E3G_Zukunftsperspektiven für die Lausitz

KURZSTUDIE
NOVEMBER 2015
ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN FÜR DIE LAUSITZ
WAS KOMMT NACH DER KOHLE?
JULIAN SCHWARTZKOPFF & SABRINA SCHULZ
Im März 2015 legte Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel einen Gesetzesvorschlag für einen Klimabeitrag vor, der vor allem Braunkohlekraftwerke getroffen hätte. Obwohl dieser letztlich zu Gunsten der
Klimareserve gekippt wurde, löste er eine unerwartete Dynamik in der
Diskussion um die Zukunft der Braunkohle in Deutschland aus. Hierbei
rückte die Frage der sozialen Konsequenzen des Braunkohleausstiegs in
den Mittelpunkt. Es wurde klar, dass der weitere Erfolg der Energiewende auch in Deutschlands Braunkohlerevieren entschieden wird. Denn
wenn die Energiewende nur mit Strukturbrüchen und sozialen Verwerfungen zu realisieren ist, stellt das die Glaubwürdigkeit des gesamten
Projekts in Frage.
Als zweitgrößtes deutsches Braunkohlerevier steht die Lausitz im Zentrum der Debatte um den
sozial verträglichen Braunkohleausstieg. Die Region gilt als strukturschwach, mit hoher Arbeitslosigkeit, niedrigem Wirtschaftswachstum und starker Abwanderung. Mit dem Zusammenbruch der ostdeutschen Schwerindustrie nach der Wende fielen bereits zehntausende Arbeitsplätze praktisch über Nacht weg. Die Region hat sich immer noch nicht vollständig von diesem
Schlag erholt. Die Politik konnte das nicht aufhalten – aber im Gegensatz zur heutigen Situation griff sie aktiv ein, um den Strukturbruch sozial abzufedern.
Heute sichert die Lausitzer Braunkohleindustrie noch rund 15.000 Arbeitsplätze – davon etwa
die Hälfte in Kraftwerken und Tagebauen und die andere Hälfte bei Zulieferern. Regierungsprojektionen zufolge werden nach der Schließung des Kraftwerks Jänschwalde etwa die Hälfte
dieser Arbeitsplätze weggefallen sein. Die brandenburgische Energiestrategie sieht eine Stilllegung zwar erst 2030 vor. Es ist aber fragwürdig, ob sich das Kraftwerk überhaupt noch so lange
rechnet. Ein Drittel der Blöcke wird als Teil der Klimareserve nun bis 2023 endgültig stillgelegt
werden. Die verbleibenden Blöcke werden durch klimapolitische Entscheidungen auf deutscher und europäischer Ebene weiter unter Druck geraten. Es könnte also schon in wenigen
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Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Jahren zum Verlust von tausenden Arbeitsplätzen im Bandenburgischen Teil der Lausitz kommen. Darauf ist die Region schlicht nicht vorbereitet.
Es wird also ein Programm zur Abfederung des Strukturwandels in Deutschlands Braunkohleregionen gebraucht. Wenn die Betroffenen nicht von Bundesebene einen fairen Deal angeboten bekommen, wird sie die Energiewende zurücklassen. Aber das muss von langer Hand geplant werden. Wir stehen vor der Wahl, einen abrupten Strukturbruch zuzulassen oder von
Anfang an einen geordneten Strukturwandel in die Zeit nach der Braunkohle anzutreten. Und
das Zeitfenster hierfür ist bereits dabei, sich zu schließen.
Politischer Kontext der Braunkohle
Im März 2015 legte Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel einen Gesetzesvorschlag
für den Klimabeitrag vor. Dieser löste eine unerwartete Dynamik in der Diskussion um die
Zukunft der Braunkohle in Deutschland aus. Der Klimabeitrag hätte CO2-Emissionen von Kraftwerken ab einem bestimmten Grenzwert mit Strafzahlungen versehen, was in der Praxis vor
allem ältere Braunkohlekraftwerke betroffen hätte.
Neben dem zu erwartenden Widerstand auf Seiten der Energiekonzerne RWE und Vattenfall
hat die Debatte auch die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen aufgezeigt, die ein
Braunkohleausstieg nach sich ziehen würde. Gewerkschaften, vor allem die IG BCE, fürchten
um den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen ohne strukturpolitische Abfederung. Landespolitiker in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen sind zu Recht
besorgt über mögliche Strukturbrüche, die eine Schließung der Braunkohlereviere in ihren
Bundesländern nach sich ziehen würde. Obwohl der Klimabeitrag Unterstützung von diversen
Gruppen wie Wissenschaftlern, Umweltorganisationen, der parlamentarischen Opposition,
Stadtwerken und auch dem Versorger EnBW erfuhr, erwies sich am Ende nicht zuletzt die
Sorge um Beschäftigungsverluste als entscheidend. Laut einer Studie des Umweltbundesam1
tes hätte der Klimabeitrag den Verlust von 4,700 Arbeitsplätzen nach sich gezogen – das sind
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rund 22% aller in der Braunkohleindustrie Beschäftigten.
Aufgrund der vielfältigen Opposition wurde der Klimabeitrag schließlich zu Gunsten einer Einigung gekippt, die die Reduktionsverpflichtungen des Stromsektors bis 2020 halbiert und die
Schließung von Braunkohlekraftwerken nicht durch Strafzahlungen sondern über eine Klimareserve sicherstellt. Laut dem aktuellen Kabinettsbeschluss sieht die Maßnahme vor, dass
Braunkohleblöcke im Umfang von 2.7GW ab 2017 schrittweise in eine Reserve überführt wer3
den, um dann nur noch im Notfall hochgefahren und bis 2023 stillgelegt werden. Für die bereitgestellte Kapazität werden die Kraftwerksbetreiber dann mit jährlich €230 Mio. über sieben
Jahre vergütet. Dies stellt allerdings höchstens eine Übergangslösung dar, die noch viele Fragen offen lässt. Im Ergebnis hat diese Debatte vor allem dazu geführt, dass der Braunkohleausstieg in Deutschland zum ersten Mal ernsthaft diskutiert wird. Das Thema ist in der öffentlichen Debatte angekommen.
1
UBA (2015) Klimabeitrag für Kohlekraftwerke: Wie wirkt er auf Stromerzeugung, Arbeitsplätze und Umwelt?
2
Statistik der Kohlenwirtschaft, Stand 2014
3
Bundesregierung (2015) Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz)
2
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Vor diesem Hintergrund ist daher anzunehmen, dass die Tage der Braunkohle in Deutschland
gezählt sind. Dies ist jedoch nicht unbedingt wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit der Fall,
denn die Stromgestehungskosten von Braunkohle liegen prinzipiell deutlich unter denen von
4
anderen fossilen Energieträgern. Das ist aber nur eine rein betriebswirtschaftliche Sichtweise.
Wenn man darüber hinaus gesundheitliche Kosten durch Schadstoffemissionen sowie Kosten
von Naturschäden wie die Absenkung des Grundwasserspiegels und Fließgewässerverschmutzungen mit einbezieht, ist die Braunkohleverstromung gesamtwirtschaftlich betrachtet eine
Verlustrechnung. Die externen Kosten werden auf ca. 80-100 €/MWh geschätzt, was ein Mehr5
faches des Strompreises beträgt.
Außerdem sind nicht alle Braunkohleblöcke gleich wirtschaftlich. 40% der deutschen Braun6
kohleblöcke sind älter als 35 Jahre. Schätzungen auf Basis von Daten der Energieversorger, die
7
im Rahmen einer Studie zum Klimabeitrag veröffentlicht wurden, zeigen, dass die ältesten
deutschen Braunkohleblöcke aufgrund ihrer niedrigen Effizienzgrade bestenfalls am Rande der
Profitabilität operieren oder bereits unrentabel sind. Dies trifft besonders auf den überalterten
8
Kraftwerkspark von RWE zu. Vor diesem Hintergrund ist auch die Warnung der Gegner des
Klimabeitrags vor einem „Dominoeffekt“ zu verstehen, der zur Schließung großer Teile von
9
Deutschlands Braunkohleflotte geführt hätte. Der sinkende Strombedarf und der fortschreitende Ausbau von erneuerbaren Energien mit Grenzkosten nahe Null werden den Strompreis
in Zukunft voraussichtlich weiter drücken. Ein Dominoeffekt, der die maroden alten Braunkohleblöcke vom Netz zwingen und momentan noch profitable Kraftwerksblöcke mitreißen könnte, wird auch allein durch diese Markttendenz immer wahrscheinlicher.
Auch wenn die Marktlage für Braunkohle aktuell noch gut ist, wird sich diese durch politische
Rahmensetzung auf deutscher und europäischer Ebene in Zukunft deutlich verschlechtern. So
gibt es Bestrebungen, den europäischen Emissionshandel (ETS) zu reformieren, um durch Verknappung der Emissionszertifikate höhere CO 2-Preise zu erreichen. So wurde kürzlich eine
10
Marktstabilitätsreserve verabschiedet, die ab 2019 in Kraft tritt. Zudem wird gerade ein ETSReformvorschlag verhandelt, der die jährliche Verknappung der Emissionszertifikate ab 2020
deutlich beschleunigen würde.
Der führende Informationsdienstleister für Unternehmen Thomson Reuters hat angesichts der
Stärkung des ETS kürzlich seine Zertifikatspreisprognose angepasst. Das Unternehmen geht
davon aus, dass der Preis für Emissionszertifikate, der aktuell bei ca. €8 liegt, bis 2020 auf €15
11
und bis 2030 auf €30 ansteigen wird. Zusammen mit den Daten zur Kostenstruktur der älte12
ren deutschen Braunkohlekraftwerke aus der oben erwähnten Studie lässt sich der Effekt von
4
Fraunhofer ISE (2013) Stromgestehungskosten – Erneuerbare Energien
5
DIW (2014) Braunkohleausstieg – Gestaltungsoptionen im Rahmen der Energiewende, Politikberatung Kompakt 84
6
NGO Existing Coal Database
7
Lazard (2015) Potentielle Auswirkungen des “Nationalen Klimaschutzbeitrags” auf die Braunkohlewirtschaft
8
E3G (2015) RWE’s Lignite Liabilities: A Bail-out by taypayers?
9
RWE (2015) Die Bedeutung der Braunkohle. RWE hatte argumentiert, dass durch die Einschränkung oder Stilllegung einzelner Kraftwerksblöcke insgesamt nicht mehr genug Gewinn gemacht werden könnte, um die verbleibenden Kraftwerke und
das System von Tagebauen und ihrer Rekultivierung zu finanzieren.
10
Treibhausgasemissionen: Einrichtung einer Marktstabilitätsreserve gebilligt, Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 18.10.2015
11
Carbon Pulse (2015) Impact of unallocated allowances on future EUA prices negligible - analysts, 18.06.2015
12
Lazard (2015) Potentielle Auswirkungen des “Nationalen Klimaschutzbeitrags” auf die Braunkohlewirtschaft
3
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
höheren Zertifikatspreisen auf deren Stromgestehungskosten abschätzen. Abbildung 1 zeigt
die minimalen Stromgestehungskosten aller deutschen Braunkohleblöcke über 25 Jahre bei
einem Zertifikatspreis von €15. Wie unschwer zu erkennen ist, würden die Erlöse aus dem
13
Stromverkauf beim aktuellen Forward-Strompreis von €28-29 bis Jahr 2020 nicht einmal
mehr die Kosten der Stromerzeugung decken. Wenn die Projektionen von Thompson Reuters
zutreffen, könnte ein Großteil der deutschen Braunkohleflotte also bereits in 5 Jahren auch
rein betriebswirtschaftlich ein Verlustgeschäft sein.
Abb. 1: Stromgestehungskosten der ältesten deutschen Braunkohleblöcke (>25 Jahre) bei
€15 EUA-Preis
Quelle: E3G Schätzung
Es handelt sich hierbei jedoch um eine sehr konservative Schätzung, weil fixe Brennstoffkosten
(bspw. durch den Kauf von Land und Maschinen) nicht eingerechnet wurden. Der Grund dafür
ist, dass ein Teil dieser Kosten kurzfristig nicht einzusparen wäre. Daher sind sie für eine Entscheidung über Stilllegung oder Weiterbetrieb von Kraftwerken nicht unmittelbar relevant
(„versunkene Kosten“). Auf welchen Teil dieser Kosten das zutrifft, ist jedoch aus der Studie
nicht ersichtlich. Werden im Gegensatz die vollen Brennstoffkosten einbezogen, erreicht man
Stromgestehungskosten von €45-52/MWh, was weit über den 2020 zu erwartenden Strompreisen liegt. Dies ist als die Obergrenze der Schätzung zu verstehen, während Abbildung 1 nur
die Untergrenze darstellt.
Die Stärkung des ETS wird die Braunkohle als emissionsintensivsten Energieträger härter treffen als Steinkohle oder Erdgas. Die ETS-Reform wird daher nicht nur die Kosten der Braunkohleverstromung erhöhen, sondern zusätzlich ihre relative Wettbewerbsposition gegenüber
anderen fossilen Brennstoffen verschlechtern. Wenn die Zertifikatspreise weit genug anstei-
13
4
EEX
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
gen, könnte die Braunkohle dadurch in der Merit Order noch hinter Gas rücken und daher
unwirtschaftlich werden.
Darüber hinaus werden unter der EU-Richtlinie über Industrieemissionen und der deutschen
Bundes-Immissionsschutzverordnung verschärfte Schadstoffgrenzwerte voraussichtlich ab
2021 in Kraft treten. Bei Kraftwerken, die diese Grenzwerte nicht einhalten, sind in der Regel
teure Nachrüstungen mit Schadstoffminderungstechnologie notwendig. Vattenfall hat beispielsweise berechnet, dass ein Nachrüsten mit effektiveren NO x-Katalysatoren aller Kessel im
Kraftwerk Jänschwalde Kapitalkosten von €20,3 Mio. und zusätzliche jährliche Betriebskosten
14
von €7,2 Mio. verursachen würde. Gerade bei älteren Braunkohleblöcken mit grenzwertiger
Profitabilität werden sich Energieversorger die Frage stellen müssen, ob sich ein solches Nachrüsten noch rechnet oder eine Schließung aus wirtschaftlicher Sicht vorzuziehen wäre.
Darüber hinaus bestätigen eine Reihe von Analysen, dass Deutschland seine Klimaziele für
2020 und 2030 nur mit einer deutlichen Verringerung der CO2-Emissionen aus der Stromer15
zeugung erreichen kann. Die Bundesregierung hatte sich daher bereits im Dezember 2014 zu
zusätzlichen Emissionsminderungen im Stromsektor bis 2020 verpflichtet, die allerdings mit
der Einigung auf die Klimareserve abgeschwächt wurden. Dieser Beitrag des Stromsektors
kann am kostengünstigsten durch eine Reduktion der Braunkohleverstromung erreicht werden. Denn Braunkohle ist mit Abstand der emissionsintensivste Energieträger – er ist verantwortlich für 55% der CO2-Emissionen des deutschen Stromsektors, liefert aber nur 26% des
16
Stroms.
Entsprechend wird die bundespolitische Debatte den Braunkohleausstieg früher oder später
wieder aufgreifen. Die derzeit anvisierte Klima- und Kapazitätsreserve bis 2020 wirkt hier lediglich verzögernd. Nachdem die vorgesehene Kapazität von 2,7 GW Braunkohle bis 2020 vom
Netz gegangen ist, werden noch über 17 GW an Braunkohlekapazität übrig bleiben - mehr als
in jedem anderen europäischen Land. In den energie- und klimapolitischen Entscheidungen
der nächsten Jahre wird die Braunkohlefrage daher weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
Der komplette Ausstieg aus der Braunkohle ist in Deutschland also nur eine Frage der Zeit. Sah
es vor einigen Jahren noch so aus, als ob die Braunkohle durch CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) auch in einer emissionsfreien Wirtschaft eine Zukunft haben könnte, ist das längst
nicht mehr der Fall. Weltweit ist derzeit keine dieser Anlagen in industriellem Betrieb. Vatten17
fall hatte bereits 2011 sein CCS-Pilotprojekt in Jänschwalde gestoppt und hat sich letztes Jahr
18
zudem aus der Forschung zurückgezogen.
