Spiritualität
2015–2017
Sechsteilige Weiterbildung: Qualifizierung
zur/zum Coach,Teil 1 (Bildungsurlaub!)
Heinrich Fallner, Supervisor DGSv, Mastercoach DGfC,
Franz Richardt OFM, Theologe
2. 8.9. 8. 2015
kloster und meditationshaus im altmühltal – franziskanerkloster dietfurt
Klostergasse 8, 92345 Dietfurt, Tel.: 0 84 64 65 2-0, Fax: -22, E-Mail: [email protected], www.meditationshaus-dietfurt.de
14. 9.20. 9. 2015
Sesshin: Zen-Meditation
Nur für Geübte
Stefan Bauberger SJ, Zen-Lehrer
21. 9.27. 9. 2015
T'ai-Chi-Ch'uan
Aufbaukurs 1
(Einführungskurs vorausgesetzt)
Toyo und Petra Kobayashi, T'ai-Chi-Lehrer,
Samuel Heimler OFM, Gestaltpädagoge
12. 10.18. 10. 2015
Ikebana Aufbaukurs 1
Die japanische Kunst des Blumenarrangierens (Einführungskurs vorausgesetzt)
Sachikio Oishi-Hess, Ikebana-Seminarleiterin
12. 10.18. 10. 2015
Nuad Phaen Boran und Meditation
Körperlicher und seelischer Ausgleich durch Heike Pfletschinger, Nuad-Phaen-Boran-Lehrer,
Berührung, Dehnung und Akupressur
Samuel Heimler OFM, Gestaltpädagoge
Zen-Meditation
Strenger Meditationskurs
26. 10.1. 11. 2015
Johanna und Franz Krebs, Zen-Lehrer
gästehaus kloster frauenberg
Am Frauenberg 1, 36039 Fulda, Tel.: 06 61 10 95-217, Fax: -216, E-Mail: [email protected], www.kloster-frauenberg.de
18. 7.24. 7. 2015
17. 10.28. 10. 2015
26
programm
Wenn Wege zur Erfahrung werden
Wanderexerzitien in der Rhön
Max Rademacher OFM, Seelsorger,
und Team
Auf den Spuren des heiligen Benedikt
Wanderexerzitien auf dem Benediktweg
von Norcia bis Subiaco, Italien
Max Rademacher OFM, Seelsorger,
und Team
franziskanische berufungsgeschichten
Wie ein Weg zu einem anderen Leben führt
Bernd Leopold OFM (49) bekam irgendwann ein Buch über den Jakobsweg in
die Hände. Bald machte er sich selbst auf nach Santiago de Compostela.
Seine Erfahrungen auf verschiedenen Pilgerwegen führten ihn schließlich in
die Ordensgemeinschaft der Franziskaner.
1966 wurde ich als ältestes von vier Kindern in der Nähe von
Stuttgart geboren. Ich wuchs in einer katholischen Familie auf
und besuchte regelmäßig den Gottesdienst. In meiner Freizeit
spielte ich Tischtennis im Verein oder wanderte besonders gern
in den Bergen. Mein Berufsweg verlief zunächst ziemlich geradlinig: Erst eine Gärtnerlehre, die ich nach Abitur und Wehrdienst
absolvierte, dann das Studium des Gartenbaus in Geisenheim
im Rheingau, einem Standort der Fachhochschule Wiesbaden.
Nach dem Studium bot sich mir die Möglichkeit, für sechs Monate in Neuseeland in einer Baumschule zu arbeiten und etwas
vom Land und seinen Menschen kennenzulernen. In dieser für
mich sehr wichtigen Zeit erlebte ich hautnah, wie schwer es sein
kann, ohne Familie und Freunde in der Fremde zu leben und
dabei die Sprache nicht gut zu sprechen. Ich spürte aber auch,
wie hilfreich und schön es ist, als Fremder in einem fremden
Land freundlich und wohlwollend aufgenommen zu werden.
Nach meiner Rückkehr aus
Neuseeland trat ich eine
Stelle als Produktionsleiter
in einem kleinen Blumenerdemischwerk in Vaihingen
an der Enz an. Kurz nach
dem Jahrtausendwechsel
fiel mir ein Buch in die
Hände, von dem ich zurückschauend sagen kann, dass
es mein Leben verändert hat.
Das Buch handelte vom Jakobsweg, und als ich es las,
wusste ich sofort: Diesen
Weg muss ich unbedingt gehen. Im Jahr darauf packte ich meinen Rucksack und begab mich im Sommerurlaub auf Wanderschaft. Dieser Weg selbst hat mich verändert, denn beim Pilgern
hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Nach meiner Rückkehr verspürte ich eine innere Unruhe, die nicht unangenehm war. In
den folgenden Jahren war ich während des Sommers regelmäßig
auf Pilgerwegen in Deutschland oder Spanien unterwegs. Und
jedes Mal, wenn ich zurückkehrte, verspürte ich wieder diese
Unruhe in mir.
In meinem Leben musste sich etwas grundlegend ändern. So beschäftigte ich mich mehr als früher mit Fragen
des Glaubens und war gleichzeitig auf der Suche. Auf
dem Katholikentag besuchte ich Vorträge und nahm an
verschiedenen Workshops teil. So kam ich mit Themen
in Berührung, die mir früher nicht so wichtig schienen
und die nun mehr und mehr Raum in meinen Gedanken
und meinem Leben einnahmen. Andere Dinge, vor allem
materielle wie Kleidung, Möbel oder ein eigenes Auto,
die mir früher wichtig schienen, wurden plötzlich bedeutungslos.
