Norbert Röder Institut für Ländliche Räume Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Kiel,Norbert Röder 28.09.2015 „Naturschutz morgen Zeit zum Umdenken“ Gliederung • Definition • Herausforderungen • Vertragsnaturschutz in der neuen GAP • Inventar des Werkzeugkastens • Werden die Werkzeuge genutzt? • Ist der Werkzeugkasten vollständig? • Offene Baustellen Seite 2 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vertragsnaturschutz: Definition Verträge zur Durchführung von lebensraumerhaltenden Maßnahmen zwischen der öffentlichen Hand und Dritten finanziert im Rahmen von Landes- oder ELERProgrammen (VN im engeren Sinne) Verträge zur Durchführung von Maßnahmen zum Erhalt oder Steigerung gewünschter Komponenten der Biodiversität (VN im weiteren Sinne) • Freiwillige Basis • Mindestens 2 Vertragspartner • Geld gegen Leistung • Meist zeitlich befristet Öffentliche Hand Unternehmer Stiftungen & NRO ELER-Programme Länder-Programme Projektförderung A & E Maßnahmen Privatrechtliche Verträge © P. Meyer aid-infodienst Seite 3 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Land - eigentümer - besitzer Vertragsnaturschutz: • Spannungsfelder Grenzen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (kontinuierlicher politischer Diskussionsprozess) • Prävention, Schadensausgleich oder „höhere Gewalt“ (z. B. Wildschäden (z. B. Wolf, nordische Gänse, Biber)) • Freiwilligkeit (Umkehrbarkeit der Maßnahme) Entstehung eines ordnungsrechtlichen Schutzstatus (Neu-Etablierung besonders geschützter Arten und Biotope) • Verhältnis zwischen Aufwand und Zahlungshöhe (abzgl. Sanktionsrisiko) muss für beide Vertragsparteien adäquat sein (bei kleinen Maßnahmen Beratung, allg. Förderrecht oder Ordnungsrecht oft effizienter (z. B. Feldlerchenfenster) ) • Vertragsdauer zwischen fachlich sinnvoll und administrativen Vorgaben Seite 4 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Exkurs: Ordnungsrecht • Ordnungsrecht trifft jeden (Schutz nicht im Belieben des Akteurs) • • Ordnungsrecht ist fast haushaltsneutral Wirkung des Ordnungsrechts unabhängig(er) von Lage auf Agrar- und Rohstoffmärkten Ordnungsrecht vorteilhaft, wenn Akteur die Auflagenhöhe nicht beeinflussen kann • • > 30 m³ Totholz pro ha • keine Mahd von Wiesen mit Bruten von Uferschnepfen vor dem 15.07. • Ordnungsrecht induziert Ankündigungseffekte • Ordnungsrecht primär auf die Untersagung von Handlungen beschränkt • Ordnungsrechtliche Auflagen dürfen i. A. nicht kompensiert werden latente Gefahr im Naturschutz: Derjenige ist der Dumme, der den Naturschutzwert seiner Flächen nicht vorher reduziert hat. Seite 5 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vertragsnaturschutz: Zielbezug Ziel: Maximiere die gewünschte Biomasse (Quantität und Qualität) in einem bestimmten Raum (Prinzipiell: klassische Fragestellung der Landwirtschaft Wo ist der Unterschied zwischen Braugerste und Brachvögeln?) Ergebnisorientierung im Naturschutz • • • • • Mehr als 1 Zielart ( Zielkonflikte Kompromisse widersprüchliche Signale) Ergebnismessung oft aufwändig und teuer Ergebnis erst mit (erheblicher) Zeitverzögerung Ergebnis(-veränderung) oft historischer Prozess (Wenn zwei das Gleiche tun, kommt nicht das Gleiche raus.) Ergebnis nur teilweise vom Landbewirtschafter beeinflussbar (Witterung, Landschaftskontext, Überwinterungsgebiet, …) Voraussetzung für Lernschleifen ungünstig Seite 6 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vertragsnaturschutz: Zielbezug Ziel: Maximiere die gewünschte Biomasse (Quantität und Qualität) in einem bestimmten Raum (Prinzipiell: klassische Fragestellung der Landwirtschaft Wo ist der Unterschied zwischen Braugerste und