Grabsteine in der Gernsbacher St.-Jakobs-Kirche Von H e i n r i c h L a n g e n b a c h , Gernsbadi Im antiken Chor der St.-Jakobs-Kirche zu Gernsbach, welcher im frühgotischen Stil die Erinnerung an die älteste katholische Kirche der Stadt wachruft, sind in der Ostwand des Chores vier Grabplatten zur Aufstellung ge langt, die stets das Interesse der Kirchen besucher hervorrufen, jedoch nur in den wenigsten Fällen als das erkannt werden, was sie eigentlich sind. Das im gleichen Chorraum zur Aufstellung gelangte Grabmal des ebersteinischen Grafen Wilhelm IV. und dessen Gemahlin Johanna von Hanau, die beide sich um die Einführung der Reformation verdient machten, lenkt oft die Besucher in die Geschichte der Grafen von Eberstein, mithin werden die anschlie ßenden Grabsteine ebenfalls als „ebersteinische“ gedeutet (Abb. 6). Zwei weitere Epitaphien sind zu beiden Seiten des Kirchenhauptportals in die West wand eingelassen. Alle Grabsteine, die hier beschrieben wer den, unterscheiden sich von älteren Grab steinen ändern Orts, sind aber untereinander auffallend ähnlich in Größe, Stil, Schmuck und Textanordnung. Einige tragen zu H äupten das Familienwappen oder sind als Murg schifferschaftsangehörige oder Ratsverwandte zu erkennen. Reizend hat man auf einen Stein in dichterischer Form den Lebenslauf des Toten zu beschreiben gewußt. Im Nachstehenden sollen die vielfach als „unleserlich“ bezeichneten Inschriften aller Epitaphien ihre Aufklärung erhalten. Die beiden Grabplatten am Kircheneingang erinnern in kaum noch lesbarer Schrift an den ehemaligen evangelischen Pfarrgeistlichen Laurentius Schick, welcher von 1730 bis 1766 als Seelsorger in Gernsbach amtierte und im Alter von 84 Jahren auf dem alten 330 Beerdigungsfeld, das sich rings um die Kirche herumzog, zur letzten Ruhe gebettet wurde. Ein Kelch zu Häupten des verwitterten Steines weist auf den „Pfarrer“ hin. Das Pendant auf der linken Eingangsseite ist der Grabstein von Frau Pfarrer Elisabeth Schick, f hier 1765. Der Barockstil beider Steine be stätigt die Beerdigungszeit. Da die G ruft platte von Laurentius Schick (Abb. 1) lange Zeit im Freien lag, wo vom Dach der Kirche der Regen ein etwa 15 cm im Durchschnitt messendes und 4 cm tiefes Loch ausgehöhlt hat, ist dieses also die Folge eines natürlichen und gut zu erklärenden Vorganges und kein Kanonenkugeleinschlag. Die Volksphantasie rankt sich immer noch um das tiefe Loch und weiß Schauergeschichten aus der Franzosenund Freischärlerzeit zu berichten. In der Mitte des nach Osten gerichteten Chores ist ein mächtiger Grabstein in die W and eingelassen, dessen ebenso reichhaltige wie interessante Inschrift neuerdings lesbar gemacht worden ist (Abb. 2). Im halbrunden Kopfstück lesen wir: „Jesu zu Lob und Pris — geh, ~Wandersmann hier nicht vorbei und lies, wer hier begraben sei.