Wenn sich beim Pilgern die Möglichkeit bot, übernachtete ich in Klöstern am Wegesrand. Einmal kam ich bei
Franziskanerinnen in Oberschwaben unter und erlebte,
wie gut mir die Aufmerksamkeit und Offenheit der
Schwestern taten und wie sehr mir ihre Spiritualität gefiel. Eine Assisi-Fahrt schließlich gab mir den endgültigen Impuls, mein Leben von Grund auf zu ändern. Die
Unterstützung geistlicher Begleitung zeigte mir, dass
mein Weg in den Orden führen sollte.
Da ich damals bereits 41 Jahre alt war, wurde nach einigen Treffen mit Markus Laibach OFM gemeinsam beschlossen, meine Kandidatenzeit nach wenigen Wochen
zu beenden und um die Zulassung ins Postulat zu bitten.
Nach der Zeit der Ordensausbildung, einem Kennenlernen der Provinz und dem Einüben des Lebens als Franziskaner bat ich im September 2014 darum, mein feierliches Gelübde ablegen zu dürfen. Heute arbeite ich als
Hausleiter im franziskanischen Projekt Omnibus in München. Dort kümmere ich
mich gemeinsam mit einem Mitbruder
und Kolleginnen um Eltern schwerkranker Kinder,
die, solange ihr
Kind im Krankenhaus sein muss, bei
uns kostenlos ein Zuhause auf Zeit finden.
berufungsgeschichten
27
nigeria
Gemeinsame christlich-muslimische
Schulen fördern!
niger
Islamistischer Terror, Massenentführung von Schulkindern, Christenverfolgung, Umweltkatastrophen im ölreichen Nigerdelta, unfähige Sicherheitskräfte und ein
unvorstellbares Maß an Korruption … Davon handelten
die Nachrichten über das bevölkerungsreichste Land
Afrikas, den Erdöl-Staat Nigeria, zumeist. Ende März
herrschte plötzlich ein ganz anderer Ton vor: Die Präsidentschaftswahlen waren weitgehend friedlich und
fair verlaufen und brachten einen demokratisch legitimierten Machtwechsel – erstmals in der Geschichte
dieses westafrikanischen Landes.
Jugendliche feiern den Wahlsieg des neuen Präsidenten
Muhammadu Buhari in Abuja auf der Straße
Prof. Vellguth, wie schätzen Sie die aktuelle Lage nach dem
Wahlsieg Muhammadu Baharis ein?
Nigeria stand unter Präsident Goodluck Jonathan am Rande
des Abgrunds. Vor allem die kriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Norden des Landes, wo die islamistische Terrorgruppe Boko Haram immer mehr Einfluss gewonnen hat,
zeigen, wie schwierig das Erbe ist, das der neue Präsident
angetreten hat. Zunächst muss er das Land befrieden – ein
Land, das in sich traditionell zerrissen und von tiefgreifenden ethnischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gegensätzen geprägt ist.
28
hintergrund
region nigerias, in der
die scharia herrscht
benin
Abuja
Lagos
atlantischer
ozean
nigeria
kamerun
Wie konnte die Terrorgruppe Boko Haram so stark werden
und zwischenzeitlich ein Gebiet von der Größe Belgiens
kontrollieren?
Der Erfolg dieser islamistischen Gruppe hat sicher viele verschiedene Ursachen. Zentral scheint mir zu sein, dass Nigeria
ein tief gespaltenes Land ist, die Bevölkerung keine gemeinsame Identität entwickelt hat. Der Norden Nigerias, wo Boko
Haram stark verankert ist, ist schon seit Jahrzehnten von der
starken wirtschaftlichen Entwicklung der südlichen Regionen
des Landes abgekoppelt. Die Menschen im Norden sind enttäuscht, und besonders junge Männer sehen für sich keine akzeptable Lebensperspektive. Zudem gibt es in den nördlichen
Bundesstaaten kaum ein organisiertes Schulsystem. Stattdessen
unterrichten nicht selten wandernde muslimische Lehrer die
Schüler, was ein sehr niedriges Bildungsniveau zur Folge hat
und die beruflichen Chancen der schlecht ausgebildeten Bevölkerung zusätzlich minimiert. In der Eigenwahrnehmung der
Menschen in den nördlichen Landesteilen wird die dort verbreitete schlechte Schulbildung allerdings nicht als Problem erkannt. Vielmehr identifizieren die Menschen ihre Probleme mit
einem in ihren Augen westlichen System in Nigeria, das korrupt
ist, Gewalt produziert und einigen Menschen ermöglicht, sich
übermäßig zu bereichern, während andere Menschen verarmen.
Dieses System, als dessen Verlierer sie sich empfinden, setzen
sie mit westlicher Bildung gleich, denn: Die verantwortlichen
Eliten – zumeist aus dem Süden – haben das von den Kolonialherren ursprünglich eingeführte englische Bildungssystem
durchlaufen.
Welche Rolle spielen in diesem Konflikt ethnische und religiöse
Zugehörigkeiten?