Auch die brandenburgische Landesregierung gesteht die Unabwendbarkeit eines Braunkohleausstiegs bereits ein. In Brandenburgs Energiestrategie wird die Braunkohle als „Brückentechnologie“ auf dem Weg zu einem komplett auf erneuerbaren Energien basierenden Stromsys14
Vattenfall (2013) Transposition of the IED into German law - NOx ELV 100 mg/m³ for existing combustion plants
15
FÖS (2014) Klimaschutzplan lässt zu viel offen, IZES (2015) Kraftwerks-Stilllegungen zur Emissionsreduzierung und Flexibilisierung des deutschen Kraftwerksparks: Möglichkeiten und Auswirkungen
16
BNetzA, ETS-EUTL, Stand 2014
17
Spiegel Online (2011) Klimaschutz: Vattenfall stoppt Milliardenprojekt zur CO2-Speicherung, 5.12.2011
18
Spiegel Online (2014) Rückzug: Vattenfall gibt CCS-Forschung weitgehend auf, 7.05.2014
5
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
19
tem bezeichnet. Eine glaubwürdige und sozial verträgliche Ausstiegsperspektive wird jedoch
nicht aufgezeigt, wo die anstehende Überarbeitung der brandenburgischen Energiestrategie
jedoch neue Akzente setzen könnte. Auch von der Bundespolitik ist momentan keine begleitende Strukturpolitik in Sicht – dabei gibt es hierbei durchaus Erfahrungen von denen man
lernen könnte. Im Falle des Zusammenbruchs der Steinkohleförderung nach den 1960er Jahren, wie auch der ostdeutschen Kohleindustrie nach der Wiedervereinigung, wurden Maßnahmen zur sozialen Abfederung ergriffen. Auch der im Frühjahr 2015 vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagene Klimabeitrag ließ die Frage der Sozialverträglichkeit des
Braunkohleausstiegs komplett außer Acht – trotz gegenteiliger politischer Beteuerungen.
Politik, Gewerkschaften und Unternehmen tun den fast 22.000 Arbeitskräften im deutschen
Braunkohlesektor keinen Gefallen damit, aus wahltaktischen oder unternehmerischen Interessen die Realität der Zukunftsaussichten für die Braunkohle zu ignorieren und sich einer ehrlichen Kohleausstiegsdebatte zu verweigern. Die deutsche Braunkohlewirtschaft steuert momentan ungebremst auf einen Crash zu, der die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders hart treffen wird. Was die betroffenen Arbeitskräfte und Regionen brauchen, ist ein
geordneter Strukturwandel, der den Ausstieg so sozialverträglich wie möglich gestaltet und
eine tragfähige Zukunftsperspektive jenseits der Braunkohle schafft.
Wirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle in der Lausitz
Die Lausitz überspannt die deutsch-polnische Grenze, wobei der größere Teil allerdings in
Deutschland liegt (siehe auch Abbildung 2 weiter unten). Der deutsche Teil der Lausitz er20
streckt sich über Südbrandenburg und Nordsachsen und hat etwa 1 Mio. Einwohner. Die
Region umfasst die Landkreise Elbe-Elster, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, DahmeSpreewald, Görlitz und Bautzen sowie die kreisfreie Stadt Cottbus.
In der Region liegt das zweitgrößte der drei deutschen Braunkohlereviere. Sowohl im Bezug
auf die Fördermenge (61,8 Mt im Jahr 2014) als auch die Kraftwerkskapazität (aktuell 6,7 GW
an 3 Standorten) liegt die Lausitz hinter dem Rheinischen Revier (93,6 Mt; 10 GW and 4 Standorten). Das Mitteldeutsche Revier ist hingegen deutlich kleiner. Innerhalb der Lausitz konzentriert sich die Braunkohleindustrie vor allem auf die Landkreise Spree-Neiße, Bautzen, Görlitz
sowie die Umgebung der kreisfreien Stadt Cottbus.
Die wirtschaftlichen Aussichten für die Lausitz sind besorgniserregend, aber nicht hoffnungslos. Das Wirtschaftswachstum in der Region ist schwach; das Wirtschaftsaufkommen wird nach
21
Projektionen des ifo Instituts bis 2030 sogar um 0,9% sinken. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 9%
über dem Gesamtdeutschen Durschnitt (6,7%). Allerdings ist sie knapp unter dem ostdeut22
schen Durschnitt von 9,8% und ist zudem seit 2004 erheblich gesunken. Damals betrug sie
23
noch über 20%. Dies ist allerdings nur zum Teil dem Beschäftigungsausbau geschuldet. Auch
19
Siehe z.B. Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg; das Energie- und Klimaprogramm Sachsen 2012 hält hingegen
an der Braunkohlenutzung „mittel- und langfristig“ fest.
20
Diese Untersuchung betrachtet nur den deutschen Teil der Lausitz.
21
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven
22
Bundesagentur für Arbeit, Stand: September 2015
23
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven
6
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
die stetige Abwanderung aus der Lausitz ist dafür verantwortlich. Seit 1995 ist die Bevölkerung
24
der Lausitz um 18% von ursprünglich 1,43 auf 1,17 Mio. geschrumpft. Junge Lausitzer sind
hier überproportional vertreten. Die Folge ist ein Fachkräftemangel, der sich in Zukunft noch
verschärfen wird. Projektionen zufolge wird der Anteil an Erwerbstätigen in der Lausitz im Jahr
25
2030 um 36% sinken. Das entspricht rund 300.000 fehlenden Fachkräften. Außerdem ist eine
26
ausgeprägte Schwäche bei Forschung und Entwicklung zu verzeichnen.
Die Lausitz hat eine lange Industrie- und Bergbautradition, die ihre wirtschaftliche Struktur bis
heute prägt. 2010 hatte die Industrie einen Anteil von fast 30% an der Bruttowertschöpfung
sowie 23% an der Gesamtbeschäftigung, was stark über dem ostdeutschen Durchschnitt
27
liegt. Es überwiegen hierbei indes kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die vor allem in
traditionellen Industriezweigen wie beispielsweise der Metallwirtschaft tätig sind. In der
überwiegend ländlichen Region sind Sitze international operierender Großkonzerne oder gro28
ße Dienstleistungszentren eher die Ausnahme. Die starke Industrieabhängigkeit der Lausitz
ist einerseits eine Stärke, weil die Industrie generell ein wachstumsstarker Bereich ist, und
andererseits eine Schwäche, weil sie typischerweise sehr konjunkturabhängig ist. Des Weiteren bewirkt die Industrie typischerweise weitaus höhere indirekte Beschäftigungseffekte als
29
beispielsweise das Dienstleistungsgewerbe.
Der Sektor Energie- und Wasserversorgung ist mit einem Anteil von 15% an der Bruttowertschöpfung der Lausitz besonders stark vertreten. Dies liegt weit über dem Bundesdurchschnitt
30
dieses Sektors von ca. 4% und ist vor allem Braunkohleabbau und -verstromung geschuldet.
Berechnungen der Bruttowertschöpfung nur der Braunkohleindustrie in der Lausitz liegen
nicht vor, jedoch gibt es Berechnungen, die sich auf die jeweiligen Bundesländer beziehen. So
wird der Anteil der Braunkohlewirtschaft an der Bruttowertschöpfung Brandenburgs auf knapp
31
3% geschätzt. In Sachsen sind es knapp 1%.
Dennoch ist die Lausitzer Industrie weitaus stärker diversifiziert als im ostdeutschen Durchschnitt. Die Region hat nach der Wende ein klares industrielles Profil neben der Braunkohle
entwickelt. Dieses ist vorrangig geprägt von den Sektoren Ernährungswirtschaft, Chemie/Kunststoffe sowie Metall und Maschinenbau, die insgesamt 46% der 81.757 Industriebeschäftigten in der Lausitz stellen. In den Branchen Textil, Glas, Keramik sowie Verarbeitung von
32
Steinen und Erden sind weitere 9% der Industriebeschäftigten tätig. Anteilig sind diese Branchen deutlich stärker vertreten als im ostdeutschen Durchschnitt. Aufgrund dieser Diversifizierung können Einbrüche innerhalb einzelner Industriebranchen in der Lausitz besser kompensiert werden als in Ostdeutschland insgesamt.
24
Regionaldatenbank Deutschland, Stand: Dezember 2013
25
Ibid.
26
BMWi (2014) Industrieatlas der Neuen Bundesländer
27
Neuere Zahlen speziell für die Lausitz sind nicht verfügbar.
28
Gleichwohl gibt es in der Region neben Vattenfall noch andere große Unternehmensniederlassungen – beispielsweise von
ArcelorMittal, BASF, der Deutschen Bahn, Bombardier und Siemens.
29
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven
30
Ibid.
31
Prognos (2011) Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland. Hier sind allerdings induzierte Wertschöpfungseffekte mit
eingerechnet, was methodisch fragwürdig ist.
32
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven. Zum Vergleich: 9% der
Industriebeschäftigten sind direkt in Braunkohleabbau und -kraftwerken beschäftigt.
7
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Die zentrale Bedeutung der Braunkohle in der wirtschaftlichen Struktur der Lausitz begründet
sich vor allem in ihrer Beschäftigungswirkung. Direkt in der Braunkohleindustrie beschäftigt
sind laut ifo Institut (2013) 7.430 Arbeitnehmer. Diese Zahl bezieht sich auf die Mitarbeiter der
Firma Vattenfall in der Region, die weitestgehend deckungsgleich mit der Lausitzer Braunkohleindustrie sind. Etwa zwei Drittel davon sind im Bergbau tätig und ein Drittel in den Kraftwer33
ken. 58% dieser Beschäftigten leben in Brandenburg, der Rest in Sachsen. Der Deutsche
Braunkohlen-Industrie-Verein (DEBRIV) gibt hier zwar 8.245 Beschäftigte an, jedoch beinhaltet
das auch Vattenfall-Mitarbeiter, die nicht in der Lausitz tätig sind, sowie die 685 in der Lausitz
34
tätigen Mitarbeiter der LMBV. Weil die LMBV komplett in öffentlicher Hand und ausschließlich mit der Sanierung der alten DDR-Tagebauflächen beschäftigt ist, sollte sie nicht der Braunkohleindustrie zugerechnet werden.
Neben den direkt Beschäftigten bewirkt die Braunkohleindustrie indirekte Beschäftigungseffekte durch Sachausgaben und Investitionen. Dies schafft Arbeitsplätze in Vorleistungsbranchen, die der Braunkohleindustrie zuarbeiten. Diese Nachfrage wird großteils in der Region
gedeckt. 63% der Ausgaben der brandenburgischen Braunkohleindustrie werden beispielswei35
se in Brandenburg getätigt. Die Größe dieses indirekten Beschäftigungseffekts ist dabei eine
durchaus kontroverse Frage. Die oben genannte Studie des ifo Instituts schätzt den Beschäftigungsmultiplikator der Braunkohlewirtschaft auf 2, d.h. jeder Job in der Braunkohle schafft
einen weiteren Job bei Zulieferbetrieben. Dies liegt deutlich über dem durchschnittlichen Beschäftigungsmultiplikator der Industrie, den die Studie mit 1,7 beziffert. Nach dieser Rechnung
36
sind 7.158 Arbeitsplätze indirekt von der Lausitzer Braunkohlewirtschaft abhängig. Deren
gesamter Beschäftigungseffekt (direkt und indirekt) beliefe sich damit auf insgesamt 14.588
Arbeitsplätze, was ca. 4% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Lausitz ent37
spräche.
Es gibt jedoch auch weitaus höhere Rechnungen. Eine von Vattenfall in Auftrag gegebene
Studie errechnet beispielsweise einen Beschäftigungsmultiplikator von 3 für die gesamte Ost38
deutsche Braunkohlewirtschaft. Diese Zahl ist jedoch mit Vorsicht zu bewerten. Zunächst
wurden zusätzlich zur indirekten Beschäftigungswirkung „induzierte Arbeitsplatzeffekte“ berechnet, die sich aus den Konsumausgaben der in der Braunkohleindustrie Beschäftigten ergeben. Den Bäcker und den Friseur des Bergarbeiters der Braunkohleindustrie zuzurechnen, ist
methodisch höchst fragwürdig. Insgesamt kommt die Studie so auf 33.505 Arbeitsplätze, die in
ganz Ostdeutschland durch die Braunkohle gesichert werden.
Zudem wurden in einer Studie von 2005, die auch von der Prognos AG für den gleichen Auf39
traggeber mit der gleichen Fragestellung erstellt wurde, nur 23.569 Arbeitsplätze errechnet.
Da der angebliche Zuwachs von 10.000 Arbeitsplätzen innerhalb von sechs Jahren nirgendwo
33
Grüne Liga (2015) Arbeitsplatzeffekte der Lausitzer Braunkohlewirtschaft. Stand 2004.
34
Ibid.
35
Prognos (2011) Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland
36
Dies bezieht sich wiederum nur auf die Vattenfall-Beschäftigten in der Region.
37
Dies bezieht sich auf Beschäftigte in den Landkreisen Cottbus, Elbe-Elster, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, DahmeSpreewald, Görlitz und Bautzen laut Bundesagentur für Arbeit. Stand: Dezember 2014.
38
Prognos (2011) Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland
39
Prognos (2005) Energie- und regionalwirtschaftliche Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland
8
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
hinreichend erklärt ist, liegt der Verdacht nahe, dass hier im Sinne des Auftraggebers großzü40
gig gerechnet wurde. Im Rahmen der Kohledebatte der letzten Monate fanden die Ergebnisse der Prognos-Studie von 2011 eine fragwürdige Verwendung. Mit Bezug auf die Studie ar41
gumentierten beispielsweise sowohl Brandenburgs Wirtschaftsminister Gerber als auch Mi42
nisterpräsident Woidke, dass über 30.000 Lausitzer Arbeitsplätze an der Braunkohle hingen –
obwohl sich die Zahlen auch auf das Mitteldeutsche Revier beziehen und darüber hinaus wie
dargelegt fragwürdig sind.
Dennoch ist die indirekte Beschäftigungswirkung der Braunkohle hoch und für die Lausitz
strukturprägend. Daraus folgt allerdings nicht, dass diese Arbeitsplätze durch den langfristigen
Rückgang der Braunkohlewirtschaft automatisch verschwinden werden. Bei indirekten Arbeitsplatzeffekten handelt es sich um eine rein statistische Rechnung, nicht um eine Kausalbeziehung. Laut Prognos (2011) verteilen sich insgesamt 43% der indirekt geschaffenen Arbeitsplätze auf die Bereiche Bauwesen (23%), Maschinenbau (15%) und Metalle (5%). Diese Branchen erbringen auch Vorleistungen für die Wachstumsbereiche erneuerbare Energien und
energetische Gebäudesanierung. Es ist also absehbar, dass mit dem weiteren Fortschreiten der
Energiewende zumindest einige dieser indirekt geschaffenen Arbeitsplätze aufgefangen werden können. Weitere 39% fallen auf branchenspezifische Dienstleistungen, beispielsweise im
Kredit- und Versicherungswesen oder im Bereich Handels- und Verkehrsdienstleistungen. Viele
Dienstleister – vor allem Kredit- und Versicherungsinstitute – sind jedoch breit aufgestellt, so
dass nicht automatisch der Arbeitsplatz verloren geht, wenn das Auftragsvolumen der Braunkohleindustrie sinkt. Die größten Arbeitsplatzverluste sind bei Zulieferunternehmen zu erwarten, die ihre Aufträge ausschließlich aus der Braunkohlewirtschaft beziehen.
