Marke zwischen Emotion und Kalkül Jane Marie Scheider

Journal für korporative Kommunikation - Ausgabe 1/2016
MarkezwischenEmotionundKalkül
JaneMarieScheider
EineMarkeerweistsichalsäußerstvielschichtigesKonstrukt,welchesvonUnternehmenundKonsumentengeneriertundmitBedeutungangereichertwird.DieMarkegewinntimHinblickaufdenderzeitigenWandelvonGesellschaftundUmweltanBedeutungundfungiertimmermehralsAnker.Dies
istsoweitreichend,dassMenscheninBeziehungenmitMarkentretenundMarkenvonMenschen
geliebtundgelebtwerden.DasZieleinerjedenerfolgreichenMarkeistes,eineintensiveundgefestigteBindungzwischenihrunddemKonsumentenherzustellen.ZentraleBestandteiledieserBindung
sindVertrauenundZufriedenheit.DochwiegenaukönnendiesebeidenPhänomenedefiniertwerden?
VertrauenundZufriedenheitsindseitjeherGegenstandderwissenschaftlichenLiteraturunddiversen
Forschungen.EineeinheitlicheKonzeptiondesVerständnissesstehtabernochaus.UmderFrage
nachderDefinitionundderRelevanzvonVertrauenundZufriedenheitinderMarke-Kunde-Beziehung
indieserStudienachzugehen,liefernzunächsttheoretischeGrundlageneinVerständnis.Daraufhin
wirdanhandzweierqualitativerGruppendiskussionendieForschungsfrageempirischuntersucht.Eine
MarkeistsowohlgeprägtvonEmotionalsauchvonKalkül.DasIndividuumträgtmithilfeeigener
HandlungsstrategienzudemEmpfindenvonZufriedenheitundzudemAufbaudesVertrauenszu
MarkenbeiundsehntsichnacheinergefestigtenMarke-Kunde-Beziehung,dieinderkomplexenWelt
desKonsumszurOrientierungdientundeinerstrebenswertesZieldarstellt.
Einleitung
„Theultimategoalofmarketingistogenerateanintensebondbetweentheconsumersandthe
brand,andthemainingredientofthisbondistrust“
(Hiscock,2001,S.32)
DieGenerierungvonVertrauenstellteinerelevanteundgleichzeitigkomplexeAngelegenheitdar.
NebenderKomplexitätdesVertrauenserweistsichauchdasPhänomenderZufriedenheitalsvielschichtigesKonstrukt.Häufigwirdangenommen,dassVertrauenundZufriedenheitzentraleGrößen
fürdieBedeutungvonMarkenundfürdenAufbaueinerMarke-Kunde-Beziehungsind,weshalbdas
einleitendeZitatumdenBestandteilderZufriedenheiterweitertwerdenkönnte.AusderPerspektive
derMarkenkommunikationstelltdieemotionaleKundenbindungdenerfolgversprechendstenAnsatz
dar,denndortwird„dieBindungdesKundenandasUnternehmenundseineLeistungendurcheinen
sehrhohenZufriedenheits-undVertrauensgraderreicht“(Bruhn,2009,S.102).Ungeklärtbleibtjedochoft,wasgenauVertrauenundZufriedenheitzueinerMarkeausPerspektivedesKonsumenten
sindundinwieferndieBegriffeähnlichePhänomeneabdecken.WieVertrauenundZufriedenheitin
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derGesellschaftinnerhalbkommunikativerProzessebeiProduktenundDienstleistungenkonstruiert
werden,welcheemotionalenErfahrungenoderrationalenEntscheidungendemeigentlichzugrunde
liegenundobdieMarkedabeitatsächlichzwischenrationalgeprägterZufriedenheitundemotional
geprägtemVertraueneinzuordnenist,wirdindieserStudieuntersucht.
DieEinheitvonKonsumentundLieblingsmarkeähnelteinerGemeinschaft,dieschützens-
wertistundvondersowohlMenschalsauchMarkeprofitierenkönnen(vgl.ARD-Forschungsdienst,
2015,S.533).Markenwerdennichtnurgekauft,siewerdenaufgrunddermitihnenverbundenen
EmotionenvondenKonsumentengeliebtundgelebt(vgl.Fournier,1998,S.367).DasInteressean
derThematikdesKonsumentenverhaltensistbesondersaufdiestetigwachsendeUnsicherheitder
KonsumenteninkomplexenEntscheidungssituationenbeimKaufzurückzuführen.Immermehrund
immerinnovativereProdukteamMarktsowieeinewachsendeKomplexitätsindAuslöserderUnsicherheit(vgl.White,2005,S.141).„Consumershavetomakemorecomplexdecisionsthanever
beforewithmorealternativesandlesscertaintyaboutproductandserviceperformance“(White,
2005,S.141).DasVertrauendientdemKonsumenteninderEntscheidungssituationdazu,dieUmweltkomplexitätundgleichzeitigdieUnsicherheitenzureduzieren(vgl.Morgan&Hunt,1994,S.26).
WährenddieMarkeunddadurchdasUnternehmenvonderMarke-Kunde-Beziehungprofitiert,erfährtauchderKonsumentVorteiledurchdieBindung:PositiveErfahrungenmitderMarkesteigern
dasVertrauenunddieZufriedenheitdesNachfragers.DabeidientdieLieblingsmarkealsAnkerund
gewinntanBedeutsamkeit(vgl.Burmann&Halaszovich&Hemmann,2012,S.77).
Marke-Kunde-Beziehung
„BeziehungenmitanderensindeinewichtigeGrundlagefürdasErlebenvonEmotionen“(ARDForschungsdienst,2015,S.533).MenschentretennichtnurinBeziehungenmitanderenMenschen,
siegehenüberdiessogareineBeziehungmitMarkenein(vgl.ARD-Forschungsdienst,2015,S.533).