Nigeria ist ein Land, in dem Religion schon immer eine wichtige, mitunter auch problematische Rolle gespielt hat. Man
schätzt, dass 45 Prozent der Bevölkerung Christen, 45 Prozent
Muslime und zehn Prozent Anhänger traditioneller afrikani-
karte: © meinhardt, s. 28: © picture alliance/ap photo, s. 29: © picture alliance/dpa
Interview mit Prof. Dr. Klaus Vellguth, dem Abteilungsleiter des katholischen Hilfswerks missio in Aachen
und Professor für Missionswissenschaften an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar.
tschad
scher Religionen sind. Im Norden leben überwiegend
kann Nigeria allerdings nicht alleine lösen. Hierbei handelt es sich um
Muslime, im Süden überwiegend Christen. So sieht
ein Problem von internationaler Reichweite.
dies wie ein religiöser Konflikt aus: Muslime gegen
Christen. Ursächlich scheinen mir aber eher die extWelche Möglichkeiten haben die Christen, hat die katholische Kirche,
zur friedlichen Lösung der Konflikte beizutragen?
remen wirtschaftlichen Unterschiede, das unterschiedliche Bildungssystem und schon lange schweEs gibt eine ganze Reihe von Beispielen gelungener Dialogansätze zwilende ethnische Konflikte, in denen es u. a. um den
schen Christen und Muslimen. Das bekannteste ist die Diözese Jos, in
uralten Konflikt zwischen Ackerbauern und Viehder Bischof Ignatius Ayau Kaigama, derzeit Vorsitzender der nigerianischen Bischofskonferenz, eine ganz enge Beziehung zum Emir von
züchtern um Land und Wasser geht. Während beiWase, Alhaji Haruna Abdullahi, pflegte. Als Muslime in Jos Christen atspielsweise die Ibo traditionell Christen sind, sind
die Fulani und Hausa zumeist Muslitackierten, stellten sich Bischof Kaigama und der Emir
me. Somit haben wir einen Konflikt,
von Wase gemeinsam den Gewalttätern in den Weg und
es sieht wie ein
der entlang der religiösen Grenzen religiöser konflikt aus machten deutlich, dass die zugrunde liegenden Konflikverläuft, und somit einen in ein relite weder mit dem Christentum noch mit dem Islam zu
giöses Gewand gekleideten ethnischen und wirttun haben und keinesfalls religiös zu legitimieren sind. Eine besondere
schaftlichen Konflikt.
Bedeutung bei der Förderung einer nationalen Aussöhnung kommt
auch den Medien zu. So gibt es beispielweise eine regelmäßige FernsehKann es Präsident Bahari, einem Muslim, gelingen,
sendung, in der der frühere Generalsekretär der nigerianischen Bidem Land Frieden zu bringen, die Korruption zu beschofskonferenz, Georg Ehusani, mit muslimischen Führern über aktukämpfen und Boko Haram zurückzudrängen?
elle politische Fragen spricht. Das Wichtigste daran ist, dass die BevölDer neue Präsident hat angekündigt, die grassierende
kerung sieht, Christen und Muslime reden miteinander.
Korruption zu bekämpfen und die Streitkräfte zu reformieren, um sie im Kampf gegen Boko Haram
Traditionell hat die Kirche in Nigeria eine starke Stellung im Bildungsschlagkräftiger zu machen.
wesen. Sie sollte im muslimischen Norden keine katholischen Schulen
installieren, aber zusammen mit muslimischen Organisationen gemeinBeides ist dringend nötig. Wer durch die Hauptstadt
same multireligiöse Schulen aufbauen. Denn: Bildung wird ein wesentAbuja fährt ist und sieht, welche Paläste direkt neben
licher Schlüssel zur Lösung der Probleme Nigerias sein. Es geht dabei
den Slumgebieten der Armen stehen und wie einige
nicht um das Überstülpen eines westlichen Bildungssystems, sondern
Menschen in kürzester Zeit immense Reichtümer andarum, das Gute aus den verschiedenen Traditionen zu kombinieren
sammeln konnten, ahnt wie stark die Korruption in
und ein auch kulturell adäquates System für die Region zu etablieren.
Nigeria wirklich verbreitet ist. Dies lähmt die ganze
wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung,
Was können aus Ihrer Sicht die internationale Staatengemeinschaft
und der Präsident muss dieses Problem vorrangig anund die Kirche in Deutschland tun, um bei einer friedlichen Lösung
gehen. Tatsächlich ist in Nigeria, wie in den meisten
der Konflikte in Nigeria behilflich zu sein?
afrikanischen Staaten, Korruption in gewisser Weise
Von Deutschland aus könnten in Nigeria Friedensinitiativen zwischen
kulturell verankert. Die Unterstützung der eigenen
Christen und Muslimen gefördert werden, insbesondere die erwähnten
Familienangehörigen oder das Beiseiteschaffen von
Bildungseinrichtungen, in denen Christen und Muslime gemeinsam
Geld für den eigenen Clan galten lange nicht als ehunterrichtet werden. Zudem sollte die UN den Nigerianern auch milirenrührig, eher als Wahrnehmung einer Fürsorgetärisch helfen, den Terror im Norden zu unterbinden. Das ist zwar
pflicht.