Des Weiteren ist die Braunkohleproduktion eng mit der Gipsindustrie verbunden, die als nachgelagerter Sektor das bei der Rauchgasentschwefelung in Kohlekraftwerken anfallende Kalzi43
umsulfat verwendet. Gipsverarbeitende Betriebe haben sich daher an Kraftwerksstandorten
in der Lausitz angesiedelt und sind zu wichtigen regionalen Arbeitgebern geworden. Es ist
jedoch nicht so, dass diese Unternehmen aktuell von einem Weiterbetrieb der Braunkohlekraftwerke abhängig sind. Es werden seit 1995 umfangreiche Gipsdepots angelegt, die die
44
Gips- und Zementproduktion noch auf Jahre sicherstellen können. Da der Braunkohleausstieg
nicht von heute auf morgen passieren wird, bieten die kommenden Jahre die Möglichkeit,
diese Depots noch auszubauen.
Bei der Unterscheidung von direkten und indirekten Arbeitsplätzen in der Braunkohleindustrie
ist weiterhin die Qualität dieser Arbeitsplätze zu beachten. Bei Arbeitsplätzen in der Braunkohle wird oft von „guter Arbeit“ gesprochen. Dies ist in der direkten Beschäftigung durchaus der
Fall. 2013 betrug das durchschnittliche Bruttojahresgehalt eines Arbeitnehmers im Energiesektor €47.716 in Brandenburg und €49.820 in Sachsen. Das ist deutlich über dem bundesweiten
Durchschnitt über alle Sektoren, der 2013 €31.578 betrug.
40
Grüne Liga (2015) Arbeitsplatzeffekte der Lausitzer Braunkohlewirtschaft
41
RBB aktuell (2015) Braunkohle-Arbeitsplätze in der Lausitz - Gerbers Zahlenspiele, 26.03.2015
42
Görlitzer Anzeiger (2015) Unisono: Tillich und Woidke für Abbaggerung, 14.10.2014
43
Prognos (2011) Bedeutung der Braunkohle in Ostdeutschland
44
Grüne Liga (2015) Arbeitsplatzeffekte der Lausitzer Braunkohlewirtschaft
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Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Bei den indirekten Arbeitsplätzen sieht das jedoch anders aus, da die Braunkohleindustrie
einen starken Kostendruck auf die Zulieferbetriebe ausübt. So stellte die IG Metall 2013 bezüglich Zulieferbetrieben in der Metall- und Elektrobranche fest, „dass nur knapp ein Drittel der
45
Belegschaften nach Flächentarif oder daran angelehnten Vereinbarungen bezahlt wurde.“
Der Einsatz von Subunternehmern und Leiharbeitern drücke die Löhne noch zusätzlich. Vattenfall-Zulieferer Emis Elektrics, ein auf Kraftwerke spezialisierter Elektronikdienstleister, zahlte
beispielsweise seinen über 400 Beschäftigten 2011 durchschnittlich €30.625 brutto, was weit
unter dem Branchentarif von €35.200 liegt.
Nichtsdestotrotz wird die Lausitz mit dem langfristig unvermeidbaren Braunkohleausstieg
einen wichtigen Wirtschaftszweig und viele Arbeitsplätze verlieren. Grundsätzlich ist es jedoch
so, dass sich dieser Ausstieg – verglichen mit dem Einbrechen der DDR-Kohlewirtschaft nach
der Wende – im Zeitlupentempo abspielen wird. Damals fielen fast 60.000 Arbeitsplätze über46
raschend und innerhalb von nur fünf Jahren weg. In der heutigen Situation hingegen haben
Wirtschaft und Politik jedoch die Möglichkeit, einen geordneten Strukturwandel über längere
Zeit einzuleiten, der die sozialen Verwerfungen so gering wie möglich hält.
Ein möglicher Ausstiegspfad
Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Basis des Netzentwicklungsplans 2012 gehen davon aus, dass der Braunkohleabbau in der Lausitz in spätestens
47
25 Jahren auslaufen wird. Dies steht im Einklang mit der politischen und wissenschaftlichen
48
Debatte, wo ein Kohleausstieg bis 2040 ernsthaft diskutiert wird. Im April 2014 hat sich außerdem der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung für einen Aus49
stieg bis 2040 ausgesprochen. Wann konkret einzelne Braunkohlekraftwerke in der Lausitz
stillgelegt werden, ist dabei allerdings noch völlig unklar. Ein kürzlich erstelltes Gutachten des
DIW gibt jedoch zumindest einen Eindruck von einer möglichen Stillegungsabfolge sowie den
damit verbundenen Auswirkungen auf die Braunkohleförderung.
Als erstes ist demnach die Stilllegung der beiden ältesten Kraftwerksblöcke der Lausitz am
Standort Boxberg (momentan insgesamt 4 Blöcke) zu erwarten. Das DIW veranschlagt hierfür
2019 und 2020, was angesichts der von Thompson Reuters prognostizierten Preisentwicklung
von ETS-Zertifikaten durchaus realistisch ist. Dies wird zu ersten Arbeitsplatzverlusten führen.
Diese werden sich aber in Grenzen halten, da der Standort mit zwei verbleibenden Blöcken
erhalten bleibt und die ihn beliefernden Tagebaue Nochten und Reichwalde noch genügend
Abnehmer haben werden.
Sehr viel stärker werden die Auswirkungen der Schließung des Kraftwerks Jänschwalde zu
50
spüren sein. Als ältestes Braunkohlekraftwerk der Lausitz mit den ineffizientesten Blöcken
45
Lausitzer Rundschau (2013) IG Metall: Vattenfall-Dienstleister zahlen zu wenig, 28. Juni 2013
46
Statistik der Kohlenwirtschaft
47
DIW (2014) Braunkohleausstieg – Gestaltungsoptionen im Rahmen der Energiewende, Politikberatung Kompakt 84
48
IZES (2015) Kraftwerks-Stilllegungen zur Emissionsreduzierung und Flexibilisierung des deutschen Kraftwerksparks:
Möglichkeiten und Auswirkungen
49
SRU (2015) 10 Thesen zur Zukunft der Kohle bis 2040
50
Prognos (2012) Untersuchung der energiestrategischen und regionalwirtschaftlichen Auswirkungen der im Rahmen der
systematischen Weiterentwicklung der Energiestrategie des Landes Brandenburg untersuchten Szenarien in zwei Leistungspaketen, im Auftrag des brandenburgischen Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten
10
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
(nach Boxberg N und P) sowie akuten Rentabilitätsproblemen steht es kurz vor dem Ende seiner wirtschaftlichen Lebensdauer. Die Energiestrategie des Landes Brandenburg ging ursprünglich von einer Stilllegung des Kraftwerks bis 2030 aus, um es dann mit einem CCSKraftwerk zu ersetzen. Ein Neubau ohne CCS wurde ausgeschlossen. Es steht zwar nächstes
Jahr eine Überarbeitung der Energiestrategie 2030 an – dabei ist jedoch nicht zu erwarten,
dass sich die Aussichten für das Kraftwerk Jänschwalde verbessern.
Abb. 2: Lausitzer Braunkohlerevier mit Kraftwerken (KW), Tagebauen (TB) sowie Erweiterungsvorhaben
Quelle: Darstellung des DIW
Trotz des Scheiterns der CCS-Technologie könnte es Bestrebungen geben, das Kraftwerk
Jänschwalde über 2030 hinaus zu erhalten. Dem stehen allerdings auch wirtschaftliche Hindernisse entgegen. Zunächst werden durch die Klimareserve zwei Blöcke des Kraftwerks
Jänschwalde 2022 und 2023 endgültig stillgelegt, was einem Drittel der Kraftwerkskapazität
entspricht. Die beachtlichen Fixkosten der Braunkohleförderung und -verstromung werden
sich damit auf weniger Blöcke verteilen, was die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks insgesamt
beeinträchtigt.
Des Weiteren ist mit einer graduellen Steigerung der CO2-Zertifikatspreise zu rechnen, die die
Stromerzeugung am Standort Jänschwalde mittelfristig unrentabel machen wird. Thompson
Reuters prognostiziert eine Verdopplung des aktuellen Zertifikatspreises bis 2020 (15€/tCO2).
Bis 2030 soll er sogar auf €30/tCO2 ansteigen. Wenn der Börsenstrompreis nicht markant an-
11
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
steigt, wäre der tatsächliche Zeitpunkt der Unwirtschaftlichkeit unter diesen Bedingungen
schon deutlich vor 2030 erreicht, wie Abbildung 1 zeigt.
Unabhängig davon steht die Auskohlung der Jänschwalde aktuell beliefernden Tagebaue kurz
bevor. Der Tagebau Cottbus-Nord wird bereits Ende dieses Jahres geschlossen. Der Tagebau
51
Jänschwalde wird – je nach Ausnutzung – voraussichtlich 2023 bis 2025 auslaufen. Das
Kraftwerk Jänschwalde könnte indes bis zu seiner Stilllegung noch für geringe Mehrkosten
über die Kohleverbindungsbahn aus dem Tagebau Welzow-Süd beliefert werden. Die 2.500
Arbeitsplätze (inkl. Vorleistungen), die die Braunkohleförderung in den beiden auslaufenden
52
Tagebauen sichert, werden aber großteils verloren gehen. Rekultivierungsmaßnahmen nach
Stilllegung der Tagebaue werden nur einen geringen Anteil der bisherigen Mitarbeiter beschäftigen können. Mit neuen Beschäftigungsperspektiven im ursprünglich geplanten Tagebau
Jänschwalde-Nord ist auch nicht mehr zu rechnen, da das Genehmigungsverfahren seit 2011
53
auf Eis liegt.
54
Es ist also mit einer Schließung des Kraftwerks Jänschwalde bis spätestens 2030 zu rechnen.
Laut einem Gutachten zur Energiestrategie des Landes Brandenburg werden nach Stilllegung
des Kraftwerks Jänschwalde insgesamt 7.480 Arbeitsplätzen verloren gehen; davon 4.380 di55
rekt in der Braunkohleindustrie. Hierbei handelt es sich um mehr als die Hälfte aller Braunkohlebeschäftigten in der Lausitz. Dabei ist ein Großteil dieser Arbeitsplatzverluste energiepolitisch de facto nicht mehr aufzuhalten. Im oben genannten Gutachten wird auch ein Szenario
durchgerechnet, in dem am Standort Jänschwalde ein CCS-Kraftwerk neu gebaut wird. Selbst
in diesem Szenario sinkt die Braunkohlebeschäftigung bis 2030 um etwa 40%.
Große Teile der Belegschaft am Standort Jänschwalde werden dabei allerdings schon vor 2030
ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Kapazitätsreserve, die zwei Jänschwalde-Blöcke beinhalten
56
wird, sieht nämlich eine zehntägige Vorwarnfrist vor, um die Anlagen hochfahren zu können.
Es wird ohnehin nicht damit gerechnet, dass die Reserve oft in Anspruch genommen wird. Das
lässt erwarten, dass kein stehendes Personal zum Betrieb der Blöcke bereitgehalten wird. Auch
die 2.500 Tagebauarbeiter werden mit Auslaufen der Tagebaue Cottbus-Nord und Jänschwalde
voraussichtlich vor 2030 ihre Arbeit verlieren.
Nach Stilllegung von Jänschwalde werden der Lausitz noch jeweils zwei Kraftwerksblöcke an
den Standorten Boxberg (Sachsen) und Schwarze Pumpe (Brandenburg) bleiben, beliefert aus
den Tagebauen Reichwalde, Welzow-Süd und Nochten. Da diese Blöcke alle unter 20 Jahren alt
sind und vergleichsweise hohe Effizienzgrade vorweisen, wird vom DIW angenommen, dass sie
noch bis in die frühen 2040er Jahre gewinnbringend betrieben werden könnten. Allerdings ist
zu erwarten, dass die sinkenden Strompreise durch Erhöhung des Anteils von erneuerbaren
51
Im DIW-Gutachten zur Notwendigkeit der Tagebaue Nochten II und Welzow-Süd II wird von einer Schließung des Tagebaus
Jänschwalde 2023 ausgegangen. Das Prognoseforum-Gutachten zur gleichen Frage geht von einer Auskohlung bis 2025 aus.
52
Verordnung über den Braunkohleplan Tagebau Jänschwalde vom 5. Dezember 2002
53
http://www.kein-tagebau.de/index.php/de/drohende-tagebaue/jaenschwalde-nord
54
Das DIW nimmt eine sukzessive Schließung des Kraftwerks bis 2023 an.
55
Prognos (2012) Untersuchung der energiestrategischen und regionalwirtschaftlichen Auswirkungen der im Rahmen der
systematischen Weiterentwicklung der Energiestrategie des Landes Brandenburg untersuchten Szenarien in zwei Leistungspaketen, im Auftrag des brandenburgischen Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten
56
Die Zehntagesfrist zeigt bereits, dass Braunkohlekraftwerke als Reservekapazität gänzlich ungeeignet sind, da sie sehr viel
länger zum Hochfahren brauchen als beispielsweise Gaskraftwerke.
12
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Energien sowie ab 2019 und 2020 steigende CO2-Zertifikatspreise die Profitabilität dieser
Kraftwerke weiter einschränken und insgesamt die Vollaststunden senken werden. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Tagebau-Beschäftigung, da diese stark von der tatsächlichen
Kohleförderung abhängt.
Vor diesem Hintergrund ist der Aufschluss der Tagebaue Welzow-Süd II und Nochten 2 höchst
fragwürdig – auch wenn die Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen schon entsprechende Braunkohlenpläne beschlossen haben. Auch Vattenfall hat mittlerweile die Tagebauerweiterung vor dem Hintergrund der „unsicheren energiepolitischen Rahmenbedingungen für
den Braunkohlebergbau und die Stromerzeugung aus Braunkohle in Deutschland" infrage
57
gestellt. Darüber hinaus ergibt die Tagebauerweiterung ökonomisch wenig Sinn, da die restlichen Kraftwerke noch über Jahrzehnte aus den bestehenden Tagebauen versorgt werden
58
können.
59
Zudem stehen die Betroffenen bereit, die Erweiterungspläne gerichtlich anzufechten. Die
Aussichten, dass die Tagebauerweiterungen vor Gericht gekippt werden würden, sind gut:
2013 stärkte das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung bezüglich des Tagebaus
60
Garzweiler die Rechte der Betroffenen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Effekte des Braunkohleausstiegs zuerst und am
stärksten in Brandenburg zu spüren sein werden. Hier ist potentiell schon in den nächsten fünf
61
bis zehn Jahren mit dem Verlust tausender Arbeitsplätze zu rechnen. Der Arbeitsplatzverlust
im sächsischen Teil der Lausitz wird sich weniger abrupt gestalten. Nach der zu erwartenden
Schließung der zwei ältesten Boxberg-Blöcke werden nur relative junge Kraftwerke verbleiben,
die potentiell noch bis in die frühen 2040er Jahre produzieren können. Es ist allerdings mit
einer progressiven Abnahme der Vollaststunden und Braunkohlefördermenge zu rechnen, was
auch einen schrittweisen Beschäftigungsrückgang nach sich ziehen wird.