DieBeziehungberuhtaufeinerlangfristigenVerbundenheitdesKonsumentenmitebendieserMarke.DieseVerbundenheitwirdsubjektivwahrgenommenundweistkognitiveundaffektiveMerkmale
auf(vgl.Burmann&Halaszovich&Hemmann,2012,S.74).Giddens(1996)definiertBeziehungenals
BindungenaufderGrundlagevonVertrauen,welcheseineswechselseitigenProzessesderSelbstoffenbarungbedarf(vgl.Giddens,1996,S.152).Fournier(1998)kommtgarzuderErkenntnis,dassdie
Marke-Kunde-BeziehungfürdenMenschennebenderfunktionellenaucheinepsychosozialeBedeutunghabenkann,dieüberreinhabitualisiertesWiederkaufverhaltenhinausgeht.KonsumentenentscheidensichnichteinfachfüreineMarke,sieentscheidensichfürbestimmteLebensweisen,die
dieseMarkefürsieverkörpert(vgl.Fournier,1998,S.367).EineStudiedesARD-Forschungsdienstes
konnteherausarbeiten,dassVertrauenundIdentifikationmitderMarkeTreiberfürpositiveMarkenbeziehungensind.DarausergebensichdieKonsequenzeneinerhöherenSelbstverpflichtungge-
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genüberderMarkesowiedieBereitschaft,einenhöherenPreisfürdieMarkezuzahlen.Außerdem
sindFolgennegativerInformationenüberdieMarkewenigerfolgenschwer,jegefestigterdieBeziehungzuderMarkeist(vgl.ARD-Forschungsdienst,2015,S.533f.).Esentwickeltsich„(...)eineenge
emotionaleVerbundenheitundgleichzeitigdieMotivation,dieMarkeauchin,schlechtenZeiten’zu
unterstützen“(ARD-Forschungsdienst,2015,S.535).DarüberhinausfördertdieMarke-KundeBeziehungdieEmpfehlungsbereitschaftderKunden,welchedergrößteEinflussfaktorinBezugauf
KonsumentenmeinungenhinsichtlicheinerMarkeunddemdahinterstehendenUnternehmendarstellt.DiesespersonelleVertrauengewinntinderheutigenZeitaufgrunddeshäufigausgeschöpften
VertrauensderIndividuenhinsichtlichderUnternehmenskommunikationanBedeutung(vgl.Weber
Shandwick,o.J.,S.16).
EmotionenundRationalität
EmotionenundRationalitätwerdenandieserStelleimKontextvonHandlungenundKommunikation
sozialerAkteurebetrachtet.DabeisinddieAkteurstypologiendesnutzenorientiertenHomooeconomicussowiedesnormenorientiertenHomosociologicusnichtalszweivoneinandergetrennteMenschenbilderanzusehen.SowohlrationalerAntriebalsauchemotionaleMotivesteuerndasHandeln–
beideTheoriekonzeptegreifendabeiübereinander.Dennochsetzensich,jenachKontext,malmehr
undmalwenigerrationaleoderemotionaleTreiberdurch(vgl.Rommerskirchen,2014,S.309f.).
Emotionen,BedürfnisseundWünschederIndividuenwerdendurchdasEmotionalBranding
angesprochen.MitEmotionenaufgeladeneMarkenhabeneinensignifikantenEinflussaufdieKonsumentenunderzielenlangfristige,stabileVerbundenheitzwischenMarkeundMensch(vgl.Rostomyan,2014,S.120).
AlsspezifischeFormzurErklärungvonindividuellen,rationalenHandlungeninderGesell-
schaftdienendieRationalChoice-Theorien.EinBeispieldieserTheorienistdasGefangenendilemma.
DerFokusliegtaufderBegründungrationalerEntscheidungenimHinblickaufeinenKonflikt,indem
sichdieNormendesKollektivssowiedieHandlungszieledesEgoistengegenüberstehen(vgl.Rommerskirchen,2014,S.241).VertrauenwirdhieralsrationalgeprägtundsomitalskalkulierbareAngelegenheitdefiniert(vgl.Hartmann,2011,S.473).InnerhalbderGesellschaftgehtesletztendlichimmerumdasLösenvonProblemen,mitdemZieleinespositivenAusgangsfüralleAkteuredurchInteraktionen(vgl.Homann,2014,S.83).
ZweiBeispielefürdasKaufverhaltenvonKonsumentensindderImpuls-undderInvol-
vementkauf.DerImpulskaufstehtbeispielhaftfüremotionales,unbewusstesKaufverhalten.Der
KonsumunterliegtkeinerBeeinflussungkognitiverProzesse(vgl.Trommsdorff&Teichert,2011,S.
298ff.).DerInvolvementkaufhingegenistgekennzeichnetdurchriskante,prägendeundneueKaufentscheidungsprozesse.InformationenwerdenaufgenommenundalsWissenangewandt.DieKaufentscheidungwirdnachdemAbwägenverschiedenerKriterienundmöglicherAlternativengetroffen
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(vgl.Trommsdorff&Teichert,2011,S.288).
VertrauenundZufriedenheit
NunwerdendieVerständnissederDefinitionenvonVertrauenundZufriedenheitalsgenerelleKonzeptenäherbetrachtetundschließlichimkonkretenZusammenhangmitMarkenerläutert.
„WerVertrauenerweist,nimmtZukunftvorweg“(Luhmann,2000,S.9)heißtesbeiLuh-
mann,aufdessenpopuläreDefinitionvonVertrauenandieserStellenähereingegangenwird.Der
Vertrauensgeberhandeltdemnachso,alsseiersichsicherüberdas,waszukünftiggeschehe.ErbetrachtetVertrauenalswirksamesMittelzurKomplexitätsreduktiondesIndividuums.VertrauenerweitertdemnachdieMöglichkeitendesErlebensundHandelns(vgl.Luhmann,2000,S.8f.).Dabei
betontLuhmanndieGegenwartsbezogenheitvonVertrauen.LediglichimJetztkannVertrauengewonnenundauchbewahrtwerden.WederindieZukunftnochindieVergangenheitausgerichtet
kannVertrauenerwecktwerden(vgl.Luhmann,2000,S.13).DeshalbdefinierterVertrauenalseine
riskanteVorleistung(vgl.Luhmann,2000,S.27).Eswirdangenommen,dassdasmöglicheRisikound
dieGründedesVertrauensnichtvordemHintergrundrationalerAbwägungenstattfinden.Besonders
wennVertrauenunterannäherndsicherenAnnahmenerwiesenwird,istkeinBewusstseinsaufwand
erforderlich.DieBewertungderspezifischenEntscheidungdesVertrauensoderNicht-Vertrauensist
rückblickendmöglich,imMomentderEntscheidungistdiesesWissenjedochnochnichtvorhanden.
