Das neue Helgoländer Papier – Aktuelle Herausforderungen der

Das neue Helgoländer Papier Aktuelle Herausforderungen der Windenergienutzung Sebas:an Willmann Braunschweig, 18. Juni 2015 Die Koordinierungsstelle Windenergierecht (k:wer) •  Forschungseinrichtung der TU Braunschweig •  universitäre Verankerung garan:ert wissenschaQliche Freiheit und Unabhängigkeit •  Ansprechpartnerin für sämtliche Rechtsfragen im Bereich des Windenergierechts Gesamtleitung Prof. Dr. Edmund Brandt GeschäQsführung Sebas:an Willmann, Ass. iur. SchriQleitung und Redak:on WER-­‐aktuell Prof. Dr. Bernd Günter
Koordinierungsstelle Windenergierecht
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Agenda I.
Einleitung II.
Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – formelle und inhaltliche Sicht III.
Bedeutung und Wirkung untergesetzlicher Regelwerke aus dogma:scher Sicht IV.
Konsequenzen für das Helgoländer Papier V.
Fazit Koordinierungsstelle Windenergierecht
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I. Einleitung •  Offene Fragestellungen in vielen Bereichen der Planung und Genehmigung von windenergierechtlichen Nutzungen •  Speziell: Artenschutzrechtliche Belange auf Raumplanungs-­‐ wie Anlagenzulassungsebene !  einerseits Gebietsschutz, etwa FFH-­‐ und Vogelschutzgebiete !  andererseits besonderer Artenschutz •  Verschiedentliche Versuche, Lösungen über „standardisierte Papiere“ zu erreichen oder zumindest Vorschläge und Ansätze dazu zu unterbreiten •  Ausprägungen: WindkraQerlasse, Empfehlungen, Hinweise, Leicäden •  Probleme: Verfasser der Papiere? Bindungswirkung der Inhalte? Koordinierungsstelle Windenergierecht
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II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus formeller Sicht •  Ausgangslage: seit 2011 laufende Überarbeitung und Fortentwicklung der bereits 2007 veröffentlichten Posi:onen •  Stand: Entwurfsfassung aus März/April 2015, zugleich „vorläufiger Abschluss“ •  Herausgeber: Länder-­‐ArbeitsgemeinschaQ der Vogelschutzwarten (LAG-­‐VSW) !  Vogelschutzwarten als Fachbehörden der Bundesländer für den ornithologischen Artenschutz; Zusammenarbeit über die die LAG !  in Nds.: Unterbehörde des Landesbetriebs für WasserwirtschaQ, der wiederum dem Landesumweltministerium unterstellt ist Koordinierungsstelle Windenergierecht
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II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus formeller Sicht •  Zusammenarbeit der Länderministerien über die Umweltministerkonferenz (UMK) als poli:schem Diskussionsforum; kein Gesetzgebungsgremium, vielmehr erfolgt eine Weichenstellung für einen möglichst einheitlichen Gesetzesvollzug in den einzelnen Bundesländern •  Vorbereitung der Sitzungen durch die jeweiligen Staatssekretäre, sog. Amtschemonferenz (ACK), sowie die Länder-­‐ArbeitsgemeinschaQ Naturschutz (LANA) •  „Verabschiedung“ durch die Länder-­‐ArbeitsgemeinschaQ Naturschutz (LANA) Koordinierungsstelle Windenergierecht
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II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers aus formeller Sicht •  Kenntnisnahme durch die ACK und UMK; teilweise kolpor:erte „Verabschiedung“ oder „Beschluss“ ist gerade nicht erfolgt, vielmehr könnte eine Distanzierung gegenüber dem Inhalt gewollt sein •  wörtlich:
„Die ACK nimmt den Bericht der LANA … zur Kenntnis.“ „Die ACK nimmt … zur Kenntnis, dass … vielfäl:ge wissenschaQliche Studien … vorliegen. … . Einheitliche Empfehlungen sind deshalb nicht möglich. …“ „Die ACK stellt fest, dass die Planungs-­‐ und Vorhabenträger … nachweisen können, dass sich WEA … nicht nega:v … auswirken. …“ Koordinierungsstelle Windenergierecht