Dies verdeutlicht einerseits die Dringlichkeit einer Debatte über einen geordneten Strukturwandel und andererseits die Notwendigkeit innerdeutscher Solidarität. Die Auswirkungen des
Braunkohleausstiegs werden regional sehr unterschiedlich zu spüren sein. Dies erfordert eine
gezielte Unterstützung der Brennpunkte durch die Bundesregierung. Verglichen mit dem Zusammenbruch der ostdeutschen Braunkohleindustrie nach der Wende scheint diese Ausstiegsperspektive jedoch sehr viel weniger einschneidend.
Historische Erfahrungen
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 erlitt die ostdeutsche Braunkohleindustrie einen
Zusammenbruch von beispiellosem Ausmaß. Nach der Wende offenbarten sich katastrophale
Zustände. Die Produktion entsprach ganz und gar nicht westdeutschen Technologiestandards,
womit auch gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen und extreme Umweltzerstörung
57
RBB online (2015) Vattenfall stoppt Umsiedlungsvorbereitungen, 25.06.2015
58
DIW (2014) Braunkohleausstieg – Gestaltungsoptionen im Rahmen der Energiewende, Politikberatung Kompakt 84
59
http://www.kein-tagebau.de/index.php/de/drohende-tagebaue/welzow-sued-ii
60
BVerfG-Urteil BvR 3139/08; sowie dazugehörige Pressemitteilung
61
Dies wird auch fiskalische Auswirkungen haben. Laut Prognos (2012) ist ein Rückgang der Steuereinnahmen um ca. €30 Mio.
zu erwarten. Dies beläuft sich jedoch lediglich auf unter 1 Prozent der Gesamteinnahmen des Landes Brandenburg.
13
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
einhergingen. Im Rahmen der Anpassung an westliche Standards erfolgte eine drastische Konsolidierung der ostdeutschen Braunkohleindustrie, mit der sofortigen Schließung zahlreicher
Betriebe und Tagebaue. Die Folge war ein rasanter Beschäftigungsrückgang.
1990 waren noch knapp 80.000 Arbeiter in der Lausitzer Braunkohleindustrie beschäftigt. 1995
waren es nur noch rund 20.000. Im Jahr 2000 hatte die Braunkohlebeschäftigung mit 7.000
ihren Tiefpunkt erreicht und ist seitdem auf relativ stabilem Niveau geblieben (siehe Abbildung
3). Das entspricht einem Rückgang von über 90% in nur zehn Jahren. Dass die Braunkohleförderung nach der Wende „nur“ um rund zwei Drittel abfiel, verdeutlicht die Produktivitätssteigerungen, die erreicht wurden.
Abb. 3: Beschäftigung in der Lausitzer Braunkohlewirtschaft (direkt)
Quelle: Statistik der Kohlenwirtschaft
Das gleiche Schicksal ereilte die Uran-, Metall- und Chemieindustrie der ehemaligen DDR, die
alle auf engstem Raum konzentriert waren und wie im Zeitraffer zusammenbrachen. Vor der
Wende war der „Südraum“ eine der am stärksten industrialisierten Regionen der DDR. Nach
der Wende wurde er zu einer der strukturschwächsten Regionen im wiedervereinigten
Deutschland. Als Erbe der DDR blieb eine hochgradig belastete ländlich geprägte Industrie62
und Bergbauregion, deren Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig waren.
Dies hatte katastrophale soziale Auswirkungen und warf die gesamte Region deutlich in ihrer
wirtschaftlichen Entwicklung zurück. Die Politik konnte diesen Trend nicht aufhalten, aber sie
war handlungsfähig und griff aktiv in das Geschehen ein. Zunächst wurde 1991 die LMBV zur
Sanierung der stillgelegten Tagebaue und Bereinigung der Umweltschäden gegründet. Die
LMBV hatte anfänglich rund 20.000 Mitarbeiter und glich somit als Arbeitsbeschaffungsmaß-
62
Geißler (2008) Die Sozialstruktur Deutschlands: Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung, 5.
Auflage, Kapitel 16
14
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
63
nahme einen Großteil der Arbeitsplatzverluste in der Region aus. Finanziert wurde dies zu
drei Vierteln vom Bund und zu einem Viertel von den Ländern.
Darüber hinaus wurden mehrere Maßnahmen zur sozialen Abfederung des Strukturbruchs in
der Braunkohleindustrie ergriffen. So wurde allen Arbeitnehmern über 55 Jahren eine flächendeckende Frühverrentung angeboten, was ein Großteil in Anspruch nahm. Des Weiteren wurde mit den Braunkohleunternehmen ein Sozialplan zum Beschäftigungsabbau erarbeitet. Dies
beinhaltete unter anderem Kurzarbeitsregelungen als Übergangslösung, was vielen Beschäftigten einen graduellen Ausstieg bei gleichzeitiger Suche nach einem neuen Arbeitsplatz ermöglichte. Für die Beschäftigten in den Bereichen Technik und Verwaltung wurden zudem Fortbildungsangebote geschaffen, um den Wechsel in neue Branchen und Arbeitsverhältnisse zu
erleichtern. Insgesamt konnte den Beschäftigten so ein hohes Maß an sozialer Absicherung
64
gewährt werden.
Dazu gab es aktive Bestrebungen der Bundes- und Landesregierungen, möglichst viele Unternehmen in der Region vor dem Bankrott zu bewahren und die Ansiedlung neuer Firmen zu
forcieren. Auch die Übernahme der Vereinigten Energiewerke (VEAG) und der Lausitzer Braunkohle (LAUBAG) in den frühen 2000ern durch Vattenfall wurde durch diese gezielte
65
Anreizsetzung der Politik erleichtert. Diese Strategie war nicht immer von Erfolg geprägt, hat
aber insgesamt einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung und Stärkung der lokalen Wirtschaftsstruktur geleistet.
Verglichen damit spielt sich der aktuelle Braunkohleausstieg in Zeitlupe ab und ist in seinen
Auswirkungen begrenzt. Beim Zusammenbruch der Braunkohleindustrie nach 1990 stand der
Bund den ostdeutschen Braunkohlerevieren mit helfender Hand zur Seite. Die aktuellen Bedingungen scheinen vergleichsweise gut für eine vorausschauende Strukturpolitik, die den
Braunkohleausstieg sozialverträglich abfedert und gleichzeitig Chancen für neue Wirtschaftszweige eröffnet. Beklagenswerterweise ist eine solche Politik bisher allerdings weder auf Bundes- noch auf Länderebene ernsthaft im Gespräch.
Wirtschaftliche Chancen jenseits der Braunkohle
Welche Chancen hat die Lausitz, sich wirtschaftlich nach einem Ausstieg aus der Braunkohle
neu aufzustellen? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn Konzepte zur Erweiterung der
wirtschaftsstrukturellen Basis der Region noch fehlen noch weitgehend. Dies war auch Hauptergebnis einer Untersuchung im Auftrag der sächsischen LINKEN über den Forschungsstand zur
66
zukünftigen Entwicklung der Lausitz. Vor diesem Hintergrund ist die Gründung der „Innovationsregion Lausitz GmbH“ positiv zu bewerten, da sie sich explizit der Erkundung dieser Fragen
67
verschrieben hat. Es handelt sich hierbei um Initiative von verschiedenen Unternehmensver-
63
Wikipedia: Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, LMBV (2009) Zwei Jahrzehnte Braunkohlesanierung – Eine Zwischenbilanz
64
Hoffmann & Dieter (1993) Die Kohlearbeiter von Espenhain
65
DIW (2014) Risks of Vattenfall's German Lignite Mining and Power Operations: Technical, Economic, and Legal Considerations; Policy Report on Behalf of Greenpeace Germany
66
Kutzner (2014) Analyse des Forschungs- und Konzeptstandes zur zukünftigen Entwicklung der Lausitz mit und ohne
Braunkohleausstiegspfad
67
Lausitzer Rundschau (2015) Pläne für "Innovationsregion Lausitz", 5.10.2015; IHK Cottbus (2015) Letter of Intent für
Innovationsregion Lausitz GmbH unterzeichnet, Pressemitteilung vom 2.10.2015
15
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
bänden sowie der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, die ab
68
2016 die Arbeit aufnehmen soll.
Der folgende Abschnitt zielt entsprechend nicht auf eine erschöpfende Analyse der wirtschaftlichen Perspektiven der Lausitz ab, sondern soll überblickshaft die wichtigsten Aspekte der
Debatte zusammenstellen und eine erste Abwägung verschiedener Optionen leisten.
Zunächst ist zu konstatieren, dass die Lausitz in Zukunft große Schwierigkeiten haben wird,
ihre wirtschaftliche Stärke wiederzugewinnen. Die fortschreitende Abwanderung und der
damit einhergehende Fachkräftemangel sowie die grundsätzlich verbesserungswürdigen
Standortfaktoren bilden hierfür keine gute Ausgangslage. Wie das ifo Institut feststellt, ist
„nicht unbedingt davon auszugehen, dass es in Zukunft zu größeren Neuansiedlungen von
69
Unternehmen in der Lausitz kommen wird“. Zwar gibt es innovative Ansätze beispielsweise
im Tourismus, in der Nutzung ehemaliger Industriestandorte für Kulturprojekte oder Gründerzentren oder in der stofflichen Nutzung der Braunkohle – aber diese werden allein kaum ausreichen, um die Lausitz wirtschaftlich neu aufzustellen.
Die stoffliche Nutzung im Sinne von Braunkohleverflüssigung, -vergasung und –entgasung ist
vor allem als Rohstoffbasis für die Chemieindustrie interessant. Als Alternative zu Rohölimporten soll sie die Industrie gegen Ölpreisschwankungen schützen und dazu die lokale Wirtschaft
stärken. In Deutschland konzentriert sich die stoffliche Nutzung auf das Chemiedreieck Hal70
le/Leipzig-Bitterfeld-Merseburg. Um die stoffliche Nutzung im großen Stil in der Lausitz zu
etablieren, wären allerdings hohe Investitionen zu leisten. Angesichts der derzeit niedrigen
Erdölpreise, der hohen Reinigungskosten der Verfahren und einem absehbaren Kostenanstieg
71
der CO2-Zertifikate stellt dies jedoch ein beachtliches finanzielles Risiko dar. Aufgrund der
vielen Hindernisse spielt die stoffliche Nutzung der Braunkohle in Deutschland eine untergeordnete Rolle – lediglich 2% der kohlenstoffbasierten Produkte der Chemieindustrie stammen
72
daher. Auch die Beschäftigungspotenziale sind gering. Deutschlandweit wird die direkte
Beschäftigung durch stoffliche Nutzung auf 1.000 geschätzt, mit einem Wachstumspotenzial
73
von lediglich 250-300 Arbeitsplätzen.
Die Potenziale im Tourismussektor sind dagegen deutlich ausgeprägter. Sowohl die durch
Rekultivierung und Flutung der DDR-Tagebaue entstandene Seenlandschaft als auch industriekulturelle Museen und Sehenswürdigkeiten stellen wichtige Anzugsfaktoren der Region dar.
Gleichzeitig war der Spreewald auch zu DDR-Zeiten schon ein beliebter Urlaubsort. Insgesamt
schafft das Tourismus-, Hotel- und Gaststättengewerbe bereits etwa 13.800 Arbeitsplätze in
74
der Lausitz und ist damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Allerdings sind 42% davon geringfügig entlohnte Beschäftigte. Darüber hinaus ist unklar, was im Tourismussektor für Wachstums68
Die neue Gesellschaft hat bislang einen stark unternehmerischen Fokus. Eine stärkere Beteiligung von zivilgesellschaftlichen
Organisationen, die zum Strukturwandel arbeiten, wäre hier zu begrüßen. Dies ist im Übrigen von den Organisatoren explizit
erwünscht.
69
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven
70
DIW (2014) Braunkohleausstieg – Gestaltungsoptionen im Rahmen der Energiewende, Politikberatung Kompakt 84
71
Bimboes (2015) Braunkohlevergasung ohne Zukunft
72
DGMK; Dechema (2009): Positionspapier Kohlenveredlung
73
Brezinski, Horst (2009): Volkswirtschaftliche Auswirkungen einer erweiterten stofflichen Nutzung von Braunkohle
74
Dies bezieht sich auf Beschäftigte in den Landkreisen Cottbus, Elbe-Elster, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz, DahmeSpreewald, Görlitz und Bautzen laut Bundesagentur für Arbeit. Stand: Dezember 2014.
16
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
potenziale bestehen. Insbesondere eine effektive touristische Vermarktung der Region ist eine
wichtige Voraussetzung für zukünftige Erfolge.
Der zentralen Vermarktung der Lausitz als Tourismus- und Erholungsort wirkt allerdings die
verwirrende Vielfalt von Tourismusverbänden entgegen, die oft in Konkurrenz zueinander
stehen. So gibt es beispielsweise einzelne Tourismusverbände für Ober- und Niederlausitz, die
Dahme-Seen, den Spreewald sowie Oberlausitz-Niederschlesien. Dies ist nach Ansicht vieler
75
Lausitzer ein Problem für die weitere Entwicklung des Tourismussektors. 2012 wurde dazu
der Sachsen und Brandenburg überspannende Tourismusverband „Lausitzer Seenland“ gegründet. Einerseits schafft noch ein weiterer Verband ohne eine grundsätzliche Neuorganisierung der touristischen Vermarktung der Lausitz hier auch keine Klarheit. Andererseits ist die
grenzübergreifende Ausrichtung aber definitiv positiv zu bewerten. In diesem Sinne könnte
auch eine gemeinsame touristische Vermarktung mit dem polnischen Teil der Lausitz gewinnbringend sein.
Darüber hinaus hängt die Zukunft des Lausitz-Tourismus vor allem von der Verkehrsanbindung
der Region ab. Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist ebenso für andere Branchen ein zentraler
Standortfaktor und insbesondere angesichts des hohen Pendleranteils in der Lausitz für die
lokale Wirtschaftsstruktur essentiell. Auch wenn das ifo Institut der Lausitz eine grundsätzlich
76
gute Verkehrsanbindung attestiert, gibt es hier sicherlich noch Ausbaubedarf. Insbesondere
bessere Bahnverbindungen in Richtung Polen wären zu begrüßen. Jedoch ist vom Ausbau des
Bahnnetzes nicht die Rede – ganz im Gegenteil. Es ist höchst bedenklich, dass zwischen Cott77
bus und Berlin vier Haltestellen des Regionalexpress 2 gestrichen werden sollen. Das würde
vielen Beschäftigten den Zugang zum Arbeitsort immens erschweren und außerdem die Zukunftsperspektiven des Tourismus beeinträchtigen.
Angesichts der insgesamt eher negativen wirtschaftlichen Zukunftsprognose ist es ambitioniert, die Lausitz in den kommenden 25 Jahren zu einem flächendeckend florierenden Wirtschaftsraum zu machen. Allerdings ist es jetzt essentiell, die vorhandenen regionalen Schwerpunkte zu entwickeln und bestehende Stärken auszubauen. Hierfür muss ein geeigneter Rahmen geschaffen werden, um industrielle Schwerpunkte, beispielsweise in den Bereichen Ernährungswirtschaft, Chemie und Kunststoffe, Metall, Maschinenbau sowie Glas und Keramik,
zu erhalten. Um dies zu erreichen, sollten die entscheidenden Standortfaktoren für den Wettbewerb um Fachkräfte und Investoren gestärkt werden. Im Falle der Lausitz ist eine Stärkung
des Ausbildungssystems und der Forschungskapazitäten geboten. Auch hochwertige Infrastruktur, beispielsweise im Gesundheits-, Bildungs- und Freizeitbereich sowie die Wahrung der
relativ guten Verkehrsanbindung sind von zentraler Bedeutung.
