Das Klischee von den Mannweibern auf dem Platz stimmt längst

Das Klischee von den Mannweibern auf dem Platz stimmt
längst nicht mehr. Fußballerinnen sind heutzutage
durchtrainiert und sehen gut aus. Doch die Werbeindustrie
hat sie noch nicht so richtig für sich entdeckt
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T estimonials
Truppe ohne
Glamourgirls
Als Team lässt sich die Frauenfußballnationalmannschaft vermarkten.
Doch interessante Persönlichkeiten für
die Werbeindustrie fehlen
Fotos: Mauritius Images; Peter Hartenfelser; Unternehmen
TEXT: L e na He r r ma nn
Bietet das Quartier genug Entspannungsmöglichkeiten? Und wie wirkt
sich das brasilianische Klima auf die
Leistung der Spieler aus? Diese und
ähnliche Fragen diskutierte Fußballdeutschland im vergangenen Jahr
schon Wochen vor dem Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft der
Männer. Dieses Jahr interessierte sich
niemand für Trainingsplätze und
Klima­tabellen. Dabei findet gerade
eine Fußball-WM statt. Nur treten
nicht die Männer gegen den Ball, sondern die Frauen. Deren Vorbereitungsphase ging im Abstiegskampf der Fußballherren, ihrer Champions League
und dem DFB-Pokal unter. Und die
WM-Spiele finden in Kanada statt,
dann, wenn es Nacht in Deutschland
ist. Sichtbarkeit sieht anders aus.
Dabei hat sich im Frauenfußball
seit der WM 2011 im eigenen Land viel
getan: Die Strukturen beim Deutschen
Fußballbund (DFB) und in der Bundesliga professionalisieren sich, das
öffentliche Interesse am Frauenfußball
wächst, Sponsoren stehen bereit. Doch
Medien und Werbepartnern fehlen die
Persönlichkeiten: einzelne Spielerinnen, die Wiedererkennungswert haben. Der DFB tut sich schwer damit,
Typen heranzuziehen, die aus dem
Team herausstechen.
Dabei gab es das schon mal. Bei
der WM 2011 in Deutschland nutzten
einige Spielerinnen das Interesse der
Bevölkerung, sich medial zu profilieren. Stürmerin Fatmire „Lira“ Bajramaj
nahm die Öffentlichkeit via Facebook
mit in die Kabine. Kollegin Kim Kulig
fiel mit Lockenkopf und hohen Wangenknochen ins Auge. Und der exotische Name, die Lebensgeschichte und
die Tore von Célia Okoyino da Mbabi
fesselten die Öffentlichkeit.
Vier Jahre später sind die Geschichten rund um die Glamourgirls
im deutschen Aufgebot verschwunden.
Lira Bajramaj, die seit 2013 Alushi
heißt, ist schwanger und fehlt bei der
WM. Kim Kulig ist langzeitverletzt. Die
hübsche Blondine macht jetzt als Expertin für das ZDF eine gute Figur,
zahlt damit aber nicht auf den Glamourfaktor der Nationalmannschaft
ein. Célia Okoyino da Mbabi hat ihren
Nachnamen gegen den ihres Mannes
eingetauscht und unterschreibt jetzt
mit Šašić. Sie steht im WM-Aufgebot,
hat aber erst im Auftaktspiel gezeigt,
was sie draufhat. Andere Namen sind
bisher nicht auszumachen.
Das ist ein Problem.
Wie es um die Wiedererkennbarkeit der Spielerinnen steht, zeigt nicht
ganz freiwillig die Kampagne der Commerzbank. Im Spot für den Premiumpartner der Nationalmannschaft joggen eine Reihe von Spielerinnen im
grauen Hoodie hinter ihrer Trainerin
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durch Frankfurt. Alle haben sie die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Ein
Team ohne Gesicht. Für Uwe Hellmann, Leiter Brandmanagement der
Commerzbank, ist das aber nicht wichtig. Für ihn und die Commerzbank ist
der Teamgedanke die entscheidende
Aussage: „Gemeinsam wird der Weg
der Vorbereitung beschritten und gemeinsam kämpft die Mannschaft um
den Titel“, sagt er. Wenn die Verbraucher diesen Gemeinschaftsgedanken
auch auf die Commerzbank projizieren: umso besser.