hochgefährlich. Doch im Moment muss man einfach dafür sorgen, dass
Boko Haram gestoppt wird. Grundsätzlich sind weder Soldaten noch
Der zweite Problemkreis, bei dem der Präsident
Waffen eine Lösung. Es geht um gesellschaftliche Teilhabe, um wirtschnell Erfolge vorzeigen kann und wird, ist die Einschaftliche Teilhabe und um Investitionen, damit im Norden Arbeitsdämmung der Gewalt gerade auch im Norden. Hier
plätze entstehen und der Lebensstandard der Menschen steigt.
kann Präsident Buhari als ehemaliger General Polizei
und Militär besser führen, als es sein Vorgänger
Die multinationalen Konzerne, die sich in Nigeria engagieren, müssten
Goodluck Jonathan gemacht hat. Boko Haram und
dazu gebracht werden, dass der größte Teil der im Land erwirtschaftedas Problem des islamistischen Terrors insgesamt
ten Erträge auch wieder in Nigeria investiert wird. ■
interview und bearbeitung alfred strauss und thomas meinhardt
hintergrund
29
Siegfried Haas –
Ein »franziskanischer Mensch«
Im Jahr 2008 hat der Bildhauer, Maler und Zeichner Siegfried Haas ein Bronzemedaillon geschaffen, das den heiligen Franz von Assisi zeigt, in dynamischer Bewegung, die Arme weit geöffnet zur Anbetung, darüber die Sonne.
Rund um die kleine Plastik steht »Gepriesen seist du durch unsere Schwester,
die Sonne«. Die Arbeit ist Ausdruck einer tief empfundenen franziskanischen
Spiritualität, die den Künstler sein Leben lang begleitet hat. 2011 ist Siegfried
Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart hatte Siegfried Haas mit dieser Arbeit zum Sonnengesang des heiligen Franziskus beauftragt. Das Bronzemedaillon wird
den Preisträgern des »Franziskus-Preises« überreicht, den die schwäbische Diözese im
Rahmen ihrer Klima-Initiative für besonders innovative Bemühungen zur
Bewahrung der Schöpfung verleiht.
Diesen Auftrag hatte der in Rottweil lebende Künstler gerne angenommen, entsprach er doch seiner
Persönlichkeit und seiner Spiritualität. Mit allen Sinnen, mit einem großen Herzen und Geist, mit seinem Freiheit ausstrahlenden Glauben liebte er Gottes gute Schöpfung: Sonne und Mond, die Tiere
und Pflanzen, das Wasser, das Feuer und die Erde – und
vor allem die Menschen, denen er mit vorbehaltloser Offenheit zugetan war. Auch dem Tod, der ihn kurz vor seinem 90. Geburtstag heimholte, konnte er bereitwillig
entgegengehen und ihn – wie der Heilige aus Umbrien
– als Bruder begrüßen. Das Bild von der Begegnung des
Apostels Thomas mit dem Auferstandenen, dem dieser
geradezu entgegenstürzt, um ihn zu berühren und sich
von ihm an der Hand nehmen zu lassen – 2009 hat Siegfried Haas dieses Bild gemalt –, es könnte postum als
Ausdruck seiner vertrauensvollen Erwartung der Begegnung mit seinem göttlichen Bruder und Herrn gedeutet
werden (siehe Seite 2 in dieser Zeitschrift).
30
kultur
Franz von Assisi hat Siegfried Haas sein ganzes Leben lang
begleitet. Davon zeugen auch die Bilder zur Franziskus-Vita,
die im Exerzitienhaus der Franziskaner in Hofheim am Taunus hängen. Die Auswahl der Motive sagt viel über den
Maler selbst aus: Der visionäre Auftrag Jesu an Franziskus,
seine Kirche in San Damiano wieder aufzubauen, erinnert mich an Siegfried Haas’ leidenschaftliches Bemühen, an der Erneuerung »seiner« Kirche nach dem
Zweiten Vatikanischen Konzil mitzuwirken. In
Franziskus‘ Auftreten vor Sultan Saladin – als Botschafter des evangelischen Friedens inmitten der
von religiösem Fanatismus geschürten Gewalt im
Heiligen Land – spiegelt sich die unbeirrbar versöhnungsbereite, ja pazifistische Lebenseinstellung des
Künstlers, die auch zu einer tiefen Freundschaft mit
Roger Schutz, dem Prior von Taizé, führte.
wundmale des lebens
Ein Bild zur Stigmatisierung des heiligen Franz gehört nicht
zu der Hofheimer Bilderserie. Aber die Wundmale, die das
Leben und das Ringen um den Glauben in ihn eingeprägt
haben, sie gehörten auch zu Siegfried Haas. Darüber freilich
hat er nur wenig gesprochen – und erst kurz vor seinem Tod.
Ein Bild aus dem Jahr 2006 mit dem Titel »Lichtblick« – die
Entmachtung des Satans nach Offenbarung 12,9 – war wohl
auch so etwas wie eine Katharsis von den Dämonen der
Angst, die von den schweren Misshandlungen der Kriegsgefangenschaft in Frankreich herrührten. Auch andere Verwundungen bedurften der Heilung.
© kunstverlag josef fink, s. 30 medallion sonnengesang: diözese rottenburg-stuttgart, s. 31 oben: andré madaus
Haas im Alter von 90 Jahren gestorben.