Der projizierte Fachkräftemangel ist dabei durchweg ein Kernproblem von Unternehmen in
der Region. Insbesondere wird es vor dem Hintergrund der Abwanderung für viele Unternehmen in Zukunft schwierig werden, qualifizierte Fachkräfte aus der Region selbst zu rekrutieren.
Es ist daher nicht auszuschließen, dass einige bisher ansässige Unternehmen ihre Produktionsstandorte in der Lausitz schließen werden. Es daher besonders wichtig, das lokale Bildungssys75
Schimdt (2012) ECF Voruntersuchung: Plan A für die Lausitz
76
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven
77
Lausitzer Rundschau (2015) Der RE2 soll Haltestellen für vier Minuten opfern, 11.03.2015
17
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
tem zu stärken. Hierzu ist nicht nur der Erhalt und ggf. Ausbau von Bildungsinfrastruktur notwendig, sondern auch die Verbesserung der Bildungsqualität allgemein. Ansatzpunkte wären
hier zum Bespiel Maßnahmen zur Verringerung der Abbrecherquoten wie bessere Betreuung,
Förderkurse, die Stärkung von naturwissenschaftlichen und sprachlichen Kompetenzen sowie
78
Betriebspraktika, die die berufliche Orientierung von Schulabgängern erleichtern.
In der Hochschulpolitik kann eine stärkere Ausrichtung auf die Bedürfnisse der ortsansässigen
Wirtschaft dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Gerade im Bereich der Fachhochschulen
sind Kooperationen mit ansässigen Unternehmen ein vielversprechender Ansatz. Ausbaufähig
ist in diesem Zusammenhang auch der Bereich der dualen Studiengänge, die in Brandenburg
79
und Sachsen nicht flächendeckend/standardmäßig angeboten werden.
Darüber hinaus ist eine stärkere Forcierung von Forschung und Entwicklung (F&E) vielversprechend für die Lausitz. Der hohe Industrieanteil bietet hier eine echte Chance, da in der Industrie typischerweise mehr technologische Innovation zu verzeichnen ist als in anderen Sektoren.
Allerdings haben gerade KMU oft nicht die Kapazitäten, eigenständige Forschung zu betreiben.
Daher ist es einerseits wichtig, Universitäten und Forschungsinstitute in der Region zu stärken
und andererseits, den Technologietransfer und die Zusammenarbeit zwischen Forschung und
Wirtschaft zu fördern. Dies würde die technologische Wettbewerbsfähigkeit der Region verbessern, was insbesondere mit Blick auf die volle Nutzung von Zukunftsbereichen wie Erneuerbare Energien und intelligenten Technologien dringend notwendig ist.
Wichtig wäre dabei ein Forschungsprofil, das an die spezifischen Stärken der Lausitz anknüpft.
Vor dem Hintegrund der historischen Erfahrungen und der zukünftigen Herausforderung des
Braunkohleausstiegs könnte hierzu beispielsweise der Aufbau eines Forschungsnetzwerks
„Post-Mining“ gehören. Diese sollte Forschung, die sich mit allen Aspekten der Beendigung
von Bergbau befasst, in der Region neu aufbauen und bündeln. Hierbei ginge es um geologische, wasserwirtschaftliche und ingenieurwissenschaftliche Fragen genauso wie um Fragen der
Städte-, Raum- und Landschaftsplanung, der Architektur, der Soziologie, der öffentlichen Gesundheit, Demographie, Industrie- und Arbeitsökonomik. Da weite Teile Osteuropas sich in
Zukunft ebenso mit dem kommenden Ende des Kohlebergbaus auseinandersetzen müssen,
könnte dies eine echte Chance sein, Lausitzer Expertise in diesem Feld zu etablieren.
Dazu werden dringend mehr qualitativ hochwertige Fortbildungsangebote gebraucht. Bereits
im Erwerbsleben stehenden Personen ermöglichen Fortbildungen, ihre Kenntnisse an veränderte wirtschaftliche und technologische Rahmenbedingungen anzupassen. Sie erhöhen die
Vermittlungsfähigkeit von Arbeitslosen. Auch um Braunkohlebeschäftigten einen Wechsel in
andere Berufsfelder zu ermöglichen, sind sie fundamental wichtig. Gerade für KMUs ist die
ständige Weiterbildung des Personals essentiell, um Produktivitätsvorteile durch neue Technologien und Produktionsprozesse zu nutzen, neue Geschäftsfelder zu erschließen und generell
die Innovationsfähigkeit zu erhalten.
Um Fachkräfte anzuziehen und zu halten, wird es weiterhin notwendig sein die Attraktivität
der Lausitz als Arbeits- und Wohnort zu verbessern. Freizeitangebote, Kinderbetreuungsmög78
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven
79
Ibid.
18
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
lichkeiten und Gesundheitsinfrastruktur sind hier wichtige Stichworte. Des Weiteren sind auch
ökologische und gesundheitliche Aspekte relevant – unter diesem Gesichtspunkt könnte der
Braunkohleausstieg langfristig positiv wirken. Angesichts der angespannten Haushaltslage von
Land und Kommunen bestehen hier aber enorme Herausforderungen. Insbesondere
Kommunen wie Spremberg oder Weißwasser, die einen großen Teil ihrer Einahmen aus den
Gewerbesteuerzahlungen Vattenfalls beziehen, wird es nach
dem Wegfallen der
Braunkohleindustrie schwer fallen, die nötigen Investitionen in die Erhaltung –
geschweigedenn den Ausbau – der lokalen Infrastruktu zu mobilisieren.
Zukunftssektor klimafreundliche Technologien
Nur in wenigen Wirtschafssektoren der Lausitz ist mittelfristig spürbares Wachstum zu erwarten. In den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und kohlenstoffarme Technologien, die deutschlandweit gefördert werden, ist hingegen durchaus mit steigender Wertschöpfung und Beschäftigung in der Lausitz zu rechnen. Um diese Chancen realistisch zu beurteilen,
ist eine ehrliche Diskussion der strukturpolitischen Vor- und Nachteile dieser Branchen notwendig. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der „grüne Sektor“ in der Lausitz die wirtschaftliche
Rolle der Braunkohle ersetzen kann – aber die Region kann es sich nicht leisten, Wachstumspotenziale in diesen Bereichen ungenutzt zu lassen.
Das Gesamtpotenzial einer tiefgehend gewandelten Wirtschaftsstruktur in der Lausitz wurde
bisher noch nicht erfasst. Es gibt zwar eine Abschätzung des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zu den potenziellen Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekten
80
durch den Ausbau der erneuerbaren Energie. Die Potenziale in den Bereichen Energieeffizienz sowie den neuen Produkten und Dienstleistungen, die in einer kohlenstoffarmen Wirtschaft benötigt werden, sind aber noch nicht untersucht worden. Aus diesem Grund beschränkt sich die weitere Analyse hier auf den Bereich erneuerbare Energien.
Wie gerade dieser Sektor deutlich zeigt, sind die Potentiale durchaus ambivalent und die tatsächliche Umsetzung ist immer deutlich schwieriger als im Rechenmodell. Dennoch stellen
erneuerbare Energien grundsätzlich einen zukunftsfähigen Sektor dar, der bereits jetzt doppelt
so viele Arbeitsplätze in Sachsen und Brandenburg stellt wie die Braunkohleindustrie. Jüngsten
Zahlen zufolge schafft die Branche in Brandenburg 17.580 und in Sachsen 16.400 Arbeitsplät81
ze. Diese Rechnung umfasst direkte und indirekte Arbeitsplätze.
Diese Zahlen sind beachtlich, da erneuerbaren Energien typischerweise ein niedrigeres Poten82
zial zur Schaffung lokaler Arbeitsplätze zugesprochen werden als der Braunkohleindustrie.
Brandenburg hat dabei nicht nur insgesamt mehr Arbeitsplätze als Sachsen. Mit 18,8 je 1000
Beschäftigte ist die brandenburgische pro Kopf-Beschäftigung in der erneuerbaren EnergienBranche etwa doppelt so hoch wie in Sachsen, wo dieser Wert nur 9,3 beträgt. Jedoch fallen
ein Großteil dieser Arbeitsplätze nicht direkt in der Lausitz an. Betrachtet man nur die Lausitz,
80
IÖW (2015) Vattenfalls Chance – Ein Zukunft für die Lausitz ohne Braunkohle
81
GWS (2014) Erneuerbar beschäftigt in den Bundesländern: Bericht zur aktualisierten Abschätzung der Bruttobeschäftigung 2013 in den Bundesländern
82
Das ifo Institut (2013) beziffert den Beschäftigungsmultiplikator des Windradherstellers Vestas in der Lausitz beispielsweise
mit 1,5, und den der Braunkohleindustrie mit 2.
19
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
dann übersteigt die Beschäftigung in der Braunkohleindustrie mit an Sicherheit grenzender
83
Wahrscheinlichkeit die Beschäftigung durch erneuerbare Energien.
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der IÖW im Auftrag von Greenpeace könnten in
Brandenburg und Sachsen durch den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2030 ca. 3.900 neue
Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese Rechnung umfasst allerdings nur direkte Arbeitsplätze
und klammert damit den Beschäftigungseffekt durch Vorleistungsbezüge aus. Der Beschäftigungsmultiplikator für den Ausbau von erneuerbaren Energien wird auf Bundesebene auf etwa
84
2 beziffert. Allerding ist nicht davon auszugehen, dass der komplette indirekte Beschäftigungseffekt in der Lausitz selbst anfällt. Die bereits verwendete Studie des ifo Instituts liefert
hier einen realistischeren Wert zur Abschätzung des regionalen Bruttobeschäftigungseffekts.
Für den in der Lausitz ansässigen Windradhersteller Vestas errechnet sie einen Beschäfti85
gungsmultiplikator von 1,5.
Hiermit kann das Beschäftigungspotenzial durch einen weiteren Ausbau grob auf 5.900 Ar86
beitsplätze bis 2030 geschätzt werden. Dabei muss auch bedacht werden, dass die Beschäftigungseffekte durch Energieeffizienz (die bundesweit in etwa mit denen durch erneuerbare
87
Energien vergleichbar sind) sowie neuen Energietechnologien wie intelligenten Stromnetzen,
Geräten und Speichern nicht Teil der Schätzung sind. Es ist also durchaus mit einem deutlichen
Beschäftigungszuwachs in klimafreundlichen Sektoren in den nächsten Jahrzehnten zu rechnen, von dem auch die Lausitz profitieren wird.
Durch große Freiflächen mit überdurchschnittlich hoher Windgeschwindigkeit hat die Lausitz
88
vor allem bei der Windenergie ein hohes Ausbaupotenzial. Hier wurden auch schon beachtliche Erfolge erzielt. Die aktuell in der Lausitz installierten Windparks erreichen zusammen genommen eine Leistung von 1.010 MW. Dies entspricht über 60% der insgesamt in Sachsen
installierten Windkraftleistung von 1.618 MW und beläuft sich immerhin noch auf knapp ein
89
Fünftel der in Brandenburg installierten Gesamtleistung von 5.672 MW. Angesichts dieser
Größenordnungen wird klar, dass die Lausitz bereits beträchtlich vom erneuerbare EnergienBoom der letzten Jahre profitiert hat. Nach dem Braunkohleausstieg ist außerdem davon auszugehen, dass einige rekultivierte Tagebauflächen für Solar- und Windenergie nutzbar ge90
macht werden können.
Das zeigt eine Zukunftsperspektive für die Region auf. Selbstverständlich sind die Qualifikationen für Beschäftige im Bereich der konventionellen Energieträger und der erneuerbaren Energien sowie den damit jeweils verbundenen unterstützenden Technologien grundsätzlich unter83
Genaue Zahlen zur Beschäftigung durch erneuerbare Energien in der Lausitz sind nicht bekannt.
84
BMU (2006) Erneuerbare Energien: Arbeitsplatzeffekte. Die bereits zitierte neuere BMWi-Studie zur Bruttobeschäftigung
durch erneuerbare Energien unterteilt leider nicht klar in direkte und indirekte Arbeitsplätze.
85
Ifo Institut (2013) Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz: Bestandsaufnahme und Perspektiven
86
Da der Großteil des von Greenpeace errechneten Beschäftigungspotenzials bei der Windkraft anfällt, ist die Verwendung
des Beschäftigungsmultiplikators eines Windkraft-Unternehmens gerechtfertigt. Es handelt sich hierbei jedoch keinesfalls um
eine wissenschaftliche Projektion.
87
UBA (2012) Gesamtwirtschaftliche Effekte energie- und klimapolitischer Maßnahmen der Jahre 1995 bis 2011
88
Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald (2013) Regionales Energiekonzept Lausitz-Spreewald
89
http://www.foederal-erneuerbar.de/tl_files/aee/Jahresreport%202015/AEE_Jahresreport_FE_2015_BB.pdf
90
IÖW (2015) Vattenfalls Chance – Ein Zukunft für die Lausitz ohne Braunkohle
20
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
schiedlich. Beschäftigten in den Bereichen Technik und Verwaltung, insbesondere aus den
Kraftwerken, kann mit entsprechenden Fortbildungen aber durchaus eine Beschäftigungsperspektive im Bereich erneuerbare Energien eröffnet werden, zumal es sich um eine weitere
Branche im Energiesektor handelt. Gleichzeitig macht der vom IÖW projizierte Beschäftigungszuwachs jedoch klar, dass erneuerbaren Energien die Beschäftigungswirkung der Braunkohle
in der Lausitz nur schwer ersetzen können. Insbesondere ist trotz der vorhandenen Potenziale
nicht zu erwarten, dass alle 3.900 oder mehr Arbeitsplätze direkt in der Lausitz entstehen
werden.
Auch werden die Arbeitsplatzsicherheit und die Arbeitsbedingungen in der Branche oft kritisiert und mit den bislang sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätzen in der Braunkohleindustrie
kontrastiert. Einer aktuellen Studie der IG Metall zufolge lässt die Arbeitsqualität in der erneuerbare Energien-Branche in der Tat zu wünschen übrig. Das durchschnittliche BruttoJahresgehalt liegt mit €31.800 weit unter dem in der Braunkohleindustrie. Mehrarbeit ist die
91
Regel und Überstunden werden nur selten finanziell vergolten. Des Weiteren wird bemängelt, dass viele Unternehmen in der Branche Betriebsräten skeptisch gegenüber stehen und
Tarifabschlüsse zu verhindern versuchen. Dennoch gibt es hier Bewegung. In den letzten drei
Jahren wurden 50 Betriebsratsgremien neu gegründet, so dass jetzt alle großen Unternehmen
in der Windkraftbranche, inklusive der in der Lausitz ansässigen Vestas, Betriebsräte haben.
Auch Tarifverträge werden mit immer mehr Unternehmen geschlossen. Zwar gibt es noch
einigen Nachbesserungsbedarf, aber wie die IG Metall es ausdrückt: „Gute Arbeit für alle Beschäftigten der erneuerbaren Energien wird deshalb immer mehr zu einer greifbaren Realität.“
Vor dem Hintergrund der höchst unsicheren Zukunft der deutschen Braunkohleindustrie ist die
Frage der Arbeitsplatzsicherheit aber differenzierter zu betrachten. Die oft beschworene Unsicherheit von Jobs im Bereich erneuerbare Energien rührt vor allem von der zentralen Rolle des
Anlagenzubaus her, der die treibende Kraft hinter der hohen Gesamtbeschäftigung der Branche ist. Im bundesdeutschen Durchschnitt können laut einer aktuellen BMWi-Studie knapp
64% der Beschäftigung dem Bereich Anlagenproduktion und –installation zugerechnet werden;
92
etwa 21% entfallen auf den Bereich Wartung und Betrieb. Diese Abhängigkeit der Beschäftigung vom Kapazitätszubau birgt Vor- und Nachteile.