LetztendlichistVertrauennichtfundiertbegründbar,dennesisteinZusammenspielausWissenund
Nicht-Wissen(vgl.Luhmann,2000,S.29ff.).Vertraueniststetsrisikobehaftet,wasjedochunterden
spezifischenVoraussetzungeninKaufgenommenwird.DenndurchVertrauenentstehtdieMöglichkeitvonnahezusicherenErwartungen,wasdasempfundeneRisikoschmälertunddieKomplexität
vonOrganisationenreduziert(vgl.Herger,2006,S.28).
DieKomplexitätsreduktionvonVertrauenführtBierhoff(1984)aufdieUnmöglichkeitzurück,alle
sozialenSituationenundHandlungsweisenüberschauenzukönnen.DarausergibtsichdieNotwendigkeit,auchInformationenanzunehmen,derenGehaltanWahrheitfraglichundungewissist(vgl.
Bierhoff,1984,S.224).
VertrauenwirdnachMorganundHunt(1994)wiefolgtdefiniert:„Weconceptualizetrustasexisting
whenonepartyhasconfidenceinanexchangepartner’sreliabilityandintegrity“(Morgan&Hunt,
1994,S.23).BesondersbeimTreffenvonEntscheidungenreduziertVertrauenmaßgeblichdieUnsicherheitdesVertrauensgebers,weildieserzuversichtlichist,dassersichaufdenVertrauensnehmer
verlassenkannunddadurchdieKonsequenzenderEntscheidungvorhersehbarsind.EbenfallsentscheidendfürdenAufbauvonVertrauenzwischenzweiParteiensindlautMorganundHuntgeteilte
Werte(vgl.Morgan&Hunt,1994,S.25f.).
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McAllister(1995)betrachtetVertrauenauszweiverschiedenenPerspektiven:Erunterscheidetzwischenaffect-basedtrustundcognition-basedtrust.WährendVertrauendemnacheinerseitsaufkognitivenErkenntnissenbasiertunddasVertrauenzwischenVertrauensgeberundVertrauensnehmer
unterbestimmtenUmständenvorhandenistundmandiesesbegründenkann,sprichtmanvonaffektivemVertrauen,wenneineemotionaleBeziehungzwischenbeidenSeitenexistiert(vgl.McAllister,1995,S.25f.).DaskognitiveVertrauenwirktsichpositivaufdasaffektiveVertrauenundsomit
aufdieemotionaleBindungderBeziehungspartneraus(vgl.McAllister,1995,S.48).Vertrauen
zwischenzweiPartnerndefinierterdeshalbals„(...)theextenttowhichapersonisconfidentin,and
willingtoactonthebasisof,thewords,actions,anddecisionsofanother“(McAllister,1995,S.25).
AuchderAspektvonVerletzbarkeitistimZusammenhangmitVertrauennennenswert.Andaleeb
(1992)definiertVertrauenalsdieBereitwilligkeit,dasRisikoeinzugehen,sichfüreineBeziehungeinzusetzenundzuengagieren,inwelcherderVertrauensnehmerdieVerantwortungträgt,imInteresse
desVertrauensgeberszuhandelnundseineErwartungenentsprechendzuerfüllen(vgl.Andaleeb,
1992,S.10f.).
DaskomplexeKonstruktdesVertrauenswirdnachHegner(2012)alseineEinstellungbetrachtet,
welchesichindividuellundaufverschiedeneArtundWeiseausprägt.DieEinstellungalsgedankliches
GebildekannnichtunmittelbarbeobachtetodergargemessenwerdenundistnurausdemVerhaltenzuerschließen(vgl.Hegner,2012,S.11).
Rousseauetal.(1998)verfasseneinweitgefasstesVertrauensverständnis:„Trustisapsychological
statecomprisingtheintentiontoacceptvulnerabilitybaseduponpositiveexpectationsoftheintentionsorbehaviorofanother“(Rousseauetal.,1998,S.395).Hegner(2012)interpretiertdieinterdisziplinäreVertrauensdefinitionvonRousseauetal.,welchezentraleIdeenderzahlreichenVerständnissevonVertrauenzusammenfügt,folgendermaßen:NachdemVerständnisderAutorenistVertraueneinpsychologischerZustand,welcherProzessekognitiverebensowieaffektiverArteinschließt.DieAutorengehendavonaus,dassderVertrauensgeberdazubereitist,Vertrauenzu
schenkenundinfolgedessenseineVerwundbarkeitgegenüberdemVertrauensnehmerzuriskieren.
DieAkzeptanz,sichgegenüberdemVertrauensnehmerverwundbarzumachen,beruhtaufderoptimistischenErwartungshaltungdesVertrauensgebershinsichtlichdemVerhaltenunddenIntentionen
desVertrauensnehmers(vgl.Hegner,2012,S.16).
Giddens(1996)definiertVertrauenals„(...)ZutrauenzurZuverlässigkeiteinerPersonodereinesSystemsimHinblickaufeinegegebeneMengevonErgebnissenoderEreignissen,wobeidiesesZutrauen
einenGlaubenandieRedlichkeitoderZuneigungeineranderenPersonbzw.andieRichtigkeitabstrakterPrinzipien(technischenWissens)zumAusdruckbringt.“(Giddens,1996,S.49).
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Hartmann(2011)betrachtetVertrauenauseinerdifferenten,rationalenSichtweisealsPhänomen
einereigenenKomplexität(vgl.Hartmann,2011,S.12),dennnachseinerTheoriegibtes„Gründedes
VertrauensundGründedesMisstrauens.“(Hartmann,2011,S.10).DerAutorargumentiertwiefolgt:
MindertVertrauenfürdenKonsumentendenAufwandderInformationsbeschaffungdurchWegfallenvonBemühungenodergar,weilschonalleInformationenvorhandensind,diefüreineInteraktion
notwendigsind,besitztVertrauenFähigkeiten,dieeinerreflexivausgeprägtenRationalitätnahe
kommen.AnhanddieserRationalitätwirddasVertrauenbewertet(vgl.Hartmann,2011,S.10f.).
