Die Universität Hohenheim Die Mikrobiota im Verdauungstrakt landwirtschaftlicher Nutztiere – ein wichtiger Organismus zur Stoffumsetzung im Tier Jana Seifert Universität Hohenheim, Institut für Nutztierwissenschaften Junior-Stiftungsprofessur ‘Feed-Gut Microbiota Interaction’ Hans-Eisenmann-Zentrum, Weihenstephan 17.06.2015 Übersicht - Was verstehen wir unter ‚Mikrobiota‘? - Methoden zur Untersuchung der Mikrobiota - Veränderung der Mikrobiota im Lebenszyklus (Schwein, Wiederkäuer) - Unterschiede entlang des Gastrointestinal Traktes - Funktionen der Bakterien: Polysaccharid Abbau durch die Bakterien des Pansens 2 Definitionen Die Gesamtheit aller nicht-menschlichen (tierischen) DNA (Mikrobiom) bzw. allen nichtmenschlichen (tierischen) Lebens (Mikrobiota / Mikroflora) am menschlichen (tierischen) Körper. Was und wo? • Bakterien, Archaeen, Viren/Phagen, Hefen/Pilze, Protisten, Würmer, Parasiten etc... • am ganzen Körper: wo man auch sucht, findet man Mikroorganismen... 3 Komplexität 1014 Bakterien Genom vs. Mikrobiom 10 x mehr mikrobielle Zellen 1-2 kg mikrobielle Biomasse (Mensch) 4 Phylogenie der Bakterien im Verdauungstrakt Stammbaum der bedeutendsten mikrobiellen Taxa im humanen Gastrointestinal Trakt und ihrer relativen Anteile (De Vos & de Vos 2012) 5 Mikrobiota des Verdauungstraktes Mukosa Lumen MIKROBIOTA Metabolite Epithelium Vorteile für den Wirt - Aktivierung des Immunsystems - Nährstoffaufnahme - Detoxifizierung Futter‐ reste Kurzkettige Fettsäuren Vitamine Immunomoduline - Vitamine - Unterstützung der Darmmotilität - Unterdrückung pathogener Spezies Wer ist aktiv? Wer ist da? DNA RNA Was wird gemacht? Protein Metaboliten Metagenomics Metatranscriptomics Sequenzdatenbank Phylogenetische Struktur und mögliche Funktionen Metaproteomics Metametabolomics Proteinfunktion Aktive Phyla und exprimierte Proteine Metabolisches Inventar der Mikrobiota 7 Nukleinsäure Extraktion Verschiedene Protokolle: Lyse der Zellen (mechanisch, chemisch) DNA/RNA Aufreinigung In Mikrobiota Forschung des Nutztieres gibt es kein einheitliches Protokoll! Vergleichbarkeit der Ergebnisse !? 8 16S rRNA – universelles Gen für phylogenetische Analysen - Ribosome sind in allen Zellen, Proteinsynthese - 16S rRNA ist eine Untereinheit der bakteriellen Ribosomen V6 V7 V4 V5 V3 V8 V1 - In mikrobieller Ökologie: Nutzung der variablen Regionen zum Nachweis der phylogenetischen Diversität V9 V2 Yarza et al. Nat. Rev. Microbiol 2014 Welche variable Region ist für die Untersuchung der Mikrobiota geeignet? 9 Entwicklung der Mikrobiota Die Zusammensetzung der Mikrobiota variiert mit der Zeit (dynamisch) ‘Klimax’ Gemeinschaft, welche relativ stabil ist Beeinflussung der mikrobiellen Sukzession durch: - Geburt (Mikrobiota im Vaginaltrakt, Speichel; Mikrobiota der Umwelt) Ernährung (Muttermilch, Pro- und Präbiotika etc.) Umwelt (Hygiene im Stall, Weidehaltung) Medizinische Behandlung (Antibiotika) 10 Entwicklung der Mikrobiota – Wiederkäuer (Kuh) Hauptphyla der Bakterien im Pansen: Bacteroidetes, Firmicutes, Proteobacteria (13 weitere Phyla) Große Variation der Anteile im zeitlichen Verlauf! Tag 1 Dominanz von Streptococcus (Firmicutes) Wechsel der Zusammensetzung innerhalb der Phyla z.B. Bacteroidetes: Bacteroides (Tag 1-3) zu Prevotella (ältere Tiere) Jami et al. ISME J. 2013 11 Entwicklung der Mikrobiota – Wiederkäuer (Kuh) Umstellung der Mikrobiota auf anaerobe Verhältnisse Tag 3 Tag 1 Jami et al. ISME J. 2013 12 Entwicklung der Mikrobiota – Wiederkäuer (Kuh) Gezielter quantitativer Nachweis Jami et al. ISME J. 2013 13 Entwicklung der Mikrobiota - Schwein Hauptphyla der Bakterien im Schwein: Firmicutes, Bacteroidetes (ca. 90%) Veränderung während und nach der Absetzphase (Futterumstellung, Stress, and. physiologische Faktoren) 4 Wo.: Bacteroides (Nutzung von Mono- und Oligosacchariden), Blautia, Dorea, Escherichia, Eubacterium 6 Wo: Prevotella (Nutzung von Hemicellulosen, Xylan), Clostridium Kim et al. Vet. Microbiol. 