Erfahrungsbericht Für den Inhalt dieses Berichts trage ich die alleinige Verantwortung. Generelles Für mich stand ziemlich früh fest, dass ich im fünften Semester kein Praktikum, sondern ein Auslandssemester absolvieren möchte. Auch mein Wunschland, England, war schnell gefunden. Nachdem ich mich zunächst für die Partneruniversität in London bewerben wollte, endete die Partnerschaft zwischen der RWTH und dieser Uni. Als Ersatz begann die RWTH eine Kooperation mit der University of Essex. Diese ist in der 100.000 Einwohner großen Stadt Colchester im Südosten des Landes gelegen. Als regenärmste Stadt in England klang dies dann besonders reizvoll. Als meine Erstwahl angenommen wurde, war die Freude zunächst ausgesprochen groß. Bis ich dann sah, dass ich nicht für das Herbstsemester, sondern für das Frühlings- und Sommersemester in England angenommen worden war, da im Herbst nur Master-Studenten den Austausch machten. Das führte dazu, dass ich fünftes und sechstes Semester tauschen musste, ich also bereits im fünften Semester Wirtschaft Aktuell 2 belegen und die Bachelorarbeit schreiben musste. Zudem musste ich komplett neue Fächer auswählen, die ich in England belegen wollte. Nach einer Reihe von Anträgen, Formularen und Nachfragen war aber auch das kein Problem, sodass es ohne Sorgen im Hinterkopf Anfang Januar nach England gehen konnte. Rückblickend war es wirklich ausgesprochen gut, die beiden Semester zu tauschen. Einerseits hat man dann während des Auslandsaufenthalts nicht im Hinterkopf, dass da noch so wichtige Sachen in Deutschland auf einen warten und andererseits hat man, wenn man dann im Juni zurück nach Deutschland kommt, bis zum Start des Masterstudiums im Herbst viel Zeit für ein Praktikum, einen Nebenjob oder einfach nur um den Sommer zu genießen. Unterbringung Das Finden einer Wohnung gestaltete sich schwieriger als gedacht. Theoretisch bietet die University of Essex viele verschiedene Unterbringungsarten auf dem Campus an. Diese reichen von komfortableren 4er-WGs bis hin zu zumindest sehr geselligen 16er-WGs. Während in manchen Unterkünften jedes Zimmer mit einem eigenen Badezimmer mit Dusche und Toilette ausgestattet ist, muss in der 16er-WG ein Duschraum und ein Toilettenraum mit jeweils bis zu 8 Leuten geteilt werden. Nichtsdestotrotz sind die Mieten im Vergleich zu Deutschland ziemlich hoch. Zusammen mit der generellen Bewerbung auf den Studienplatz, welche man direkt an die Partneruni schicken muss, gibt man auch an, in welcher Kategorie man untergebracht werden möchte. Ende November hatten wir dann Bescheid bekommen, welche Kategorie wir zugeteilt bekommen. Leider hat es mich dabei nicht sehr gut erwischt, da ich überhaupt keine Behausung auf dem Campus bekommen hatte. Jetzt hieß es also einen guten Monat vor der Abreise noch selbst eine Wohnung aufzutreiben. Um hierbei zu helfen hatte die University of Essex zwei Webseiten empfohlen. Eine kommerzielle Seite, auf der Makler freie Wohnungen anbieten und die die Seite der Students‘ Union, welche auch als Vermittler bei der Wohnungssuche helfen könne. Letztere war für uns leider nicht brauchbar, da diese nur Studenten hilft, die mindestens ein Jahr an der Uni bleiben. Also hieß es, die Makler und Vermieter selbst anzuschreiben und anzurufen. Nach schlechten Erfahrungen mit einer Maklerin, die einen nur immer weiter hinhielt, bis sie einem dann doch absagte, fand ich einen Vermieter, der ein Zimmer in einer 3er-WG in Campusnähe anbot. 