VertrauenentstehtalsoaufderGrundlagevonBegründungen,dennochmüssendieseGründezunächstinderPraxisangereichertodervollendetwerden.InderPraxiskannebenfallsbeurteiltwerden,obdasVertrauenangemessenoderunangemessenist,esistmitanderenWorten:dieRationalitätdesVertrauens.Vertrauenentsteht,wenneskeineGründegibt,diegegendasVertrauensprechen.Wasnichtbedeutensoll,dasseskeineGründegibt,diefürdasSchenkenvonVertrauensprechen.DieseGründemüssennichtzwangsweisepräsentoderbewusstsein,abersiesindmeistabrufbaroderhabensichalsgerechtfertigterwiesen(vgl.Hartmann,2011,S.30).
JohnsonundAuh(1998)deutendasVertrauengegenüberMarkenals„(...)attainmentofalevelof
satisfactionandresultingloyaltyatwhichcustomersarecomfortableforgoingproblemsolvingbehavior“(Johnson&Auh,1998,S.15).DerwiederholteKonsumvonMarkenerfolgtalsoaufeineroutinierteArt,wobeidieWahrscheinlichkeitzukünftigerKooperationenunddererwarteteNutzenabgeschätztwerden(vgl.Johnson&Auh,1998,S.15).
NachdemdasallgemeineBegriffsverständnisvonVertrauenniedergelegtist,ergibtsichdie
RelevanzderBetrachtungdesVertrauensverhältnisseszwischenMenschundMarke.
NachElliottundYannopoulou(2007)istVertrauenzuMarkenalsGrundlagederMarke-KundeBeziehungnotwendig,denn„(...)trustisneededinordertoenablebothpartiestomaintainand
preferablydevelopthisrelationshipbyeliminatingtheperceiveduncertaintyandriskthatareinvolvedinconsumers’buyingbehavior.“(Elliott&Yannopoulou,2007,S.990).Darüberhinausweisen
dieAutorenempirischnach,dassesmöglichist,VertrauenzueinerMarkeaufzubauen,ohnedass
mandieMarkeselbsterfahrenhat.DurchdieEmpfehlungenvonnahestehendenMenschenbesteht
dieWahrscheinlichkeitdesAufbausvonVertrauen.ExistiertVertrauenineinePerson,kanndieses
VertrauenaufdieempfohleneMarkeübertragenwerden(vgl.Elliott&Yannopoulou,2007,S.994f.).
Luhmann(2000)erwähntalsBedingungvonVertrauendenAufbauvonVertrautheit.DieVertrautheit
orientiertsichanbereitsErlebtemundwächstdaran.VertrauenhingegenverwendetdasinderVergangenheitbereitsErlebteundrichtetdieseInformationenundErfahrungenindieZukunftaus(vgl.
Luhmann,2000,S.22f.).DerVertrauensnehmergenießtnachLuhmannsAuffassungseitensdesVertrauensgeberseineToleranzanFehlleistungen(vgl.Luhmann,2000,S.37).WirddieseAnnahmeauf
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dieBindungzwischenMenschundMarkeadaptiert,könnenvereinzeltnegativeErfahrungenmitder
MarkebiszueinergewissenGrenzegeduldetwerden,ohnedassdasVertrauenentzogenwird.
Baumgarth(2014)erläutert,dassdasVertrauenzueinerMarkeinBezugzuderEinstellunggegenüberdieserMarkesteht,dasVertrauenbeschreibtdieEinstellungssicherheit.JehöherdasVertrauen,
destogrößerundgefestigteristdieSicherheitderEinstellunggegenüberderMarke.Infolgedessenist
MarkenvertrauennichtnuraufdieGegenwartausgerichtet,sondernumfasstebenfallsdiezukünftige
BeurteilungderMarke(vgl.Baumgarth,2014,S.131).
EbensowiedieDefinitionvonVertrauenwirdauchZufriedenheitinderLiteraturdifferent
definiert,weshalbgrundlegendeIdeenimFolgendennäherbetrachtetwerden.DerpopuläreAnsatz
derkognitivenDissonanzvonFestinger(1957)inseinemWerkATheoryofCognitiveDissonance
dientzurErklärungvonZufriedenheitundUnzufriedenheit.DerAutorbeschreibteineDissonanzals
„theexistenceofnonfittingrelationsamongcognitions“(Festinger,1957,S.3).DieIdeederkognitivenDissonanztheoriebeinhaltetdasStrebenderMenschennachWiderspruchsfreiheit.UnterKognitionenwerdenWünsche,Annahmen,Wissen,Meinungen,wahrgenommeneseigenesHandelnund
diewahrgenommenenKonsequenzendiesesHandelnssowieAnnahmenüberdasHandelnanderer
PersonenunddieBeziehungzuMitmenschenverstanden.DieGesamtheitderKognitioneneines
IndividuumsistdaskognitiveSystem,indemsichzwischeneinzelnenKognitionenunzähligeBindungenentwickeln.EinekognitiveDissonanzfußtaufderWidersprüchlichkeitzweierwahrgenommener
Kognitionen.DieseEmpfindungistallerdingsnurmöglich,wennohnehineineRelevanzbeziehung
zwischendenbeidenbeteiligten,gegensätzlichenKognitionenvorhandenist.DasGefühlderkognitivenDissonanzlöstAktivitätenaus,diedaraufausgerichtetsind,diesesGefühlzuminimieren(vgl.
