Kommentar zum TA-Artikel vom 7. April

FREIPLATZAKTION ZÜRICH
Rechtshilfe Asyl und Migration
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Kommentar zum Artikel des Tagesanzeiger: „Lassen Rechtsverterter
Flüchtlinge im Stich?“
Ein zentrales Problem bei der Rechtsvertretung im Testverfahren liegt an der viel zu tiefen
Fallpauschale. Die Rechnung ist einfach: Je tiefer die Fallpauschale, desto mehr Asylsuchende
werden einem Rechtsvertreter oder einer Rechtsvertreterin zugeordnet. Dies bedeutet jedoch
gleichzeitig: weniger Zeit für die so wichtige Erhebung des Sachverhaltes durch die
Rechtsvertretung (ergänzend zu derjenigen des SEM), weniger Zeit für Fallbetreuung insgesamt
und weniger Zeit für Stellungnahmen und Beschwerden. Wenn die Flüchtlingshilfe sagt, man
arbeite mit der Fallpauschale von Fr. 1361.- „kostendeckend“, so bedeutet dies nur, dass die Arbeit
der Rechtsvertretungen bezahlt werden kann. Implizit sagt sie damit aber auch, dass sie nicht
mehr Rechtsvertreter und Rechtsvertreterinnen anstellen kann. Nichts lässt sich aus dieser
Aussage jedoch auf die Qualität der Fallbetreuung ableiten. Nur eine gute Qualität der
Fallbetreuung liesse jedoch – wenn überhaupt - die kurze Beschwerdefrist von 10 Tagen
rechtfertigen. Denn wenn die Rechtsvertretung ihr Mandant niederlegt und eine andere
Rechtsvertretung ausserhalb des Testbetriebs innert dieser Frist zusätzliche Abklärungen machen
muss (z.B. Beweismittel organisieren, medizinische Abklärungen treffen, Asylvorbringen
vollständig erheben), ist die asylsuchende Person im Asylverfahren massiv benachteiligt. Eine
externe (privat oder über ein Hilfswerk finanzierte) Rechtsberatungsstelle, welche unentgeltliche
Rechtshilfe anbietet, ist aus Kapazitätsgründen unter Umständen gar nicht in der Lage, innert der
kurzen Zeit zu reagieren und eine qualitativ gute Beschwerde einzureichen.
Bedenklich ist sodann, dass die tiefe Beschwerdequote derart im Zentrum der Diskussionen steht
bzw. die unentgeltliche Rechstvertretung überhaupt erst mit der Tiefe der Beschwerdequote
gerechtfertigt wird. Auch der Leiter der Rechtsvertretung im Testzentrum, Dominique Wetli,
wirkt an diesem Diskurs aktiv mit. Die Beschwerden der Rechtsvertretungen des Testzentrums
werden zwar von Experten als gut eingeschätzt. Die Rechsvertreter und Rechtsvertreterinnen
setzen jedoch die Prozesschancen beim Bundeverwaltungsgericht nicht selten falsch ein. Die
Freiplatzaktion Zürich hat in den letzten Monaten alleine fünf Verfahren von Asysuchenden aus
dem Testzentrum beim Bundesverwaltungsgericht bestritten, in denen das Beschwerdeverfahren
vom Bundesverwaltungsgericht nicht als zum voraus aussichtslos erachtet wurde. Solche
Fehleinschätzungen dürfen nicht sein! Wetli sagt zudem, bei der Hälfte der im Tagi-Artikel
erwähnten zehn Fälle hätte nicht die Rechtsvertretung des Testzentrums das Mandat niedergelegt,
sondern die asylsuchende Person entschieden, eine externe Rechtsvertretung aufzusuchen. Er will
damit darlegen, dass die Rechtsvertretung alles richtig gemacht habe. Er kann jedoch nicht
erklären, weshalb es diese fünf Personen überhaupt als notwendig erachteten, eine externe
Rechtsvertretung aufzusuchen. Vielleicht, weil sie von der Unabhängigkeit der Rechtsvertretung
nicht überzeugt waren?
7. April, Samuel Häberli