Häslich und die neuen Nachbarn Bericht: Julia Cruschwitz

Häslich und die neuen Nachbarn | Manuskript
Häslich und die neuen Nachbarn
Bericht: Julia Cruschwitz, Franziska Hentsch
Jens Opitz: Gruß
Riyad Karzun: Hallo
Jens Opitz: Hallo
Riyad Karzun: Guten Tag. Wie geht es ihnen?
Jens Opitz: Gut, und selbst
Riyad Karzun: Gut auch gut
Jens Opitz: Na dann passt‘ doch
Hier treffen sich zwei Männer, die wahrscheinlich nie miteinander reden würden. Der
Palästinenser Riyad Karzun, der mit seiner Familie vor dem IS geflohen ist. Und Jens Opitz,
der seit Monaten Proteste gegen Flüchtlinge organisiert. Doch der Reihe nach.
Wir sind in Häslich, das zur Gemeinde Haselbachtal in der Lausitz gehört. Rund 500
Deutsche leben hier - und seit vergangenem August etwa 30 Flüchtlinge. In der alten
Dorfschule wurden sie untergebracht. Einer, dem das Heim nicht passt, ist Jens Opitz. Seit
einem Jahr organisiert er Demonstrationen gegen die Unterbringung. Wir besuchen ihn zu
Hause.
Frage: Sie haben ja protestiert gegen da sHeim und jetzt sind sie ein halbes jahr lang hier.
Was ist denn ihre Bilanz, ein halbes Jahr Asylbewerber in Häslich? Rein auf Häslich bezogen?
Opitz: Würde ich jetzt mal so sagen, dass sie uns nicht den Ärger gemacht haben.
Frage: Wie befürchtet?
Opitz: Wie befürchtet.
Erstaunlich, Jens Opitz Befürchtungen haben sich nicht erfüllt, und trotzdem geht er
weiterhin zu den Demonstrationen. Noch immer protestieren Anwohner jeden zweiten
Samstag.
Frage: Mit wie viel rechnen sie den?
Opitz: Keine Ahnung das ist immer so der Überraschungseffekt bei uns.
Frage: Aber mit 100 hatten sie es angemeldet?
Opitz: Ja dann schauen wir mal...
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verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Heute sind es um die 40. Es ist der erste Jahrestag der Demonstration, deren Themen sich
im Laufe der Zeit geändert haben. Es geht jetzt weniger konkret gegen das Heim oder die
Flüchtlinge im Ort - Ziel des Unmuts ist inzwischen die große Politik. Jens Opitz macht
Stimmung, mit Zitaten, die er sich aus dem Internet zusammen gestückelt hat:
Opitz: „Eine Ansage von mir. [Applaus.] ein Zitat habe ich von der Frau Merkel: Moscheen
werden stärker als früher unser Stadtbild prägen. Wir müssen akzeptieren, dass die Zahl der
Straftaten bei jugendlichen Migranten steigt. Müssen wir das? – nee, nein, niemals,
Verbrechen werden nicht geduldet.
Zur gleichen Zeit steht Riyad Karzun am Flüchtlingsheim. Die Motive der Protestler –
nachvollziehen kann er sie nicht:
Riyad: Ich denke, die Demonstranten sollten, anstatt alle zwei Wochen hier vorbeizulaufen,
lieber zu uns ins Heim kommen, uns Fragen wie es uns geht. Wir sind Menschen, die in
Frieden, Würde und Sicherheit leben wollen.
Riyad Karzun ist mit seiner Frau und drei Kindern aus dem Libanon geflohen. Er will in
Deutschland schnell Fuß fassen, macht bald einen Sprachkurs. Im Heim hilft er bereits jetzt
unentgeltlich als Übersetzer. Doch für Unmut im Dorf sorgte, dass der gelernte
Bauingenieur einen Ein-Euro-Job der Gemeinde abgelehnt hat. Die ehrenamtliche Helferin
Adelheid Liefke redet ihm ins Gewissen:
Adelheid Liefke: Also Riyad dich kann nur reden mit dir,nimm es nicht Spaßig, ich kann nur
reden mit dir. Es ist traurig, wenn ihr hier sitzt und draußen in der Gemeinde gibt es Arbeit.
Ihr könnt viel damit beitragen, dass alles mit den Flüchtlingen in Ordnung geht. Und ich
denke, du solltest etwas für das Dorf tun, für die Gemeinde. Wir verstehen uns schon.
Adelheid Liefke: Soll ich anrufen? Kommst du? gehst du?
Riyad: (zögert) Maybe
Adelheid Liefke: Nicht maybe. Yes or no, gibt es nicht.
Riyad: Yes, I think
Adelheid Liefke: Nicht Yes I Think is maybe
Riyad: Yes Maybe
Lachen
Eine klare Zusage will er Adelheid Liefke nicht geben.
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Statt wie befürchtet einzelne Männer, sind nach Häslich ausschließlich Frauen und
Familien gekommen. Bisher gab es keine Diebstähle oder Messerstechereien. Doch außer
zu den freiwilligen Helfern haben die Asylbewerber keinen Kontakt zu den
Dorfbewohnern. Jens Opitz ärgert sich trotzdem:
Opitz: Heller geht’s nicht Es ist kein Fenster, das nicht erleuchtet ist. Es ist komplett
beleuchtet innen und außen. Die müssen es ja auch nicht bezahlen, die Leute.“
Frage: Aber haben sie denn schon mal mit jemandem geredet, der hier wohnt?
ER: Dürfen wir nicht.
Frage: Aber Wir können es heute Abend ja mal versuchen.
Er: Gerne….Irgendwann hat man es dann auch mal satt.
Und so vereinbaren wir ein Treffen zwischen Jens Opitz und Riyad Karzun.
Jens Opitz: Gruß
Riyad Karzun: Hallo
Jens Opitz: Hallo
Riyad Karzun: Guten Tag. Wie geht es ihnen?
Jens Opitz: Gut
Eine Dolmetscherin hilft bei der Verständigung. Auch die zwei Söhne von Ryiad Karzun sind
dabei. Jens Opitz kann endlich loswerden, was ihn schon lange beschäftigt.
Opitz Ist es nicht doch auch das Geld gewesen, das euch hier hergezogen hat?
Riyad Karzun: Er sagt als sie aus dem Libanon kamen, sie wussten nicht dass sie Geld kriegen,
mir wurde nur gesagt dass ich hier eine Unterkunft krieg, die Kinder würden zur Schule
gehen und in Frieden leben, das war mein Ziel nicht was anderes.
Opitz: Es geht um die, die hier eigentlich bei uns nichts zu suchen haben, weil die kein
Asylrecht kriegen, weil die trotzdem hierherkommen, in der Zwischenzeit die Kohle kassieren
und dann wieder raus müssen.
Riyad Karzun: Er sagt, ich habe keine Antwort mehr, weil ich nicht es wusste gibt solche
Menschen die solche Gedanken haben.
Fühlbare Distanz auf beiden Seiten – und trotz des Kennenlernens werden die Proteste
gegen die Flüchtlingspolitik in Häslich weitergehen.
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