“ „Neben diesem Steine, ruhn die Gebeine der edlen, Hochehr- und tugendbegabten Frau Ursula . . . Herrn M. Elias Zeiters, fürstl. wiirttembergischen Landschaftsrats und Prä laten zu Herrenalb und Alpirsbach Ehefrau Johanna, beider geliebten Tochter, erstmals Herrn Philipp Obrechts, Schiffer und Ge schworener Sechser der löblichen Schiffer schaft zu Gernsbach, sodann nach dessen seligen Ablebens Herrn Johann Martin Kriegens — auch daselbst Schiffer / in die X X X I V Jahr gewester getreuen Hausfrau / gleichfalls durch Gottes Segen aus erster Ehe Abb. 1. Grabmal des Pfarrers Laurentius Schick phot. Zipprich 331 Abb. 2. Grabmal der Frau Ursula Zeiters und andere 332 phot. Zipprich Abb. 3. Grabmul von Johann Heinrich Obrecht phot. Zipprich 333 InÖIISErS ilACf BSKIüCH EtsiRU H E N i N ig«s™Hte d O T T V iE P ilfB ^ K lK D E R y O N D iM r h C K ; ssBÄib SP®»! Abb. 4. Grabmal der vier Kinder des Med. Dr. Goeckel etc. phot. Zipprich 334 Abb. 5. Grabmal Georg Hainzmann und Anna Maria Kriegin in Gernsbach phot. Zipprich 335 Gegen G ott im Himmel from und glaubens reich / gegen ihren Eheherren und Kinder liebereich / gegen Arme und Dürftigen mildereich / gegen Männigliche verträglich und friedereich / in N ot und Tod standhaft und siegreich Drum trägt sie nun die Lebenskron, die ihr erworben Gottes Sohn. Der Leib liegt hier bedecket, bis G ott ihn auferwecket. Seiner herzgeliebten M utter setzt dieses Ehrengedächtnis Johann Heinrich Obrecht, fürstl. markgräfl. durchlauchtester KammerRat im Jahre Christi M D C L X X V (1675).“ Der Sockel berichtet uns weiter: „Jetzt weißt Du, wer hier liegt. Geh, Leser, nun von hinnen — wünsch ihrem Leichnam sanfte Rast und trachte gleiches Lob durch Tugend zu gewinnen, wie Du von ihr gelesen hast . . Neben diesem Stein, zur Linken, ist der mit aufschluß reicher Heraldik geschmückte Grabstein von Johann Heinrich Obrecht, dem Sohn der Vor erwähnten, aufgestellt (Abb. 3). Er berichtet uns, daß der „von Gnaden weiland kaiser licher Majestät hochverordnet gewester Cam mer-Rat der vorderösterreichischen Lande, vordem vieljähriger fürstl. markgräfl. bad. Rentkammer und Debutationsrat, welcher 1634 zu Gernsbach geboren und 1685 daselbst aus diesem Leben zur ewigen Himmelsfreud durch einen seligen Tod abgefordert und hier her zu seiner Ruhestatt gebracht worden . . .“ Abb. 6. Grabmal des Grafen Wilhelm IV . und der Gräfin Johanna in Gernsbach dreien Söhne und zweier Töchter / fröhlicher Kindes Mutter — in der letzten Ehe eine Tochter / hat in dieser W elt gelebt 70 Jahr, weniger 1 Monat. 336 Der Leichentext umrahmt den Stein. Auf der Chorsüdseite neben dem niedlichen Chorpförtchen kündet ein Grabstein ein ganzes Familienschicksal. Besonderer Wappenschmuck ziert den Stein. Nach dem Text zu urteilen, lag dieses Grab (vielleicht auch die vorgenannten) innerhalb der Kirche (Abb. 4). „In dieser St. Jakobskirche ruhen in Gott 4 liebe Kinder des hochedelgeborenen Herrn Christian Göckel, med. Doktor und 20jähriger fürstl. Geheimer Rat, Leib- und Oberlandmedico mit seiner Eheliebsten Frau Dorothea Felicitas, einer geborenen EisenerzEugetals: Ludwig 'Wilhelm geboren zu Rastatt und ge storben 1707, hierher begraben. Carl Philipp, ein Zwilling geboren zu Baden-Baden und 1712 gestorben, hierher begraben. Johann Carl, der ander Zwilling gestorben 1714, hierher begraben. Jungfer Sybille Sophia, geboren zu N ürn berg 1706, gestorben zu Rastatt 1720, hier her begraben.