Raab&Unger&Unger,2010,S.42).„Cognitivedissonancecanbeseenasanantecedentcognition
whichleadstoactivityorientedtowarddissonancereductionjustashungerleadstoactivityoriented
towardhungerreduction“(Festinger,1957,S.3).InBezugaufdieZufriedenheitunddieUnzufriedenheiteinesMenschenspieltdiekognitiveDissonanzinsoferneineRolle,alsdassZufriedenheit
ebenfallseinkomplexer,subjektiverProzesseinesSoll-Ist-Vergleichesist.DerMenschgleichtseine
Erwartungen,AnsprücheoderWünschemitdentatsächlichenErfahrungenab(vgl.Trommsdorff&
Teichert,2011,S.315).DieStärkederDissonanzistvonzweizentralenEinflüssenabhängig:DieRelevanzdergetroffenenEntscheidung;jebedeutsamerundfolgeschwereralsodieEntscheidungist,
destostärkeristauchdieDissonanz.UnddierelativeAttraktivitätdernichtauserwähltenalternativenWahl;dennjegrößerdieAnzahlansprechenderMerkmalederAlternative,destostärkerdie
Dissonanz.ImUmkehrschlussdrücktdiesaus,dassdieStärkederDissonanzebenfallszunimmt,
wenndienegativenAspektederausgewähltenAlternativezumVorscheinkommenunddienicht
ausgewählteAlternativesomitattraktivererscheint(vgl.Festinger,1957,S.38,zitiertnachRaab&
Unger&Unger,2010,S.53).
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EineweitereTheorie,dieZufriedenheitbeschreibt,istdasConfirmation/Disconfirmation-Paradigma
vonOliver(1980).DemzufolgeistZufriedenheitoderUnzufriedenheitabhängigvoneinemex-ante
aufgestelltenVergleichsstandard,eineErfüllungoderÜbererfüllungdiesesStandardsführtzuZufriedenheit.ImUmkehrschlussführteineUntererfüllungdesStandardszuUnzufriedenheit(vgl.Heitmann,2006,S.33,zitiertnachBösener,2015,S.14).Ex-poststehtderVergleichsstandarddertatsächlichwahrgenommenenLeistunggegenüber,dasResultatdarausistdasZufriedenheitsurteil.Eine
positiveDiskonfirmationentsteht,wenndieimVorausgebildetenStandardsübertroffenwerden
können.DiesdrücktsichinZufriedenheitaus.KönnendieStandardsjedochnichterreichtwerden,
dannentstehteinenegativeDiskonfirmation,welchesichfolglichinUnzufriedenheitausdrückt.EntsprichtdiewahrgenommeneLeistungexaktdemvorhergebildetenVergleichsstandard,resultiert
darausKonfirmation.DiesekannsichebenfallsinZufriedenheitausdrücken(vgl.Stauss,1999,S.7,
zitiertnachBösener,2015,S.14).KundenzufriedenheitentstehtalsodurcheinenSoll-Ist-Vergleich
zwischenderindividuellenErwartungunddertatsächlichenErfahrung(vgl.Trommsdorff&Teichert,
2011,S.315).DieIst-KomponentefußtaufderErfahrungdesKonsumentenmitderMarke,wohingegendieSoll-KomponentedieErwartungenandasProduktimplizieren.Entsprichtdietatsächliche
ErfahrungdervorangegangenenErwartung,istvomKonfirmationsniveauderZufriedenheitdieRede.
ÜbertrifftdieErfahrungmitderMarkedieErwartungen,entstehtZufriedenheit.Umgekehrtentsteht
UnzufriedenheitbeiunerfülltenErwartungen(vgl.Herrmann&Huber,2013,S.278f.).DieSollKomponenteimHinblickaufdieMarkenzufriedenheitstellteinäußerstdynamischesKonstruktdar:
SieistdasindividuelleAnspruchsniveaudesKonsumentenundbeinhaltetErwartungenandieLeistungendesUnternehmensundderMarke.DasichdieUmweltimmerzuweiterentwickeltunddie
KundenerwartungenprinzipiellderUmweltentwicklungfolgen,unterliegenauchdieErwartungen
derKundeneinemstetigenWandel.IndiesemRahmenführenpositiveErfahrungenmitderMarke
zunochhöherenErwartungenandieseMarkeundnegativeErfahrungensenkenimUmkehrschluss
dieKundenerwartungen(vgl.Herrmann&Huber,2013,S.279).EigeneErwartungen,ErwartungsnormenundIdealesinddreizentralenGrößendesVergleichsstandards.DieeigenenErwartungen
entstehenimHinblickaufdieerhofftenLeistungen,diedieseMarkezukünftigerbringensoll.Die
ErwartungsnormenrichtensichnachbereitserlebtenErfahrungendesKonsumentenmitähnlichen
Marken.DieIdealestellendasinderWahrnehmungdesKonsumentenbestmöglicheProduktdar.
DieIst-KomponenteaufderanderenSeiteistweitauswenigerkomplex.Siestelltschlichtwegdie
tatsächlicheErfahrungmitdemProduktdar.DieseindividuelleErfahrungdesKonsumentenübermitteltjedochnichtdieobjektiveWirklichkeit,sondernoffenbartdiesubjektiveRealitätdesIndividuums.DieKundenwahrnehmungsowiederenAussagenberuhendemzufolgeaufVerzerrungen,welchebesondersdeutlichwerden,wenneineDiskrepanzzwischenSoll-KomponenteundIst-
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Komponenteexistiert.DieDiskrepanzzwischendenbeidenKomponentenisteinewesentliche
GrundlagefürdieBeurteilungeinerMarke(vgl.Herrmann&Huber,2013,S.279ff).
