JOB Sheryl Sandberg in der Facebook-Zentrale in Palo Alto, Kalifornien. Sie sagt: „Alarmierend ist nicht nur die Abwesenheit von Frauen an der Spitze, sondern dass wir keine Fortschritte mehr machen“ Wie, bitte schön, geht’s nach OBEN? 60 09/2013 FÜR SIE Der Weg an die Firmenspitze gelingt nur wenigen Frauen. „Mrs Facebook“ Sheryl Sandberg hat ihn geschafft. Sie und andere Chefinnen verraten, was sie anders machen TEXT: SILKE KIENECKER S heryl Sandberg gehört zu den wenigen, die ganz oben stehen. Die 43-jährige Amerikanerin ist Geschäftsführerin und einzige Frau im Vorstand des Internet-Konzerns Facebook. Vor zwei Jahren hielt die Mutter von zwei Kindern ihre erste und viel beachtete Rede darüber, wie mehr Frauen in anspruchsvollen Jobs an die Spitze gelangen. Das Thema liegt ihr so sehr am Herzen, dass sie nun ein Buch darüber veröffentlichte und es auch in ihrem Vortrag beim diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel vertrat. Sandberg fordert ein Umdenken in den Firmen, aber auch bei den Frauen selbst. Mit ihrem Ausspruch „Geht nicht schon, bevor ihr geht!“ fordert sie Frauen auf, sich in ihre Karriere hineinzuknien. So, wie sie es selbst getan hat: Sheryl Sandberg schloss ihr Wirtschaftsstudium in Harvard mit Auszeichnung ab. Sie arbeitete bei der Weltbank und als Stabschefin von USFinanzminister Larry Summers unter Präsident Bill Clinton. 2001 heuerte sie bei Google an, machte dort das Anzeigengeschäft rentabel. 2008 wurde sie Geschäftsführerin von Facebook. Jungen Frauen rät sie: „Drück den Fuß aufs Gaspedal und lass ihn dort bis zu dem Tag, an dem die Kinderfrage ansteht. Entscheide nicht schon vorher, nur dann hast du tatsächlich eine Wahl.“ Sandbergs These: Frauen fällen viele kleine Entscheidungen, von denen sie glauben, dass sie nötig seien, um eines Tages Familie haben zu können. Schon bei der Berufswahl, der Übernahme von Führungsverantwortung, dem Arbeitseinsatz – überall machen sie kleine Zugeständnisse. „Die Einstellung, dass eine Frau entweder Mutter ist oder berufstätig, hält sich hartnäckig.“ In ihrem Buch argumentiert Sheryl Sandberg für das kleine Wörtchen und. „Ehrgeiz ist gut“, sagt sie, „genauso gut ist es aber, seinen Chef wissen zu lassen, dass man irgendwann Kinder haben möchte. Hart zu arbeiten ist wichtig, genauso wichtig wie mit seinen Kindern Abend zu essen.“ „Wenn man dir Platz in einem RAUMSCHIFF anbietet, frag nicht nach der Sitznummer – steig ein!“ Sandberg geht mit gutem Beispiel voran: Die Topmanagerin verlässt ihr Büro um 17.30 Uhr, um Zeit mit ihren kleinen Kindern zu verbringen – auch wenn das sicher nicht das Ende ihres Arbeitstages ist. Ihr Mann Dave Goldberg, ein Unternehmer aus Silicon Valley, macht es genauso. Sandberg stellt fest, dass die Wahl des Partners eine der wichtigsten Karriere-Entscheidungen einer Frau ist. >>> FÜR SIE 09/2013 61 JOB In den USA haben Sandbergs Thesen für hitzige Diskussionen gesorgt. Ein Vorwurf: Ein Ausnahmetalent wie sie setze Standards, an denen sich selbst sehr talentierte Frauen nicht messen können. Der andere: Sandberg fordert Arbeitgeber auf, mit ihren weiblichen Angestellten die Kinderfrage frühzeitig zu besprechen und zu planen. „Jede Personalabteilung behauptet, das ginge nicht“, so Sandberg auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos im Februar. „ Aber wie sollen wir Frauen durch die Familienphase bekommen, wenn wir solche Gespräche nicht führen dürfen?