Mit dem Orden des heiligen Franziskus kam der am
8. Juni 1921 in Giengen an der Brenz geborene Siegfried Haas erstmals in Schramberg, dem damaligen
Wohnort der elterlichen Familie, in Berührung: Nachdem er bereits 1933 zusammen mit seinem Bruder
Flugblätter gegen die Nationalsozialisten verteilt und
sich überdies geweigert hatte, der Hitlerjugend beizutreten, konnte er auf Vermittlung eines befreundeten Franziskanerpaters ins Ordensinternat nach Watersleyde in Holland gehen. Nach dem Abitur wurde
er in Fulda als Novize aufgenommen, aber sein Weg
führte ihn dann zum Kunststudium nach Stuttgart.
Als ihn seine Mitgliedschaft in einer studentischen
Widerstandsgruppe und deren Verbindung zur »Weißen Rose« in große Gefahr brachte, meldete er sich
1943 freiwillig an die russische Front. Dort kam er
allerdings nie an, sondern mit Gelbfieber in ein Lazarett und von dort in französische Kriegsgefangenschaft.
Der Neuanfang nach dem Krieg war für das junge
Künstlerehepaar Ingrid und Siegfried Haas mühsam.
Die Entscheidung für eine große Familie – es sollten
acht eigene Kinder und ein Pflegesohn werden – verlangte die Bereitschaft zu Entbehrungen. Im Rückblick freilich weist das Werkverzeichnis von Siegfried
Haas, dem es nie um Modernität als solche und auch
nie um eine bestimmte Manier des künstlerischen
Ausdrucks ging, sondern der immer um Authentizität gerungen hat, ein immenses Schaffen auf: Es umfasst über 100 größere Werke und Werkgruppen.
Dazu zählen Skulpturen in Bronze, Stein und Beton
ebenso wie Fenster, Mosaiken oder gegenständliche
und nicht gegenständliche Bilder. Kruzifixe und Statuen finden sich darunter, liturgische Geräte, Kreuzwege, Grabmäler, Brunnen auf öffentlichen Plätzen.
Und nicht zuletzt Altäre und Innenausstattungen von
Kirchen.
2012 überließ Siegfried Haas' Sohn Frowin Haas dem
Franziskaner und ehemaligen Redaktionsleiter Helmut
Schlegel OFM neun Aquarelle mit bekannten franziskanischen
Motiven. Die Bilder befinden sich heute im Franziskanischen
Zentrum für Stille und Begegnung in Hofheim am Taunus und
können dort besichtigt werden.
Arbeit am Gussmodell der
Bronzefigur »Gabriel« (links).
Siegfried Haas schuf den
überlebensgroßen Engel 2007.
kultur
31
compassio – mitleiden mit den armen und
erniedrigten
Mehr als vieles andere sagt diese Gestaltung etwas aus über
die Person von Siegfried Haas und über den Geist seines
Schaffens. Franziskus, der Poverello von Assisi, ist und bleibt
für ihn das Vorbild eines glaubwürdigen Menschseins und
einer glaubwürdigen Kirche. ■
thomas broch (68) war Siegfried Haas freundschaftlich verbunden.
Seit 2013 ist der Theologe und Seelsorger Bischöflich Beauftragter für
Flüchtlingsfragen der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Von 1988 bis 2006
leitete er die Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Caritasverbandes.
Siegfried Haas
Bildhauer, Zeichner, Maler
Gabriele und Harald Frommer (Hrsg.),
Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu
2008, 236 Seiten, gebunden, 24,89 Euro,
ISBN 978-3-89870-435-9
Der empfehlenswerte, aufwändig gestaltete
Bildband stellt Siegfried Haas und sein Werk in allen
Facetten vor. Verschiedene Autoren – darunter der
Künstler selbst – erläutern Entstehungsgeschichten,
Hintergründe und Zusammenhänge der dargestellten
Werke.
32
kultur
© kunstverlag josef fink
Haas-Skulpturen beim Appellplatz der KZGedenkstätte Eckerwald: »Die Macht« (oben)
thront über dem am tiefsten Punkt
aufgestellten »Gefangenen«.
Siegfried Haas wurde kein Franziskaner, aber er war ein
durch und durch franziskanischer Mensch. Davon zeugt vor
allem ein durchgehender Wesenszug seiner Persönlichkeit,
für die der Begriff compassio wohl am besten geeignet ist:
Das Mitleiden mit den Armen und Erniedrigten jeder Art ist
ein zentrales Motiv seines Schaffens. Zu den Figuren, die
sich in einer seiner Brunnenskulpturen um Jesus scharen,
gehört ein erkennbar Armer. In seinen Kruzifixen sind die
Opfer von Genoziden und die Gefangenen der Konzentrationslager zu erkennen. Jahrelang hatte sich Siegfried Haas
gegen große Widerstände dafür eingesetzt, dass in dem ehemaligen Konzentrationslager Eckerwald nahe Rottweil am
Westrand der Schwäbischen Alb eine Gedenkstätte eingerichtet wurde. Im Jahr 1989 konnte sie schließlich eingeweiht werden. In der Mitte des ehemaligen Appellplatzes befindet sich die von Haas geschaffene Skulptur eines knieenden, gefesselten Gefangenen. Nicht erhaben, auf einem Podest, sondern am Boden, am tiefsten Punkt des Platzes. Am
Rand, viel höher platziert, hat er später eine Skulptur der
»Macht« angebracht – gewalttätig, Angst einflößend. Wer
dem Menschen in seiner Erniedrigung begegnen will, wer in
ihm Christus begegnen will, der muss herabsteigen, muss
sich zu seiner eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit bekennen.