TrommsdorffundTeichertbeschreibenZufriedenheitanhanddesKano-ModellsnachKano(1984),
welcheszwischendreiFormenvonProduktattributendifferenziert:Basisanforderungen,LeistungsanforderungenundBegeisterungsanforderungen.BasisanforderungensindbeispielsweiseAirbagsim
AutooderdiegiftfreieLackierungvonSpielzeugen.DieErfüllungdieserArtderProduktanforderungenstelltfürdieKonsumenteneineelementareSelbstverständlichkeitdar,eineVoraussetzungfür
odergegendieEntscheidungfüreineMarke.OhnedieErbringungderLeistungentwickeltsicheine
hoheUnzufriedenheit.WirddieLeistungallerdingserbracht,sprichtmannurvoneinerNichtUnzufriedenheit.DienächsteFormderProduktattributeistdieLeistungsanforderung.Beispielefür
dieseArtderAnsprüchesindetwaderCO2-AusstoßneuerAutosoderdieSpeicherkapazitätvon
Computern.DieErfüllungdieserAnforderungwirdvondenKundenerwartetundistimWettbewerb
entscheidendfürdieWahldesProduktes.JestärkerdieLeistungsanforderungenerfülltwerden,destohöheristdasAusmaßderZufriedenheit.KönnendieLeistungsanforderungennichterfülltwerden,
entstehtimUmkehrschlussUnzufriedenheit.EinhilfsbereiterTaxifahrer,derdasGepäckbiszurTür
trägtoderglänzendeSchuhenachderReparaturbeimSchustersindBeispielefürBegeisterungsanforderungeneinesProdukts.DieseProdukteigenschaftstellteinenaußergewöhnlichenNutzenfür
denKonsumentendar,derüberdieeigentlicheKundenerwartunghinausgeht.Dementsprechend
steigtauchdieZufriedenheitüberproportionalan.DieindividuellenBegeisterungsmethodentragen
zurDifferenzierunggegenüberdemWettbewerbbeiundstelleneinenUSPdesProduktsdar.LangfristigbetrachtetentfachendieseProdukteigenschafteninnerhalbdesProduktlebenszyklusaufgrund
vonGewohnheitenjedochkeineübermäßigeBegeisterungmehr,sieentwickelnsichmöglicherweise
hinzuLeistungs-undschließlichzuBasisanforderungen(vgl.Kano,1984,o.S.,zitiertnachTrommsdorff&Teichert,2011,S.315ff.).
ImAnschlussandieDefinitionvonZufriedenheitstelltsicheinepräziseUntersuchungder
KundenzufriedenheitimHinblickaufMarkenalsrelevantherausundwirdimFolgendendargelegt.
FürvonRosenstielundNeumann(2012)istdieKundenzufriedenheiteine„Einstellunggegenüber
verschiedenenFacetteneinesAngebots“(vonRosenstiel&Neumann,2012,S.17).ErfährtderKunde
wiederholtPositivesmiteinemMeinungsgegenstand–wiebeispielweiseeinemProdukt,einerPersonoderdemRatschlageinesExperten–dannentstehtmittelfristigeinebeständigepositiveEinstellung.KönnendieindividuellenKundenbedürfnissenichtbefriedigtwerdenundestauchenvermehrt
Enttäuschungenauf,dannentwickeltsicheinenegativeEinstellung.ZufriedenheitundUnzufriedenheitstehenstetsinAbhängigkeitzuspezifischenBedürfnissen.DieseBedürfnissesindjedochnicht
generalisierbar(vgl.vonRosenstiel&Neumann,2012,S.17).DieAutorendifferenzierenzwischen
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emotionalen,kognitivenundmotivationalenKomponentenbeiderEntstehungeinerEinstellung
gegenübereinerMarke.DerKonsumentbewertetnichtnuremotional,sondernerkanndieseEinstellungauchkognitivmitGründenunterlegen,beispielsweisemithilfedesWissensüberdenEinstellungsgegenstand.DiemotivationaleKomponenteresultiertausderkognitivenundderemotionalen
KomponenteundbeinhaltetdieHandlungskonsequenzderKundenzufriedenheit.VerknüpftderKonsumentpositiveGefühlemitdemAngebotundistsichdenpositivenMerkmalenbewusst,kanndarausdieMotivationentstehen,dasAngebotinZukunftvermehrtinAnspruchnehmenzuwollen(vgl.
vonRosenstiel&Neumann,2012,S.17f.).InsbesonderezufriedeneKonsumentenmiteinerpositivenEinstellungzurMarkeundsomitauchzumUnternehmenweiseneinehoheKundenbindungauf
undbleibenderMarketreu(vgl.vonRosenstiel&Neumann,2012,S.34).
EineweitereDefinitionvonZufriedenheitstammtvonOliver(2010).ErdefiniertZufriedenheitseitens
derKundenalsindividuellesZiel,welchesdurchdenKonsumeinesProduktsoderderregelmäßigen
ErfahrungeinerDienstleistungerreichtwerdenkannundeineäußerstangenehmeErfahrungmitsich
bringt.ZufriedenheitvermeidetdieNotwendigkeit,zusätzlicheMaßnahmenzuergreifenoderdie
FolgeneinernichtzufriedenstellendenEntscheidungzuertragen.AußerdembestätigtZufriedenheit
dieFähigkeitdesKonsumenten,Entscheidungentreffenzukönnen(vgl.Oliver,2010,S.4).
AndieserStellesolldasVerständnisvonEschetal.(2006)dargelegtwerden,welcheVer-
trauenundZufriedenheitwiefolgtinterpretieren:DieAutorendefinierenZufriedenheitgegenüber
einerMarkealseinekognitiveBewertung(cognitiveevaluation)inwiefernsichdieBeziehungmitder
MarkefürdenKonsumentenlohnt.DasVertrauenzueinerMarkehingegenbasiertaufeinemGefühl
(affect-based),welchesinnerhalbderMarke-Kunde-Beziehungentsteht.Markenzufriedenheitstellt
somitdiekognitiveundMarkenvertrauendieaffektiveFormvonBeziehungenzwischenKonsument
undMarkedar.InnerhalbdieserBeziehungwirkensichdiekognitivenundaffektivenKomponenten
inFormvonZufriedenheitundVertrauenaufdieMarkenbindungaus,welchewiederumdieVoraussetzungfürgegenwärtigeundzukünftigeKäufesind.FüreinenlangfristigenundnachhaltigenMarkenerfolgsindMarkenvertrauenundMarkenzufriedenheitunabdingbareGrößenderMarke-KundeBeziehungenundhöchstrelevantfürdasKaufverhaltenderKonsumenten.DieAutorenverdeutlichendieDifferenzzwischenMarkenzufriedenheitundMarkenvertrauenanhandderrationalenund
emotionalenBewertungderMarkeinnerhalbderBeziehung(vgl.Eschetal.,2006,S.100ff).