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II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus formeller Sicht Zwischenfazit •  Als Urheber des Helgoländer Papiers zeichnet ein Teil der Exeku:ve und gerade kein (originär demokra:sch-­‐legimi:ertes) Gesetzgebungsorgan verantwortlich. •  Eine formale oder gar inhaltliche Verabschiedung oder Legi:mierung durch einen Gesetzgebungsorgan – etwa eine Landesregierung – liegt bis dato nicht vor. Koordinierungsstelle Windenergierecht
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II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus inhaltlicher Sicht •  Grund der Überarbeitung: !  steigende Zahl an WEA !  Auflösung des (vermeintlichen?) Widerspruchs zwischen Klimaschutz/Energiepoli:k und Biodiversität !  Fortentwicklung der Rspr. zu artenschutzrechtlichen Regelungen !  Fortentwicklung der naturwissenschaQlichen Erkenntnisse !  „Wind im Wald“ •  Problem: Wurde der Entwicklungsstand aus rechts-­‐ und naturwissenschaQlicher Sicht überhaupt hinreichend erfasst und abgebildet? Lassen sich die Zielsetzungen umsetzen bzw. erreichen? Koordinierungsstelle Windenergierecht
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II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus inhaltlicher Sicht •  Empfehlung von (Mindest-­‐)Abständen und Prütereichen •  2007: „Abstandsregelungen für WEA zu … Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ...“ !  Abstandsempfehlungen als Inhalt !  Zielsetzung: Abwägungsgrundlage auf der Ebene der Regional-­‐ und Bauleitplanung sowie Beitrag zu sachgerechten Entscheidungen im Zulassungsverfahren •  E-­‐2015: „Abstandsempfehlungen für WEA zu … Vogellebensräumen sowie Brutplätzen …“ !  nunmehr einheitliches Wording: der Inhalt entspricht der Form !  Zielsetzung: Anwendung im Genehmigungsverfahren sowie bei der Raumplanung !  eine zwischenzeitlich gewünschte Benennung als Fachkonven:on o.ä. ist „vom Tisch“ Koordinierungsstelle Windenergierecht
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10 II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus inhaltlicher Sicht Tabelle 1 Abstände zu bedeutenden Vogellebensräumen •  Differenzierung zwischen unterschiedlichen Gebieten, z.B. !  Europäische Vogelschutzgebiete – 10-­‐fache Anlagenhöhe, mind. 1.200m !  Haupflugkorridore zw. Schlaf-­‐ und Nahrungsplätzen von u.a. Greifvögeln – Freihalten !  überregional bedeutsame Zugkonzentra:onskorridore – Freihalten •  lediglich geringfügige Änderungen ggü. der Fassung aus 2007 Koordinierungsstelle Windenergierecht
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11 II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus inhaltlicher Sicht Tabelle 2 Abstände zu (einzelnen) Brutplätzen und Brutvorkommen (vermeintlich) windkraQsensibler Arten •  Differenzierung zwischen unterschiedlichen Spezies, z.B. !  Rotmilan – 1.500m Mindestabstand und 4.000m Prütereich (2007: 1.000/6.000) !  Baumfalke – 500m Mindestabstand und 3.000m Prütereich (2007: 1.000/4.000) !  Schwarzstorch – 3.000m Mindestabstand und 10.000m Prütereich (2007: wie vor) •  Abstandsverringerungen und -­‐vergrößerungen, Aufnahme neuer Arten (z.B. Großtrappe) sowie Encallen bisher als gefährdet/sensibel eingestuQer Arten (z.B. Raufußhühner) Koordinierungsstelle Windenergierecht
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12 II. Überblick: Die Entwurfsfassung des Helgoländer Papiers – aus inhaltlicher Sicht Zwischenfazit •  Als Urheber des Helgoländer Papiers zeichnet ein Teil der Exeku:ve und gerade kein (originär demokra:sch-­‐legimi:ertes) Gesetzgebungsorgan verantwortlich. •  Inhaltlich werden Empfehlungen ausgesprochen, wie Abstände zwischen einerseits Windenergieanlagen und Vogellebensräumen und andererseits zwischen Windenergieanlagen und Brutplätzen/-­‐vorkommen bemessen sein sollen. Koordinierungsstelle Windenergierecht