franziskaner aktuell
Prominenz im Franziskanerkloster
Berlin-Pankow. Zum Jahresempfang des Deutschen
Caritasverbandes am 6. Mai kamen zahlreiche Prominente aus Politik und Gesellschaft in die franziskanische Suppenküche in Berlin-Pankow. Ehrengast und
Hauptredner des Abends war Bundesinnenminister
Thomas de Maizière. Anwesend waren unter anderen
der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki,
Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Arbeitsministerin Andrea Nahles. Der Deutsche Caritasverband wählt für seinen Empfang alljährlich Orte, an
denen sozial-karitatives Engagement gelebt wird. In
der Suppenküche der Franziskaner in Pankow werden
täglich mehrere hundert warme Mittagessen an Bedürftige ausgegeben.
www.pankow.franziskaner.de
Michael Perry OFM bleibt
Generalminister
Rom. Michael Perry OFM wurde am 22. Mai vom Generalkapitel der Franziskaner in seinem Amt als Generalminister bestätigt. Der 61-jährige US-Amerikaner
trat 2013 die Nachfolge von José Carballo OFM an, den
Papst Franziskus kurz nach seiner Ernennung als
Leiter der Ordenskongregation in den Vatikan gerufen
hatte. Michael Perry OFM war lange in der Ausbildung
tätig, arbeitete zehn Jahre als Missionar in der Demokratischen Republik Kongo und war Provinzialminister
der Herz-Jesu-Provinz in den USA.
www.ofm.org
Papst Franziskus macht Franziskanern
Mut
Rom. 150 Franziskaner besuchten am Rande ihres Generalkapitels in Rom Papst Franziskus. Der Pontifex
empfing die Provinzialminister aus aller Welt und
machte ihnen Mut, sich den großen Herausforderungen zu stellen, die durch Überalterung und spärlichen
Nachwuchs auf den Orden zukommen. Mit Blick auf
das Thema des Generalkapitels sagte er: »Mindersein,
das bedeutet, herauszugehen aus sich selbst, aus den
eigenen Schemata und der persönlichen Perspektive;
auch aus den Strukturen, so nützlich sie sind, aus den
Gewohnheiten und Sicherheiten, um ganz konkret
den Armen, den Notleidenden, den Menschen am
Rand nahe zu sein.«
de.radiovaticana.va
Abschied aus Hermeskeil
München. Wie die Provinzleitung Ende April mitteilte,
wird das Franziskanerkloster in Hermeskeil bei Trier
2016 nach 93 Jahren geschlossen. Als Postulats- und
Noviziatshaus der ehemaligen Kölnischen Ordensprovinz und später als Mitlebehaus war und ist das Kloster für viele Menschen in Hermeskeil und Umgebung
eine geistliche Heimat. »Wir müssen uns auch von
Orten trennen, die uns sehr ans Herz gewachsen sind,
weil wir all das, was wir momentan noch tun, so nicht
in die Zukunft tragen können«, so Provinzialminister
Cornelius Bohl OFM.
www.franziskaner-hermeskeil.de
»Crowdfunding« für die Kreuzigungsgruppe
Bischofsheim/Rhön. Die denkmalgeschützte Kreuzigungsgruppe auf
dem Kreuzberg gehört zu den am häufigsten fotografierten Motiven
der Rhön. Die 12. Station des barocken Kreuzweges von 1710 – dem ersten
in der freien Natur geschaffenen Kreuzweg in Deutschland überhaupt
– ist ständig Wind und Wetter ausgesetzt. Von November 2014 bis Ende
April 2015 wurde sie saniert. Das dafür notwendige Geld sammelten
die Franziskaner des Klosters Kreuzberg mithilfe eines Crowdfunding-Projektes der VR-Bank Rhön-Grabfeld: Dank kleiner und kleinster
Beträge vieler Menschen erstrahlt das Wahrzeichen der Rhön nun
wieder in altem Glanz in 930 Metern Höhe über dem Meeresspiegel.
www.franziskaner.de
Franziskaner in 120 Ländern tätig
Rom. Ende 2014 gab es weltweit 13.632 Franziskaner – darunter 6 Kardinäle, 113 (Erz-) Bischöfe und 1.140 Novizen und Postulanten –, knapp 1
Prozent weniger als vor einem Jahr. Die leichten Zuwächse in allen anderen Regionen konnten den Rückgang in Westeuropa und Nordamerika nicht ganz ausgleichen. Die Brüder sind in insgesamt 120 Ländern
tätig: 1.161 in Afrika und Nahost, 3.334 in Lateinamerika, 1.273 in Nordamerika, 1.423 in Asien/Ozeanien, 2.442 in Osteuropa und 3.999 in Westeuropa.