15 Minuten Fußweg bis zur Uni und 5 Minuten Fußweg zum Tesco waren mit das Beste, was man außerhalb des Campus finden konnte, also entschied ich mich für diese Alternative, auch wenn die Gegend alles andere als die Beste und die Miete ausgesprochen hoch war. Zum Glück kam ich nicht alleine von der RWTH nach Essex, sodass ich in der 14er-WG von einem Kumpel aus Aachen die meisten Abende mit vielen Leuten aus der ganzen Welt verbrachte, da meine eigenen Mitbewohner weder Studenten, noch sonderlich gesellig waren. Ankunft, Einführungswoche und erste Erfahrungen mit den Austauschstudenten Bereits vor der Ankunft soll man sich online seinen Studenten-Account freischalten. Während dies bei meinen zwei mitreisenden Aachenern reibungslos klappte, funktionierte es bei mir leider nicht. An dieser Stelle muss man den Service an der University of Essex ausdrücklich loben. Die sehr freundliche Mitarbeiterin am IT-Servicedesk konnte innerhalb einer Minute alle Probleme beseitigen. Auch mit der Erstellung meines Studentenausweises gab es leider kleinere Probleme, da mein Nachname ein „ß“ beinhaltet, was nicht nur Engländern, sondern auch deren Computersystemen kleinere Probleme bereitet. Aber auch hier wurde einem wieder ausgesprochen freundlich geholfen und sich mehrfach für eventuelle Unannehmlichkeiten entschuldigt. Für sämtliche Austauschstudenten des Semesters gab es eine Einführungswoche mit Campusrallye und Partys. So schloss man sehr schnell Freundschaften mit den anderen Austauschlern. Selten zuvor habe ich eine so große Gruppe von absolut weltoffenen und freundlichen Menschen getroffen. Von allen Kontinenten waren Studenten dabei, aus den verschiedensten Kulturen, mit den unterschiedlichsten Ansichten und Gewohnheiten. Es war unglaublich interessant, bei gelegentlichen Diskussionen auch politische Standpunkte zu hören, die so in Deutschland fast nie vertreten werden. So diskutierte man auf sehr hohem Niveau beispielsweise mit US-Amerikanern über Waffengesetze oder mit Chinesen über Menschenrechte und Demokratie. Freizeitmöglichkeiten Der Campus selbst bietet einige Möglichkeiten, auch in seiner Freizeit keine Langeweile zu bekommen. Neben Bar und Cafè gibt es auf dem Campus auch einen Club, wo mehrmals pro Woche ausgesprochen gute Partys steigen. Wem das nicht reicht, für den gibt es im Stadtzentrum noch eine gute Handvoll weitere Clubs, teilweise mit freiem Eintritt, teilweise mit gehobenerem Dresscode. Für jeden Geschmack sollte also etwas dabei sein. Abgesehen vom Party-Aspekt bietet der Campus vor allem sportlich ausgesprochen viele Möglichkeiten. Das Fitnessstudio ist relativ gut ausgestattet und wird zum kommenden Semester noch deutlich erweitert. Leider ist der Preis ausgesprochen hoch, da man nicht für jeden Monat einzeln zahlen konnte, sondern mindestens semesterweise 160 Pfund zahlen musste. Für das Geld konnte man von Januar bis September trainieren, was schade ist, wenn man bereits im Juni abreisen muss. Abgesehen vom Fitnessstudio beherbergt der Campus noch viele weitere Sportmöglichkeiten, wie zum Beispiel Squash- und Tenniscourts, Fußballfelder, oder eine Kletterhalle, die man als Student kostenlos nutzen und reservieren kann. Zudem gibt es eine ganze Reihe von sogenannten Just Plays, bei denen man sich vorher im Internet anmelden kann, um dann kostenlos auch an Sportarten wie Bogenschießen, Judo oder Fechten auszuprobieren. Wem das immer noch nicht reicht, der kann auch einer Sports Society beitreten und mit dieser dann seine Sportart regelmäßig trainieren und auch an Wettkämpfen teilnehmen. Auch kulturell kann man Colchester einiges abgewinnen. Als offiziell älteste Stadt Englands beherbergt Colchester natürlich ein gutes Stück Geschichte. Hier sei vor allem die Burg mit Museum im Innenbereich und einem tollen Park im Außenbereich zu nennen. Neben einem weiteren Kunstmuseum gibt es am Stadtrand von Colchester einen Zoo, welcher in England sehr bekannt ist, da es einer der größten seiner Art in Europa ist. Auch das Meer ist nicht weit entfernt, sodass man durch ein Sonderangebot jeden Sonntag für 2,10 Pfund mit dem Bus zum nahegelegen Clacton-on-Sea fahren kann. Neben einer langen Strandpromenade und einem Pier mit Vergnügungsgeschäften gibt es dort vor allem eine Unmenge an Spielhallen. Mit dem Zug befindest man sich in unter einer Stunde in London, wo es bekanntlich zahllose Möglichkeiten gibt, seine Zeit zu verbringen. Leider befindet sich der Bahnhof in Colchester auf der anderen Stadtseite als die Universität, aber auch so ist er mit dem Bus in einer halben Stunde zu erreichen. Auch für größere Ausflüge ist Colchester gut gelegen. Mit dem Bus ist man in 