Brachvögeln?) Alternative: Handlungsorientierung (second-best) Bezug zum Ziel ± gegeben (gilt evtl. nicht auf allen Standorten und Rahmenbedingungen) evtl. fein ziselierte Kulissen erforderlich Viele Auflagen hoher Kontrollaufwand viele Verstoßmöglichkeiten (auch gegen nachrangige Aspekte) Seite 7 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Herausforderungen für die inhaltliche Steuerung Viele Ziele & Ausgangssituationen, • • entweder differenziertes Management (viele Maßnahmen kleines Volumen hoher Verwaltungsaufwand) oder one-size-fits-all (nicht unbedingt zieladäquat) Zielkonflikte • Dass Bessere ist der Feind des Guten. • Bei breitem Portfolio konkurrieren die Maßnahmen untereinander. (z. B. Förderung Ökolandbau Renaturierung von Mooren) (Op male Maßnahmenauswahl aus Sicht des LW ≠ aus Sicht des Naturschutzes) Bewertung der Handlungsfolge hängt vom Betrachtungsmaßstab ab (z. B. Erosion, Rohboden bzw. Gehölzaufwuchs kleinflächig positiv auf größeren Flächen negativ) Dynamische Systeme • Dynamische Zielsysteme des Naturschutzes Rechtsicherheit (eindeutige a priori festgelegte Bewertungs- und Abgrenzungskriterien erforderlich) Seite 8 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vertragsnaturschutz und öffentliche Verwaltung Naturschutz erfordert wie Land- und Forstwirtschaft eigentlich ein Management und keine Verwaltung, d. h. • Kontinuierliche dynamische und flexible Reaktion auf die Gegebenheiten (Naturraum, Witterung, Betriebsstrukturen, Zielarten, …) (Nutzung von günstigen Gelegenheiten) • Lernen aus Erfahrungen (man muss scheitern können) • Die einzelne Fläche / der einzelne Betrieb ist oft als Zielsystem ungeeignet (Viele Parteien müssen koordiniert werden) Herausforderungen • Gleichbehandlungsgrundsatz • Nachvollziehbarkeit durch Externe • Regeln der Haushaltsführung / Beihilferecht Seite 9 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Herausforderungen für die öffentliche Verwaltung Finanzierungsregeln (v. a. bei EU-Kofinanzierung) • Doppelförderungsverbot (Kombination aus verschiedenen Elementen, wenn Flächensicherung und eine gezielte Bewirtschaftung erfolgen soll) • Was tun wenn Nutzungsaufgabe das Ziel? Kosten v.a. Flächenkosten; % Grunderwerbskosten aber gedeckelt (EU) • Mehrjährige Verträge / kein vorzeitiger Maßnahmenbeginn seltene, invasive / mobile Arten (z. B. Wiesenweihe, Wachtelkönig, Kiebitz) • Keine Dauerförderung von Institutionen sondern nur Anschubfinanzierung (Wer zu früh anfängt ist der Dumme! Finanzierung nach der Startphase? Projekterities) • Formal kein Anreiz für Landbewirtschafter (Nur Ausgleich des Einkommensnachteils) Welche Motivation hat der Landbewirtschafter? © G. Brämer Seite 10 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vertragsnaturschutz in der neuen GAP (2014-‘20) Bessere Finanzierungskonditionen • Erweiterte Grünlanddefinition (Förderung von z. B. Heiden in der 1. Säule) • Veränderte Baseline durch Greening • Vereinfachte Notifizierung von Flächenfördermaßnahmen außerhalb der Kulisse der 1. Säule • Budgetanteil für Umwelt- und Klimamaßnahmen im ELER > 30% • Höhere Kofinanzierungssätze für Umwelt- und Klimamaßnahmen im ELER (z.T. 75% EU + 15% Bund (GAK)) Seite 11 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vertragsnaturschutz in der neuen GAP (2014-‘20) (Neue) Herausforderungen • Anforderungen von Greening und 2. Säule-Maßnahmen nicht kongruent (Mindest- / Höchstbreiten von Blühstreifen) • Abgrenzung der förderfähigen Fläche (insbesondere in dynamischen / heterogenen Weidesystemen) • Pauschaler Grünlandschutz im Greening kann zu Problemen führen (z. B. Moorschutz: Umwandlung von Intensivgrünland in Röhrichte) Seite 12 