Forschungsdesign
ImAnschlussandietheoretischeBasisfolgtdieempirischeUntersuchunginBezugaufdieForschungsfrageWiekönnenVertrauenundZufriedenheitimHinblickaufMarkendefiniertwerdenund
welcheRelevanzbesitzensieinderMarke-Kunde-Beziehung?.Dazuscheintdieoffene,qualitative
Sozialforschungangebracht.„QualitativeForschunghatdenAnspruch,Lebenswelten,voninnenher113
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aus’ausSichtderhandelndenMenschenzubeschreiben.“(Flick&vonKardorff&Steinke,2013,S.
14).IndieserStudiestelltdieGruppendiskussioneinegeeigneteMethodedar,umdieVerständnisse
vonVertrauenundZufriedenheitinnerhalbderGruppekommunikativzukonstruieren.DasZielder
GruppendiskussionisteinenatürlicheErhebungssituation,welchegeprägtistvonKommunikativität
undOffenheit(vgl.Vogl,2014,S.581)undeineRekonstruktiondersozialenWirklichkeitausPerspektivederDiskussionsteilnehmerermöglicht(vgl.Lüthje,2016,S.162).KollektiveOrientierungenin
ihremUrsprungsichtbarmachenzukönnen,istwohlderbedeutendsteVorteildieserForschungsmethode(vgl.Vogl,2014,S.581f.).BeiderGruppendiskussionliegtderFokusaufderInitiierungeines
selbstläufigenDiskurses,welchergeprägtistvonverschiedenenGesprächsdynamiken.Vereinzelt
notwendigeInterventionendienendazu,einbestimmtesZielergebnisderForschungzuerreichen
(vgl.Lamnek,2005,S.130ff.,152ff.,zitiertnachKruse,2014,S.202).DeshalbsolltedieGestaltung
derForschungsmethodenebeneinerenormenOffenheiteinegewisseStrukturiertheitmitHilfedes
Leitfadensaufweisen,umdasForschungsinteressenichtzuverfehlen(vgl.Helfferich,2014,S.562f.).
Ergebnisse
DervorliegendeArtikelMarkezwischenEmotionundKalkülmitderforschungsleitendenFrageWie
könnenVertrauenundZufriedenheitimHinblickaufMarkendefiniertwerdenundwelcheRelevanz
besitzensieinderMarke-Kunde-Beziehung?verdeutlichtaufGrundlagederherausgearbeitetenTheorieundderempirischenForschung,dassdaswesentlicheZieleinerMarke,dieMarke-KundeBeziehung,durchdenAufbauvonVertrauenundZufriedenheitgeschaffenwerdenkann.Nachder
theoretischenUntersuchungundderanschließendenempirischenKlärungderBegrifflichkeitenkann
festgestelltwerden,dassmitHilfevonVertrauenundZufriedenheitunterschiedlicheBedingungen
derKommunikationerreichtwerdenkönnen.Einerseitsgeschiehtdiesdurchrationaleargumentative
KommunikationundandererseitsdurchemotionalaufgeladeneKommunikation.DiekommunikationsstrategischeRelevanzderBegriffeverdeutlicht,dassjedeHandlung,auchdiekommunikative
Handlung,innerhalbderBeziehungzwischenMarkeundMenschEmotionalitäthervorruftoderauf
Rationalitätabzielt.
NachdembereitsinderTheoriedieNotwendigkeitvonVertrauenundZufriedenheitfürdie
EntstehungeinergefestigtenMarke-Kunde-Beziehungdargestelltwurde,untermauerndieForschungsergebnissediesenAnsatz.InsgesamtzeigendiegewonnenenErgebnisse,dassVertrauenund
ZufriedenheitzweiteilweiseineinanderverflochtenePhänomenesind,diejedochjeweilsihreeigenenMerkmaleaufweisen.SowohlVertrauenalsauchZufriedenheitwerdeninderLiteraturundin
denForschungsergebnissenalsebensoemotionalewierationaleProzessebetrachtet.Aufdereinen
SeiteistderAufbauvonVertraueneinlangfristigerProzess,welchergeprägtistvonpersönlichen
ErfahrungensowieErfahrungenundEmpfehlungenanderer.AufderanderenSeiteistVertrauen
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stetsrisikobehaftet,vonUnsicherheitengeprägtundnichtmessbar.Zufriedenheitstelltsichinder
RegelrechtschnellnachdemKonsumderMarkeein,dabeimussdieMarkeselbsterfahrenwerden
unddieBewertungistabhängigvonzuvorgetroffenenErwartungen.DieseArtdesAbwägensinnerhalbeinesSoll-Ist-VergleichsunterstütztdieVermutungamehesten,dassZufriedenheitrationalbegründbarist.JedochergibtdieUntersuchung,dassZufriedenheiteineFolgedesspontanenImpulskaufesist,welchereherdememotionalenKonsumverhaltenzugeordnetwerdenkann.AufderanderenSeitestelltderInvolvementkaufeinenumfassenden,extensivenEntscheidungsprozessdar,der
primäraufdieEntstehungvonVertrauenzurückzuführenist,jedochinBezugaufhochpreisigeMarkenebenfallsdencharakteristischenVergleichsprozessdesZufriedenheitskonstruktswiderspiegelt.
DasichderInvolvementkaufdurchAbwägen,SammelnvonInformationenundVergleichenvonAlternativenauszeichnet,kannertendenziellderRationalitätzugeordnetwerden.DiesenAnsatzunterstreichenauchdieRationalChoice-TheorienanhanddesGefangenendilemmas,welchesVertrauen
alskalkulierbardefiniert.DiePunktewidersprechenderAnnahme,dassVertrauenausschließlicheine
EmotionistundZufriedenheiteinKalkül.
Zusammenfassendlässtsichfeststellen,dasssichMenscheninEntscheidungsprozessenwe-
dervoneinerrationalennochvoneineremotionalenSeitefreisprechenkönnen,weshalbEmotionen
undKalkülunentwegtEinflussaufdenKonsumentensowieaufdieMarkenehmen.DerAnspruch
dieserForschungwar,dasSpannungsverhältnisderMarkezwischenEmotionundKalkülaufzulösen
undherauszufinden,obdiePhänomeneVertrauenundZufriedenheiteindeutigeinzuordnensind.