2015 14 Lokalisation der Mikrobiota – Schwein Unterschiede der Zusammensetzung der Mikrobiota -> entlang des Gastrointestinal Traktes -> zwischen Lumen und Mukosaschicht Aufgrund unterschiedlicher Nährstoffangebote, physikochemischer Bedingungen (pH, O2, Darmbewegung) Looft et al. ISME J. 2014 15 Lokalisation der Mikrobiota – Schwein Verdauung und Absorption: - Proteine - Fette - Kohlenhydrate Umsetzung bisher noch nicht verdauter und absorbierter Nährstoffe: - Fermentierbare Kohlenhydrate - Proteine Analyse von Kotproben spiegeln nur sehr begrenzt die intestinalen Vorgänge ab! 16 Funktionen der Mikrobiota – Einblicke in den GIT Analyse von Kotproben spiegeln nur sehr begrenzt die intestinalen Vorgänge ab! Praecaecale Verdaulichkeit Kanülen am terminalen Ileum zur Bestimmung der praecaecalen Aminosäureverdaulichkeit von Futtermitteln Praecaecale Verdaulichkeit im Pansen und Duodenum Effizienz der ruminalen Fermentation der Rohnährstoffe 17 Funktionen der Mikrobiota – Pansen PANSEN Bedingungen • kontinuierliche Futteraufnahme • 38-40°C • dunkel • anaerob (-250-450 mV) • konstante Pufferung (pH 5,5-7,0) • Abtransport von Metaboliten (Absorption, Eruktation, Passage) • Zerlegung, Zerkleinerung und Mischung des Futters 18 Funktionen der Mikrobiota – Pansen PANSEN Mikrobiota Bacteroidetes (Prevotella) Firmicutes, Archaeen Unverdautes Material CH4 und CO2 Funktionelle Nischen Fibriolytisch Proteolytisch Lipolytisch Amylolytisch Futter Abbau Harnstoff Dünndarm mikrobielles Protein Fettsäuren Passagerate SCFA Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure Enzyme ‚Carbohydrate active enzymes (CAZy)‘ Amino- und Fettsäuren NH3 Milchproduktion Flint et al. 2008 McCann et al 2014 Emissionen Muskulatur / Fettgewebe Harnstoff NH3 Aminosäuren Fettsäuren Zucker Leber 19 Funktionen der Mikrobiota – Pansen http://www.rmgnetwork.org.nz/hungate1000.html http://www.ruminomics.eu/ 20 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Genomsequenzierungen von Bakterien im Pansen Leahy et al. Animal 2013 21 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Polysaccharid-abbauende Bakterien X: Xylan; S: Stärke; C: Zellulose Flint et al. Nat. Rev. Microbiol. 2008 22 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Abbau pflanzlicher Zellen: 1. Abbau der Hemizellulose und Pektine 2. Abbau von Zellulose 23 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Zellulolytische Bakterien besitzen extrazelluläre Enzyme (Cellulosome) zum Abbau von Polysacchariden. ‘Carbohydrate active enzymes‘ (CAZY): z.B Glykosyl-Hydrolasen (GH; 96 Enzymfamilien). In zellulolytischen Bakterien vorwiegend GH44, GH45 und GH48 (Endoglucanasen mit verschiedenen Substratspezifitäten): •(Lachno)clostridium cellobioparum •Eubacterium cellulosolvens •Fibrobacter succinogenes •Ruminococcus albus •Ruminococcus flavefaciens 24 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Ruminococcus flavefaciens Struktur des Cellulosome’s - strukturelle Proteine ScaA, ScaB, ScaC und ScaE bilden ein Gerüst; Zusammenhalt durch verschiedene Interaktionsmoleküle (‘dockerin– cohesion’); Bindungsstellen für katalytische Enzyme - Oligosaccharide werden durch Membran-assozierte Transportproteine aufgenommen Flint et al. Nat. Rev. Microbiol. 