Bundesliga: quasi
unsichtbar
Doch Doris Fitschen, die Managerin
des Frauenteams und gleichzeitig verantwortlich für das Marketing des
Frauenfußballs im DFB, wünscht sich
ein paar schillernde Persönlichkeiten
in der Mannschaft. Denn von bekannten Namen profitiert auch die Mannschaft. „Ein Team lässt sich besser vermarkten, wenn Persönlichkeiten darunter sind“, sagt sie. Der Weg dahin ist
allerdings nicht ganz einfach. „Wir
hatten nach 2011 einen großen Um-
16,9
Millionen
Fernsehzuschauer sahen am 9. Juli 2011 das
Ausscheiden der deutschen Damen gegen
Japan im Viertelfinale der WM 2011.
Quelle: Statista
„Ein Team lässt
sich besser vermarkten, wenn
Persönlichkeiten
darunter sind“
Doris Fitschen,
Managerin der Frauennationalmannschaft und DFB-Abteilungsleiterin
Marketing für Frauenfußball
bruch“, sagt Fitschen. „Bekannte Spielerinnen wie Birgit Prinz haben aufgehört und aufgrund von Verletzungspech gab es eine hohe Fluktuation.“ Bei
der aktuellen WM stehen viele sehr
junge Spielerinnen auf dem Platz. Einige wie Melanie Leupolz und Lena
Lotzen haben das Potenzial, sich über
Leistung hinaus Sichtbarkeit zu verschaffen. „Die WM ist eine ausgezeichnete Plattform, seine Bekanntheit zu
steigern“, sagt die Managerin.
Gleichzeitig versucht der DFB,
nicht immer die gleichen Gesichter in
den Vordergrund zu schieben. „Wir
wollen die Last auf allen Schultern verteilen“, sagt Fitschen. Das ist gerecht
und beugt Unruhe im Team vor. Aber
es ist nicht unbedingt zweckdienlich,
wenn es um den Aufbau einzelner
Spielerinnen als Marke geht.
Wie schwer es ist, Fußballspielerinnen auch neben dem Platz gewinnbringend zu vermarkten, erlebt Dominik Kaesberg: „Sie müssen froh sein,
überhaupt einen Werbepartner zu haben.“ Der Chef der Beratungsfirma
Fußballmarkt hat Célia Šašić unter
Vertrag und für sie den Fair-TradeHändler Gepa als Partner gewonnen.
Ein Anfang. In der ersten Liga der Testimonials spielt sie damit nicht.
Dabei kann sie sich als Nationalspielerin noch glücklich schätzen:
Während ihre männlichen Kollegen
durch die Bundesliga Beachtung bekommen, sehen bei den Frauen durchschnittlich 1022 Zuschauer ein Bundesligaspiel. Mediale Aufmerksamkeit
gibt es nur zu Großereignissen. Dazwischen verschwinden die Namen wieder
aus dem kollektiven Gedächtnis. Und
aus dem Fokus der Werbeindustrie.
Doch der Markt ändert sich langsam. Als aktive Spielerin bekam Doris
Fitschen für ihren ersten EM-Titel
1989 noch ein 40-teiliges Kaffeeservice.
Immerhin 60 000 Euro hätte jede von
ihnen bei einem Sieg 2011 bekommen.
Die Topklubs zahlen inzwischen so gut,
dass die Besten von ihrem Fußballspiel
leben können. Das ermöglicht Professionalität und das wirkt sich auf die
Qualität des Spiels aus. Ausschlaggebend, wenn sich die breite Masse für
Frauenfußball interessieren soll.
Quantität schlägt
Qualität. Noch
Seit der vergangenen Saison spült ein
Deal mit der Allianz zusätzlich Geld in
die Kassen der Vereine: Die 1. Liga
nennt sich seitdem „Allianz FrauenBundesliga“. Der Versicherungskonzern engagiert sich auch als Hauptpartner der Frauennationalmannschaft.
