Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis

Predigten – von Pastorin Julia Atze
7. Sonntag nach Trinitatis
19. Juli 2015
Johannes 6, 30-35
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Liebe Gemeinde,
essen Sie auch so gerne Brot wie ich? Ich finde fast nichts köstlicher als eine ordentliche
Scheibe Schwarzbrot mit Käse. Oder ein Stück frisches Weißbrot. Am Wochenende zum
Frühstück natürlich am liebsten Brötchen…
Sie merken – ich könnte so richtig ins Schwärmen kommen. Ich brauche kein warmes Essen,
zumindest nicht so oft. Ich könnte problemlos wochenlang auf warmes Essen verzichten,
aber auf Brot –auf keinen Fall! Brot ist das Grundnahrungsmittel für mich. Ohne Brot
könnte ich nicht leben. Aber so geht es natürlich nicht nur mir persönlich. Brot ist eines der
wichtigsten Grundnahrungsmittel der Welt. Nicht ohne Grund heißt die große
Hilfsorganisation der Evangelischen Kirche „Brot für die Welt“. Und nicht ohne Grund bitten
wir in jedem Vater Unser „Unser tägliches Brot gib uns heute“.
Im heutigen Predigttext spielt Brot auch eine besondere Rolle. Jesus spricht vom Brot vom
Himmel, dem wahren Brot vom Himmel, Gottes Brot, Brot des Lebens – und sie merken
und ich merke: Mit der gute Stulle Schwarzbrot, die ich so liebe, hat das Brot, von dem
Jesus hier spricht, nichts zu tun. Brot hat in dieser Brotrede, wie dieser Text auch
bezeichnet wird, eine andere, eine viel weitere und symbolische Bedeutung als das
tatsächliche Nahrungsmittel. Brot steht hier für sehr viel mehr. Es steht für alles, was mit
Leben, mit gelingendem und erfülltem Leben, vor allem aber auch mit geistigem Leben zu
tun hat.
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Ob die Jünger und das Volk wohl mit der Antwort von Jesus zufrieden sind , ist allerdings
fraglich. Sie wollten schließlich ein Zeichen von Jesus sehen, ein Wunder, keine Worte. Eine
Tat, die beweist, wer er ist, damit es sich auch lohnt an ihn zu glauben. Sie wollen etwas
sehen, dann wollen sie glauben.
Am besten so eine Wundertat wie das Manna, das Brot, das vom Himmel fiel, als das Volk
Israel durch die Wüste wanderte. So ein Wunder wäre ja ein guter Grund für sie zu glauben.
Aber das funktioniert nicht. Jesus durchkreuzt diese Logik.
Denn Brot ist für ihn eben nicht nur das Nahrungsmittel Brot. Er spricht vom wahren Brot
vom Himmel, von Gottes Brot, vom Brot des Lebens –Brot steht für viel mehr.
„Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich
glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“
Jesus verbindet hier das tatsächliche Brot, das den Hunger stillt, das Brot, das er mit seinen
Jüngern teilt, das er bei der Speisung der Fünftausend unter den vielen Menschen teilt, das
er mit Sündern und Zöllnern in ihren Häusern ist, mit dem geistigen Brot, mit dem Wort
Gottes, mit Liebe und Gerechtigkeit, Frieden und Freundschaft, Gemeinschaft und
Hoffnung, Glauben und Vertrauen.
Dieses alles zusammen ist Jesu Christus, für dies alles steht er, der von sich sagt: „Ich bin
das Brot des Lebens.“
Und er stellt klar: Es geht hier nicht um ein Wunder, wie das Mannawunder in der Wüste
oder die Speisung der 5000. Es geht hier nicht darum wer der größere Wundertäter ist,
Mose oder Jesus. Denn es ist in beiden Fällen Gott, der gibt – nicht Mose oder Jesus. Gott
selbst ist der Geber aller Gaben. Er schenkt das Brot des Lebens und lebendiges Wasser.
Und in der Person Jesu ist beides zum Greifen und Schmecken nahe: Wer zu mir kommt,
den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten!
Christus ist Brot und Wasser, Licht und guter Hirte, Weg, Wahrheit und Leben für die Welt.
Damit das aber immer wieder wirksam wird, braucht es die Bereitschaft zur Veränderung
und das Mittun und Handeln von Menschen. Erst dadurch werden aus den
Wundergeschichten der Bibel realistische Geschichten. Sie offenbaren menschliche Fehler
und Schwächen und weisen den Weg zu verändertem Handeln. So raffen in der Erzählung
vom Manna in der Wüste die Israeliten erst ängstlich und gierig so viel Himmelsbrot wie
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möglich an sich, um im nächsten Augenblick festzustellen: Was des guten Zuviel war, ist
verdorben. Also lernen sie, bescheidener zu werden. Sie lassen ab von der Gier und der
Rücksichtslosigkeit und fangen ein jeder an, in Ruhe und Frieden zu essen, darauf
vertrauend: Auch am folgenden Tag wird es Brot geben – so viel wie jeder braucht.