Einerseits kann der Ausbau von erneuerbaren Energien als umfangreiches Infrastrukturprojekt
auch in kurzer Zeit große Beschäftigungseffekte erzielen. Arbeitsplätze im Bereich Anlagenbau
müssen jedoch durch ein stetig hohes Zubauniveau aufrecht erhalten werden. Das bringt eine
gewisse Volatilität mit sich – sinkt der Zubau, dann nimmt auch der Beschäftigungseffekt ab.
Der Einbruch der Solarbranche in den letzten Jahren hat dies schmerzhaft verdeutlicht. Nach
einer starken Absenkung der Einspeisevergütung für Photovoltaikanlagen nahmen Neuinstallationen nach 2011 markant ab. Damit einher ging ein rasanter Beschäftigungsverlust in der
Solarbranche. 2011 sicherte die Brandenburger Solarbranche noch 9.000 Arbeitsplätze. 2013
waren es nur noch rund 2.710. Das ist eine Abnahme um rund zwei Drittel. Sachsens Solarbranche brach innerhalb der gleichen Zeit um rund die Hälfte von 9.340 auf 4.970 Beschäftigte
93
ein. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die Beschäftigung durch Windkraft im gleichen
91
IG Metall (2014) Nachhaltig – aber auch sozial? Arbeitsbedingungen und Einkommen in den Erneuerbaren Energien
92
Die verbleibenden 15% fallen im Biomasse-Sektor an, der in der erwähnten Studie separat behandelt wird.
93
DIW (2014) Braunkohleausstieg – Gestaltungsoptionen im Rahmen der Energiewende, Politikberatung Kompakt 84; GWS
(2014) Erneuerbar beschäftigt in den Bundesländern: Bericht zur aktualisierten Abschätzung der Bruttobeschäftigung 2013
in den Bundesländern, Studie im Auftrag des BMWi
21
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Zeitraum in Brandenburg von auf 4.530 auf 6.120 und in Sachsen von 4.220 auf knapp 4.700
gestiegen ist.
Weitaus beständiger gestalten sich dabei die Arbeitsplätze im Bereich Wartung und Betrieb,
der über die gesamte Lebensdauer der Anlage eine Beschäftigungswirkung entfaltet. Die Beschäftigungswirkung durch Herstellung und Installation einer Anlage fällt hingegen nur einmalig an. Durch den wachsenden Bestand an Anlagen werden Wartung und Betrieb immer weiter
an Bedeutung gewinnen. Außerdem führen diese Bereiche nahezu immer zu lokaler Wertschöpfung und Beschäftigungseffekten, da sie großteils als Dienstleitungen vor Ort erbracht
werden. Der Anlagenzubau ist für die Beschäftigung also aus zweierlei Gründen entscheidend:
Einerseits bestimmt er die Größe des anfänglichen temporären Beschäftigungseffekts, andererseits bestimmt er langfristig die Höhe der permanenten Beschäftigung im Bereich Wartung
und Betrieb. Die Volatilität der Arbeitsplätze im Bereich Neuinstallationen ist also kein Argument gegen den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.
Ein weiteres Argument, dass oft gegen die erneuerbaren Energien ins Feld geführt wird, ist,
dass ihr Ausbau zu teuer sei. Die erwähnte Studie des IÖW beziffert den Investitionsbedarf auf
ca. €16 Mrd. in Brandenburg und Sachsen über die nächsten 15 Jahre. Es ist klar, dass diese
Investitionen nicht vom Himmel fallen werden. In der Vergangenheit hat sich Deutschland
aber durchaus in der Lage gezeigt, massive Geldmengen in Richtung erneuerbaren Energien zu
bewegen. Auf Bundesebene wurden allein in 2013 über €16 Mrd. in erneuerbare Energien
94
investiert. Wie Tabelle 1 zeigt, entfielen davon auf Brandenburg und Sachsen zusammen
genommen ca. €1,08 Mrd. Wenn dieses Investitionsniveau über die nächsten 15 Jahre lediglich
gehalten wird, wäre also der zusätzliche Investitionsbedarf bis 2030 gedeckt.
Tabelle 1: Investitionen in erneuerbare Energien in Brandenburg und Sachsen 2013 (Mio. €)
Brandenburg
Sachsen
Photovoltaik
236,17
191,65
Windenergie
564,8
79,78
Gesamt
800,97
271,43
Quelle: Berechnungen auf Basis von BAFA, BNetzA und GWS (2015)
Auffällig ist hierbei allerdings, dass Brandenburg sehr viel erfolgreicher Investitionen in erneuerbare Energien mobilisieren konnte als Sachsen. Des Weiteren ist diese Momentaufnahme im
zeitlichen Kontext zu sehen, da das Zubauniveau durchaus schwankt. So sind 2014 auf Bundesebene beispielsweise die Neuinstallationen für Windenergie auf Rekordhöhe gestiegen, während sie im Bereich Photovoltaik weiter abfielen.
Grundsätzlich wird der Ausbau der erneuerbaren Energien aber auf absehbare Zeit durch die
EEG-Einspeisevergütung oder mittelfristig durch ein Ausschreibungsmodell weiterhin gefördert. Dies schafft einen relativ sicheren rechtlichen Rahmen für den weiteren Ausbau. Dies
steht in scharfem Kontrast zur nicht mehr gegebenen Planungssicherheit für die Braunkohle.
Allerdings muss auch hier gerade die Landespolitik die richtigen Weichen stellen, um die Chancen der Zukunftstechnologien der Energiewende voll zu nutzen.
94
2011 betrug das Investitionsvolumen noch €23. Mrd. Für diesen Einbruch ist die starke Reduzierung des PhotovoltaikAusbaus verantwortlich.
22
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Brandenburg hat sich in diesem Zusammenhang mit einer erfolgreichen Ansiedlungsstrategie
für erneuerbare Energien sowie hohen Anstrengungen zur Systemintegration profiliert. Dreimal wurde das Bundesland dafür in den letzten Jahren mit dem Leitstern für Erneuerbare
95
Energien ausgezeichnet. In Sachsen gibt es hier jedoch noch Nachholbedarf. Insgesamt bleibt
der Ausbau der Windkraft weit hinter den Möglichkeiten zurück – nicht zuletzt weil die Landesregierung es versäumt hat, gezielt Hindernisse abzubauen. So gibt es – ähnlich der kürzlich
verabschiedeten 10H-Regelung in Bayern – eine Abstandsregelung zu Wohngebieten, die eine
96
Mindestentfernung vom 10-fachen der Höhe des Windrads festschreibt. Dazu hat Sachsen
letztes Jahr eine Änderung des sächsischen Straßengesetzes verabschiedet, die Abstandregeln
97
von Windrädern zu Straßen vorsieht.
Da die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auch weiterhin den Zubau von dezentralen Erzeugungsanlagen und Stromleitungen erfordert, ist die Unterstützung der Bevölkerung zentral. Wie aktuelle Umfragen zeigen, ist die gesellschaftliche
98
Akzeptanz dieser Projekte in Sachsen und Brandenburg aber vergleichsweise niedrig. Die
Energiewende ist oft negativ besetzt. Lausitzer kritisieren sowohl die „Verspargelung der Land99
schaft“ durch Windräder, als auch die unzureichende Beteiligung von Bürgern an Projekten.
Sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen sollten dem entgegengewirkt werden – beispielsweise durch öffentliche Kampagnen und die konkrete Beteiligung von Bürgern und Kommunen
am Ausbau der erneuerbaren Energien. Ansonsten könnte der künftige Zubau, den die Lausitz
auch aus strukturpolitischen Gesichtspunkten braucht, ins Stocken geraten.
Ein fairer Deal für Braunkohlearbeiter und die Lausitz
Durch Weichenstellungen im Bereich der Energie- und Klimapolitik auf Bundes- und EU-Ebene
wird mit der Lausitzer Braunkohleindustrie ein wichtiger und strukturprägender Wirtschaftszweig wegbrechen. Damit wird eine Region, die ohnehin schon mit strukturellen Problemen zu
kämpfen hat, zusätzlich belastet. Die Braunkohlereviere im Rheinland und in Mitteldeutschland stehen trotz unterschiedlichen Grundvoraussetzungen angesichts der deutschen und
europäischen Klimapolitik vor ähnlichen Herausforderungen.
Angesichts dieser Lage ist gezielte staatliche Unterstützung unerlässlich, um den Übergang in
die Zeit nach der Braunkohle fair und sozial verträglich zu gestalten. Dieser Gedanke war nicht
Bestandteil der Debatte um den Klimabeitrag und kommt auch im Kontext der Klimareserve
nicht vor. Während die Politik bereit ist, die Energieversorger als Gegenleistung für das Abschalten einiger Kraftwerksblöcke massiv zu unterstützen, wurde eine finanzielle Unterstützung der betroffenen Arbeiter und Regionen nicht einmal ernsthaft diskutiert.
Um einen geordneten Strukturwandel sicherzustellen, sollten öffentliche Fördermittel auf der
Grundlage sorgsam erarbeiteter Pläne für einen gemanagten Strukturwandel gezielt eingesetzt
werden, um zwei Ziele zu erreichen. Erstens muss den Braunkohlebeschäftigten ein „fairer
95
Brandenburger Hattrick: Zum dritten Mal „Leitstern“, Pressemitteilung des Landes Brandenburg
96
AEE (2014) Bundesländer-Vergleichsstudie zu Erneuerbaren Energien 2014
97
Straßengesetz für den Freistaat Sachsen
98
AEE (2014) Bundesländer-Vergleichsstudie zu Erneuerbaren Energien 2014
99
Schimdt (2012) ECF Voruntersuchung: Plan A für die Lausitz
23
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Deal“ angeboten werden. Zweitens muss die Lausitz – zusammen mit Deutschlands anderen
Braunkohlerevieren – strukturpolitisch abgesichert und gefördert werden.
Zum Erreichen des ersten Ziels kann sich die deutsche Politik auf das erprobte Instrumentarium berufen, welches bereits zur Abwicklung des Steinkohlebergbaus und im Zuge des Zusammenbruchs der ostdeutschen Braunkohleindustrie nach der Wiedervereinigung eingesetzt
wurde. Während dabei sicherlich viele Fehler gemacht wurden und man in den betroffenen
Regionen noch immer mit den Folgen dieser Abwicklung zu kämpfen hat, lassen sich doch
erfolgversprechende Instrumente identifizieren. Zumindest war die Politik handlungsfähig.
Eine Einigung über das zu verwendende Maßnahmenpaket sollte so früh wie möglich erreicht
werden – bevor Braunkohlearbeitsplätze im großen Stil wegbrechen.
Ein erster denkbarer Ansatz ist hier beispielsweise die Zahlung eines Anpassungsgeldes nach
Ausscheiden aus dem Beruf. Eine solche Regelung gibt es bereits für Steinkohlearbeiter, die ab
dem 50. Lebensjahr nach Arbeitsplatzverlust durch Stillegungs- oder Rationalisierungsmaßnahmen eine finanzielle Unterstützung für 5 Jahre beantragen können. Durchschnittlich beläuft sich das Anpassungsgeld auf €13.500 pro Jahr. Insgesamt veranschlagt die Regierung,
100
dieses Jahr Anpassungsgelder in Höhe von €116 Mio. zu zahlen. Begründet wird das Anpassungsgeld mit der Notwendigkeit der sozialverträglichen Beendigung des Steinkohleberg101
baus. Obwohl sich dieser Ansatz auch in der Braunkohleindustrie anwenden ließe, gibt es
bisher keine solche Regelung für Braunkohlearbeiter. Wie auch bei den weiteren hier aufgeführten Maßnahmen können die sozialen und im Einzelfall auch psychologischen Folgen eines
Arbeitsplatzverlustes so selbstverständlich nicht aufgefangen werden – aber es wäre der Alternative vorzuziehen.
Eine ähnliche Maßnahme wäre eine flächendeckende Frühverrentung – etwa ab 55 Jahren –
wie sie Braunkohlebeschäftigten nach der Wende angeboten wurde. Aktuell sind etwa 70%
der im der deutschen Braunkohlebergbau Beschäftigten bereits älter als 45 Jahre. 23% sind
102
über 55 Jahre. Eine Frühverrentung kann also einen wesentlichen Betrag zur Abfederung des
zu erwartenden Beschäftigungsverlustes leisten.
Dies könnte durch Sozialpläne flankiert werden, die den verbleibenden Beschäftigten ein
schrittweises Aussteigen aus der Braunkohle ermöglichen. Durch Kurz- und Teilarbeitslösungen
könnte beispielsweise sichergestellt werden, dass ein großer Teil der Arbeitnehmer übergangsweise weniger arbeiten anstatt abrupt auszuscheiden. Dies ist freilich nur mit Beteiligung
des betreibenden Unternehmens sowie deren Betriebsräten und Gewerkschaften möglich. Da
noch unklar ist, an wen Vattenfall seinen Braunkohlebesitz in der Lausitz verkaufen wird, ist
noch nicht abzusehen, wie die Chancen für ein solches Arrangement stehen.
Gleichzeitig sollte insbesondere den jüngeren Braunkohlebeschäftigten durch hochqualitative
Fortbildungen und Vermittlungsdienstleistungen die Möglichkeit geboten werden, in andere
Berufsfelder zu wechseln. Das Weiterbildungsangebot muss in der Lausitz ohnehin gestärkt
100
Bundesfinanzministerium (2015) 25. Subventionsbericht
101
Der Steinkohlebergbau ist in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig und wird nur noch durch hohe Subventionen am
Leben gehalten, die 2018 auslaufen.
102
24
Statistik der Kohlenwirtschaft, Stand 2014
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Hier ist einerseits eine entsprechende
Förderung der Arbeitsagenturen gefragt. Zur Bewältigung des Braunkohleausstiegs werden
kurzfristig jedoch außerordentliche Anstrengungen vonnöten sein, da Standortschließungen in
der Regel beträchtliche Beschäftigungseinbrüche nach sich ziehen. Insbesondere mit der Stilllegung von Jänschwalde wird es zu hohen regionalen Beschäftigungsverlusten innerhalb eines
kurzen Zeitraums kommen.
Während der Bevölkerungsschwund und der damit einhergehende Fachkräftemangel für die
Lausitz als ganzes ein großes Problem darstellen, können sie in diesem konkreten Fall auch als
Chance gesehen werden. Der generelle Fachkräftemangel schafft relativ gute Perspektiven für
Braunkohlebeschäftigte, die nach dem Ausscheiden weiterhin in der Lausitz arbeiten wollen.
Fortbildungen sind daher nicht nur im Bereich erneuerbare Energien und verwandte Industriezweige interessant. Wie die oben erwähnte Studie des ifo Instituts darlegt, wird es in Zukunft
auch immer wichtiger sein, Führungs- und Fachkräftelücken in anderen Branchen zu schließen,
damit bestehende Unternehmen nicht abwandern.
Gezielte Förderung ist auch zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur in der Lausitz nötig. Für die
Region als Ganzes sind bessere Ausbildungsmöglichkeiten, eine nachhaltige Wirtschaftsförderung und die Verbesserung von Standortfaktoren von essentieller Bedeutung, um der Abwanderung entgegenzuwirken und den Tourismus zu stärken. Aktuell stehen die Lausitzer Kommunen allerdings vor akuten finanziellen Herausforderungen. Sah die Haushaltssituation Anfang 2015 in den meisten Lausitzer Kommunen noch gut aus, forderte der Vattenfall-Konzern
im August 2015 überraschend alle für 2014 gezahlten Gewerbesteuern zurück und kündigte
eine Halbierung der Steuerzahlungen für 2015 an. Grund dafür ist die sinkende Profitabilität
der Braunkohle, die eine massive Abwertung von Vattenfalls Braunkohlesparte von €5 Mrd.
