Wohnreportage Bodensee Wohnreportage Bodensee Wohnreportage Rubriktitel Bodensee ÜBERFLIEGER AM SEE 66 Wohnrevue 11 2015 So futuristisch das Einfamilienhaus einer jungen Familie auf den ersten Blick wirkt, so feinfühlig fügt sich der Entwurf von Tec Architecture in das begehrte Grundstück am Bodensee. Ein mit floralen Mustern ausgestatteter Baukörper schiebt sich von der Hangkante über einen feingliedrigen Glaspavillon. Leicht und schwer, weiss und schwarz, transparent und geschlossen, klare und organische Formen, Intimität und Weitblick – Es sind diese Gegensätze, die ein faszinierendes Raumgefüge entstehen lassen. Wohnrevue 11 2015 Redaktion und Text : Roland Merz, Fotos: Peter Allgaier 67 E s darf ruhig etwas mehr sein», sagt Heiko Ostmann mit einem Schmunzeln im Gesicht, als er über die Gestaltungsrichtlinien von tec Architecture spricht, und fügt hinzu: «Wir sind nicht Architekten, die in unseren Entwürfen alles auf ein Minimum reduzieren.» Natürlich schätzt Ostmann Kollegen wie David Chipperfield, Tadao Ando oder Schweizer Minimalisten wie Diener & Diener. Doch er unterstreicht bescheiden, dass sie diese reduzierte Perfektion der Bauten nicht so brillant hinkriegen. So hat sich tec Architecture einen anderen, vielleicht überrraschenden Leitspruch auf die Fahne geschrieben: «Es geht nicht nur um die Funktion einer Form, sondern um die Begehrlichkeit, die man mit ihr auslöst.» Diese Aussage von Automobildesigner und Unternehmer Sercio Scalietti (1920 –2011) beschreibt ausgezeichnet die Denk- und Arbeitsweise des Büros, dass einst von Sebastian Knorr gegründet wurde und seinen Hauptsitz in Los Angeles hat. Die Kreativwerkstatt, die auch in Ermatingen am Bodensee an ihren Projekten und Ideen tüftelt, beschäftigt sich vor allem mit grossmassstäblichen Bauten wie zum Beispiel mit dem soeben fertig gestellten Luxushotel Kameha Grand in Zürich, einem Hochhaus in Stuttgart mit dem Namen «Cloud No. 7» oder einer Stadtentwicklung in Hamburg. «Immer gerne entwickeln wir im Team auch Villenprojekte, die wir als Experimentierfeld verstehen», sagt Ostmann, Geschäftsführer von tec Architecture. «Zusammen mit Bauherren, die offen für Neues sind, können spannende und ungewöhnliche Lösungen entstehen.» Und so mag es nicht überraschen, dass am Bodensee ein weiteres Wohnprojekt steht, das mit seiner ungewohnten Formgebung und Ausgestaltung an diesem einmaligen Ort neue Akzente setzt. Das Einfamilienhaus einer jungen Familie trägt futuristische Züge und ist gespickt mit überraschenden Detaillösungen, sitzt aber trotzdem geerdet auf einem steinernen Sockel unmittelbar am Ufer des Untersees. «Gleich nebenan befindet sich ein Landhaus der Stuttgarter Schule. Der Ziegelbau ist schön gealtert und liegt wundervoll in der Landschaft», beschreibt Heiko Ostmann. «Mit unserem Entwurf haben wir versucht, mindestens in den Dimensionen eine vergleichbare Architektursprache anzuwenden.» Nicht wie viele der Häuser im Quartier, die beinahe ihre ganze Grundstücksfläche ausnutzen, zweienhalb- bis dreigeschossig überbauen und so die Szenerie mit ihren Dimensionen beinahe erschlagen, schaffen es das Einfamilienhaus von tec Architecture sowie sein «älterer» Nachbar angemessen auf den Ort zu reagieren. Bereits der Weg zum Grundstück und zum Haus kommt einen feinfühlig aufgebauten Spannungsbogen gleich. Über eine klassische Auffahrt von knapp 40 m erreicht man einen Vorplatz, an dem die Garage mit vier Autoabstellplätzen angegliedert ist. Noch immer ist der See bewusst ausgeblendet. Eingeschnitten in einem Kubus, in dem die Schlafzimmer untergebracht sind und der sich vom Niveau der Ankunft über den Hang zieht, entdeckt der Besucher einen Abgang, der golden schimmert. Angezogen steigt man einige Treppen hinunter und gelangt in einen grosszügigen Innenhof. Dieser vor neugierigen Einblicken geschützte Aussenraum spannt sich zwischen der gemau- erten Hangkante und dem pavillonartigen Erdgeschoss des Einfamilienhauses auf. Die Rückwand