“ Die Aufschrift schließt gleichfalls mit dem Leichentext. Neben diesem Stein hält die im Spät renaissancestil gehaltene G ruftplatte die Er innerung an die ehemalige Murgschiffer familie Hainzmann wach (Abb. 5). „A N N O C H R IST I M D C X X X V auf Georgi / ist in G ott entschlafen. Georg Hainzmann, gewester Bürger, Ge schworener und Schiffer auch (Angehöriger) des Rats und Gerichts, Vormund allhier / in dem X X X I X . Jahr seines Alters. Dessen liebe Hausfrau Anna Maria Krieg, den 13. September anno 1633 auch selig ver schieden, Geboren M D C “. Beide Ehegatten verschieden im selben Jahr 1635. Eine Kurznachricht aus der Stadt chronik von Gernsbach vermittelt uns dar über, daß die Eheleute Hainzmann beim Einmarsch feindlicher Truppen ums Leben kamen und mit ihnen die Honoratioren familie der einst sehr begütert gewesenen Hainzmanns ausgestorben sei. Ihre 5 Kinder gingen ihnen im Tod voraus und starben in den Jahren 1619, 1622, 1626, 1628, 1633. Alle trugen den tödlichen Keim des „Schwarzen Todes“ — der Pest — in sich. Das Elternpaar schloß eine zu jener Zeit ge stattete Frühehe (um den durch Krieg und Pestillenz erlittenen Geburtenverlust in der Grafschaft Eberstein aufzuholen). Er war 20 und sie 18, als sie den Bund fürs Leben in der Sankt-Jakobs-Kirche geschlossen haben. Ein stadt- und kirchengeschichtlich gleich wertvolles Epitaph stellt das Grabmonument des ebersteinischen Grafen Wilhelm IV. und seiner Gemahlin Gräfin Johanna von Hanau dar (Abb. 6). Es befindet sich nicht mehr an der ursprünglichen Stelle — erst nach dem Kirchenumbau in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde es nach der Chorwand zur linken Seite des Altars ge rückt. Auf einem großen nischenhaft vertief ten Stein treten die Gestalten der gräflichen Herrschaften in guter Reliefarbeit hervor. Beide Ehegatten stehen mit gefalteten H än den nebeneinander. Graf Wilhelm in der Rüstung des 15. Jahrhunderts, mit reich be fiedertem Helm und einem langen, zwiefach geteilten Bart. Gräfin Johanna im Falten gewand, mit dem Witwenschleier (ein H in weis, daß die Gräfin-Witwe die mutmaßliche Stifterin des Denkmals ist). Im Fußsockel erkennen wir die Wappen von Eberstein und Hanau. Die Inschrift ist rings um den Stein auf den Bildrahmen gesetzt und lautet: „Wilhelm Graf zu Eberstein, des schwäbi schen Kreises Oberster, regiert dreißig und sechs Jahre und starb seines Alters Sechssech zig Jahr, als man zählt Tausend, Fünfhun dert, sechzig und zwei Jahr. Johanna, Gräfin zu Eberstein, geborene Gräfin zu Hanau-Lichtenberg, Ihrer Gnaden Gemahl — ihres Alters Sechsundfünfzig Jahr und starb als man zählt Tausend Fünfhun dert Siebenzig und zwei, den 27. Januarii.“ Auf der Leiste zu Füßen der Figuren steht: G ott verleihe Ihnen eine selige Auferstehung. Oben, zu H äupten befindet sich ein Stein metzzeichen auf einem Wappenschild. Eine Porträtähnlichkeit läßt sich nicht nachweisen, zumal der Grabstein zehn Jahre nach des Grafen Tod gefertigt wurde. G raf Wilhelm IV. und Gräfin Johanna von Hanau-Lichtenberg waren der Refor mation zugetan und unterstützten ihre Ein führung in Gernsbach und wurden das H aupt der protestantischen Linie der Eber steiner, während sein jüngster Bruder, Hanns Jakob I., das H aupt der katholischen Linie wurde. Wie nüchtern erscheinen uns dagegen die heutigen Grabsteine. Vergleichen wir den heutigen Lebensstandard mit dem aus jenen Tagen, so müssen wir offen zugestehen, daß man damals im umgekehrten Verhältnis zum Einkommen seinen Verstorbenen ein wür diges Denkmal zu setzen wußte. Der Stein