Liebe Gemeinde,
das Brot des Lebens ist es auch um das wir im Vater Unser bitten. „Unser täglich Brot gib
uns heute“ bitten wir. Das tägliche Brot ist weder im wörtlichen noch im übertragenen,
geistigen Sinne eine Selbstverständlichkeit, es ist ein tägliches Geschenk. Dass wir im Vater
unser darum bitten, hält unser Bewusstsein dafür aufrecht, dass dieses unser Leben
geschenkte Gnade und eben keine Selbstverständlichkeit ist. Alles, was lebendig ist,
braucht Erneuerung, Zuwendung, Gabe, immer wieder, jeden Tag.
Für dieses alles steht Jesus – mit seinem Leben und seinem Sterben.
Dieses Brot des Lebens ist es auch, das wir beim Abendmahl teilen. Wir teilen nicht nur das
tatsächliche Brot miteinander, wir teilen auch unsere Gemeinschaft, unseren Glauben,
unsere Hoffnung und unser Leben miteinander und mit Jesus Christus, wenn wir
gemeinsam Abendmahl feiern.
Der Aspekt des Teilens spielt eine wichtige Rolle. Denn das ist es, was das Brot des Lebens
ausmacht: Das Teilen des Brotes und das Teilen des Lebens. Dafür steht zum Beispiel auch
die Organisation „Brot für die Welt“. Natürlich geht es wesentlich um Brot, um Nahrung für
die Hungernden in dieser Welt, aber ebenso geht es auch um geistiges Brot: Bildung,
Begegnung, gegenseitiges Wahrnehmen und Wertschätzen.
Wie in der Geschichte Brot in deiner Hand:
„An der Jakobsstraße in Paris liegt ein Bäckerladen; da kaufen viele hundert Menschen ihr
Brot. Der Besitzer ist ein guter Bäcker. Aber nicht nur deshalb kaufen die Leute des Viertels
dort gerne ihr Brot. Noch mehr zieht sie der alte Bäcker an: der Vater des jungen Bäckers.
Meistens ist nämlich der alte Bäcker im Laden und verkauft. Dieser alte Bäcker ist ein
spaßiger Kerl. Manche sagen: "Er hat einen Tick." Aber nur manche. Die meisten sagen: "Er
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ist weise, er ist menschenfreundlich." Einige sagen sogar: "Er ist ein Prophet". Aber als ihm
das erzählt wurde, knurrte er vor sich hin: "Dummes Zeug..."
Der alte Bäcker weiß, dass man Brot nicht nur zum Sattessen braucht. Und gerade das
gefällt den Leuten. Manche erfahren das zum ersten Mal beim Bäcker an der Jakobsstraße zum Beispiel ein Autobusfahrer, der einmal zufällig in den Brotladen an der Jakobsstraße
kam.
"Sie sehen bedrückt aus", sagte der alte Bäcker zum Busfahrer. "Ich habe Angst um meine
kleine Tochter", sagte der Busfahrer. "Sie ist gestern aus dem Fenster gefallen, vom zweiten
Stockwerk!" - "Wie alt?" - fragte der alte Bäcker. "Vier Jahre", antwortete der Busfahrer. Da
nahm der alte Bäcker ein Stück vom Brot, das auf dem Ladentisch lag, brach zwei Bissen ab
und gab das eine Stück dem Busfahrer. "Essen sie mit mir", sagte der alte Bäcker zu ihm,
"ich will an sie und ihre kleine Tochter denken." Der Busfahrer hatte so etwas noch nie
erlebt, aber er verstand sofort, was der alte Bäcker meinte, als er ihm das Brot in die Hand
gab. Und sie aßen beide ihr Stück und schwiegen und dachten an das Kind im Krankenhaus.
Zuerst war der Busfahrer mit dem alten Bäcker allein. Dann kam eine Frau herein. Sie hatte
auf dem nahen Markt zwei Tüten Milch geholt und wollte nun eben noch ein Brot kaufen.
Bevor sie ihren Wunsch sagen konnte, gab ihr der alte Bäcker ein kleines Stück Weißbrot in
die Hand und sagte: "Kommen sie, essen sie mit uns, die Tochter dieses Herrn liegt schwer
verletzt im Krankenhaus. Sie ist aus dem Fenster gestürzt. Vier Jahre ist das Kind. Der Vater
soll wissen, dass wir ihn nicht allein lassen." Und die Frau nahm das Stückchen Brot und aß
mit den beiden.“
– Brot des Lebens, Brot vom Himmel, Gottes Brot – Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in
Christus Jesus. Amen