Bullying auf der Hundewiese

Bullying auf der Hundewiese: Hilfe für
gemobbte Hunde
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geschrieben von Daniela Künnemann
ATN – Akademie für Tierheilkunde Deutschland
http://www.atn-ag.de/magazin/redaktionelles/bullying-auf-der-hundewiese-hilfefuer-gemobbte-hunde
Luftbildfotograf, DollarPhotoClub Bullying auf der Hundewiese: Hilfe für gemobbte Hunde
Bullying unter Hunden erkennen und richtig handeln
Mobbing findet seine Opfer nicht nur unter Menschen. Auch Hunde können betroffen sein,
während sie mit Ihresgleichen zusammen sind. Der vierbeinige Psychoterror wird von
Hundebesitzern häufig nicht erkannt. Eher fallen Sätze wie „Das klären die schon unter
sich!“ oder „Da muss er durch, lass die mal machen!“. Bullying unter Hunden kann den
betroffenen Vierbeinern jedoch nachhaltig schaden. Und auch die „Täter“ werden keine
besseren Hunde, wenn Hundebesitzer einfach nur zusehen.
Bullying, Mobbing oder auch Bossing sind Begriffe, die wir aus dem Englischen übernommen
haben. Manche bezweifeln, dass sie sich wissenschaftlich korrekt auf Tiere übertragen
lassen. Denn Psychoterror und gezielte Schikane erfordern kognitive Fähigkeiten, also
Intelligenz und Empathie. Tieren solche Fähigkeiten zuzugestehen, fällt vielen Menschen
noch immer schwer. Außerdem scheint es, als wäre das Bullying ein Phänomen, das erst in
der heutigen Zeit verstärkt auf sich aufmerksam macht. Wer die Sache genauer betrachtet,
stellt das Gegenteil fest: Mobbing gab es schon immer, und im Tierreich ist es weit
verbreitet. Früher kannten wir es aber mehr unter dem Begriff des „Hassens“. Dieser stammt
aus der Verhaltensbiologie.
Als „Hassen“ bezeichnet man ein Verhalten, das sich am leichtesten und häufigsten bei
Vögeln beobachten lässt: Entdecken Spatzen, Stare, Elstern, Krähen oder andere einen
potenziellen Fressfeind in ihrer oder in der Nähe ihrer Nester, rotten sie sich zu Gruppen
zusammen und fliegen lautstarke Attacken gegen Rabe, Bussard, Milan und Co. Da diese
großen Vögel im Luftraum weniger wendig sind als ihre kleineren Vettern, haben sie kaum
Chancen, gegen die Übermacht und Entschlossenheit der attackierenden Schar anzukommen
und suchen schnell das Weite. Nebeneffekt: Jungvögel lernen frühzeitig, wie ihre Feinde aus
der Luft aussehen und wie mit ihnen „erfolgsorientiert“ umzugehen ist. Mobbing im
innerartlichen Bereich kennt die Wissenschaft seit etwa einem halben Jahrhundert, vor
allem bei Caniden, Affen und Primaten, aber auch bei Pferden und beispielsweise
Erdmännchen.
Hunde-Bullying braucht mehr als 2 Beteiligte
Sobald ein Hund gegenüber einem anderen sehr grob wird, ihn „böse anbellt“,
zu Boden wirft oder auf eine Weise jagt, die dem anderen Hund Angst macht,
ist dem Täter-Hund der Stempel „Mobber“ schnell aufgedrückt. So einfach ist
die Sache allerdings nicht. Denn Mobbing ist an bestimmte Bedingungen
geknüpft. Nur wenn diese erfüllt sind, kann tatsächlich von Mobbing unter
Hunden gesprochen werden:
1 Es müssen mindestens 2 Hunde gemeinschaftlich gegen einen einzelnen
vorgehen.