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13 III. Bedeutung und Wirkung untergesetzlicher Regelwerke aus dogma:scher Sicht Europa-­‐ recht Grundgesetz (Verfassungsrecht) Gesetze des Bundes Rechtsverordnungen des Bundes Gesetze und Rechts-­‐ Verordnungen der Länder Satzungen der Gemeinden und Landkreise Koordinierungsstelle Windenergierecht
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14 III. Bedeutung und Wirkung untergesetzlicher Regelwerke aus dogma:scher Sicht •  unmiwelbare Bindungswirkung und Verbindlichkeit (mit Außenwirkung) kommt einem Rechtssatz nur zu, wenn er in der Form einer Rechtsnorm im obigen Sinne konstruiert und erlassen wurde •  fehlt es daran, handelt es sich um ein bloß untergesetzliches Regelwerk, das Abwägungs-­‐ und Entscheidungshilfen beinhaltet, im Übrigen jedoch grundsätzlich kein Präjudiz erzeugt •  mitunter jedoch miwelbare Auswirkungen, etwa iFv. VerwaltungsvorschriQen, Erlassen, pp., die selbstverständlich behördliche Entscheidungen beeinflussen können (z.B. ermessenslenkende VerwaltungsvorschriQen) Koordinierungsstelle Windenergierecht
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15 IV. Konsequenzen für das Helgoländer Papier •  im Ausgangspunkt (nur) Abwägungs-­‐ und Entscheidungshilfe und damit ein schlichtes untergesetzliches Regelwerk: Verfasser wie Struktur des Papiers lassen aus dogma:scher Sicht keine anderwei:ge Einordnung zu •  keine „Verdichtung“, wie sie etwa für die TA-­‐Lärm angenommen wird •  d.h. es verbleibt zunächst bei dem Befund des bloßen Empfehlungscharakters Koordinierungsstelle Windenergierecht
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16 IV. Konsequenzen für das Helgoländer Papier •  aber: prak:sche Notwendigkeiten bedingen nach Ansicht der Rechtsprechung zumindest die Möglichkeit, untergesetzliche Regelwerke – neben dem Helgoländer Papier etwa WindkraQerlasse einzelner Bundesländer – als Maßstab oder Kriterium in den Abwägungs-­‐ und Entscheidungsprozess einfließen zu lassen •  aber: eben nur einer unter mehreren Ansätzen, wobei die Möglichkeit, im Einzelfall einen anderen tatsächlichen Sachverhalt oder eine andere rechtliche Bewertung belegen zu können, eröffnet bleiben muss Koordinierungsstelle Windenergierecht
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17 IV. Konsequenzen für das Helgoländer Papier •  VGH München, Urt. v. 18.06.2014 – 22 B 13.1358 Zitat: „Der VGH verkennt nicht, dass … [der] Bayrische WindkraQerlass keinen Rechtssatzcharakter hat. Rechtlich handelt es sich um an:zipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität.“ (Anmerkung: der Bayerische WindkraQerlass stammt aus dem Jahre 2011.) Weiter sinngemäß: „Die Abweichung von der Methodik des WindkraQerlasses bedarf eines fachlichen Grunds.“ •  BVerwG, Beschl. v. 16.09.2014 – 4 B 48/14 Sinngemäß: „Der VGH hat nicht den Rechtssatz aufgestellt, im Bayerischen WindkraQerlass sei die einzig mögliche Bewertungsmethode enthalten. Daher sei das Urteil nicht zu beanstanden.“ Koordinierungsstelle Windenergierecht
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18 V. Fazit •  Das Helgoländer Papier stellt im Ausgangspunkt eine bloße Empfehlung dar, der aus rechtsdogma:scher Sicht keine Bindungswirkung für eine behördliche Entscheidung zukommt. •  Die Rechtsprechung nimmt bis dato eine fehlende naturwissenschaQliche Durchdringung des Artenschutzes an, weshalb es bei der Beurteilung artenschutzrechtlicher Fragestellungen unterschiedliche Op:onen gebe. Eine solche soll im Abstellen auf Abstandsvorgaben zu erblicken sein. •  Der schlichte Empfehlungscharakter untergesetzlicher Regelwerke darf aus rechtswissenschaQlicher Sicht dabei jedoch nicht unterlaufen werden, der Nachweis eines tatsächlich veränderten Sachverhalts oder dessen Bewertung muss möglich bleiben. Koordinierungsstelle Windenergierecht
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