Markus Heinze OFM neuer Geschäftsführer von FI
Genf. Schon Anfang dieses Jahres wurde Markus Heinze OFM zum
neuen Geschäftsführer von Franciscans International (FI) ernannt, der
Menschenrechtsorganisation der Franziskanischen Familie bei den Vereinten Nationen. Seine Ernennung erfolgte nach jahrelangem Engagement für FI, zunächst als ehrenamtliches Vorstandsmitglied, dann als
Regionaldirektor in Genf und in den letzten zwei Jahren als vorläufiger
Geschäftsführer. Unter seiner Leitung gelang es, FI so aufzustellen, dass
auch in Zukunft die Erfordernisse einer effizienten und modernen Lobbyarbeit für Menschenrechte bei der UNO erfüllt werden können.
www.franciscansinternational.org
Klimawandel führt zu weitreichenden
Menschenrechtsverletzungen
Genf. »Der Klimawandel hat massive Auswirkungen für die Menschenrechtssituation in zahlreichen Staaten«, betonte die Menschenrechtsorganisation der Franziskaner Franciscans International anlässlich einer
UN-Veranstaltung im Frühjahr in Genf. Die Berichte von Franziskanerinnen und Franziskanern aus einer Reihe von Ländern bestätigen, dass
der Klimawandel schon heute für viele Menschen eine Bedrohung darstellt: zwangsweise Umsiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen, verstärkter Migrationsdruck, Verlust des Lebensunterhaltes oder auch Beeinträchtigung der öffentlichen Gesundheitssysteme. Besonders drastisch
sind die Auswirkungen für die Menschen in dem Pazifikinselstaat Kiribati, dessen Präsident Tong auch auf Vermittlung von FI am 6. März
2015 am Runden Tisch des Menschenrechtsrates für Klima- und Menschenrechtsfragen sprechen konnte. FI und seine Partner fordern von
der UN, die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Achtung
der Menschenrechte auf die Tagesordnung der Klimaverhandlungen
zu setzen. Die entwickelten Länder müssen endlich ihre länderübergreifende Verantwortung für den Klimawandel und seine katastrophalen Auswirkungen im Interesse der betroffenen Völker wahrnehmen.
www.franiscansinternational.org
Ausführliche Berichte und weitere Nachrichten
33 www.franziskaner.de
nachrichten
33
buchverlosung
In der Frühjahrsausgabe suchten wir den Geburtsort von Nikolaus Voss OFM.
Die richtige Antwort »Schwerin« sandten 114 Leserinnen und Leser ein, unter
denen wir drei Gewinner ausgelost haben. Herzlichen Glückwunsch!
deutsche
franziskanerprovinz
Adressänderung und Bestellungen
Provinzialat der Deutschen Franziskanerprovinz
Zeitschrift Franziskaner
Frau Ingeborg Röckenwagner
Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München
[email protected]
Tel.: 0 89 2 11 26-150, Fax: 0 89 2 11 26-111
Martina Kreidler-Kos
Lebensmutig –
Klara von Assisi und ihre Gefährtinnen
In der Reihe »Franziskanische Akzente« aus dem Echter Verlag
erschien in diesem Frühjahr der kleine Band »Lebensmutig«. Die
Autorin Martina Kreidler-Kos, die 1999 über Klara von Assisi
promoviert hat, zeichnet darin den Weg der Heiligen und ihrer
Gefährtinnen nach, von den Anfängen vor den Toren von Assisi bis zur
Annahme der von Klara verfassten Regel durch den Papst in Rom.
Echter Verlag, Würzburg 2015, 80 Seiten, 8,90 Euro,
ISBN 978-3-429-03772-7.
Wir verlosen drei Exemplare dieses Buches unter allen Teilnehmenden,
die uns die folgende Frage richtig beantworten:
Welches Amt übte der Schweizer Globalisierungskritiker Jean Ziegler zwischen
2000 und 2008 bei den Vereinten Nationen aus?
Bitte schicken Sie Ihre Antwort auf einer Postkarte an:
meinhardt Verlag und Agentur, Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein
Stichwort: Franziskaner
Einsendeschluss:
Freitag, 21. August 2015. Es gilt das Datum des Poststempels. Der Rechtsweg ist
ausgeschlossen. Bitte vergessen Sie nicht, Ihre Adresse anzugeben.
NEU ERSCHIENEN
Franziskaner – Magazin für franziskanische
Kultur und Lebensart
Zeitschrift der Deutschen Franziskaner
ISSN 1869-9847 – Zeitungskennziffer 50876
Herausgeber Provinzialat der Deutschen
Franziskaner, St.-Anna-Straße 19,
80538 München
Redaktionsanschrift Stefan Federbusch OFM,
Exerzitienhaus, Kreuzweg 23, 65719 Hofheim,
Tel.: 0 61 92 99 04-0,
E-Mail: [email protected]
Redaktion Thomas Abrell OFM,
Michael Blasek OFM, Stefan Federbusch OFM
(Redaktionsleiter), Natanael Ganter OFM,
André Madaus, Kerstin Meinhardt,
Thomas Meinhardt, Jürgen Neitzert OFM
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht
in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.
Die Rechte an den Artikeln liegen bei den jeweiligen Autoren. Eine Wiedergabe – auch auszugsweise – ist nur mit vorheriger
Genehmigung gestattet.
Weitere Mitarbeitende dieser Ausgabe
Cornelius Bohl OFM, Rangel Geerman OFM,
Ricarda Moufang, Helmut Schlegel OFM, Eugen
Wehner, Alfred Strauß.