2 Der Übergriff muss gezielt erfolgen und „System“ haben.
3 Es darf sich nicht nur um einen einmaligen Vorfall handeln.
Warum sich ein Hunde-Mob bisweilen gegen einen einzelnen zusammenrottet, kann viele
Gründe haben. Viele Mobbingaktionen unter Vierbeinern haben strafenden Charakter. Ein
Mitglied einer „Spielgesellschaft“ verhält sich nicht adäquat, „stänkert“ vielleicht gegen
einen anderen und schon geht der „Gruppenpolizist“ hin und lässt ihn wissen, dass da etwas
so nicht geht. Hat der Gruppenpolizist Kumpels oder ist in der Gruppe einer, der sich
persönliche Vorteile von einer Unterstützung des Gruppenpolizisten verspricht, stellen sich
solche Gesellen dem Scheriff gern zur Seite. Grundsätzlich ist das keineswegs problematisch,
sondern ganz normale Hunde-Kommunikation, aus der nicht zwingend Mobbing erwachsen
muss. Insbesondere dann nicht, wenn Polizist und Adjutant/en einen kühlen Kopf bewahren
können. Ist die Atmosphäre jedoch „aufgeheizt“, die Hunde - weshalb auch immer emotional „hochgefahren“, können auch die kühlsten Köpfe zu kochen beginnen und das
Bullying seinen Lauf nehmen. Manchmal sind es auch ein Geruch oder ein Handicap, die
einen Hund zum Mobbing-Ziel machen können. Denkbar ist auch, dass ein Hund von
Artgenossen als „Spielzeug“ missbraucht und entsprechend behandelt – gemobbt – wird,
ohne die für echtes Spiel so kennzeichnende Rücksichtnahme.
Hunde-Bullying schadet dem Sozialverhalten
Ein Hund, der regelmäßig von anderen gemobbt und „fertig gemacht“ wird, macht höchst
belastende Erfahrungen. Und: Er „merkt sich das“, was mit ihm passiert. Nicht wenige
Hunde, die zu Mobbing-Opfern wurden, entwickeln eine ausgewachsene Abneigung
gegenüber bestimmten Hunden oder sogar Artgenossen allgemein bis hin zur kompletten
Unverträglichkeit. Der Stress, den solche Hunde durch das Bullying erleben, ist enorm und
kann langfristig gesundheitliche Schäden haben. Hinzu kommt, dass die Lebensqualität und
das Wohlbefinden auch eines Hunde-Mobbing-Opfers massiv beeinträchtigt sein können. In
Einzelfällen mag gar eine erlernte Hilflosigkeit aus Mobbing-Erfahrungen resultieren.
Täter-Hunde profitieren ebenfalls nicht vom Bullying. Der regelmäßige Verlust eines „kühlen
Kopfes“ ist häufig ein Merkmal mangelnder Impulskontrolle und fehlender
Selbstbeherrschung. Wer seinen Hund freizügig mobben lässt, nimmt ihm jede Möglichkeit,
sich Impulskontrolle und Selbstbeherrschung in den fraglichen Situationen anzueignen. Das
gilt für Haupttäter und Beihelfer gleichermaßen. Außerdem ist denkbar, dass die Attacken
und die dabei erlebte Unterstützung durch andere Hunde selbstbelohnende Effekte für den
einzelnen Mobber-Hund nach sich ziehen. Das macht einen Vierbeiner für die meisten
Hundehalter nicht gerade zu einem angenehmen Weggefährten, den man überall
problemlos mitnehmen und von der Leine lassen kann.
Mobbing unter Hunden vermeiden: Schreiten Sie ein – aber
richtig!
Gemobbte Hunde suchen einem ersten Impuls folgend oft direkt bei ihren Besitzern Schutz.
Manche setzen sich bei Frauchen oder Herrchen auf die Schuhe oder zwischen die Beine,
andere drücken sich eng an ihres Menschen Seite, wieder andere springen am Menschen
hoch, in der Hoffnung, auf den rettenden Arm genommen zu werden. Das Schlimmste, was
ein Hundebesitzer seinem Vierbeiner in einer solchen Situation antun kann, ist den Hund zu
ignorieren. Dergleichen wurde leider lange Zeit von vielen Hundetrainern geraten.