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vertragsnaturschutz in der neuen GAP (2014-‘20) Erweitertes Maßnahmenportfolio im ELER • Planung • Beratung • Investive Förderung • Ausgleich von Standortnachteilen • Durchführung von Bewirtschaftungsmaßnahmen (jährliche Zahlungen oder Einmalzahlungen Maßnahmenumfang bedingt flexibel) • Kooperation (direkt oder über höhere Transaktionskosten für AUKM) • Innovation (EIP) • Obligate Kopplung von Instrumenten möglich (Beratung + AUKM) Der Werkzeugkasten ist gut ausgestattet. Seite 13 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Werden die Werkzeuge genutzt? z. T. Gründe: • Neue Maßnahmen (z. B. EIP): Nachfrage schwer kalkulierbar Interpretation der Vorschriften durch KOM unklar • Verschränkte Maßnahmen Erschweren die Abwicklung, erhöhen das Sanktionsrisiko und den Verwaltungsaufwand • Finanz- und Kontrollregeln nicht adäquat (z. B. bei grundbuchlicher Sicherung bleiben die Flächen unbefristet in der Risikokontrolle) • Abwicklung von AUKM über Zusammenschlüsse Unsicherheiten bei Verwaltung (z. B. Sanktionierung) Seite 14 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Herausforderungen und Handlungsoptionen Hoher Verwaltungsaufwand bei kleinen ELER-Maßnahmen Konzentration auf wenige und einfache Fördertatbestände (z. B. Hessen VN nur national / regional finanziert) Verringerung der Zahl der Verträge und Vergrößerung der Fläche pro Vertrag (NL: ab 2016 Abwicklung von VN nur über Zusammenschlüsse: Zielgröße 40 Verträge) • Maßnahmen können eher ergebnisorientiert ausgestaltet werden • Verwaltung wird in die Zusammenschlüsse ausgelagert Geringe Flexibilität bei ELER-Maßnahmen Auflage von „kommunalen“ Fördertöpfen (z. B. BW) „Pauschale“ Betreuungsverträge mit Intermediären (z. B. LPV) Überspitzte Schlussfolgerung: Geld für Maßnahmen ist prinzipiell vorhanden; für effiziente Abwicklung fehlen z. T. die personellen Kapazitäten in der Verwaltung Seite 15 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Herausforderungen und Handlungsoptionen Suboptimale Maßnahmenauswahl durch LW Erarbeitung von einzelbetrieblichen „Naturschutzkonzepten“ (z. B. SN) Höhe der Maßnahmenentgelte; räumliche Steuerung Ausschreibung (theoretisch gut, …) Geringe Akzeptanz des Vertragsnaturschutzes bei Intensivbetrieben Ordnungsrecht • „nur“ Auflagen kein Zwang zur Durchführung von Bewirtschaftungsmaßnahmen • Vollzug? Kopplung Vertragsnaturschutz mit Betriebszweigmaßnahmen (z. B. Feldlerchenfenster in SN) Geringe Wirtschaftlichkeit naturschutzförderlicher Bewirtschaftungsmethoden Aufpreisvermarktung (Einzelprojekte z. T. erfolgreich, Definition von einfach kommunizierbaren Kriterien für ein Label sehr anspruchsvoll) Innovationsförderung Seite 16 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Offene Baustellen • Vereinfachung der Abwicklung Fokussierung der EU-Mittel auf Bereiche mit europäischem Mehrwert (FFH-RL, Vogelschutz-RL, Klimaschutz und WRRL) (Renationalisierung) • Monitoring und Leistungskontrolle im Verhältnis EU Land sollten weniger auf monetäre Abflussgrößen ausgerichtet sein, sondern auf die Erreichung von inhaltlichen Zielen (z. B. Ausschreibung von Leistungen auf europäischer Ebene; mehr Freiheit für die Länder bei der Art der Abwicklung) • Verhältnis Ordnungsrecht und Förderrecht sollte überdacht werden (verschärftes Ordnungsrecht Absenkung der Förderung; sehr starker politischer Widerstand gegen nationaler oder regionale Vorstöße) Seite 17 24.02.2015 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Kontakt: Norbert Röder [email protected] Seite 18 8.02.2014 Norbert Röder Möglichkeiten und Grenzen des Vertragsnaturschutzes
© Copyright 2024 ExpyDoc