ist vollständig mit einem Spiegel besetzt – spannende Sichtbezüge und Lichtstimmungen entstehen. Da die Übergänge in den Innenraum schwellenlos konstruiert sind, ist der Blick über den Hof und durch den Wohnraum auf den See schlicht atemberaubend. Erst das rahmenlose Fenstersystem von Sky-Frame macht diese Weitsicht überhaupt möglich. Um dieses fliessende Raumgefüge weiter zu betonen, sind sowohl im Aussen- wie im Innenbereich dieselben Travertin-Platten verlegt worden. Das Erdgeschoss mit Wohn-, Essbereich und Küche ist vollkommen offen gestaltet. Eine kreisrunde Loungelandschaft wurde gar vertieft im Boden verankert, um den Blick auf die Landschaft nicht zu brechen, auch die gefaltete Stahltreppe ins Obergeschoss ist so schlicht wie möglich gehalten. Einzig eine organisch geformte, bewusst überdimensionierte Stütze, die auf einer Seite die Last der Schlafbox trägt, engt den Blick etwas ein. Versteckt in dieser Stütze befindet sich eine Gästetoilette. Steht man am Ufer des See und schaut zurück, erfasst man nochmals die ganze Szenerie in seiner ganzen Pracht: Fest verankert steht das Haus auf einem steinernen Sockel. Darüber, leicht und elegant, sitzt der gläserne Wohnpavillon und als Sahnehäubchen streckt sich zuoberst, beinahe fliegend, der längliche Baukörper mit den Schlafzimmern dem Wasser entgegen. Gartenraum und Architektur mit seiner detailreichen Gestaltung bildet eine Einheit. Wohnreportage Bodensee Wohnrevue 11 2015 Wohnreportage Bodensee Ganz oben: Zwischen Hangkante und Wohnpavillon spannt sich ein vor neugierigen Blicken geschützter Innenhof auf. Durch das rahmenlose Schiebefenstersystem von Sky-Frame sind die Übergänge von Aussen- in den Innenraum nahtlos und der Blick auf den See wird grenzenlos. Oben: Zur Hangseite ist die mächtige Stützmauer vollständig mit einem Spiegel besetzt. Egal wo man sitzt und wohin man schaut, die Landschaft rückt in den Mittelpunkt – ein spielerischer Umgang mit der Unendlichkeit des Raumes. Oben: Angekommen auf einem gefassten Vorplatz wird man von einem goldenen Abgang angezogen. Über ein paar Treppenstufen gelagt man in einen intimen Innenhof und plötzlich weitet sich der Blick auf den See. 68 Rechts: Der offen gestaltete Pavillon mit Küche, Ess- und Wohnbereich sowie der «fliegende», längliche Baukörper mit den Schlafzimmern sind wohl proportiniert und fügen sich mit ihren Dimensionen und ihrer Ausgestaltung nathlos in das leicht geneigte Grundstück und seine Umgebung. 69 Wohnrevue 11 2015 Wohnreportage Bodensee Wohnrevue 11 2015 Wohnreportage Bodensee Linke Seite: Eine gefaltete, aufs Wesentliche reduzierte Stahltreppe führt hinauf zu den Schlafzimmern und zoniert gleichzeitig den grossen Raum in einen Wohn- bzw. EssKochbereich. Ganz oben: Die Travertin-Platten sind sowohl auf den Terrassen wie auch im grossen Wohnraum zu entdecken und unterstreichen die fliessenden Übergänge von innen nach aussen sowie umgekehrt. Im Zentrum der modernen «Stube» präsentiert sich eine kreisrunde Sofalandschaft, die bewusst in den Boden eingelassen ist, um die Durchsicht nicht zu stören. Oben: Hinter der weissen, schlichten Schrankfront in der Küche verbirgt sich ein «geheimer» Zugang zu einem praktischen Vorratsraum. Rechts: Die floralen Muster der Fassade der Schlafbox zeichnen sich auch im Innenraum an der Decke ab. Essbereich und Küche gehen hier ebenfalls nahtlos ineinander über. 70 71 Wohnreportage Bodensee Wohnrevue 11 2015 tecARCHITECTURE Lankenbergstrasse 14 8272 Ermatingen www.tecarchitecture.com Oben: Beinahe die ganze Last des «fliegenden» Obergeschosses scheint auf einer überdimensionierten, organisch geformten Stütze zu liegen. In dieser versteckt sich eine Gästetoilette. Rechts: Das Bad in der Stütze ist im Gegensatz zu den restlichen Räumen in schwarz gehalten, der Bodern erneut in Travertin und an der Decke entdeck man auch hier die floralen Muster der Aussenhaut der fliegenden Schlafbox. 72
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