metz, welcher dazu den Auftrag erhielt, hatte es nicht leicht, den Wünschen nachzukommen — meist deshalb, weil man ihm allein das Studium der Familienwappen überließ. In nur wenigen Fällen dürfen wir daher die Grabsteinheraldik authentisch bezeichnen. Die Margaretenkapelle - letzter Zeuge des Dorfes Eichelbach Von H e i n z B i s c h o f , Rastatt Die schmucke Pfarrkirche des Dorfes Muggen sturm bei R astatt konnte im vergangenen Jahr ihr fünfzigjähriges Jubiläum feiern. D er wie ein großer Finger mächtig gen Himmel sich redeende stattliche Turm dieser spätgotischen und prächtig ausgestalteten Kirche grüßt von weitem schon den Durchfahrenden auf den Straßen, dem brei ten D oppelband der Autobahn, die in schwung vollem Bogen an der Peripherie des Dorfes vor überzieht, wie auch den beiden Straßen, die von N ord nach Süd führend, als alte K aufm anns und H andelsstraßen bekannt, das D orf westlich und östlich einrahmen. Fünfzig Jahre, welch kurze Zeit, wenn man sie an jenem Kleinod m ißt, das an der Straße Muggensturm—Kuppenheim still und verträum t hinter moosigen Friedhofsmauern liegt. Trutzig schaut der gedrungene viereckige Turm dieses Kirchleins über die M auern und Gräber hinweg, letztes Bollwerk einer Zeit, der alle H ast und H etze fern lag. U nd doch hat auch dieses Kirchlein seine Ge schichte. Es blieb der Zeuge eines Dörfleins, dessen M auern verfallen oder abgetragen, dessen U rkunden und Akten verloren, zumindest sich in Archiven verzogen haben, dessen Nam en aber nur noch in jenem trüben Wässerlein vorhanden blieb, das als stinkender Bachgraben, von Pap peln umsäumt zum D orf hinzieht. Als man aber noch von dem D orf Eichelbach sprach, da muß dieses Bächlein, das dort in den „Landsee“ mündete und von den H ängen des 338 Eichelberges kam, ein ansehnlicheres, vor allen Dingen freundlicheres Gewässer gewesen sein. Um das Jahr 1351 fand man eine Niederschrift dieses Dorfes m it einem Siegel, das einen eigen ständigen Pfarrherren von Eichelbach angab. H erren über Land und D orf aber waren die G ra fen von Eberstein. Zum Einzugsgebiet dieser Pfarrei gehörten „M ugetsturm“ und „Oberinvilre“, die beiden heutigen O bstbauerndörfer Muggensturm und Oberweier. Soweit reichte auch die Gemarkung dieses Dorfes. Fürwahr, wenn man als W anderer diese Gegend durch forscht, ein m it irdischen G ütern einstmals reichgesegneter und wohlangesehener Flecken. Was aber mag zu seiner frühen öd un g geführt haben? Man muß wissen, daß im Westen dieses D örf leins der „Landsee“ lag. Dieser See, der bis nach Sandweier reichte, wurde sehr spät, im 16. Jahr hundert von den Randgemeinden trockengelegt. Dieser Landsee w ar ein verbreiterter Teil des sogenannten Kinzig-Murgflusses, der im Feder bach seinen ersten Abzug zum Rhein hin fand. Die Gemarkung dieses Dörfchens lag also zw i schen Landsee und Vorbergzone, bestand aus angeschwemmtem Kies- und Sandboden, sowie aus Löß und Lehm. So verlangte diese Land schaft schon einen besonders hohen Stand der Ackerbewirtschaftung. M it der herkömmlichen D rei-Felderwirtschaft sowie der Weide- und Wiesenbewirtschaftung konnten oftmals, nam ent lich in trockenen Jahren nur sehr karge Erträge erzielt werden. Nach der pflichtmäßigen Ab-
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