2008 25 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Fibrolytische Bakterien Butyrivibrio proteoclasticus, Prevotella ruminicola, Prevotella bryantii sind xylanolytische Bakterien - > Abbau der Hemizellulose Fraktion Genomsequenzen zeigen Präferenzen für Abbau von Hemizellulose und Pektin, und wenig für kristalliner Zellulose 26 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Prevotella spp. – Genom-Vergleiche Purushe et al. Microb. Ecol. 2010 27 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Prevotella spp. – Genom-Vergleiche P. bryantii hat mehr Anzahl an Enzymen potentielle Fähigkeiten zum Pektin Abbau als P. ruminicola: erhöhte Zahl an Pektat Lyasen, Polygalacturonasen, Pektin Methylesterasen und αRhamnosidasen P. ruminicola hat die genetische Kapazität Glykane des Wirtes zu nutzen, ähnlich wie Bacteroides thetaiotaomicron Purushe et al. Microb. Ecol. 2010 28 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Bacteroides thetaiotaomicron : nutzt ein breites Spektrum von Polysacchariden und hat einzigartige Gene für den Abbau von Stärke Stärke Abbau Systeme: SusC und SusD: Bindung der Stärke Moleküle SusG: begrenzte Hydrolyse von Stärke Verstärkte Hydrolyse im Periplasma (SusA, Neopullulanase) und Aufnahme über die zytoplasmatische Membran Flint et al. Nat. Rev. Microbiol. 2008 29 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Polysaccharid-abbauende Pilze Piromyces sp. E2: Xylose Isomerase, GH Orpiomyces sp. CA1: - Verschiedene Enzyme: 357 GH, 24 PL, 92 CE - Mehrheit ist bakteriellen Ursprungs und wurde durch horizontalen Gentransfer erworben: viele GH48 (Abbau kristalliner Zellulose) und GH6 (Cellobiohydrolasen) -> dieses System fehlt bzw. ist kaum in Fibrobacter and Ruminococcus vorhanden Kein System für den Abbau von Stärke und Pektin -> Pilze ausschließlich für Zellulose Abbau durch Multienzym Komplexe Interaktion und Symbiose zwischen Bakterien und Pilzen! 30 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Verteilungen der Genfunktionen variiert zwischen den verschiedenen Studien! Deusch et al. Comp. Stru. Biotechnol. J. 2015 31 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Interaktionen Flint et al. Nat. Rev. Microbiol. 2008 32 Wer ist aktiv? Wer ist da? DNA RNA Was wird gemacht? Protein Metaboliten Metagenomics Metatranscriptomics Sequenzdatenbank Phylogenetische Struktur und mögliche Funktionen Metaproteomics Metametabolomics Proteinfunktion Aktive Phyla und exprimierte Proteine Metabolisches Inventar der Mikrobiota 33 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Metaproteomics - Arbeitsschema Pansenproben Probenvorbereitung Protein Extraktion In gel Trypsin Verdau Peptid Elution und Reinigung Bioinformatische Datenanalyse LC-MS/MS Analyse Deusch & Seifert Proteomics (im Druck) 34 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Probenvorbereitung Deusch & Seifert Proteomics (im Druck) 35 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Protein und Peptid Identifikationen Pansenmaterial (Faser) Histodenz Protokoll Pansenmaterial (Faser) Käsetuch Protokoll Pansensaft Deusch & Seifert Proteomics (im Druck) 36 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Phylogenetische Verteilung der Proteine Prevotellaceae sind häufiger im Pansensaft zu finden Verstärkte Häufung von Fibrobacter succinogenes, Ruminococcaceae und Lachnospiraceae häufiger Pansensaft Methanomicrobiaceae im in fester Pansenprobe Deusch & Seifert Proteomics (im Druck) 37 Funktionen der Mikrobiota – Pansen Verteilung der Glykosyl-Hydrolasen Rot: Enzyme in allen Proben identifiziert Gelb: Enzyme in RS-H and RS-C identifiziert Blau: Enzyme in RS-C and RF identifiziert Grün: Enzyme identifiziert in RF Proteine der GH-Familien vorwiegend von Prevotellaceae und Ruminococcaceae Deusch & Seifert Proteomics (im Druck) 38 Mikrobiota Forschung in der Zukunft Verständniss zur Interaktion -> innerhalb der Mikrobiota -> zwischen Mikrobiota und Wirt -> zwischen Mikrobiota undFutter zur Unterstützung des Tierwohls, Ressourcenschonung (Futtermitteleinsatz), Klimaschutz Identifizierung neuer Enzymfunktionen für biotechnologische Anwendungen 39 Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
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