„Wir sind der Überzeugung, dass der
Frauenfußball einen Aufschwung erleben wird“, sagt Manfred Boschatzke,
Leiter Werbung und Sponsoring der
Allianz. Seit der WM 2011 erlebt er
eine zunehmende Sichtbarkeit des
Sports, mit dessen Hilfe die Allianz die
Zielgruppe Frauen anspricht. Wie HellWe ite r au f Se ite 55
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Joggen 2014 (o.) und heute (u.)
Die Commerzbank ließ sowohl
die Herren kurz vor der WM als
auch die Damen mit ihren
Trainern durch den Wald laufen.
Dabei geht es um den Team­
gedanken, weniger um einzelne
Gesichter, die herausstechen
S p o ns o r i ng
Allianz seit 2011 Hauptpartner der
Frauennationalmannschaft
Mercedes-Benz seit 1990 General­
sponsor der Frauenfußballnationalmannschaft
Adidas seit 1954 Zusammenarbeit mit
dem DFB, Generalausrüster
S. Oliver seit 2015 Modepartner der
Frauenfußballnationalelf
Commerzbank seit 2008 Premium­
partner der Frauennationalmannschaft
Henkel seit 2015 Premiumpartner der
Frauenfußballnationalmannschaft
Flyeralarm seit 2013 Premiumpartner
der Frauennationalmannschaft
Deutsche Post seit 2009 Premium­
partner der Frauenfußballnationalmannschaft
mann von der Commerzbank ist auch
Boschatzke der Teamgedanke wichtig.
Einzelne Namen spielen keine Rolle.
„Vor zehn Jahren wäre ein Engagement wie das der Commerzbank
oder der Allianz nicht möglich gewesen“, sagt Andreas Ullmann von der
Sportberatung Repucom. Doch damit
es auch für die Frauen attraktive Testimonialverträge geben kann, muss die
mediale Präsenz der Sportart zunehmen. „Die höchstdotierten Verträge
gibt es zweifelsohne für Sportlerinnen,
die über einen längeren Zeitraum im
Jahr über verschiedene Kanäle medial
präsent sind“, sagt er. Global gesehen
gelingt das derzeit beim Tennis. Beim
Frauenfußball sind auch die Medien in
der Pflicht. Doch die Anstoßzeiten in
diesem Jahr machen es kaum möglich.
Die Vorrundenspiele der Deutschen
beginnen aufgrund der Zeitverschiebung erst um 22 Uhr. Für ARD und
ZDF hat da die unattraktive, weil
werbe­freie Zeit bereits begonnen. Auch
die Einschaltquoten werden sich zu
später Stunde in Grenzen halten; erst
um 1 Uhr nachts werden Halbfinalspiele und Finale angepfiffen. Ein Sommermärchen ist da nicht zu erwarten. „Leider ist immer noch die quantitative und
nicht die qualitative Kontaktchance das
am weitesten verbreitete Argument für
Sponsoren“, sagt Raphael Brinkert, Geschäftsführer von Jung von Matt/sports.
Heißt: Je mehr die Medien berichten,
desto interessanter werden Spielerinnen für die Werbeindustrie.
Manfred Boschatzke glaubt trotzdem daran, dass die nächtliche WM in
Kanada eine Chance für junge Spielerinnen bietet, sich zu profilieren. „Vor
allem dann, wenn es für die Nationalmannschaft gut läuft.“ Um die Zeitverschiebung aufzufangen, setzt die Allianz auf eine Social-Media-Kampagne,
die in den Morgenstunden die Fans mit
Berichten rund um das nächtliche Geschehen fesseln soll. Je länger die Deutschen im Turnier sind, desto besser.
„2011 war die WM für die Deutschen
zu schnell vorbei“, sagt Dominik Kaesberg. Nach dem Ausscheiden damals
im Viertelfinale würde der WM-Sieg
in diesem Jahr helfen, neue Glamourgirls dauerhaft zu etablieren. Dann
interessiert sich die Öffentlichkeit in
vier Jahren bei der WM in Frankreich
auch für das richtige Quartier.
l he @ wu v.d e
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