www.alpsommer-viehscheid.de Schutzgebühr 4 € Alpsommer Viehscheid 2014 Allgäuer Lebensart, Tradition und Freizeit & Allgäuer Tracht: Heimatgefühl zum Anziehen Handwerk Echtes Traditionsgewand nach alten Mustern Auch, wenn Trachtenmode diverser Ausprägung bei exklusiven Händlern und traditionellen Kleinbetrieben für gute Umsätze sorgt, gibt es Unterschiede zwischen authentischer Tracht und rein modischer Kleidung mit Trachtenelementen. Die Oberstdorfer Schneiderin Hilde Übelhör hat sich in ihrer Werkstatt der Maßanfertigung von Trachten nach eigenen Entwürfen, die auf historischen Vorlagen basieren, verschrieben Hilde Übelhör beim Vergleichen von Stoffmustern. Neben der eigentlichen Arbeit am Trachtengewand in ihrer Schneiderei, für die sie Nähmaschine sowie Nadel und Faden benötigt, machen auch die Vorauswahl der Materialien und die Beratung der Kunden einen wichtigen Teil ihrer Tätigkeiten aus 14 B einahe könnte man das kleine, etwas versteckt Schnittmuster zu verwenden, die auf traditioneller Basis liegende Geschäft in der Oberstdorfer Buind- beruhen, und dass regionale Unterschiede beachtet gasse mit dem Namen »Stilspezial« verpassen, werden.« So sehe zum Beispiel der Rückenausschnitt denn hier locken keine überdimensionalen Schaufeneines Oberallgäuer Trachtenkleides in Oberstdorf anster oder auffälligen Firmenschilder den Kunden ins ders aus als in Bad Hindelang. »Und das bekommt der Innere. Hilde Übelhör ist stolz darauf, dass ihre VerKunde von mir auch erklärt«, sagt die Schneiderin. kaufsräume und die Schneiderei der Arbeitsplatz einer Neben Trachtenmode für Damen, vom Dirndl bis zum Spezialistin sind, die sich aufs Wesentliche konzentriert: Rock, mit wertvoller Goldstickerei versehenen Miedern Trachten herzustellen, die so gefertigt sind, »wie es früoder passenden Trachtenschürzen finden sich hier auch her schon war«, und auf Schnickschnack, der mehr verStücke für Kinder sowie Joppen, Jacken und Hosen für fälscht als bereichert, verzichten zu trachtenbewusste Herren. Um deren können. »Ich arbeite schon seit 27 JahHerstellung kümmert sich wiederum »Man braucht viel ren als Trachtenschneiderin«, erklärt Robert Gubincsik exklusiv. Bei der Liebhaberei und die Oberstdorfer Handwerkerin. »Für Arbeit an neuen Einzelstücken betrachLeidenschaft« diese Tätigkeit braucht man viel Liebtet Hilde Übelhör das Einfühlen in die haberei, bis ein Geschäft draus wird – Kunden und das Berücksichtigen ihrer und Leidenschaft«, sagt sie. Angefangen habe sie mit Wünsche als Herausforderung: »Schließlich muss man Maßanfertigungen nach eigenen Entwürfen, die sie in herausfinden, was der Kundin oder dem Kunden gefällt kleinerem Rahmen an Privatkunden verkauft habe. oder nicht«, sagt sie. Einen besonderen Stellenwert habe Auch heute noch legt sie Wert darauf, dass die Klei- die Herstellung des Schnittes: »Es müssen die Propordungsstücke aus ihrer Werkstatt persönliche und vor tionen des Körpers mit einbezogen werden, zum Beiallem authentische Gewänder sind: »Es ist mir wichtig, spiel, wie ebenmäßig ist der Körperbau oder gibt es Alpsommer & Viehscheid 2014 Fotos: Marius Lechler; Ursula Henn, Waltenhofen Besonderheiten, die beim Schneidern zu beachten sind.« Es handle sich eben um ein ganz persönliches Kleidungsstück, das hier entsteht. Im Gegensatz zu einem einfachen Kleiderkauf sei die Entscheidung für eine Tracht ein ganzer Prozess. »Das geht vom ersten Kennenlerngespräch, wo ich zum Beispiel beitrage, was mir an der Kundin auffällt, über deren persönlichen Geschmack bis zum Zeitpunkt, zu dem das Dirndl dann fertiggestellt ist«, führt die Schneiderin aus. Und die Kunden arbeiteten gern aktiv an »ihrem« Gewand mit, sie empfänden dies als tolles Erlebnis. »Und außerdem: Wer zu mir kommt, hat meist schon irgendwo eine Idee für seine Tracht im Kopf«, fügt Hilde Übelhör hinzu. Bei den Arbeitsschritten vom Konzept bis zum fertigen Kleindungsstück – zum Beispiel für ein Mieder – geht die Schneiderin methodisch vor. Die Körpermaße, die sie erst auf Papierstücken aufgezeichnet hat, werden von ihr auf den Futterstoff übertragen. Nach dem vorbereiteten Futter schneidet sie den Oberstoff zu und bereitet eventuell einzufügende Einlagen vor. Mit farbigem Garn werden ebenfalls die Markierungen, die sich auf Alpsommer & Viehscheid 2014 Ganz oben: Für männliche Kunden, die Wert darauf legen, sich authentisch zu kleiden, fertigt Robert Gubincsik das Passende. Oben: Die Auszubildende Bernadette Rothmayr arbeitet an einem handgefertigten Mieder mit Rückenstickerei Handwerk Oben: Hilde Übelhör stellt für Kundinnen, die sich eine individuelle Tracht schneidern lassen wollen, eine persönliche und in gemeinsamen Gesprächen erarbeitete Stoffauswahl zusammen dem Futter befinden, auf den Oberstoff übertragen. aus denen diese Trachtengewänder entstehen, die aufDiese helfen, bei der Anprobe die korrekte Passform zu gewendete Zeit, während der sie in reiner Handarbeit erzielen. geschneidert werden, und vor allem die Qualität der Bei den Stücken aus der Fertigung von Hilde Übelhör fertigen Stücke seien auch die Gründe dafür, dass sie kommen oft wertvolle Materialien zum Einsatz – ganz sich in einem höheren Preisrahmen als Exemplare »von originalgetreu nach historischen Allgäuer Vorlagen, die der Stange« bewegten. »Dafür weisen diese Trachten sie als Inspiration nutzt: »Ich bin der Überzeugung, dass dann aber auch eine gewisse Wertigkeit auf«, erklärt sie. alle Zubehörteile dem entspreDie Trachtenschneiderin, die »Ohne Recherche kann ich chen sollten, wie sie auch zu von sich selbst sagt, dass sie eher früheren Zeiten authentisch vermeine Arbeit nicht machen« zu den »Geheimtipps« zählt, wendet wurden«, sagt sie. Dies führt an, dass Interessenten bis setze voraus, sich die geschichtlichen Aspekte der Allheute überwiegend durch Mund-zu-Mund-Propaganda gäuer Tracht anzueignen. »Dazu ist Kenntnis notwenzu ihr fänden. Sie könne aber einen großen und treuen dig und Recherche. Ohne Recherche kann ich meine Stammkundenkreis im Umkreis von bis zu 50 KilomeArbeit nicht machen«, meint die Schneiderin. tern um Oberstdorf vorweisen. Neben zahlreichen nach Vorlagen aus überlieferten BeEine weitere Tätigkeit von Hilde Übelhör ist die Resständen oder historischen Archiven gefertigten Stoffen tauration historischer Trachtenteile – eine spezielle und Details wie Webborten, Litzen, Silberknöpfen und Herausforderung, da man hier sehr sorgsam mit dem Verschlussteilen gehört die aufwendige Goldstickerei bestehenden Stück umgehen müsse. Als Trachtenauf den in reiner Handarbeit erstellten Damenwesten schneiderin mit Hang zum Traditionshandwerk sehe und Miedern zu den kostbarsten Elementen einer au- sie sich auch als kulturelle Bewahrerin: »Ich denke thentischen Tracht. Diese lasse sie für ihre Trachten schon, dass ich eine gewisse Verantwortung habe, dazu extern bei einer Expertin für Original Allgäuer Stickarbeizutragen, dass diese Kleidungsstücke so bleiben, Marius Lechler beiten anfertigen, so Hilde Übelhör. Die Materialien, wie es bei uns gehört«, sagt sie. • Rechts: Die Auszubildende Paula Kleiner kümmert sich um ein Trachtenmieder mit wertvoller Goldstickerei. Alle Arbeitsschritte in Hilde Übelhörs Schneiderei werden noch in Handarbeit und mit größter Sorgfalt ausgeführt. Ganz rechts: die Trachtenschneiderin aus Oberstdorf mit ihren Entwürfen und Mustern. Viele Anregungen für ihre Stücke entstammen alten Vorlagen Ein Reich der edlen Stoffe und Spitzen In den Oberstdorfer Verkaufsräumen von Hilde Übelhör können Kundinnen und Kunden Inspirationen für die Wahl des passenden Trachtengewandes sammeln. Die Schneiderin berät dabei gern mit ihrem Fachwissen. Kontakt unter: Stilspezial – Hilde Übelhör, Buindgasse 3, 87561 Oberstdorf, Tel. 08322/988328, E-Mail: [email protected], www.stilspezial.de 16 Alpsommer & Viehscheid 2014
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