103
auf €3 Mrd. nach sich zog. Das Resultat sind Rückforderungen in zweistelliger Millionenhöhe, die 2016 anfallen, während gleichzeitig die für 2015 erwarteten Steuereinnahmen sinken. Aufgrund der niedrigen Strompreise ist in den kommenden Jahren nicht damit zu rechnen, dass sich dieser Trend umkehrt.
Dies hat teils gravierende Auswirkungen auf die Haushalte der Kommunen. Während in Cottbus Ausfälle in Höhe von 3% der Jahreseinnahmen erwartet werden, sind es in Spremberg
104
rund ein Drittel. In den Kommunen stehen viele Projekte, die für die weitere Entwicklung
von zentraler Bedeutung sind, jetzt auf der Kippe – so beispielsweise Kindertagesstätten,
105
Schulrenovierungen und Sport- und Freizeitangebote. Dazu werden die Einnahmen der
Kommunen aus dem Solidarpakt II weiterhin abnehmen, da sie degressiv ausgestaltet sind und
bis 2019 auslaufen. Auch Einnahmen aus der Strukturförderung von Bundes- und EU-Ebene
sind rückläufig.
Vor dem Hintergrund dieser wachsenden Finanzierungslücke sollten zunächst bestehende
Finanzierungsinstrumente voll genutzt werden. Hier gibt es Möglichkeiten durch die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) von Bund und Län103
RBB Online (2015) Vattenfall fordert Gewerbesteuer-Millionen zurück, 11.08.2015
104
Ibid.
105
Lausitzer Rundschau (2015) Herber Schlag durch verfehlte Energiepolitik, 12.08.2015, Sächsische Zeitung (2015) Vattenfall-Kommunen müssen Gürtel enger schnallen, 13.08.2015
25
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
dern sowie der Europäischen Strukturförderung, insbesondere durch den Europäischen Fonds
für Regionale Entwicklung (EFRE). In diesem Rahmen wird einerseits gewerbliche Wirtschaftsförderung betrieben, andererseits wirtschaftsnahe Infrastruktur finanziert. So wird beispielsweise das Wachstumsprogramm der Investitionsbank des Landes Brandenburg aus GRW106
Mitteln finanziert.
GRW und EFRE werden integriert verwaltet. Ganz Brandenburg und Sachsen sind hierbei als
107
besonders förderfähig klassifiziert. Dies gilt zunächst bis 2020. Die Wirtschaftsförderung ist
hierbei gestaffelt, so dass kleine und mittlere Unternehmen anteilig stärker gefördert werden.
Ab 2018 sinkt der Fördersatz von GRW-Projekten für kleine Unternehmen jedoch von 35% auf
30% und für mittlere Unternehmen von 25% auf 20%. Als Grenzgebiete erhalten die Landkreise Spree-Neiße, Cottbus und Görlitz zusätzlich einen Grenzzuschlag, der bewirkt, dass die Förderanteile 5% höher sind und nach 2018 nicht abfallen.
Wie Abbildung 4 zeigt, sind die Strukturfördermittel von Seiten der Bundesregierung und der
EU jedoch seit den 90er Jahren stark rückläufig. Es sind die neuen Bundesländer abgebildet,
auf die knapp 90% dieser Fördermittel verteilt wurden. Insgesamt hat Brandenburg seit 1991
108
knapp €11 Mrd. (18%) davon erhalten und Sachsen €17,3 Mrd. (28%). Die Pro-Kopf109
Verteilung dieser Mittel auf die neuen Bundesländer ist dabei aber relativ ausgeglichen.
2014 erhielt Brandenburg schätzungsweise Fördergelder in Höhe von €194 Mio. und Sachsen
110
€305 Mio. an Fördergeldern.
Abb. 4: Bewilligte GRW- und EFRE-Mittel für Neue Bundesländer
106
Investitionsbank Brandenburg: GRW-G Wachstumsprogramm für kleine Unternehmen
107
BMWi Fördergebietskarte
108
Berechnungen auf Basis von BAFA-Daten
109
Ausgenommen ist hier Berlin, welches eine deutlich niedrigere pro-Kopf-Förderung erhält.
110
Berechnungen auf Basis von BAFA-Daten unter Annahme des Förderanteils der Bundesländer über die gesamte Periode
seit 1991 für die Förderung im Jahr 2014.
26
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Quelle: BAFA
Die letztendliche Projektauswahl und Aufteilung der Mittel auf die Landkreise wird allerdings
von den Landesregierungen bestimmt. Die genaue Aufteilung der Fördermittel auf einzelne
Landkreise ist dabei nicht transparent. Es gibt jedoch eine harte Konkurrenz um diese Mittel,
da auch zahlreiche andere Landkreise in Brandenburg und Sachsen als strukturschwach gelten.
Die Lausitzer Kommunen könnten vor diesem Hintergrund gegenüber den Landesregierungen
dafür eintreten, dass sie angesichts des kommenden Braunkohleausstiegs einer Zusatzbelastung ausgesetzt sind, die andere Kommunen nicht zu tragen haben, um einen größeren Teil
dieser Mittel für die Region zu sichern.
Experteninterviews zufolge betreibt Sachsen generell eine dezentralere Förderpolitik, die es
Akteuren vor Ort erlaubt, richtungsweisende Entscheidungen selbst zu treffen. In Brandenburg
hingegen ist die Mittelvergabe stärker monopolisiert, was zu einer fragmentierten Förderlandschaft mit tendenziell weniger interkommunaler Zusammenarbeit und Stakeholder-Beteiligung
111
führe. Um lokale Zusammenarbeit zu fördern und größtmögliche Angemessenheit für die
lokalen Bedürfnisse sicherzustellen, wäre es wünschenswert, auch den Brandenburger Kommunen eine größere lokale Eigenverantwortung in der Wirtschaftsförderung zu gewähren.
Zusätzlich zu diesen Mitteln wurden mit dem Investitionsplan des Bundesfinanzministers im
112
März 2015 Jahres weitere Mittel für die Kommunen in Aussicht gestellt. Zunächst wurde
eine einmalige Aufstockung der kommunalen Haushalte um €1,5 Mrd. für das Jahr 2017 verabschiedet, von dem die Lausitz anteilig profitieren wird. Zusätzlich wurde ein neuer Kommunalinvestitionsförderungsfonds eingerichtet, der 2015 bis 2018 €3,5 Mrd. für kommunale Investi113
tionen bereitstellen soll. Davon entfallen €108 Mio. auf Brandenburg und €156 auf Sachsen.
Während die GRW und EFRE-Mittel vorrangig der Förderung von Wirtschaft und wirtschaftnaher Infrastruktur zu Gute kommen, soll der neue Fonds diverse Infrastrukturvorhaben von
öffentlichem Interesse in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Verkehr und Stadtentwicklung
finanzieren. Beides brauchen Lausitzer Kommunen dringend.
Auch der Europäische Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), der von der Europäischen
Kommission unter Jean-Claude Juncker eingerichtet wurde, bietet die Chance auf zusätzliche
Mittel. Der EFSI soll europaweit über die nächsten 3 Jahre €315 Mrd. an Investitionen mobilisieren. Es ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar, ob es dabei Projektvorschläge aus der Lausitz
geben wird. Der EFSI vergibt Fördermittel als durch EU-Bürgschaft gedeckte Darlehen. Besonders interessant ist am EFSI, dass sich Kommunen direkt bei der Europäischen Investitionsbank
für Infrastrukturprojekte und beim Europäischen Investitionsfonds für KMU-Förderung bewerben können. Es ist nicht nötig, zuerst über die Landesregierung zu gehen, um EFSI-Gelder zu
erhalten. Die Innovationsregion Lausitz will unter anderem eine Liste von prioritären Infra114
strukturprojekten ausarbeiten, die in der Lausitz gefördert werden sollen. Das ist ein vielversprechender Ansatz, um EFSI-Gelder zur Unterstützung der Region zu mobilisieren.
111
Schimdt (2012) ECF Voruntersuchung: Plan A für die Lausitz
112
Bundesfinanzministerium (2015) Bundesregierung beschließt Eckwerte zum Bundeshaushalt 2016 und Finanzplan 20152019, 18.03.2015
113
Bundesfinanzministerium (2015) VERWALTUNGSVEREINBARUNG zur Durchführung des Gesetzes zur Förderung von
Investitionen finanzschwacher Kommunen
114
27
MDR Sachsen (2015) Was kommt nach Kohle? Lausitz startet gemeinsamen Strukturwandel, 3.10.2015
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Insgesamt werden die verfügbaren Mittel aber kaum ausreichen, um die Strukturbrüche nach
einem Braunkohleausstieg vollständig abzufedern. Hierzu werden zusätzliche Mittel von Bundesebene für die Förderung der regionalen Wirtschaft und Infrastruktur vonnöten sein. Das
Vorhaben einiger Lausitzer Kommunen, angesichts von Vattenfalls Steuerrückforderungen
115
Ausgleichzahlungen vom Bund einzufordern, setzt hier bereits die richtigen Signale. Auch
gab es von der Landesopposition in Brandenburg und Sachsen im Zuge der Debatte um den
Klimabeitrag bereits konkrete Vorschläge zur Abfederung des Braunkohleausstiegs. So hatten
116
die Grünen in Brandenburg einen Lausitzfonds und die LINKE in Sachsen einen Strukturwan117
delfonds vorgeschlagen. Es ist allerdings bemerkenswert, dass diese Vorschläge immer nur
aus der Opposition kommen. Die Regierungsparteien in Brandenburg (SPD/LINKE) und Sachsen
(CDU/SPD) scheinen noch nicht bereit, den Strukturwandel legislativ zu begleiten.
Die Überarbeitung der brandenburgischen Energiestrategie, die für dieses Jahr ansteht, bietet
hier eine Chance, eine Diskussion über politische Maßnahmen zur Begleitung des Braunkohleausstiegs auf landespolitischer Ebene erneut anzustoßen. Nach einer Evaluation der bisherigen
Maßnahmen soll die Energiestrategie 2030 in der zweiten Jahreshälfte 2016 betroffenen
Gruppen zur Konsultation vorgelegt werden. Dies soll in einen Maßnahmenkatalog münden,
der bis Ende 2016 der breiten Öffentlichkeit vorgestellt wird. Hier wird vor allem richtungsweisend sein, wie sich die Strategie bezüglich der Zukunft des Kraftwerks Jänschwalde positioniert
und ob ein geordneter Strukturwandel Teil der Diskussion ist.
Idealerweise sollte außerdem die Bundesregierung in die Verantwortung genommen werden,
drohende Strukturbrüche und soziale Verwerfungen durch die Energiewende abzufedern. Hier
ist beispielsweise eine Art „Ausstiegsfonds“ denkbar, der die Braunkohleregionen für die Stilllegung von Kraftwerken und Tagebauen entschädigt. Eine solche Förderung sollte über mehrere Jahre angelegt sein. Aus Gerechtigkeitsaspekten sollte ihre Höhe an der spezifischen Bedeutung der Braunkohleindustrie für Beschäftigung, Wertschöpfung und die kommunalen Haushalte bemessen werden.
Diese vorgeschlagenen Abfederungsmaßnahmen für Braunkohlearbeiter und die Lausitz werden aller Voraussicht nach kostspielig. Allerdings erwirtschaftet der deutsche Staat dank der
guten Konjunktur gerade erhebliche Überschüsse. Nach dem ersten Halbjahr 2015 beträgt der
118
Überschuss des Staatshaushalts bereits €21,1 Mrd. Auch 2014 gab es bereits einen Überschuss. Finanzierungsmöglichkeiten sind also vorhanden. Allerdings kommen durch die aktuellen Flüchtlingsströme erhebliche Zusatzbelastungen auf den Staatshaushalt zu, die die Möglichkeiten einer sozialen Abfederung des Braunkohleausstiegs einschränken könnten.
Eine weitere mögliche Finanzierungsquelle stellen Erlöse aus der Versteigerung von ETSZertifikaten dar. Der im Juni vorgelegt Gesetzesentwurf der Kommission schlägt hier explizit
vor, dass diese Gelder „in sozialpolitische Maßnahmen fließen, um Unternehmen, Arbeitnehmern und Verbrauchern den gerechten und fairen Übergang zu einer CO 2-armen Wirtschaft zu
115
Lausitzer Rundschau (2015) Herber Schlag durch verfehlte Energiepolitik, 12.08.2015
116
Landesregierung muss Auslaufen der Braunkohleverstromung abfedern - Bündnisgrüne für Einrichtung eines Lausitzfonds, Pressemitteillung der Grünen Fraktion im Brandenburger Landtag vom 28.04.2015
117
LINKE mit Gesetzentwurf zum Strukturwandel, Pressemitteilung der LINKE-Fraktion im Sächsischen Landtag vom
19.05.2015
118
28
Spiegel Online (2015) Staatshaushalt: Deutschland erzielt Milliardenüberschuss, 25.08.2015
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
119
erleichtern“. Jedoch gibt es von der Bundesregierung bisher noch keine Initiative zu einer
solchen Zweckbindung von ETS-Mitteln.
Wenn der Bund jahrzehntelang Steinkohlesubventionen zahlen konnte, die sich zuletzt im Jahr
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2014 auf über €1Mrd. beliefen, sollte jedenfalls grundsätzlich auch eine soziale Abfederung
des Braunkohleausstiegs möglich sein. Es handelt sich also nicht um eine Frage der Machbarkeit, sondern um eine Frage des politischen Willens.
Vattenfalls Pläne zum Verkauf der Braunkohlesparte
Um Maßgaben der schwedischen Regierung gerecht zu werden, muss das Staatsunternehmen
Vattenfall seine CO2-Bilanz verbessern. Da 72% der gesamten Emissionen des Konzerns allein
aus dem Braunkohlegeschäft stammen, ist der Verkauf aus dieser Perspektive ein sinnvoller
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Schritt. Es ist allerdings noch nicht absehbar, welche Auswirkungen das auf die betroffene
Region haben wird. Laut Medienberichten haben bisher die tschechischen Unternehmen EPH,
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ČEZ und Czech Coal sowie die Steag eine Interessensbekundung eingereicht.
EPH will das Geschäft über die MIBRAG abwickeln, die ihr bereits gehört. Allerdings wird gegen MIBRAG-Chef Joachim Geisler aktuell wegen Unregelmäßigkeiten beim Kauf der MIBRAG
2009 durch ČEZ /EPH ermittelt, was das Angebot von EPH durchaus behindern könnte, da
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Geisler führender Stelle beteiligt war. Auch Finanzinvestoren wie KKR oder Blackstone sollen
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laut Nachrichtenagentur Reuters ein Auge auf das Geschäft geworfen haben. Ursprünglich
war auch ein Kauf durch das Land Brandenburg im Gespräch, aber davon ist heute nicht mehr
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die Rede.
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Am 22. September 2015 hat Vattenfall potenzielle Bieter eingeladen Angebote abzugeben.
Der Verkaufsprozess soll Anfang 2016 abgeschlossen sein. Brancheninsider rechnen mit einem
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letztlichen Kaufpreis von €2-3 Mrd. für die Braunkohlesparte. Gleichzeitig erwirbt der Käufer
das Recht zur Teilnahme an der Klimareserve. Vattenfall verkauft die Braunkohlesparte zusammen mit zehn Wasserkraftwerken in Ostdeutschland. Vor dem Hintergrund der kürzlich
beschlossenen Abwertung der Braunkohleflotte ist das als Schritt zu werten, das Angebot für
potenzielle Investoren attraktiver zu machen.