“ Sie selbst hat keine Angst vor offenen Worten. „Wer mich für Diskriminierung anklagen will, weil ich mit Frauen über die Kinderfrage spreche, soll das tun“, sagt sie. „Wir sehen doch, welchen Preis wir Frauen sonst dafür zahlen – daran müssen wir etwas ändern!“ < Buchtipp: Sheryl Sandbergs Ratgeber „Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg“ erscheint am 19. April bei Econ WORK-LIFE-BALANCE SHERYL SANDBERG Brigitte Hirl-Höfer (45) ist Personalchefin und Mitglied der GeschäftsLeitung bei Microsoft Deutschland „Seine Komfortzone zu verlassen ist anstrengend und inspirierend zugleich“ Was haben Sie anders gemacht? Ich habe mir meinen Arbeitgeber gut ausgesucht: Ein internationaler Konzern wie Microsoft bietet viele Karrierechancen. Nach fünf Jahren bekam ich die erste Leitung und habe das Personal-Management in Osteuropa aufgebaut. Als ich zum zweiten Mal in der Elternzeit war, wurde mir die Personalleitung für Deutschland angeboten. Das war eine riesige Chance. Aber das gelingt nur mit flexiblen 62 09/2013 FÜR SIE „Für mich fängt der zweite Job an, wenn ich abends nach Hause komme“ Was haben Sie anders gemacht? Ich kann zwar nicht prahlen, aber meine Leistungen gut und glaubhaft darstellen: meinen Umsatz, die neu gewonnenen Kunden. Dadurch habe ich Karriere im Vertrieb gemacht, war Gebietsleiterin für einen Schmuck-Großhändler, beim Otto-Versand und einer Online-Stellenbörse. Ich habe mich öfter gegen männliche Bewerber durchgesetzt und für meine Leistung entsprechende Entlohnung verlangt. Bei Treuenfels fing ich als Freiberuflerin an und bekam dann schnell die Leitung in Berlin. Dort sollte die Filiale neu aufgebaut werden. Das hat mich gereizt, denn ich konnte viel selbst entscheiden und wirklich etwas bewirken. Welche Hindernisse mussten Sie überwinden? „Es wird Zeit, dass der Ausdruck auch für Männer gilt“ Kirsten Bothe-Page (45) ist Niederlassungsleiterin und Prokuristin der TreuenfelsPersonalberatung in Berlin Die Doppelbelastung nach der Geburt unserer Zwillinge. 14 Monate danach bin ich in Vollzeit wieder eingestiegen. Die Kinder sind in der Kita, und wir haben eine Nanny, trotzdem fängt der zweite Job an, wenn ich abends heimkomme. Hilft die Quote aufstiegswilligen Frauen? Die brauchen wir nicht, ich finde sie fast beleidigend. Frauen sind stark genug, sich selbst im Beruf durchzusetzen. Arbeitszeiten, der Möglichkeit für Homeoffice – und wenn der Mann mitmacht! Welche Hindernisse mussten Sie überwinden? Meine Komfortzone verlassen. Zu meinem Job in Osteuropa gehörten sehr viele Reisen. Ich musste mich täglich auf unterschiedliche Menschen und Kulturen einstellen. Das war anstrengend und inspirierend zugleich. Und ich musste eine gute Lösung für meine erste Elternzeit finden. Ich habe alles gut vorbereitet, eine Vertretung organisiert und meinen Plan dann präsentiert. Nach elf Monaten kam ich zurück in meine alte Position. Hilft die Quote aufstiegswilligen Frauen? Nein! Die Unternehmen müssen selbst überzeugt sein, dass gemischte Teams echte Vorteile bringen. Wir bei Mircosoft wissen, dass Kreativität durch Vielfalt entsteht. Adelheid Sailer-Schuster (64) wurde 2009 als erste Frau Präsidentin der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein „Um beruflich weiterzukommen, trat ich die Flucht nach vorn an“ Was haben Sie anders gemacht? Ich bin unkonventionelle Wege gegangen: habe nach dem Jurastudium eine Banklehre absolviert, bin sechs Monate nach der Geburt meiner Kinder wieder voll in den Beruf eingestiegen. Doch eine berufstätige Frau mit zwei kleinen Kindern passte weder ins Bild meiner Vorgesetzten Annette Janson (56) schaffte den Weg von der Krankenschwester zur Verwaltungsleiterin der Stiftung Eben-Ezer „Ich war mutig genug, Verantwortung zu übernehmen“ FOTOS: FRANK BAUER, WOLF BUSCH, ROBYN TWOMEY/CORBIS OUTLINE, PR Was haben Sie anders gemacht? Ich habe eine geringe Leidensfähigkeit. Wenn ich nicht weiterkam, suchte ich Alternativen und kündigte. 