2 Stunden in Cambridge und in einer Stunde am Flughafen Stansted. Von dort aus kann man sehr günstig die britischen Inseln bereisen. So hatten wir beispielsweise einen Wochenausflug nach Dublin und einen nach Schottland gemacht. Für den Flug nach Glasgow zahlte man sogar nur 11 Pfund. Lehre und Lernen Zunächst einmal muss man festhalten, dass sich die hohen Studiengebühren in England deutlich bemerkbar machen. Die Räume sind ausgesprochen gut ausgestattet und die Betreuung der Studenten ist wirklich gut. Es gibt eine große Zahl Gruppenlernräume, die jeweils mit PC, Beamer, Smartboard und Whiteboards ausgestattet sind. Auch die Unterrichtsräume sind allesamt mit Beamer ausgestattet, die größeren Klassenräume haben sogar noch zusätzlich Flatscreens, die von der Decke hängen, damit auch die weiter hinten sitzenden Studenten gut sehen können. Was zumindest für BWL-Studenten der RWTH zunächst ungewohnt erscheinen mag, ist, dass bei den Kursen und Vorlesungen Anwesenheitspflicht besteht. Um diese Festzustellen muss man seinen Studentenausweis am Anfang einer Veranstaltung an einen Scanner am Eingang des Klassenraums oder Hörsaals halten. Praktisch hält einen natürlich niemand davon ab, nach dem Scannen direkt wieder umzukehren, statt der Veranstaltung beizuwohnen. Was Gespräche zwischen Studenten während der Vorlesungen angeht, so sind die Professoren deutlich strenger als jene, die ich an der RWTH kennenlernen durfte. Die Tutoren und Professoren sind sehr schnell für Rückfragen zu erreichen und geben für die einzureichenden Essays umfassendes Feedback. Anders als an der RWTH waren zumindest meine Module von den Lösungswegen her eher qualitativ und nicht quantitativ bestimmt. Ein ganzes Semester lang nichts zu rechnen, war eine ganz neue Erfahrung, macht die Benotung von Essays und Klausuren aber auch weniger transparent, da es meist kein komplett richtiges oder falsches Ergebnis gibt, sondern die Benotung sehr stark vom Eindruck auf den Professor abhängt. Anerkennungsverfahren Bereits vor dem Auslandsaufenthalt sollte man sich um die Anerkennung der im Ausland erbrachten Leistungen bemühen. Mit entsprechendem Antrag und kurzer Modulbeschreibung war die generelle Anrechenbarkeit jedoch kein Problem. Am besten klärt man für ein paar zusätzliche Module die Anrechenbarkeit ab, da man gegebenenfalls vor Ort noch Module tauschen muss, da diese sich sonst zeitlich überschneiden. Das englische Notensystem ist anders als das deutsche. Normalerweise liegt hier die Maximalpunktzahl bei 80 Punkten, was eine Freundin vor mir trotzdem nicht davon abhielt, in einem Essay 100 Punkte zu erreichen. Eine Umrechnungstabelle findet sich auf der Web-Seite der RWTH unter http://www.rwth-aachen.de/cms/root/Studium/Im-Studium/Internationales/Outgoing/Nachdem-Auslandsaufenthalt/~hzxh/Notenumrechnung-von-im-Ausland-erbrachte/. Ein paar Wochen nach der letzten Klausur erhält man dann seine Noten per Post an seine Heimatadresse in Deutschland geschickt. Mit einer Kopie hiervon geht es dann zu Frau FrankenVogts, die die Anerkennung in die Wege leitet. Fazit Rückblickend kann ich jedem nur empfehlen, ein Auslandssemester in seinen Studienverlauf einzubauen. Das halbe Jahr in England war mit die beste Zeit meines Lebens. Ich habe jeden Tag genossen und will die Erfahrung keinesfalls mehr missen. Ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt und mit ihnen Freundschaften geschlossen, die hoffentlich noch lange halten. Auch die Erfahrung, in einem fremden Land zu leben und sich den lokalen Gepflogenheiten anzupassen, war wirklich toll. Manches würde man nur zu gerne auch in Deutschland übernehmen, wie zum Beispiel sich beim Busfahrer nach der Fahrt zu bedanken. Fachlich bringt einen das Auslandssemester auch deutlich weiter, da auch die Perspektive der Lehrenden eine andere ist als an der RWTH. Ich würde jederzeit wieder ein Auslandssemester machen und kann mir auch vorstellen, später einmal dauerhaft in ein anderes Land und ganz besonders nach England zu ziehen.
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