Für die Lausitz ist hierbei essentiell, dass das Nachfolgeunternehmen Vattenfalls sich auch der
sozialen Dimension und strukturpolitischen Bedeutung der Braunkohlewirtschaft bewusst ist
und entsprechend verantwortlich handelt. Insbesondere muss der Käufer die Spielregeln der
Sozialpartnerschaft würdigen. Dies ist vor allem entscheidend, da eine Kooperation des Betrei119
Fragen und Antworten zum Vorschlag für eine Revision des Emissionshandelssystems der EU (EU-EHS), Pressemitteilung
der Europäischen Kommission vom 15.06.2015
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Bundesfinanzministerium (2015) 25. Subventionsbericht
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Vattenfall (2013): A New Energy Landscape: Sustainability Performance Report 2012 according to GRI
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Czech.cz (2015) Czech Coal joins suitors for Vattenfall’s German power assets, 6.11.2015
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WAZ (2015) Steag erwägt Übernahme von Vattenfalls Braunkohlegeschäft, 11.11.2015
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Mitteldeutsche Zeitung (2015) Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen Geschäftsführer Geisler, 15.10.2015
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RP Online (2015) Steag an ostdeutscher Braunkohle interessiert, 17.02.2015
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DIW (2014) Braunkohleausstieg – Gestaltungsoptionen im Rahmen der Energiewende, Politikberatung Kompakt 84
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Vattenfall (2015) Vattenfall kündigt nächsten Schritt im Braunkohle-Verkaufsprozess an, Pressemitteilung 22.09.2015
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Boomberg (2015) Greenpeace says can find cash to buy Vattenfall coal assets, 6 October 2015
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Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
bers der Tagebaue und Kraftwerke unerlässlich ist, um den Braunkohleausstieg sozial verträglich zu gestalten. Gerade bei internationalen Finanzinvestoren, oder den Energieversorgern
EPH/ČEZ sowie Czech Coal besteht aber die Gefahr, dass das Wohl der Lausitz schlicht kein
Faktor in der Unternehmensstrategie sein wird.
Die EPH hatte schon frühzeitig Interesse bekundet und gilt momentan als Favorit. 2009 hatte
die EPH bereits zusammen mit ČEZ die MIBRAG und die damit verbundenen mitteldeutschen
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Tagebaue und Braunkohlekraftwerke gekauft. 2012 hat EPH dann die Anteile der ČEZ übernommen. Die Unternehmenspolitik der EPH/ČEZ gibt einen Ausblick darauf, was der Lausitz
unter einer EPH-geführten Braunkohleindustrie bevorstehen könnte.
Die Geschäftspraxis der beiden Unternehmen lässt sich am besten als kurzfristige Gewinnmaximierung im Stil internationaler Finanzinvestoren charakterisieren. So sind seit Erwerb der
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MIBRAG 2009 etwa €415 Mio. an die Finanzinvestoren der Muttergesellschaft abgeflossen.
Damit wurde der ursprüngliche Verkaufspreis von €400 Mio. innerhalb von nur 6 Jahren wieder eingespielt. Selbst 2010, als die MIBRAG Verluste von €135 Mio. auswies, wurden noch
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€70 Mio. an EPH und ČEZ abgeführt. 2013 betrug der Mittelabfluss ganze 19% des Umsatzes.
Die EPH verspricht zwar, bei den Rückstellungen für ökologische Altlasten und andere berg132
baubedingte Verpflichtungen keine Abstriche zu machen. Die genauen Folgen dieses außerordentlich starken Mittelabflusses sind auch noch nicht abschätzbar, aber es wäre äußerst
erstaunlich, wenn er keine negativen Konsequenzen für die Wirtschaftsstruktur und Rekultivierungsbestrebungen im mitteldeutschen Revierhätte.
Eine weitere kontroverse Geschäftspraxis der tschechischen Unternehmen ist der Braunkohl133
export aus deutschen Tagebauen an tschechische Kraftwerke über hunderte Kilometer. Rein
ökonomisch ist das fragwürdig, da sich der Transport von Braunkohle über lange Strecken
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aufgrund des niedrigen Energiegehalts in der Regel nicht lohnt. Das Ziel von EPH ist es vermutlich, mit dem Export tschechische Regulierungen zu umgehen, die Tagebauerweiterungen
im Böhmischen Revier verbieten. Dies führt zu einer schnellen Auskohlung des Tagebaus. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mit Unterstützung der Landesregierungen von Sachsen
und Sachsen-Anhalt bestehende Tagebaue erweitert oder sogar der geplante Tagebau Lützen
neu erschlossen werden könnte. Damit wären weitere Umsiedlungen und Naturschäden verbunden.
Bei einem Kauf von Vattenfalls Braunkohlesparte durch die EPH oder ČEZ ist also mit einem
starken Mittelabfluss aus der Region sowie gegebenenfalls einer Belieferung tschechischer
Braunkohlekraftwerke aus den Lausitzer Tagebauen zu rechnen. Generell ist von potentiellen
Käufern eine kurzfristige Gewinnmaximierungsstrategie zu erwarten. Da völlig klar ist, in wel129
Mit Ausnahme des Kraftwerks Lippendorf, welches immer noch Vattenfall gehört.
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Schroeter (2015) Mibrags später Geschäftsbericht belegt starken Kapitalabfluss
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Schroeter (2015) Mibrags fragwürdige Finanzströme
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Schroeter (2015) Mibrags später Geschäftsbericht belegt starken Kapitalabfluss
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Schroeter (2015) Tschechischer Mibrag-Eigentümer bekräftigt Kohleexport-Stopp
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VDI Nachrichten (2013) Tschechen setzen auf ostdeutsche Braunkohle, 20.09.2013
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Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
che Richtung die politischen Signale und die Strompreisentwicklung in Deutschland gehen, ist
das Zeitfenster, in dem mit Braunkohle noch Geld verdient werden kann, sehr klein.
Aufgrund der grenzwertigen Profitabilität vieler der Blöcke im Vattenfall-Portfolio sind auch
radikale Einsparungen durch den zukünftigen Käufer nicht auszuschließen. Das könnte auch
auf Entlassungen oder sogar die Stilllegung einzelner Blöcke hinauslaufen. Zumindest ist zu
erwarten, dass soziale Projekte in den Bereichen Bildung, Sport und Freizeit, in denen sich
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Vattenfall immer stark engagiert hat, eingestellt werden. Auch bei den Rekultivierungsmaßnahmen wird vermutlich gespart werden. Dass ein potenzieller Käufer Interesse an einer sozialen Abfederung von eventuellen Arbeitsplatzverlusten hätte, ist nicht abzusehen.
Derzeit steht jedoch nicht fest, ob es überhaupt zum Verkauf kommt – selbst, wenn sich ein
Käufer findet. Das Thema wird in Schweden durchaus kontrovers diskutiert, da der Konzern im
Endeffekt in der Hand der schwedischen Steuerzahler ist. Vattenfalls Braunkohlesparte verur136
sacht insgesamt mehr CO2-Emissionen als ganz Schweden. Daher wird es sowohl von der
oppositionellen Linken als auch von Greenpeace als unverantwortlich kritisiert, die Kraftwerke
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von einem anderen Unternehmen weiter betreiben zu lassen. Gefordert wird stattdessen
ein schrittweiser Braunkohleausstieg durch Vattenfall.
Während die Sozialdemokratische Partei auf den Verkauf drängt, ist die Grüne Partei, ihr Koalitionspartner, hinsichtlich dieser Frage intern gespalten. Vor der Regierungsbeteiligung hatten
sich die Grünen noch gegen einen Verkauf ausgesprochen. Jetzt machen sie ihre Zustimmung
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zum Verkauf davon abhängig, dass er einen „konkreten Nutzen für das Klima“ bringt. Dies
wäre nicht gegeben, wenn der Käufer bei minimalem Kapitaleinsatz das Maximum aus der
Braunkohlesparte holen will. Es ist also zu erwarten, dass Vattenfall konkrete umwelt- und
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sozialpolitische Vorgaben an den Verkauf knüpft. Ob die bisherigen Kaufinteressenten solche Auflagen akzeptieren würden, ist unklar. Die Entscheidung Vattenfalls, eine Anzeige für
den Verkauf der Braunkohlesparte in der Financial Times zu schalten, zeigt, dass das Unternehmen noch nach weiteren Kaufinteressenten sucht.
Wenn Vattenfall komplett ohne weitere Auflagen verkauft, könnte das wiederum zum politischen Eklat in Schweden führen. Es steht noch dieses Jahr eine parlamentarische Anhörung zu
dem Thema an, wo sich Widerstand gegen den Verkauf erneut mehren könnte. Es lohnt sich
also für Landes- und Kommunalpolitiker, Druck auf den politischen Prozess in Schweden auszuüben. Hierbei könnte es sich über den Brief der Ministerpräsidenten Tillich und Woidke an
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das Schwedische Parlament im März hinaus lohnen, direkten Kontakt mit der Opposition
aufzunehmen. Für zivilgesellschaftliche Gruppen, die dem Verkauf entgegenwirken wollen,
bietet sich eine Zusammenarbeit mit schwedischen Umweltorganisationen an.
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Siehe http://corporate.vattenfall.de/uber-uns/engagement-regionales/lausitz/ und Prognos (2011) Bedeutung der
Braunkohle in Ostdeutschland
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National Inventory Report Sweden
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Radio Sweden (2015) Vattenfall to sell off German coal operations, 22.09.2015; Radio Sweden (2015) Vattenfall wants to
sell off brown coal operations, 9.04.2015
138
Sweden's Vattenfall starts German sales, The Local, 22.09.2015. Eigene Übersetzung des Zitats.
139
Sweden (2015) Vattenfall to sell off German coal operations, 22.09.2015
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MDR Sachsen (2015): Tillich und Woidke schreiben neuen Bittbrief nach Schweden, 12.03.2015
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Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Die Lausitz braucht den Kohlekonsens
Das Schicksal der Lausitz ist trotz der dramatischen Entwicklungen aber noch weitgehend offen. Damit der Braunkohleausstieg nicht als abrupter und radikaler Strukturbruch erfolgt, muss
der Region ein fairer Deal von der Bundesregierung angeboten werden. Außerdem müssen
rechtzeitig und unter Beteiligung der Betroffenen Visionen und Pläne für die Zeit nach der
Braunkohle entwickelt werden.
Das größte Hindernis zur Erreichung dieser Ziele ist die politische Spaltung der Region in Kohlegegner und –befürworter. Das begrenzt die Möglichkeiten der Lausitz für politische Einflussnahme auf Bundes- und Länderebene. Der vermeintliche Gegensatz zwischen wirtschaftlicher
Entwicklung und ökologischer Nachhaltigkeit scheint unüberwindbar. Dabei wird von vielen
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Beteiligten bedauert, dass die Diskussion so konfrontativ geführt wird. Auf beiden Seiten
wünscht man sich einen respektvollen Dialog – aber die Realität sieht anders aus. Dabei ließe
sich gemeinsam so viel mehr erreichen.
Braunkohlebefürwortern geht es vor allem um die wirtschaftlichen Perspektiven der Lausitz.
Sie sollten also ein genuines Interesse daran haben, einen fairen Deal für die Lausitz gegenüber
dem Bund auszuhandeln. Sobald sich die Braunkohle aber nicht mehr rechnet, verlieren
Braunkohlebefürworter, inklusive die Beschäftigten, ein wichtiges Druckmittel. Solange die
Braunkohle noch Gewinn macht, ließen sich hingegen im Gegenzug für Kooperation bei der
Energiewende Konzessionen der Politik aushandeln. Nach dem Scheitern der Klimaabgabe gibt
es ein verstärktes Interesse an einem geordneten Strukturwandel. In einem Jahr kann das
schon wieder anders aussehen. Wartet man ab, bis sich die Profitabilität der Braunkohle noch
weiter verschlechtert, wird man sich in der ungünstigen Situation befinden, aus einer Position
der Schwäche heraus verhandeln zu müssen.
Das potenzielle Ausscheiden von Vattenfall als politischem Player verschiebt das Machtgefüge
in der Region und eröffnet auch für ökologisch motivierte Gruppen eine strategische Chance.
Ob ein eventuelles Nachfolgeunternehmen im gleichen Maße das Ohr der Politik haben wird,
oder es überhaupt auf Einfluss in der Lokalpolitik anlegt, ist fraglich. In jedem Fall ist der politische Einfluss Vattenfalls geschwächt, solange das Unternehmen einen Verkauf anstrebt. Damit wird die Koalition der Braunkohlebefürworter in der Region geschwächt, da Vattenfall
bislang einen entscheidenden Einfluss auf die Kommunal- und Landespolitik hat. Zudem haben
die Steuerrückforderungen von Vattenfall die Vorstellung von der Braunkohle als uneingeschränktem wirtschaftlichen Erfolgsrezept in Frage gestellt. Unter diesen Bedingungen könnte
eine Zusammenarbeit von Braunkohlegegnern und –befürwortern interessant werden.
Der Druck der Ereignisse schafft also günstige Bedingungen für einen Kohlekonsens auf Basis
der Erkenntnis, dass zumindest der Beginn des Braunkohleausstiegs in der Region in greifbare
Nähe gerückt ist. Auch ist nicht ersichtlich, wie ohne eine Kooperation dieser beiden grundlegenden Teile der Lausitzer Zivilgesellschaft eine Zukunftsvision für die Lausitz entwickelt werden kann, die auf breite Akzeptanz in der Bevölkerung trifft.
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Schmidt (2012) ECF Voruntersuchung: Plan A für die Lausitz
Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?
Einerseits ist also ein Schulterschluss innerhalb der Lausitz geboten. Andererseits sollte auch
eine Vernetzung und ein gemeinsames politisches Auftreten aller deutschen Braunkohleregionen – von der Lausitz über Mitteldeutschland bis zum Rheinischen Revier – angestoßen werden. Die Energiewende stellt sie alle vor die gleiche Herausforderung. Wenn sie zusammen in
der öffentlichen Debatte auftreten und gemeinsam Lösungen fordern, können sie sehr viel
leichter politischen Einfluss geltend machen als allein.
Das Ergebnis der aktuellen politischen Gemengelage ist, den Braunkohleausstieg auf die lange
Bank zu schieben und sich einer ernsthaften Diskussion über Alternativen zu verweigern. Die
Diskussion über den Klimabeitrag hat gezeigt, wem das im Endeffekt nützt: den Energieversorgern, die jetzt aus Steuergeldern bezahlt werden, um Kraftwerke abzuschalten, die ohnehin in
wenigen Jahren vom Netz gegangen wären. Beschäftigten im Sektor bleibt ihr Job zwar gegebenenfalls noch ein paar Jahre länger erhalten – aber sie sehen keinen Euro. Landes- und
Kommunalpolitikern bleibt ein Strukturbruch in ihrer Legislaturperiode erspart – aber die langfristigen Probleme bleiben ungelöst.
Die Grundlage für einen geordneten Strukturwandel muss geschaffen werden, bevor der
nächste Gesetzesvorschlag zur Reduzierung der Kohleemissionen vorliegt. Ansonsten ist zu
befürchten, dass keine nachhaltige Lösung erreicht werden kann und sich der Braunkohleausstieg als ungeordneter Strukturbruch abspielt. Ein Kohlekonsens, der zivilgesellschaftliche
Gruppen, Gewerkschaften, und Politiker in den betroffenen Regionen zusammenbringt, kann
den nötigen Impuls geben, dies zu erreichen. Politische Forderungen sind immer dann am
Schwersten zu ignorieren, wenn sie aus einem breiten Bündnis von unterschiedlichsten Akteuren artikuliert werden.
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Zukunftsperspektiven für die Lausitz – Was kommt nach der Kohle?