Bildnachweise Titel: © Photolyric Stock Productions (Klöpper & Eisenschmidt GbR) –
iStock; Rückseite: FotoSteindorf. Alle anderen
Nachweise stehen auf den Seiten, ungekennzeichnete Bilder entstammen dem Archiv der
Franziskaner oder dem der Firma meinhardt.
Wolfgang Rosen, Wolfgang Mauritz OFM
NUDO – Franz von Assisi
epubli, 52 Seiten, gebunden, 29,80 Euro,
ISBN 978-3-7375-3642-4
Das Fotobuch zum Puppenspiel des Vossenacker
Marionettentheaters »De Strippkes Trekker« kann über
www.epubli.de bezogen werden.
Das Marionettentheater entstand am Franziskusgymnasium Vossenack.
Der Erlös aus dem Verkauf des Buches kommt der Franziskusstiftung und insbesondere der Unterbringung von Flüchtlingskindern im Franziskusinternat in
Vossenack in der Eifel zugute.
Franziskaner Mission:
Die Sommerausgabe unseres Schwestermagazins
befasst sich dieses Mal mit dem Thema »Solidaritätsbrücken von Mensch zu Mensch«.
Sie können die »Franziskaner Mission« kostenfrei
abonnieren:
Telefon: 02 31 17 63 37-65 oder per E-Mail an
[email protected]
bzw. in Bayern unter Telefon: 0 89 21 12 61 10
oder per E-Mail an [email protected]
Impressum
Solidaritätsbr
ücken
Layout Eileén Bosselmann, Kerstin Meinhardt
(art-dir.), Désirée Neff, Lukas Neu.
Verlag, Gestaltung und Anzeigenverwaltung
meinhardt Verlag und Agentur,
Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein,
E-Mail: [email protected],
www.meinhardt.info
Bankverbindung Die Zeitschrift »Franziskaner«
erscheint quartalsweise. Spenden zur
Finanzierung dieser Zeitschrift erbitten wir unter
Angabe des Verwendungszweckes »Spende Zeitschrift« auf das Konto der
Deutschen Franziskanerprovinz,
Kto 808 888 80, BLZ 510 917 11 bei der
Bank für Orden und Mission,
IBAN DE37 5109 1711 0080 8888 80,
BIC VRBUDE51
Druck und Versand Printmedienpartner GmbH,
Hameln
Klimaneutral gedruckt und versendet
Gedruckt auf 80 % Recyclingpapier und
20 % aus nachhaltiger Waldwirtschaft (FSC).
von Mensch
Bruderschaft
in Mission – Das
Solidarität – Eine
Von Mensch zu
Warum nicht
2 2015
weltkirchliche
Engagement
Begriffsdefinition
der deutschen
zu Mensch
Franziskaner
Mensch – Spenderdia
Schluss machen?
log in der Franziskan
er Mission Dortmund
– Eine Schulpartn
erschaft mit langem
Atem
natureOffice.com | DE-000-000000
Germanicus und die Kunst des Predigens
»Franziskus, du warst schon in Rom und im Heiligen Land,
»Weißt du überhaupt, wie schön es bei uns ist?«
aber nach Germanien zieht es dich wohl gar nicht? Ist dir
Germanicus fing an, von seiner Heimat zu schwärmen,
der Weg über die Alpen zu anstrengend?«»Nein Bruder, das
und sah dabei aus, als wäre er im Himmel. – »Ich habe
ist es nicht.« Germanicus schaute den schmal gewordenen
schon so viel Gutes gehört, Bruder. Ich bewundere dein
Franziskus von der Seite her an und meinte: »Ich verstehe,
Land und deine Landsleute. Und auch die deutschen
dein Magen. Die fetten Würste und das bittere Bier täten
Brüder, aber …« – »Was ist mit ihnen?«, knurrte
deiner Gesundheit nicht gut.« Franziskus seufzte: »Ja, das
Germanicus. »Nun, ihr seid so genau und zuverlässig.
wäre ein Opfer für mich, aber das ist es auch nicht.«
Wenn ich zum Beispiel einen von euch bitte zu
predigen, dann holt er ein Blatt Papier und einen Feder­
kiel. Er arbeitet konzentriert und nach zwei Stunden
hat er eine Predigt, an der kein Prälat und kein Doktor
der Theologie etwas auszusetzen hätte. Ehrlich gesagt:
Das macht mir ein schlechtes Gewissen.« Er machte
eine Pause und seufzte. »Wenn ich predigen soll, lege
ich mich ins Gras, schaue den Wolken nach und lausche
den Lerchen. Dann stehe ich auf, geh‘ auf den Markplatz
und stammle ein paar Sätze von dem, wovon
mein Herz voll ist.« »Das bist eben du,
Franziskus. Und es ist gut so, wie du
bist.« – »Vielleicht«, meinte Fran­
ziskus, »und es ist wohl auch gut so,
wie ihr seid.«
text helmut schlegel ofm
illustration michael blasek ofm
v. l. : Hubert Wurz, Martin Walz, Gabriel Zörnig
Franziskanerkloster
Waren an der Müritz
Eine von 37 Gemeinschaften der Franziskaner in Deutschland. Weitere Informationen: www.franziskaner.de