DiesesErgebniswurdenichterzielt.Stattdessenkannjedochaufgezeigtwerden,dassesandereKriteriengibt,welchediePhänomeneVertrauenundZufriedenheitvoneinanderunterscheiden.Die
DefinitionenderPhänomene,diegeschaffenwerdenkonnten,werdenandieserStelleveranschaulicht:
Vertrauenentwickeltsich,wennderKonsumentpersönlicheErfahrungenmitderMarkeer-
lebtoderaufErfahrungswerteDritterbaut,welchedenEinstiegzueinererstenpersönlichenErfahrungmitderMarkeeröffnen.Tiefes,blindesMarkenvertrauenbenötigtZeitundErfahrungen,um
sichentwickelnundfestigenzukönnenunderscheintdannalsbeständig.DasVertrauenistbedingt
durchdieÜbereinstimmungpersönlicherWertedesKonsumentenunddenWerten,diedieMarke
charakterisierenundnachaußenkommuniziertwerden.BeiSkandalenundKrisenentscheidendie
persönlicheBetroffenheitdesKonsumentensowiedieMarkenloyalitätüberdasAusmaßdesVertrauensbruchs.JenachKonsumentenpersönlichkeitbestimmenmehroderwenigerEmotionenund
RationalitätdieHandlungenunddasKonsumverhalten.EntstehttiefesMarkenvertrauen,hatdies
Wiederkauf,GewohnheitundrelativeSicherheitzurFolge.DochnichtnurderpersönlicheGewinn
desKonsumentenstellteineFolgedesVertrauenskonstruktsdar,sondernauchdasdamiteinherge-
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hende,beständigeRisiko.Vertrauenkannjederzeitmissbrauchtoderbeschädigtwerden,esbesteht
keineGarantiefürdieEwigkeit.DiewohlbedeutendsteKonsequenzderSchaffungvonVertrauenist
einestarkeMarke-Kunde-Beziehung.
Zufriedenheitentsteht,wennderKonsumentdieMarkepersönlicherlebtunddieindividuel-
lenErwartungenandieMarkeerfülltwerden.ZufriedenheitbeziehtsichstetsaufdieNachkaufphase
undentwickeltsichdemzufolgeunmittelbarundkurzfristignachdemKonsum.Zufriedenheitwird
bedingtdurchdenKundenservice,dadieserdieMarkerepräsentiertunddasKonsumerlebnisunterstützt.AußerdemistdieZufriedenheitdavonabhängig,obdieWerte,diedieMarkeverkörpert,mit
denpersönlichenWertendesKonsumentenimEinklangsind.FerneristdasStrebenderKonsumentennachNeuemfürdieZufriedenheitunabdingbar,wasdieUnbeständigkeitderZufriedenheitherausstellt.ZufriedenheitentstehtdurchdieStrategiedesKonsumenten,Markenzuvergleichenund
eineEntscheidungfürdieMarkezutreffen,dieambesteninderLageist,aktuelleBedürfnissezu
befriedigen.DaransindsowohlrationalealsauchemotionaleProzessebeteiligt.Konsequenzender
ZufriedenheitsindWiederkaufundGewohnheit.LetzterekannjedochebensoschnellinNeugierumschlagen.GelingtesderMarke,dieZufriedenheitlangfristigaufrechtzuerhalten,istdasResultatdie
Marke-Kunde-Beziehung.
VertrauenundZufriedenheitsindPhänomeneeinunddesselbenKontinuumsundunabding-
bareGrößenfürdieEntstehungunddieBeständigkeiteinerMarke-Kunde-Beziehung.Vertrauenund
ZufriedenheitstärkendieBindungzwischenMenschundMarkeundfestigensieauflangfristigeSicht,
sodassdiespezifischenLieblingsmarkenzumfestenBestandteildesLebenseinesIndividuumswerden.
WasbedeutendieErgebnissefürdieWissenschaft?EinezentraleErkenntnis,ist,dassVer-
trauenundZufriedenheitvoneinerVielzahlanEinflussfaktorenabhängigsind,weshalbdieDefinitionennichtpauschalundaufjedeSituationgeneralisierenddargestelltwerdenkönnen.
ZunächstschafftdiePersönlichkeitdesKonsumentendenUnterschied:WelcheNormenundWerte
werdengelebt?IstderCharaktergeprägtvonRisikobereitschaftoderstrebternachSicherheit?WelcheFunktionensolldieMarkefürdasIndividuumerfüllen?WelchesAusmaßnimmteineFehlentscheidungan?WerdenEntscheidungenausdemBauchherausgetroffenoderunterliegensielangen
Denkprozessen?EbensoistdiePersönlichkeitderMarkeeinentscheidenderFaktor:InwelcherPreisklassebewegtsichdasProduktoderdieDienstleistung?HandeltessichumeinGebrauchsgutoder
einVerbrauchsgut?WelcheKonsequenzenimpliziertderKonsumdieserMarke?WelcheErfahrungen
konntenbishergesammeltwerdenundwiestarkistdieMarke-Kunde-Beziehungbereits?
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DieseUnterschiedewurdenempirischanhandeinerEinzelfallanalyseherausgearbeitet,welchenun
alsAnregungfürdieWissenschaftundfürweitereForschungdient.EbensodieUneinigkeitdarüber,
obVertrauenundZufriedenheitEinstellungengegenübereinerMarke,GefühleoderZuständesind,
konntenichteindeutiggeklärtwerden.FernersindVertrauenundZufriedenheitlediglichzweiBegrifflichkeitenderWissenschaft.Wiestehtesumandere,umstritteneundnichtklardefinier-und
abgrenzbareDefinitioneninderForschung?ImHinblickaufdieMarke-Kunde-Beziehungistaußerdeminteressant,welcheFaktorendarüberhinausentscheidendfürMarkeundKonsumentsind.DieseErgebnissebildenAnsätzefürweitere,möglicherweisequantitativausgerichteteForschungen.
DieMarkeistsowohlgeprägtvonEmotionalsauchvonKalkülunddasIndividuumselbst
trägtmithilfeeigenerHandlungsstrategienzudemEmpfindenvonZufriedenheitundzudemAufbau
desVertrauenszuMarkenbei,dabeidePhänomeneeinerstrebenswertesZielinderWeltdesKonsumsdarstellen.
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