Unterlassene Hilfeleistung stellt jedoch keinen Beitrag zu einer glücklichen Mensch-HundBeziehung dar. „Hundemensch“ zu sein, erfordert vielmehr gerade, dem Vierbeiner auch als
Personenschützer zur Seite zu stehen. Es gilt, den Hund in solchem Vertrauen seinem
Besitzer gegenüber zu bestärken. Dann ist auch nicht zu befürchten, dass der Vierbeiner in
einer Belastungssituation kopflos in die Botanik flüchtet.
Welche Maßnahmen im individuellen Einzelfall geeignet sind, um Mobbing unter Hunden zu
verhindern, ist sehr verschieden und von den jeweils beteiligten Hunden abhängig. Zunächst
sollten Kontakte zwischen Hunden, die einander hassen, nicht erzwungen werden.
Hundekontakte müssen für alle beteiligten Vierbeiner angenehm sein. Nur dann entfalten
sie die wünschenswerten Wirkungen in Sachen Sozialverhalten und Wohlbefinden. Ein Hund,
der um Hilfe bittet, sollte zudem niemals ignoriert werden. Als Unterstützung ist dabei alles
erlaubt, was dem Hund hilft, sich besser zu fühlen. Ein Hund, der sich augenblicklich
beruhigt, wenn er auf den Arm genommen wird, darf deshalb auch gern auf den Arm
genommen werden.
Unterbrechen Sie Bullying-Situationen ruhig, ohne Geschrei und ohne Härte. Handeln Sie
immer, ganz gleich, ob Ihr Hund (Mit-)Täter oder Opfer ist. Rufen Sie die Hunde,
insbesondere die Täter, rechtzeitig ab (falls keiner „hört“: holen Sie die Hunde ab) und leinen
Sie sie an. Vergessen Sie nicht, Gehorsam hochwertig und bedürfnisgerecht zu belohnen.
Lassen Sie Ruhe einkehren und nutzen Sie die Auszeit für geeignete
Entspannungsmaßnahmen, sowohl bei Täter- als auch bei Opferhunden. Denken Sie daran,
dass kein Hund "böse" oder "missraten" ist, dass es manchmal nur Situationen gibt, in denen
Hunde überfordert sind.
Vielfach können gut auftrainierte Entspannungssignale und das kluge Management von
Hundebegegnungen und Hunde-Gruppen möglichem Mobbing vorbeugen. Verlassen Sie
Gruppen und Schauplätze, auf denen nach der Maxime des „die machen das unter sich
aus“ herrscht. Muten Sie Ihrem Vierbeiner keine falschen Freunde zu, sondern suchen Sie
ihm Spielgefährten, die er mögen kann. Haben Sie keine Scheu, sich von versierten Profis
helfen zu lassen.
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Anmerkung von Andreas Schmitt:
Es ist wichtig, wie hier auch in diesem Artikel beschrieben, dass man nicht bei jeder
Auseinandersetzung zwischen Hunden direkt auf „Mobbing“ schließt und
dementsprechend situationsbedingt handelt.
Falls wirklich Mobbing im Spiel ist, dauerhaftes und penetrantes Bedrängen Ihres
Hundes durch mindestens 2 andere überlegene Hunde, oder Ihr Hund durch einen
anderen überlegenen und unsozialen Hund mehr als eine hündische normale
Maßregelung erfährt, so müssen Sie eingreifen.
Falls Sie sich unsicher im Verhalten der Hunde sind, dann tragen Sie bitte Sorge
dafür, dass Stress-Situationen für Ihren Hund und auch für Sie, erst gar nicht
auftreten. Hierbei sind Sie für Ihren Hund zuständig und haben die Sorgfalts- und
Einschreitungspflicht.
Bei Hundegruppen/Hundetreffen/Hundefreiläufen sollte immer eine jeweilige
Aufsichtsperson, die solche Situationen beurteilen und frühzeitig erkennen kann,
anwesend sein.
A.Schmitt-Hundetrainer nach §11 TSchGes. – 2015
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