20 Jahre war ich als Krankenschwester tätig, mit 40 habe ich noch eine Weiterbildung zur Kauffrau gemacht. Andere Frauen waren ängstlicher und sagten: „Mit über 40 kriege ich doch keinen Job mehr!“ Aber ich wusste: Ich arbeite noch 25 Jahre, das lohnt sich! Als alleinerziehende Mutter habe ich voll gearbeitet, weil ich auch meinen Kindern bessere Chancen bieten wollte. Ich war mutig genug, Verantwortung zu übernehmen. Außerdem habe ich mich immer dafür eingesetzt, für meine Leistung bezahlt zu werden – nicht für mein Geschlecht. Welche Hindernisse mussten Sie überwinden? Immer wieder zu erleben, dass Fairness und Toleranz als Schwäche ausgelegt wurden. Und die fehlende Solidarität unter Frauen: Oft hörte ich die Sätze: „Du kannst doch froh sein, dass du als Frau so viel erreicht hast. Was willst du mehr?“ Hilft die Quote aufstiegswilligen Frauen? Auf jeden Fall! Männer lassen leider nicht freiwillig von ihren Pfründen. noch in das vieler Kollegen. Um beruflich weiterzukommen, trat ich die Flucht nach vorn an: 1990 bewarb ich mich als Repräsentantin der Deutschen Bundesbank an die Deutsche Botschaft in Rom – und ich bekam den Job! Die Kommentare der Freunde und Kollegen meines Mannes: „Ich würde ja meine Frau nicht allein nach Italien lassen.“ Ich bin trotzdem gegangen – mit den Kindern. Welche Hindernisse mussten Sie überwinden? Über lange Zeit eine Fernbeziehung zu führen. Mein Mann und ich haben in unseren 36 Ehejahren nur drei Jahre in einer gemeinsamen Wohnung gelebt. Hilft die Quote aufstiegswilligen Frauen? Da wir mit Selbstverpflichtungen nicht weitergekommen sind, ist die Quote leider nötig, um den Prozess zu beschleunigen. Dr. Angelika WeinländerMölders (47), Geschäftsführerin der Caesar & Loretz GmbH (Marktführer für RezepturSubstanzen in Apotheken) „Ich will gestalten und Freiraum haben, dafür braucht man Macht“ Was haben Sie anders gemacht? Ich wusste schon beim Abitur, dass ich nach oben will. Mein Vater war Vorstand, das hat mich wohl geprägt. Ich will gestalten und Freiraum haben. Dafür braucht man Macht. Früher war Macht für mich eher negativ belegt, heute weiß ich: Ohne Macht kein Freiraum! Außerdem wurde mir klar, dass man mit Elan und Einsatz allein nicht weiterkommt. Man muss sagen, was man kann! Deshalb bin ich aktiv auf Personalberater zugegangen. Die haben die richtigen Kontakte und wissen von Stellen, die nie in die Zeitung kommen. Welche Hindernisse mussten Sie überwinden? Die innere Einstellung einiger Vorgesetzter, die sich Frauen in hohen Führungspositionen nicht vorstellen können. Nachdem ich einmal daran gescheitert bin, kläre ich vorab, ob mein direkter Chef offen ist für Frauen in Führungspositionen. Hilft die Quote aufstiegswilligen Frauen? Ich bin kein absoluter Quotenverfechter, aber vermutlich ist es so. Denn anders funktioniert es nicht schnell genug. Ich sehe die Quote allerdings erst auf Geschäftsführer- und Vorstandsebene. FÜR SIE 09/2013 63
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